Chronische Myeloische Leukämie (CML)

Das wissenschaftliche Kommittee (Committee for Medicinal Products for Human Use, CHMP) der Europäischen Arzneimittelbehörde EMEA hat am 21.09.2006 eine Zulassungsempfehlung für Sprycel (Wirkstoff Dasatinib) ausgesprochen. Wenn die EU-Kommission diese Empfehlung annimmt, ist in nächster Zeit mit einer Zulassung in Europa für CML bei Glivec-Resistenz oder Glivec-Unverträglichkeit zu rechnen.

Die Zulassung wurde für Filmtabletten in den Dosierungen 20mg, 50mg und 70mg zur Behandlung von Philadelphia-positiver CML und ALL bei Erwachsenen mit Resistenz oder Unverträglichkeit von Glivec empfohlen. Sprycel hatte am 23.12.2005 den Status als "Orphan-Medikament" erhalten. Das von Brystol-Myers Squibb hergestellte Medikament hemmt die Aktivität der BCR-ABL-Tyrosinkinase, die Kinasen der SRC-Familie, sowie weitere onkogene Kinasen wie c-KIT, Ephrin-Rezeptor-Kinasen (EPH) oder den PDGF-Rezeptor. Patienten mit den genannten Resistenzen und Unverträglichkeiten auf Glivec hatten danach hämatologisch und zytogenetisch auf Dasatinib angesprochen. Die häufigsten nicht-hämatologischen Nebenwirkungen waren Magen-Darm-Beschwerden (Durchfall, Übelkeit, Erbrechen), Flüssigkeitseinlagerungen (periphere Ödeme, Lungenödem), Kopfschmerzen und Müdigkeit.

Das CHMP stellte unter Beachtung von Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit der Daten fest, dass ein positive Nutzen-Risiko-Abschätzung für Sprycel existiere und daher die Marktzulassung empfehle. Die für die Marktzulassung verantwortliche EU-Kommission ist an die Empfehlungen des CHMP nicht gebunden, folgt dieser aber in der Regel binnen 67 Tagen nach Abgabe der Empfehlung.

Quelle: CHMP-Mitteilung der Europ. Zulassungsbehörde EMEA vom 21.09.2006 (englisch, PDF). 

Zusammenfassung durch Jan, ohne Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit.
Imatinibmesylat (Handelsname Glivec) hemmt Tyrosinkinasen und wird als Standardtherapie bei CML sowie bei gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) eingesetzt. Die Autoren einer Studie mit 63 Patienten berichten über eine unerwünschte Wirkung des Medikaments, die bislang in der Gebrauchsinformation nicht erwähnt wird, nämlich eine Hypophosphatämie als Ausdruck einer Störung im Knochenstoffwechsel. 

Von 63 retrospektiv und 14 prospektiv evaluierten Patienten wiesen zeitweise 51 Prozent erniedrigte Serumphosphatwerte auf. Erhöhte Parathormonspiegel und ein erniedrigtes Serumkalzium sprechen für eine durch Imatinib induzierte Knochenbildungs- und resorptionsstörung, wahrscheinlich infolge einer Hemmung des PDGF-Rezeptors. Sollten sich die Ergebnisse der Autoren in weiteren Studien bestätigen, so empfehlen sie, bei Patienten unter einer Imatinibtherapie die Serumphosphat- und Vitamin-D-Spiegel zu kontrollieren, um durch eine Phosphatsubstitution einer Osteoporose beziehungsweise Osteomalazie vorzubeugen.

Quellen: Weiterführende Informationen:
Charakteristisch für die Chronische Myeloische Leukämie (CML) und weitere Krebsformen des blutbildenden Systems ist, dass sich in den Zellen abnormale Fusionsproteine anhäufen, die aus zwei Teilen mit unterschiedlicher Funktion bestehen. Eine dieser Funktionen ist bereits bekannt: Es handelt sich um Tyrosinkinasen, zentrale Schalter, die andere Proteine aktivieren oder stilllegen können. Inwiefern der zweite Teil des chimären Proteins die Krebsentstehung fördert, will nun Professor Alwin Krämer, Leiter der Klinischen Kooperationseinheit Hämatologie/Onkologie im Deutschen Krebsforschungszentrum, herausfinden. Die Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung e. V., die sich für die Bekämpfung von Leukämie und anderen Bluterkrankungen einsetzt, fördert dieses Projekt mit 153.700 Euro.

Ursache für die Entstehung von Fusionsproteinen sind Chromosomenveränderungen, so genannte Translokationen, bei denen es zum Austausch von größeren Erbgutabschnitten zwischen zwei verschiedenen (nicht homologen) Chromosomen kommt. Durch die Neukombination der genetischen Bauanleitung entsteht ein Produkt mit einer neuen Funktion. Am bekanntesten ist das mit der CML assoziierte Philadelphia-Chromosom, das durch eine Translokation zwischen den Chromosomen 9 und 22 entsteht. Mittlerweile kennt man eine ganze Reihe ähnlicher Translokationen, die zur Entartung von Knochenmarkzellen führen. Auffällig ist, dass es sich bei den Fusionspartnern der Tyrosinkinasen häufig um zentrosomale Proteine handelt. Das Zentrosom ist ein "Organ" der Zelle, das während der Zellteilung für den Aufbau des Spindelapparates und damit für die korrekte Verteilung der Chromosomen auf die Tochterzellen und die genetische Stabilität von Zellen verantwortlich ist.
Neueren Erkenntnissen zufolge dienen die Zentrosomen dabei quasi als "Hauptquartier" für die Führungsriege der Zelle, also die Proteine, die maßgeblich die Teilung und das Wachstum regulieren. Bekommen diese Kontrollinstanzen fälschlicherweise von den Tyrosinkinasen den "Marschbefehl", kann dies fatale Folgen haben: Die Zellen beginnen sich unkontrolliert zu teilen. Krämer und sein wissenschaftliches Team haben verschiedene gentechnisch veränderte Zelllinien entwickelt, mit denen sich überprüfen lässt, ob die Tyrosinkinasen am Zentrosom vor Ort sein müssen, um ihr Start- bzw. Stoppsignal weiterzugeben. Möglicherweise reicht es auch, wenn Tyrosinkinasen "aus der Ferne" ihre Anweisungen geben und auf diese Weise die Krebsentstehung fördern. Ziel des geplanten Projekts ist es außerdem, herauszufinden, wie sich Hemmstoffe der Tyrosinkinasen wie das Medikament Imatinib auf den Entartungsprozess auswirken.
Die Studie läuft über einen Zeitraum von drei Jahren. Mit ersten Ergebnissen ist etwa 2008 zu rechnen.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum hat die Aufgabe, die Mechanismen der Krebsentstehung systematisch zu untersuchen und Krebsrisikofaktoren zu erfassen. Die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung sollen zu neuen Ansätzen in Vorbeugung, Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen führen. Das Zentrum wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V.

Quelle: idw-Mitteilung vom 13.10.2006
Die EU hat das Medikament Sprycel (Wirkstoff Dasatinib) zur Behandlung von Patienten mit Ph-positiver CML und ALL, die unter Imatinib-Therapie eine Resistenz oder Unverträglichkeit entwickelt haben, zugelassen. Damit ist das Medikament laut dem Hersteller Bristol-Myers Squibb nun bereits in Österreich, Deutschland, Frankreich, Finnland, Schweden und Grossbritannien auf Rezept verfügbar. Andere Länder werden folgen, sobald in diesen die Preisverhandlungen und die Kostenübernahme der Krankenkassen abgeschlossen sind.

Die Zulassung der Europäischen Medikamentenzulassungsbehörde EMEA basiert auf Daten von fünf Phase-II-Studien bei CML und Ph+ALL Patienten, die Resistenz oder Intoleranz unter Imatinib-Therapie gezeigt hatten. Die Ergebnisse zeigten eine signifikante hämatologische und zytogenetische Effizienz sowie dauerhaftes Ansprechen auf. Auch die Nebenwirkungen waren vorhersehbar und behandelbar, darunter Magen-Darm-Beschwerden (Durchfall, Übelkeit, Erbrechen), Flüssigkeitseinlagerungen (periphere Ödeme, Lungenödem), Kopfschmerzen und Müdigkeit. Neutropenien wurden auch in allen Studien beobachtet, insbesondere bei Patienten in fortgeschrittenen Phasen der Erkrankung.

Analysten rechnen mit einem guten Markterfolg des Medikaments, das einen Umsatz von 500 Millionen US-Dollar pro Jahr erreichen könnte, insbesondere, wenn es gelänge, die zugelassenen Indikationen des Medikaments auf die Erstlinientherapie bei CML und Ph+ALL, oder andere Krebserkrankungen zu erweitern. Bristol-Myers Squibb gab an, das Medikament auch bei Brustkrebs, Prostatakrebs und Magen-Darm-Krebserkrankungen zu testen.

Quelle: CMLSupport.org.uk

Weiterführende Informationen:

SKI-606 ist ein oral einzunehmenender Src/Abl Tyrosinkinaseinhibitor, der sich im Reagenzglas 200mal aktiver als Imatinib zeigt. Anders als Dasatinib oder Imatinib zeigt er jedoch keine c-kit- or PDGFR-Hemmung, wodurch ein anderes Nebenwirkungsprofil zu erwarten ist. Im ersten Teil der kombinierten Phase I/II-Studie, die im Dezember auf der Hämatologentagung ASH in den USA vorgestellt wird, nahmen 18 Patienten teil, die eine Resistenz gegen Imatinib entwickelt hatten. Das Medikament wurde gut vertragen und zeigt klinische Aktivität bei Imatinib-Resistenz, eine Phase-II-Studie ist auf Basis der guten Phase-I-Daten nun gestartet.

Einer der 18 Patienten zeigte während der Studie eine Progression, während 17 noch heute in Behandlung sind. Nebenwirkungen waren Durchfall (87%), Übelkeit (33%), Erbrechen (20%), Unterleibsschmerzen (13%), Hautausschlag (13%), Kraftlosigkeit (13%), and erhöhte Leberwerte (7%). 5 Patienten mußten die Dosis wegen Nebenwirkungen verringern. Keine Thoraxergüsse oder Lungenödeme wurden beobachtet. 

Von den 7 Patienten, die an der Studie wegen hämatologischem Rezidiv eintraten, erreichten alle binnen einem Monat die Normalisierung der Blutwerte, drei eine komplette zytogenetische Remission in 12 Wochen. Die Patienten hatten zuvor imatinib-resistente Bcr-Abl Mutationen M351T; F359V; T315I; F359(V,F), L248(L,V)(H,R); H396(H,P) und M351(T,M).

Weil unter 600mg ein sehr schwerwiegender Hautausschlag und zweimal starke Nebenwirkungen an Magen/Darm und Haut auftraten, wurde 500mg als Dosis für die Phase II der Studie festgelegt. Patienten in allen Phasen von CML und Ph+ALL werden nun in diese neue Phase aufgenommen.

Quelle:

ASH-Abstract #168, zusätzlich in Blood, Volume 108, issue 11, November 16, 2006 erschienen. ASH-Abstracts nach kostenloser Registrierung einsehbar (englisch)

[168] A Phase 1/2 Study of SKI-606, a Dual Inhibitor of Src and Abl Kinases, in Adult Patients with Philadelphia Chromosome Positive (Ph+) Chronic Myelogenous Leukemia (CML) or Acute Lymphocytic Leukemia (ALL) Relapsed, Refractory or Intolerant of Imatinib

Jorge Cortes, Hagop M. Kantarjian, Michele Baccarani, Tim H. Brummendorf, Delong Liu, Gert Ossenkoppele, Angela D.G. Volkert, Becker Hewes, Laurence Moore, Charles Zacharchuk, Carlo Gambacorti MD Anderson Cancer Center, The University of Texas, Houston, TX, USA; Instituto di Ematologia e Oncologia Medica Seragnoli , Universita degli Studi di Bologna, Bologna, Italy; Medizinische Klinik und Poliklinik, Universitaetsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany; New York Medical College, Valhalla, NY, USA; Department of Hematology, VU University Medical Center, Amsterdam, Netherlands; CR D, Wyeth Research, Cambridge, MA, USA; San Gerardo Hospital, University of Milano Bicocca, Monza, Italy

Übersetzung/Zusammenfassung durch Jan, ohne Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit