Chronische Myeloische Leukämie (CML)

Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie (CML) profitieren von der Behandlung mit Imatinib zweifach: Sie sprechen rasch auf die Therapie an, und der Therapie-Erfolg bleibt dauerhaft erhalten. Das Risiko für ein Fortschreiten der Krankheit sinkt. Den Erfolg der Therapie mit Imatinib belegen jetzt Langzeitergebnisse der IRIS-Studie (International Randomized Interferon versus STI571) über 54 Monate, die Privatdozent Oliver Ottmann von der Frankfurter Universitätsklinik in Frankfurt am Main vorgestellt hat. STI571 ist die frühere Bezeichnung für Imatinib.

IRIS ist eine internationale, randomisierte Studie, die 2000 begonnen wurde. Verglichen wird die Wirksamkeit einer Behandlung mit dem damaligen Goldstandard - Interferon plus ARA-C (Cytarabin) - mit der einer Ersttherapie mit Imatinib. Der Enzymhemmer verhindert die übermäßige Vermehrung weißer Blutkörperchen, die bei 95 Prozent der Betroffenen durch ein verändertes Chromosom (Philadelphia-Chromosom) verursacht wird.

Insgesamt 1106 neu diagnostizierte Patienten mit Philadelphia-Chromosom-positiver CML nahmen an der Studie teil (wir berichteten). Die Patienten konnten in den jeweils anderen Studienarm wechseln, wenn sie ihre Therapie nicht vertrugen oder nicht darauf ansprachen.

Ergebnisse aus der Langzeitanwendung über 54 Monate: Bei 98 Prozent der mit Imatinib behandelten Patienten war hämatologisch keine Leukämie mehr nachweisbar. Eine komplette zytogenetische Remission - das Philadelphia-Chromosom ist nicht mehr nachweisbar - erreichten 86 Prozent.

Der Effekt trat schnell ein: "Diese Zahlen wurden bereits nach einem Jahr fast erreicht. Die meisten Patienten haben hämatologisch schon nach drei Monaten angesprochen", sagte Ottmann bei der von Novartis unterstützten Veranstaltung, das Imatinib in Deutschland als Glivec anbietet.

Die Wirkung ist offenbar auch dauerhaft. So verschlechterte sich im ersten Jahr der Zustand bei 3,4 Prozent der Patienten. Im zweiten Jahr stieg die Rate zwar zunächst auf 7,5 Prozent. Dann sank sie aber wieder auf 4,8 Prozent im dritten und auf 1,5 Prozent im vierten Jahr. Zudem sprechen die Patienten offenbar um so besser auf Imatinib an, je früher die Therapie beginnt.

Imatinib sei heute Goldstandard in der CML-Therapie, so Ottmann: "Beim Gesamtüberleben sind wir bei über 90 Prozent." Unerläßlich ist aber, daß die Behandlung als Dauertherapie und ohne Dosisreduktion weitergeführt wird. Bei Auslaßversuchen kommt die Krankheit meistens schnell wieder.


Quelle: Ärzte Zeitung vom 23.03.2005

Der Pharmakonzern Novartis hat mit der US-Firma SGX Pharmaceuticals Inc ein Abkommen über die Entwicklung von Leukämiemedikamenten getroffen, die zur Behandlung bei Resistenz gegen Glivec wirken sollen. Im Rahmen der Zusammenarbeit wird SGX für die sämtliche vorklinische Entwicklung und die Phase I der klinischen Testphase verantwortlich sein, während Novartis bei Erfolg später für die Vermarktung zuständig ist und entsprechende Lizenzzahlungen an SGX leisten wird.

SGX arbeitet an Medikamenten, die bei gegen bisherige Behandlungen resistenten Blutkrebsarten, etwa Glivec, zum Einsatz kommen sollen. Dazu verwendet SGX eine "FAST" genannte Technologie, die das Auffinden von neuen Inhibitoren für bestimmte molekulare Ziele erleichtert. SGX hat hierzu eine Bibliothek von ungefähr 1.000 strukturell unterschiedlichen Molekülen aufgebaut, die für die Suche nach neuen Wirkstoffen dienlich sind. Das FAST-System ermöglicht, parallel verschiedenste kristalline Strukturen des Zielproteins zu entwerfen, in der Bibliothek passende Fragmente zu suchen und die möglichen Bindungen direkt mit Röntgenkristallographie zu visualisieren. Neue Rechenmethoden, strukturbasierte Designmethoden sowie iterative synthetische Chemie ermöglichen dann, aus diesen Fragmenten dann Medikamentenkandidaten zu machen, die in Studien geprüft werden könnten.

SGX hatte auf ASH2005 bereits mit SGX-70430 einen Wirkstoff gezeigt, der im Laborversuch auch Aktivität gegen die Mutation T315I gezeigt hatte, bei der Glivec/Imatinib, AMN107/Nilotinib und BMS-354825/Dasatinib unwirksam sind.

Die in San Diego ansässige SGX erhält laut Angaben vom Dienstag von Novartis zunächst 25 Millionen Dollar. Insgesamt könnten die Zahlungen bis zu 515 Millionen Dollar erreichen, hiess es. Diese Summe beinhaltet erfolgsabhängige Zahlungen für erreichte Meilensteine, jedoch keine eventuell anfallenden Lizenzgebühren. 

Verwendete Quellen:
Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA hat dem Medikament Ceflatonin (Wirkstoff Homoharringtonine, HHT) am 19. März 2006 den Orphan-Drug-Status für die Behandlung vom CML zugeteilt. "Orphan Drugs" sind "Stiefkinder" der Medizin: Medikamente gegen seltene Krankheiten, an denen in Europa weniger als 5 von 10.000 Menschen erkranken, und die daher von der Zulassung besonders gefördert werden.

Eine ähnliche Zulassung von Ceflatonin wurde in der EU-Zulassungsbehörde EMEA am im Oktober 2004 nach einer Empfehlung ihres Kommittees für Orphan-Medizinprodukte (COMP) für die Behandlung der AML erteilt. 

HHT bewirkt Apopotose (Zelltod) in myeloischen Zellen und hemmt die Bildung von Blutgefäßen (Angiogenese). In Phase-II-Studien hat HHT klinische Aktivität bei Glivec-resistenter CML sowohl in Monotherapie als auch Kombinationstherapie bei CML gezeigt. Zusätzlich wurde ein Ansteigen zytogenetischer und molekularer Ansprechraten in Kombinationstherapie bei CML in früher Phase beobachtet. Das Medikament wird für die Behandlung von CML, Myelodysplastischem Syndrom (MDS) and AML angewendet. 

Kürzlich wurden die Ergebnisse folgender klinischer Studien vorgestellt:
  • In einer Phase I/II-Studie mit HHT in Monotherapie bei akzelerierter CML mit Glivec-Resistenz kehrten sieben von neun Patienten in die chronische Phase zurück und sechs erreichten eine komplette hämatologische Remission.

  • In einer anderen Phase-II-Studie für CML in fortgeschrittener Phase erreichten alle fünf Patienten mit HHT in Monotherapie eine komplette hämatologische (CHR) und zwei ein zytogenetisches Ansprechen. Zwei Patienten mit resistenten Mutationen erreichten eine CHR; ihre Mutationen (p-loop) waren nach der Behandlung nicht mehr nachweisbar.

  • In einer Phase I/II-Studie mit 10 Patienten erreichten sieben einen signifikanten Rückgang der BCR-ABL-Transkripte. Zwei Patienten mit partieller zytogenetischer Antwort erreichten eine komplette zytogenetische Remission. Zwei erreichten ein komplettes molekulares Ansprechen.

Eine länderübergreifende Phase II/III-Studie mit CML-Patienten, die die T315I-Punktmutation aufweisen, soll im 2. Quartal 2006 beginnen. Entsprechende Studien sollen in den USA, Deutschland, Frankreich und Italien durchgeführt werden.

Über Orphan Drugs

Orpan Drugs Status wird von der US-FDA solchen Produkten gewährt, die seltene Krankheiten oder Bedingungen behandeln, die weniger als 200.000 Menschen in den Vereinigten Staaten betreffen. Die Kennzeichnung als Orphan Drug berechtigt das Unternehmen zu einer besonderen siebenjährigen Marktexklusivität nach der Zulassung und ermöglicht Steuervorteile für die Forschung, Subventionen zur Finanzierung von Forschung und Entwicklung, reduzierte staatliche Gebühren für die Vermarktungsbewerbung sowie Unterstützung bei der Überprüfung von Protokollen für klinische Versuche.

Durch die Exklusivitätsklausel genießt das Arzneimittel weitreichenden Schutz auf dem Markt; weitere Medikamente erhalten die Zulassung nur, wenn sie zum Beispiel besser wirken, ein anderes Wirkprinzip haben oder weniger Nebenwirkungen verursachen.

Die Entwicklung von Arzneimitteln gegen seltene Krankheiten lohnt sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht meist nicht, wenn die Forschungskosten unter den normalen Bedingungen des Marktes erwirtschaftet werden müssen. Durchschnittlich dauert es neun Jahre, bis aus einer im Labor als wirksam erkannten Substanz ein verkaufsfähiges Medikament entsteht. Die Kosten für Forschung und Entwicklung verursachen teilweise dreistellige Millionenbeträge. Deshalb werden im Rahmen von "Orphan Drug"-Zulassungen staatlich zusätzliche Anreize für Unternehmer und Forscher geschaffen, solche "unwirtschaftlichen" Arzneimittel zu entwickeln.

Seit dem Jahr 2000 kann auch in Europa Medikamenten der Orphan-Status zur Diagnose, Verhütung oder Behandlung lebensbedrohender, zu schwerer Invalidität führender oder schwerer und chronischer Leiden von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) zuerkannt werden.

Quelle: PR-Newswire-Meldung vom 19.03.2006. Übersetzung durch Jan, keine Gewähr für Richtigkeit.

Weiterführende Quellen:
Die US-Gesundheitsbehörde FDA wird die Zulassung von "Dasatinib" (BMS-354825, Handelsname Sprycel) des Unternehmens Bristol-Myers Squibb beschleunigt prüfen. Das Mittel solle sowohl zur Behandlung von CML als auch zur Behandlung AML bei Philadelphia-Chromosom-positiven erwachsenen Patienten angewandt werden, bei denen eine bisherige Imatinib-Therapie unwirksam gewesen sei (Resistenz) oder nicht angewandt werden konnte (Unverträglichkeit).

Das beschleunigte Prüfverfahren bedeutet, dass die FDA binnen 6 Monaten ab Antragstellung über die Zulassung entscheiden muß. Da der Antrag am 28.12.2005 eingereicht wurde, muss die Entscheidung der FDA bis spätestens 28.06.2006 fallen. Ohne beschleunigtes Verfahren dauert der Prüfprozess in den USA normalerweise zwischen 10 und 12 Monaten, in Europa deutlich länger. In der EU hat Bristol-Myers-Squibb die Zulassung von Dasatinib/Sprycel als Orphan-Drug am 23.12.2005 für CML und AML beantragt.

Dasatinib wird darüber hinaus in der Anwendung gegen solide Tumore und multiples Myelom geprüft. Der Patentschutz bestände in den USA bis 2020.

Quellen:
  • Finanztreff.de vom 07.03.2006
  • Reuters-Meldung vom 07.03.2006
  • Drugs R D. 2006;7(2):129-32.
  • Pressemitteilung der EMEA vom 08.02.2006, Committee for Orphan Medicinal Products (COMP) (PDF-Datei)
  • Die allogene Stammzelltransplantation hat bei Patienten mit einer Philadelphia-Chromosom-positiven chronischen myeloischen Leukämie (Ph+-CML) nicht mehr den Stellenwert wie noch vor einigen Jahren. Denn mit dem Tyrosinkinase-Hemmer Imatinib werden so hohe Ansprechraten erreicht, daß zunächst diese Behandlung versucht werden kann.

    Die Zahl der allogenen Stammzelltransplantationen bei der CML ist seit 1999 zurückgegangen, wie Professor Andreas Hochhaus von der Universität Mannheim sagte. Der Grund: Durch die Einführung des Tyrosinkinase-Hemmers Imatinib können immer mehr Patienten erfolgreich mit einer Chemotherapie behandelt werden.

    Denn: "Patienten mit zytogenetischer Remission haben eine deutlich bessere Überlebenswahrscheinlichkeit als Patienten ohne Remission", sagte Hochhaus beim Deutschen Krebskongreß in Berlin. Zytogenetische Remission bedeutet, daß das Philadelphia-Chromosom nicht mehr nachweisbar ist.

    In der IRIS-Studie, in der - wie berichtet - die Wirksamkeit des Tyrosinkinase-Hemmers mit Interferon verglichen wurde, erreichten 76 Prozent der Patienten mit Imatinib (Glivec®) eine komplette zytogenetische Remission (CCR), mit Interferon-alpha dagegen nur 14 Prozent. Eine aktuelle Auswertung der Studie ergab für Imatinib eine CCR-Rate von 86 Prozent, wie Hochhaus bei einem Symposium des Unternehmens Novartis berichtet hat.

    Diese Remissionszahlen seien bei der Entscheidung für die Stammzelltransplantation besonders wichtig, sagte Hochhaus. "Es ist die Frage, ob die risikoreiche Stammzelltransplantation wirklich nötig ist oder zuerst das Ansprechen auf eine Imatinib-Therapie abgewartet werden kann."

    Wichtig sei dann aber die sorgfältige Verlaufskontrolle und hier besonders das zytogenetische Ansprechen nach sechs Monaten und nach einem Jahr. "Patienten, bei denen dann im Blut weniger als 35 Prozent Ph+-Zellen nachweisbar sind, haben ein deutlich besseres rezidivfreies Überleben als Patienten mit mehr Ph+- Zellen", sagte Hochhaus.

    Aber auch das molekulare Ansprechen erlaubt Rückschlüsse auf den Krankheitsverlauf: Patienten, bei denen durch die Therapie die Tumorgröße um mindestens drei Größenordnungen zurückgeht, haben einen besseren Verlauf, als wenn der Rückgang geringer ausfällt.

    "Das bedeutet dann nicht, daß der Tumor nicht anspricht, sondern es ist ein Marker, mit dem sich erkennen läßt, ob eine Intensivierung der Therapie nötig ist", so Hochhaus. In diesem Fall sei eine Erhöhung der Imatinib-Dosis von 400 mg auf 800 mg pro Tag eine Alternative.

    Quelle: Ärztezeitung 18.04.2006