Chronische Myeloische Leukämie (CML)

Der Beratungsausschuss für Onkologische Medizinprodukte (ODAC) der amerikanischen Zulassungsbehörde (FDA) hat die beschleunigte Zulassung von Dasatinib (Handelsname Sprycel) für die Behandlung von CML und Ph+ALL bei Resistenz oder Unverträglichkeit gegen Glivec bei erwachsenen Patienten in den USA empfohlen. Obwohl die FDA nicht an die Empfehlungen des Beratungsausschusses gebunden ist, folgt sie diesen in der Regel.

Als Brisol Myers-Squibb im Dezember 2005 den Antrag auf Zulassung gestellt hat, hat die FDA die beschleunigte Prüfung zugesagt, die für Produkte zur Verfügung steht, die auf bisher nicht behandelbare medizinische Fälle adressieren. Im Falle von Dasatinib muss die FDA daher über die Zulassung bis zum 28.06.2006 entscheiden.

Der ODAC basierte seine Entscheidung auf der Prüfung der Daten aus fünf internationalen klinischen Phase-II-Studien mit Dasatinib, die Erkenntnisse zur Arzneimittelsicherheit und Wirksamkeit ergaben. 

Quellen: Verschiedene Quellen und Forenmitteilungen im Rahmen der ASCO-Conferenz

Weitere Informationen:
Auf der ASCO-Jahrestagung wurden erste vorläufige Ergebnisse einer Phase II Studie präsentiert, in der Dasatinib (140mg/Tag) mit Hochdosis-Imatinib (800mg/Tag) verglichen wurde. Teilnehmen konnten CML-Patienten in chronischer Phase, die eine Resistenz gegen höchstens 600mg/Tag Imatinib entwickelt hatten. 

An der Studie nahmen 150 Patienten teil, die nach dem Zufallsprinzip im Verhältnis 2:1 auf den Dasatinib-Arm (101 Patienten) oder Imatinib-Arm (49 Patienten) verteilt wurden. 35 der 101 Patienten im Dasatinib-Arm erreichten eine weitgehende zytogenetische Antwort, 21% komplett. Im Imatinib-Arm erreichten 29% (14/49) der Patienten im Imatinib-Arm eine weitgehende und 8% eine komplette zytogenetische Antwort.

In der Studie wurde ein Wechsel des Therapiearms im Falle einer Progression der Krankheit oder schwerer Unverträglichkeit zulässig. Sechs Prozent wechselten von Dasatinib auf Imatinib, 73% in die andere Richtung. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung erreichten von den 19 Patienten, die von Imatinib zu Dasatinib wechselten, 8 eine gute zytogenetische Antwort, vier davon komplett. 

Bedeutende nicht-hämatologische Nebenwirkungen von Dasatinib waren Durchfall (26%), Flüssigkeitseinlagerungen (25%), Übelkeit (21%), Blutungen (17%) und Erbrechen (6%). Im Imatinib-Arm waren dies Flüssigkeitseinlagerungen (43%), Übelkeit (31%), Durchfall (29%), Erbrechen (22%) und Blutungen (8%). Zytopenien vom Grad 3 oder 4 wurden wie folgt beobachtet: Bei Dasatinib niedrige Leukozyten (58%), Thrombozyten (54%) und Hämoglobin (9%), bei Imatinib niedrige Leukozyten (38%), Thrombozyten (14%) und Hämoglobin (8%). 

Zusammenfassend zeigt Dasatinib bei Imatinib-Resistenz höhere Ansprechraten als eine Dosiserhöhung von Imatinib, allerdings auch vermehrt Nebenwirkungen. 

Weitere Anhaltspunkte zu Nebenwirkungen

Wie bereits erwähnt gilt dem Nebenwirkungsprofil und der Dosis im Moment größere Aufmerksamkeit. Bei den 489 Patienten aller bisherigen Dasatinib-Studien kam es auch zu Todesfällen, darunter fünf bei in chronischer Phase eingetretenen Patienten. 4% aller Patienten (n=20) wiesen in der Therapie Herzprobleme auf, 1,8% litten unter Herzrhythmusstörungen. Zusätzlich hatte Dasatinib bei einem Drittel der Patienten Einfluss auf die Blutgerinnung, bei jedem zehnten führten sie zu schwerwiegenderen Blutungen nach Grad 3/4. Vor dem Hintergrund der beobachteten Nebenwirkungen bei 140mg/Tag ist die aktuelle Diskussion um eine geringere Standarddosis bei immer noch guter Wirksamkeit nachvollziehbar. 

Quellen:
Übersetzung und Zusammenfassung von Jan (ohne Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit)
Novartis gab am 4. Juni 2006 den Start eines neuen Programms zum erweiterten Zugang zu Nilotinib (Expanding Nilotinib Access in Clinical Trials, ENACT) für Imatinib-resistente CML bekannt. Gleichzeitig wurde berichtet, dass Nilotinib (Laborbezeichnung AMN107, zukünftiger Handelsname Tasigna) von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA im beschleunigten Verfahren geprüft und die Zulassung des Medikaments in den USA und der EU noch in diesem Jahr beantragt werde.

Das Programm ermöglicht CML-Patienten in allen Phasen der Krankheit mit Resistenz oder Unverträglichkeit von Imatinib (Glivec) im Rahmen von klinischen Studien den Zugang zum Medikament Nilotinib. "ENACT ist ein weiteres Beispiel unseres dauerhaften Bemühung, innovative Therapien solchen Patienten zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen", so David Epstein, Präsident von Novartis Oncology. "Mit Glivec hatte Novartis ein weitreichendes Zugangsprogramm gestartet, das weltweit mehr als 9000 Patienten den Zugang zu dem Medikament kostenlos zur Verfügung stellte, bevor es kommerziell verfügbar wurde. Dieses Programm setzt unsere Bereitschaft fort, indem es denjenigen eine Option zur Verfügung stellt, die nicht mehr auf Glivec ansprechen". Das Medikament ist nur im Rahmen von klinischen Studien verfügbar. Die aktuelle Studie dient dazu, die Vorteile und Risiken des Wirkstoffs besser zu verstehen und die Daten dann den Zulassungsbehörden wie FDA und EMEA zur Verfügung zu stellen.

Nilotinib sei bei 32 von 33 Mutationsformen von CML wirksam. Da es sich noch um einen experimentellen Wirkstoff handelt, sind noch keine Sicherheits- und Wirksakeitsdaten verfügbar. Die Phase-I-Daten, die auf der ASH-Konferenz 2005 vorgestellt wurden, zeigen bei 92% der Patienten in chronischer, 76% in akzelerierter und 42% in myeloischer Blastenphase komplette hämatologische Antworten. Zytogenetisches Ansprechen wurde bei 53% in chronischer, 55% in akzelerierter und 29% in myeloischer Blastenphase beobachtet.

Informationen über ENACT können auf dem US-basierten Studienregister clinicaltrials.gov abgerufen werden. Weiterhin sind nach Novartis-Angaben Informationen über die lokalen Niederlassungen von Novartis oder über deren Call-Center verfügbar, die Patienten an die entsprechenden Kliniken verweisen. Ärzten stellt das Unternehmen Informationen unter www.amn107.com zur Verfügung.

Ende Mai war der Zugang zum ENACT-Programm bereits in 22 europäischen Kliniken, darunter auch schweizer (Basel) und österreichische Zentren (Wien, Graz, Innsbruck, Linz), möglich. Auch in Deutschland soll ENACT in Kürze starten; nähere Informationen kann die Studienzentrale in Mannheim geben. Die bisherigen Phase-II-Studien nehmen auch weiterhin CML-Patienten in akzelerierter Phase und Blastenkrise auf.

Quellen: u.a. Novartis-Pressemitteilung
Auf der ASCO-Konferenz in den USA wurden die Fünfjahresdaten von Imatinib (Handelsname Glivec) vorgestellt. Demnach sind nach fünf Jahren noch 89% aller mit dem Medikament direkt nach der Diagnose behandelten CML-Patienten am Leben. Die Wahrscheinlichkeit einer Progression der Krankheit nimmt auch nach fünf Jahren Dauertherapie über die Zeit weiter ab, während die Wahrscheinlichkeit einer Remission weiter ansteigt.

In der sogenannten IRIS-Studie wurden 1.106 neu mit CML diagnostizierte CML-Patienten in 177 Kliniken behandelt. Die Patienten wurden dabei nach dem Zufallsverfahren auf die experimentelle Therapie Imatinib (400mg/Tag) oder die damalige Standardtherapie Interferon-Alpha (5 MIU/m2/Tag) mit Cytarabine (Cytosar-U, 20 mg/m2/Tag an 10 Tagen/Monat) verteilt. Keiner der Patienten war zuvor mit Chemotherapie behandelt worden.

Fünf Jahre nach Therapiebeginn war das Überleben der Patienten unter Glivec-Therapie 89%, und nur 4,6% starben an den Folgen der Leukämie. Bei 93% der Patienten fand keine Progression in die akzelerierte Phase oder Blastenkrise statt. Im letzten Jahr der Beobachtung erfuhren mit 0.6% weniger Patienten eine Progression als in den Behandlungsjahren zuvor, woraus geschlossen wird, dass bei fortlaufender Therapie die Wahrscheinlichkeit einer Progression immer weiter abnimmt. Es zeigte sich auch, dass der Anteil von kompletten zytogenetischen Antworten von 69% im Jahr 1 zu 87% im Jahr 5 weiter zunahm. 

5% der Patienten mussten die Imatinib-Therapie wegen Nebenwirkungen unterbrechen. Schwerere Nebenwirkungen waren Hautausschläge, erhöhte Leberwerte und Flüssigkeitseinlagerungen. Häufiger, aber weniger schwer waren Ödeme um die Augen, leichte Übelkeit, Durchfall und Muskelkrämpfe.

"Unsere Hoffnung ist, dass Patienten dieses Medikament für unbegrenzte Zeit weiternehmen können", so Dr. Brian Druker, Professor der Medizin an der Oregon Halth and Science Universität in Portland, USA, und Leiter der Studie. "Auch wenn das Medikament die Krankheit nicht vollständig beseitigt, gewinnen wir die Überzeugung, dass es Patienten weiterhin gut gehen wird, und dass ihre Zukunft wirklich recht hoffnungsvoll ist." 

Wegen Unverträglichkeit oder Verlust des Ansprechens wechselten 69% der Patienten im Interferon/Ara-C-Studienarm in den Glivec-Arm, während nur 3% der Patienten von IFN/Ara-C in den Glivec-Arm wechselten.

Quellen: ASCO-Abstracts & diverse Presseberichte zu den IRIS-Daten
Bristol-Myers Squibb präsentierte Ergebnisse von vier einarmigen, offenen Phase II Studien mit Dasatinib, einem oral zu verabreichenden in der Untersuchungsphase befindlichen Wirkstoff. In diesen Studien wurde die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Dasatinib bei Patienten in allen Phasen der chronischen myelotische Leukämie (CML) (chronische, beschleunigte und Blastenphase) sowie Patienten mit Philadelphia Chromosom-positiver akuter lymphoblastischer Leukämie (Ph+ ALL) die auf gängige Therapien, u.a. Imatinib, nicht mehr ansprachen bzw. diese nicht vertrugen. Die Ergebnisse wurden auf dem 11. EHA-Kongress (European Hematology Association) präsentiert. 

Insgesamt nahmen an den vier Studien (START-C, START-A, START-B und START-L) 789 Patienten teil. Die Patienten erhielten zweimal täglich 70 mg Dasatinib und die Wirksamkeit wurde aufgrund der hämatologischen und zytogenetischen Reaktionen bewertet und die Verträglichkeit wurde laufend kontrolliert. Diese Studien legen nahe, dass Dasatinib in der Lage ist, hämatologische und zytogenetische Reaktionen bei vielen Patienten mit Imatinib-resistenter bzw. intoleranter CML und Ph+ ALL zu erzeugen. Hämatologische Reaktionen werden genutzt, um festzustellen, wie wirkungsvoll die Therapie die Blutwerte wieder auf normale Werte bringt. Die zytogenetische Reaktion wird anhand der Zahl der Ph+leukämischen Zellen gemssen, die noch im Knochenmark präsent sind. 


START-C - Chronische Phase

In die START-C-Studie (Abstract 0467) wurden 387 Patienten mit Imatinib-resistenter bzw. intoleranter CML in der chronisch Phase aufgenommen und behandelt. Das Primärziel, nämlich eine wesentliche zytogenetische Reaktion wurde bei 51 % (197/387) der Patienten erreicht. Eine vollständige hämatologische Reaktion wurde bei 90 % (348/387) der Patienten erzielt. Thrombozytopenie und Neutropenie 3. und 4. Grades wurden bei 47 % bzw. 47 % der Patienten festgestellt. Zu den wichtigen nicht-hämatologischen unerwünschten Ereignissen (die bei 10 oder mehr Prozent der Patienten auftraten) zählten erhöhte Leberenzymwerte (54 %), Diarrhoen (32 %), Kopfschmerzen (30 %), Ausschläge (22 %), oberflächliche Ödeme (20%) und Pleuraergüsse (17 %). 


START-A - Akzelerierte Phase

In die START-A-Studie (Abstract 0159) wurden 192 Patienten Patienten mit Imatinib-resistenter bzw. intoleranter CML in der beschleunigten Phase aufgenommen, von den 174 behandelt wurden. Das Primärziel, nämlich eine wesentliche hämatologische Reaktion wurde bei 59% (102/174) der Patienten erreicht. Eine wesentliche zytogenetische Reaktion wurde bei 34% (60/174) der Patienten erzielt. Thrombozytopenie und Neutropenie 3. und 4. Grades wurden bei 82% bzw. 73% der Patienten festgestellt. Zu den wichtigen nicht-hämatologischen unerwünschten Ereignissen zählten Diarrhoen (61 %), Ausschläge (27 %), Pleuraergüsse (25 %), oberflächliche Ödeme (20 %) und Magen-Darm-Blutungen (12 %). 


START-B - Myeloblastenkrise

In die START-B-Studie (Abstract 0150) wurden 109 Patienten mit Imatinib-resistenter bzw. intoleranter CML in der Myeloblastenkrise aufgenommen und behandelt. Das Primärziel, nämlich eine wesentliche hämatologische Reaktion wurde bei 49% (53/109) der Patienten erreicht. Eine wesentliche zytogenetische Reaktion wurde bei 44% (48/109) der Patienten erzielt. Thrombozytopenie und Neutropenie 3. und 4. Grades wurden bei 64% bzw. 64% der Patienten festgestellt. Zu den wichtigen nicht-hämatologischen unerwünschten Ereignissen zählten Diarrhoen (37%), Pleuraergüsse (30 %), Erbrechen (20 %), Übelkeit (18 %), oberflächliche Ödeme (17 %), Ausschläge (11 %) und Asthenien (11 %). 


START-L - Blastenkrise bzw. Ph+ ALL

An der START-L-Studie (Abstract 0653) nahmen 101 Patienten teil, von denen 94 Patienten mit CML in der Blastenkrise (48) bzw. Ph+ ALL (46) Imatinib-resistente bzw. intolerante behandelt wurden. Das Primärziel, nämlich eine wesentliche hämatologische Reaktion wurde bei 33 % (16/48) der Patienten in der Blastenkrise und 39 % (18/46) der Patienten mit Ph+ ALL erreicht. Das Primärziel, nämlich eine wesentliche zytogenetische Reaktion wurde bei 44% (21/48) der Patienten in der Blastenkrise und 46% (21/46) der Patienten mit Ph+ ALL erreicht. Thrombozytopenie 3. und 4. Grades wurden bei 88% der Patienten in der Blastenkrise und 78 % der Ph+ ALL Patienten festgestellt. Neutropenie 3. und 4. Grades wurden bei 81% der Patienten in der Blastenkrise und 74% der Ph+ ALL Patienten festgestellt. Zu den wichtigen nicht-hämatologischen unerwünschten Ereignissen zählten Diarrhoen (30 %), Übelkeit (22 %), Erbrechen (17 %), Pleuraergüsse (16 %), Kopfschmerzen (15 %), Ausschläge (15 %), oberflächliche Ödeme (13 %) und Magen-Darm-Blutungen (2 %). 


Informationen zu Dasatinib

Der Zulassungsantrag für Dasatinib in der Europäischen Union wurde im Januar 2006 eingereicht und bekam eine positive Begutachtung für den Orphan-Drug-Status zur Ph+ALL- und CML-Behandlung, hat jedoch noch keine endgültige Zulassung bekommen. Dasatinib erhielt den Orphan-Drug-Status für CML und Ph+ALL von der US-amerikanischen FDA im November 2005. der Orphan-Drug-Status wurde in mehreren anderen Ländern beantragt. 


Informationen zu CML und Ph+ALL

CML ist ein Blut- und Knochenmarkskrebs, der üblicherweise bei Erwachsenen im mittleren Alter oder darüber und nur selten bei Kindern auftritt. Das weltweite Auftreten von CML ist relativ gleichförmig und stellt ca. 15 % aller Leukämien dar. Die Resistenz wächst mit der Behandlungsdauer und dem Schwergrad der Erkrankung. 

Ph+ALL ist ein schnell fortschreitender Blut- und Knochenmarkskrebs, der normalerweise bei Erwachsenen auftritt. Patienten mit fortgeschrittenem Ph+ALL entwickeln im Allgemeinen schneller einen Resistenz als CML-Patienten, u.a. auch diejenigen, die sich in der Blastenphase befinden (im Durchschnitt jeweils 2 Monate gegenüber 10 Monate). 


Quelle: prnewswire.co.uk vom 18.06.2006


Weiterführende Informationen: