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Chronische Myeloische Leukämie (CML)

Nach 5-jähriger Behandlung mit Imatinib erzielen 40-50 % der Patienten mit CML stabile, nicht nachweisbare BCR-ABL mittels Echtzeit-RT-PCR ("komplettes molekulares Ansprechen"). Viele Patienten, die die Behandlung mit Imatinib in der Phase des kompletten molekularen Ansprechens unterbrechen, werden einen Rückfall erleiden, allerdings wurde bei einer geringen Anzahl nach dem Absetzen von Imatinib ein anhaltendes komplettes molekulares Ansprechen beobachtet. Eine Gruppe australischer Ärzte initiierte eine nicht-randomisierte und aussichtsreiche Phase 2 Studie bezüglich des Absetzens von Imatinib bei erwachsenen Patienten mit CML in chronischer Phase, die seit mehr als 2 Jahren ein komplettes molekulares Ansprechen erzielen.

Die Patienten wurden in mehreren Zentren in Australien behandelt und eine RQ-PCR (Real-time quantitative Polymerasekettenreaktion) für BCR-ABL wurde zentral durchgeführt: monatlich im 1. Jahr nach dem Absetzen von Imatinib (IM), und zweimonatlich im 2. Jahr. Ein molekularer Rückfall wurde als ein einzelnes PCR-Ergebnis überhalb des Levels des weitgehenden molekularen Ansprechens (MMR) oder jegliche zwei aufeinanderfolgende positive Ergebnisse definiert. Molekulare Rückfalle wurden mit Imatinib (IM) behandelt und die Patienten wurden 12 Monate lang jeden Monat überwacht, um das Ansprechen auf die erneute Behandlung auszuwerten. Die Patienten wurden zwei Gruppen zugeteilt: Imatinib de novo (IM alleine, 5 Patienten) und Imatinib nach vorheriger Interferon-Therapie (IFN-IM, 13 Patienten). Die Durchschnittsdauer der Interferon-Therapie (IFN) im Vorfeld betrug 39 Monate. Beide Gruppen werden ständig erweitert.

Zehn der 13 IFN-IM Patienten (77 %) erhalten ein komplettes molekulares Ansprechen (CMR) aufrecht und 7 von ihnen haben mindestens 12 Monate lang ohne Behandlung (maximal 23 Monate) ein komplettes molekulares Ansprechen (CMR) aufrechterhalten. Die durchschnittliche Nachsorgezeit bei den Patienten, die nur mit Imatinib (IM) behandelt wurden, beträgt derzeit 7 Monate (R1-15) und 3 von 5 Patienten erhalten das komplette molekulare Ansprechen (CMR) aufrecht.

Alle molekularen Rückfälle traten in beiden Gruppen innerhalb von 5 Monaten nach Abbruch der Behandlung mit Imatinib (IM) auf. Die Durchschnittsdauer der vormaligen Behandlung mit Imatinib (IM) unterschied sich bei den 5 Patienten mit Verlust des kompletten molekularen Ansprechens (CMR) (76 Monate) nicht von denjenigen mit einem stabilen kompletten molekularen Ansprechen (CMR) (60 Monate). Unter den 5 Patienten mit einem Verlust des kompletten molekularen Ansprechens (CMR) betrug die Dauer bis zum molekularen Rückfall durchschnittlich 3 Monate (zwischen 2 und 5 Monaten). Zwei der rückfälligen Patienten verloren das weitgehende molekulare Ansprechen (MMR) und 3 hatten nachweisbare BCR-ABL mRNA unterhalb dieses Spiegels. Kein Patient erlitt einen hämatologischen Rückfall oder entwickelte eine Kinase-Domain-Mutation. Bei der letzten Nachsorge hatten alle 5 rückfälligen Patienten nach durchschnittlich 5 Monaten, nachdem die Behandlung mit Imatinib (IM) wieder aufgenommen wurde, wieder ein komplettes molekulares Ansprechen (CMR) erzielt.

Als Schlussfolgerung scheint ein Absetzen von Imatinib bei Patienten mit stabilem komplettem molekularem Ansprechen (CMR) unter engmaschiger molekularer Kontrolle gefahrlos zu sein: derzeit befinden sich alle Patienten außerhalb der Behandlung entweder in einem stabilen Zustand des kompletten molekularen Ansprechens (CMR) oder erzielten nach erneuter Behandlung nochmals ein komplettes molekulares Ansprechen (CMR). Ein Absetzen der wirksamen Behandlung außerhalb des Rahmens einer klinischen Studie ist nicht empfehlenswert. Noch können klinische oder labortechnische Faktoren (z. B. IFN-Behandlung im Vorfeld), die die Wahrscheinlichkeit eines anhaltenden kompletten molekularen Ansprechens (CMR) ohne Behandlung eventuell beeinflussen, nicht benannt werden.

Ergänzung durch Jan: Obiges ist die Übersetzung der vor einigen Monaten eingereichten ASH-Zusammenfassung. Auf ASH wurde auf einem Poster ein Update präsentiert. Dabei wurde ersichtlich, dass ein Patient 14 Monate nach Therapiestopp einen Rückfall erlitt. Als ich Dr Ross auf ASH ansprach, meinte er, dass die Schlussfolgerung der früh auftretenden Rezidive nach Therapiestopp zwar noch vermutet würde, aber aufgrund des einen späten Rezidivs (bei der kleinen Fallzahl) sicherlich nicht mehr generell so gelte. ("Alle molekularen Rückfälle traten ... innerhalb von 5 Monaten nach Abbruch auf").

Quelle: ASH-Abstract Nr 1102, The Majority of Chronic Myeloid Leukaemia Patients Who Cease Imatinib after Achieving a Sustained Complete Molecular Response (CMR) Remain in CMR, and Any Relapses Occur Early, Ross, Branford, Hughes et al, Australia. Übersetzung durch Jan und Alice, ohne Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit.

Weiterführende Informationen zum Thema Therapiestopp

 

Weitere Berichte von der ASH-Jahrestagung 2008

Vom 27. bis 29. Juni 2008 fand in Baveno/Italien die 6. Internationale Konferenz "Neue Horizonte in der Krebsbehandlung" für CML- und GIST-Patientenvertreter statt. Im Rahmen dieser Veranstaltung hielt u.a. Carolyn Blasdel (Krebskrankenschwester bei Dr. Brian Druker, einem der führenden CML-Experten an der Oregon Health & Science University in Portland, USA) einen umfassenden Vortrag zu den neuen bei der CML eingesetzten Medikamenten Imatinib [Glivec], Dasatinib [Sprycel] und Nilotinib [Tasigna].

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Der Immunbotenstoff Interferon-Alpha erweckt schlafende Blutstammzellen im Knochenmark zur Aktivität und macht sie dadurch für die Wirkung vieler Medikamente angreifbar. Dies veröffentlichten Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum gemeinsam mit Kollegen aus Lausanne in der Zeitschrift Nature. Auch Tumorstammzellen, so vermuten die Forscher, lassen sich so zur Teilung anregen und damit für die Behandlung mit Krebsmedikamenten sensibilisieren.

Nach Verletzungen mit Blutverlust muss der Körper das lebensnotwendige Blutvolumen schnell wiederherstellen. Dafür sorgt eine bestimmte Gruppe von Stammzellen im Knochenmark. Diese Blutstammzellen verbringen ihr gesamtes Leben in einer Art Schlafzustand, aus dem sie erst durch Verletzung und Blutverlust zur Aktivität geweckt werden. Unverzüglich beginnen sie, sich zu teilen, bis der Verlust an Blutzellen wieder ausgeglichen ist. Dies zeigten kürzlich Wissenschaftler um Professor Andreas Trumpp aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum.

Der Dauerschlaf ist ein wichtiger Schutzmechanismus der Stammzellen: Erstens bewahren sie so ihr Erbgut vor Genveränderungen, die sich vor allem während einer Zellteilung ereignen. Darüber hinaus entgehen sie im Schlaf auch der Attacke vieler Zellgifte, die nur auf sich teilende Zellen wirken.

Bislang war unbekannt, welche Signalmoleküle die Stammzellen tatsächlich aus ihrem Schlummer wecken. Andreas Trumpp und Marieke Essers aus seinem Team veröffentlichten nun in der Zeitschrift Nature, dass Interferon alpha, ein Botenstoff des Immunsystems, wie ein Wecker auf Blutstammzellen wirkt. Die Wissenschaftler zeigten damit zum ersten Mal, dass Interferon alpha die Funktion von Stammzellen direkt beeinflussen kann.

Interferon alpha wird von Immunzellen ausgeschüttet, wenn der Organismus von Bakterien oder Viren bedroht wird. Die Wissenschaftler lösten die Interferonproduktion in Mäusen aus, indem sie ihnen eine Substanz verabreichten, die den Tieren eine Virusinfektion vorgaukelt. Daraufhin kam es zu einem starken Anstieg der Teilungsrate der Blutstammzellen. In Kontrolltieren dagegen, die das Interferonsignal nicht verarbeiten können, führte die Substanz nicht zum Aufwachen der Stammzellen.

Einen weiteren Beweis für die Wirkung des Interfon alpha erzielten die Forscher mit dem Medikament 5-Fluorouracil, einem Zellgift, das häufig bei Brust- und Darmkrebs eingesetzt wird: Schlafende Stammzellen sind resistent gegen das Medikament, das seine Wirkung nur während der Teilung entfaltet. Erhalten die Tiere jedoch vor der 5-Fluorouracil-Behandlung Interferon alpha, so versterben sie nach kurzer Zeit an Blutarmut. Der Grund dafür: Durch die Interferon-Vorbehandlung wurden die ruhenden Stammzellen in die Zellteilung gezwungen und damit für die 5-FU-Wirkung sensibilisiert und abgetötet. Daher stehen nach kurzer Zeit keine Stammzellen mehr zur Verfügung, die Nachschub an kurzlebigen reifen Blutzellen wie Erythrozyten und Blutplättchen liefern.

Die Forscher begeistert an diesem Ergebnis besonders die Aussicht, dass der neu entdeckte Wirkmechanismus möglicherweise die Krebsbehandlung verbessern kann: "Eventuell können wir mit Interferon alpha nicht nur Blutstammzellen, sondern ebenso Tumorstammzellen aus dem Schlafzustand wecken und damit ihre oft beobachtete Resistenz gegen viele Krebsmedikamente brechen", vermutet Andreas Trumpp.

Eine klinische Beobachtung weist bereits darauf hin, dass diese Vermutung mehr ist als reines Wunschdenken: Patienten, die an dem Blutkrebs chronisch myeloische Leukämie (CML) leiden und mit dem Medikament Glivec behandelt werden, erleiden nach Absetzen des Medikaments fast immer Rückfälle. Einigen Erkrankten wurde jedoch vor der Imatinib-Therapie Interferon alpha verabreicht. Diese Patienten erlebten überraschenderweise lange rückfallfreie Phasen ohne jegliche Medikation. "Wir gehen davon aus", erklärt Andreas Trumpp, "dass die Leukämie-Stammzellen durch die Interferongabe geweckt und damit für die Eliminierung durch das Imatinib sensibilisiert wurden."

Quellen:
Studien haben gezeigt, dass Imatinib eine wirksame und relativ nebenwirkungsarme Therapie zur Behandlung von CML ist. Eine ununterbrochenene und ausreichend hohe Dosierung ist jedoch für optimale Ergebnisse sehr wichtig, insbesondere aufgrund der vermutlich lebenslangen Einnahme. Die ADAGIO-Studie untersuchte nun über einen 90-Tage-Zeitraum Häufigkeit und Einflussfaktoren mangelnder Therapietreue bei CML-Patienten. Dabei wurde gezeigt, dass nur jeder siebte Patient seine Medikation genau wie verschrieben lückenlos einnimmt, und nur jeder Dritte als therapietreu gilt. Außerdem wurde ein direkter Zusammenhang zwischen Therapietreue und Therapieerfolg nachgewiesen.

Insgesamt wurden 202 Patienten in 34 Kliniken in Belgien in die Studie aufgenommen, und 169 Fälle sind auswertbar. Ein Drittel der Patienten war der Studie nach nicht therapietreu. Nur 14.2% der Patienten nahmen die Dosis exakt (100%) wie verschrieben ein. Im Durchschnitt hatten Patienten, die suboptimales Ansprechen zeigten, einen signifikant höheren Anteil nicht genommener Tabletten (23.2%) als diejenigen mit sehr gutem Ansprechen (7%). 

Die Autoren schließen, dass mangelnde Therapietreue häufiger der Fall ist als Patienten, Ärzte und Familienmitglieder annehmen. Daher sollte die Therapietreue regelmäßig überprüft werden. Es sei ein klarer Zusammenhang mit schlechterem Ansprechen auf Imatinib bei CML erkennbar. Verschiedene Faktoren könnten als Warnsignale dienen, davon seien manche klinisch beeinflussbar.

Quelle: Prevalence, Determinants, and Outcomes of Nonadherence to Imatinib Therapy in Patients With Chronic Myeloid Leukemia: The ADAGIO Study. Blood vom 6. April 2009; L Noens et al 

Übersetzung aus dem Englischen von Jan, ohne Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit
Das Zytokin Interferon-alpha stimuliert Umsatz und Vermehrung von hämatopoetischen Stammzellen im menschlichen Körper. Neue Untersuchungen ergeben Hinweise auf eine neue Strategie zur Behandlungen von Krebserkrankungen des blutbildenden Systems, unter anderem auch bei CML im Zusammenhang mit von anderen Therapien nicht erreichten schlafenden Stammzellen. Dies berichtet ein aktueller Artikel in "Nature Magazine".

Im Gleichgewicht unterhalten komplexe Regelungsmechanismen die laufende Produktion aller Blutzellarten. Während dieses Prozesses teilen sich sehr wenige blutbildende Stammzellen aktiv, während die meisten schlafend im Knochenmark bleiben. Als Antwort auf eine Verletzung des blutbildenden Systems, z.B. durch Bestrahlung oder Chemotherapie, können Blutstammzellen zeitweilig aus ihrem ruhenden Zustand aufwachen und einen grösseren Vorrat von Vorläuferzellen erzeugen. Auf diese Weise wird die Produktion der benötigten reifen Blutzellen erhöht. Einige der Proteine, die die Auswahl zwischen Ruhen und Proliferation regulieren, sind bereits identifiziert worden.

Zwei kürzlich veröffentliche Studien, eine in "Nature" und die andere in dieser Ausgabe von "Nature Medicine", verlängern jetzt diese kurze Liste von aktive beteiligten Proteinen. Die Untersuchungen zeigen, dass das Zytokin Interferon alpha den Umsatz und die Vermehrung von Blutstammzellen im Körper stimuliert. IFN-alpha ist ein bedeutenden Immunmodulator, dessen Einfluss auf die Funktion von Blutstammzellen bisher nicht bekannt war. Dieser Rückkopplungsmechanismus zwischen Immunsystem und der Spitze der Hierarchie der Blutzellen könnte zu einer neuen Strategie für das Leukämiemanagement führen.

Typ-I-Interferone (IFN-alpha und IFN-beta) werden von einer Reihe von Immun- und Nicht-Immunzellen als Antwort auf mikrobielle Infektionen oder die Erkennung von Tumorzellen produziert. Durch Kopplung an ihre Rezeptoren induzieren Typ-I Interferone einen Satz von Genen, der die virale Vervielfältigung hemmt und von infizierten Zellen reinigt. Rekombinante Typ-I-Interferone wurden wegen ihrer Fähigkeit klinisch verwendet, um virale Infektionen, Tumoren, myeloproliferative Erkrankungen, hämatopoetische Neoplasien und Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose zu behandeln. Für die meisten dieser Erkrankungen sind die Wirkmechanismen und die genauen zellulären Ziele noch weitgehend unbekannt, aber die IFN-alpha-Behandlung von Tumorzellen ergibt üblicherweise einen Wachstumsstop durch die Aktivierung negativer Proliferationsregulatoren wie p53.

Jetzt berichten Essers et al. und Sato et al. über eine neue Rolle für IFN-Signale in den einfachsten Zellen des blutbildenden Systems. Beide Gruppen kommen ausgehen von sehr unterschiedlichen Beobachtungen zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Im Verlauf der Benutzung eines für die Untersuchung von Blutstammzell-Funktionen üblichen Mausmodelles haben Essers et al. gefunden, dass hohe IFN-alpha-Spiegel die Blutstammzell-Proliferation auslösen. Sato et al. haben Immunmodulierende Effekte von IFN-alpha und anderer Zytokine auf Immunhelferzellen untersucht und dabei entdeckt, dass Mäuse, denen eine Komponente des IFN-Signalwegs fehlt, ein unerwartetes Ungleichgewicht in der Vermehrung innerhalb des Blutstammzellen-Vorrates zeigen. Beide Gruppen haben ihre Beobachtungen auf einen direkten Effekt von IFN-alpha auf den Vermehrungsstatus von Blutstammzellen zurückgeführt.

Sato et al. haben Mäuse untersucht, denen genetisch ein negativer Regulator für Typ1 Interferon-Signalwege fehlt, Interferon Response Factor 2 (IRF2). Die Forscher entdeckten, dass diese Mäuse höhere Anteile von Blutstammzellen aufwiesen, die proliferativ waren anstatt zu schlafen, wie das in normalen Mäusen gefunden würde. Chronische Proliferation (Vermehrung) kann bestimmte Funktionen der Stammzellen beeinträchtigen, wie z.B. die Fähigkeit, das Knochenmark nach Bestrahlung neu zu besiedeln. Sato et al. fanden, dass die Mäuse mit IRF2-Mangel ihr Knochenmark nach Bestrahlung nicht neu besiedeln konnten, was darau hinweist, dass diese Zellpopulation nicht vollständig funktional war. Wie auch immer, wenn der Typ-I-IFN-Signalweg in den Blutstammzellen unterbrochen wurde, konnte die Fähigkeit, das Knochenmark zu besiedeln, in Zellen mit IRF2-Mangel wieder hergestellt werden. Diese Beobachtung deutet darauf hin, dass IRF2 normalerweise den IFN-Signalweg in Wildtyp-Blutstammzellen unterdrückt und damit die Zellen überwiegend in einem schlafenden Zustand hält.

Beide Gruppen fanden, dass hohe IFN-alpha-Spiegel Wildtyp-Blutstammzellen direkt aus dem Ruhezustand herausführt und vorübergehend im Körper proliferieren lassen. Weil die meisten Zelltypen ihre Proliferation in Antwort auf IFN-alpha einstellen, muss dieser Signalweg sich in Blutstammzellen fundamental unterscheiden. Signalisierung durch Typ I IFNs aktiviert einen Komplex, den "Interferon Stimulierter GenFaktor 3" (ISGF3), der aus einem Signalgeber und Aktivator der Transskription-1 (STAT1), STAT2 und IRF9 besteht. IRF2 fehlt die Domäne, die für die Interaktion mit STAT-Proteinen nötig ist, und behindert so die IFN-Signale und die IRF9-vermittelte Transskription. Essers et al. fanden, dass STAT1 für den IFN-alpha vermittelten Ausstieg aus dem Schlaf erforderlich ist, was darauf hinweist, dass dieser ungewöhliche Effekt von einer kanonischen IFN-Signalkomponente vermittelt wird. Wie IFN-alpha-Signale in HSCs im Unterschied zu anderen Zelltypen interpretiert werden, muss noch ermittelt werden.

Ein verbleibendes Geheimnis ist, warum ein wichtiges antivirales Signal die Blutstammzell-Aktivität und die Blutbildung beeinflussen sollte. Die induzierte Proliferation der Blutstammzellen könnte ein Mittel sein, die Immunzellen, die bei der Beseitigung von Viren umgesetzt wurden, zu ersetzen. Allerdings zeigen beide Gruppen, dass ein Ergebnis der gesteigerten Blutstammzell-Proliferation die reduzierte Produktion reifer Zellen ist. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass dieser Rückkopplungsmechanismus nur die Zellen an der Spitze der hämatopoetischen Hierarchie verstärken soll. Ein von beiden Gruppen noch nicht untersuchter Aspekt ist, ob die proliferierenden Blutstammzellen mobilisiert sind oder anders als nichtinduzierte Blutstammzellen verkehren. Frühere Untersuchungen haben illustriert, dass bakterielle Produkte, die Infektionen vortäuschen, die Abwanderung von Blutstammzellen in periphere Gewebe verursachen, wo sie an der Immunregulierung durch Differenzierung in Immunhelferzellen teilnehmen. Deshalb kann die durch IFN ausgelöste Blutstammzell-Proliferation dazu dienen, Immunhelferzellen aus im Umlauf befindlichen Blutstammzellen zu generieren, um sie schnell gegen Infektionen oder Tumorzellen einzusetzen.

Im Gegensatz zur Bedeutung dieses Rückkopplungssystemes für das blutbildende System ist die potenzielle klinische Bedeutung recht klar. IFN-alpha wurde lange in der Therapie gegen Krebs, insbesondere bei CML, wegen seiner wachstumshemmenden und immunmodulierenden Wirkung, verwendet. Die Entdeckung des proliferativen Effektes von IFN-alpha auf schlafenden Stammzellen stellt eine aufregende neue Interpretation neuester humaner Daten dar. Auffälligerweise zeigten eine handvoll Patienten, die zunächst mit IFN-alpha und dann mit Imatinib (einer molekularen, direkt gegen BCR-ABL, dem für CML charakteristischen Fusionsprotein, gerichtete Therapie) behandelt wurden, andauernde Remissionen, und vielleicht sogar Heilung nach Absetzen der Medikamente. Im Gegensatz dazu hatten Patienten, die eine Remission unter Imatinib ohne IFN-alpha erreichten, oft Rückfälle nach Absetzen der Imatinib-Therapie. Resistente CML-auslösende Zellen oder CML-Stammzellen, die durch ihren Ruhestatus vor der Beseitigung durch Imatinib geschützt werden, sind vermutlich für das Wiederauftreten der Erkrankung verantwortlich.

Die sich herausstellende Erklärungsmöglichkeit, stabile Remissionen in Patienten, die vorher mit IFN-alpha behandelt wurden, könnte sein, dass die Einwirkung von IFN-alpha die Stammzellen aus dem Ruhezustand zur Teilung/Vermehrung bringt, und diese so durch Imatinib-Behandlung verwundbar werden, anstatt geschützt zu bleiben.

Quelle: IFN-alpha wakes up sleeping hematopoietic stem cells, Emmanuelle Passegue & Patricia Ernst, Volume 15, number 6, june 2009, nature medicine. Übersetzung durch Niko, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit.

Weiterführende Informationen

MK-0457 ist ein pan-Aurora Kinasehemmer mit Wirkung gegen Wildtyp- und mutiertes BCR-ABL, einschließlich der T315I-Form, FLT3 und JAK-2. Ein italienisches Forscherteam führte eine innovative klinische Phase I Studie mit sequentieller und gleichzeitiger Behandlung mit Dasatinib, vormals 3 Monate lang verabreicht, und MK-0457 durch. Diese kombinierte Aktivität legt nahe, dass MK-0457 in Verbindung mit Dasatinib das Auftreten von T315I und anderen beständigen Klonen unterdrückt, wobei die Rate des Ansprechens auf Dasatinib und die Beständigkeit des Ansprechens verbessert wird. 

Die Studie überprüfte zwei Therapiepläne: Patienten, die ein weitgehendes hämatologisches Ansprechen (MHR) nach 3 Monaten der Behandlung mit Dasatinib (70 mg zweimal täglich) erreichten und aufrecht erhielten, wurde zweimal die Woche eine 6-Stunden Infusion von MK-0457 bei 64 mg/m2/Std verabreicht, wohingegen Patienten, die kein weitgehendes hämatologisches Ansprechen (MHR) erzielten, alle 4 Wochen eine durchgängige 5-tägige Infusion von MK-0457 bei 10 mg/m2/Std verabreicht wurde.

Ergebnisse: Zwei Patienten mit Ph+ ALL und ein Patient mit CML in myeloischer Blastenkrise, der vormals erfolglos mit Imatinib behandelt wurde, wurden angemeldet. Die ersten beiden Patienten, die beide nach dreimonatiger Behandlung mit Dasatinib ein hämatologisches Ansprechen erfuhren, wurden anschließend auf den Plan mit 6-stündiger Infusion zweimal die Woche gesetzt, wobei sie ein hämatologisches Ansprechen aufrechterhielten. Es wurde keine hämatologische Toxizität beschrieben. Der dritte Patient, in Krankheitsprogression, erhielt den 5-Tagesplan von MK-0457. Sein peripheres Blutbild zeigte eine schwerwiegende Panzytopenie, und sein schlechter klinischer Zustand beinhaltete einen schwerwiegenden hämorrhagischen Pleuraerguss. Nach einem Zyklus von MK-0457 wurden eine vollständige Erholung der Lungenerkrankung und ein vollständiges hämatologisches Ansprechen erzielt.

Schlussfolgerungen: Die sequentielle und gleichzeitige Verabreichung von Dasatinib und MK-0457 stellt eine viel versprechende therapeutische Strategie hinsichtlich refraktärer Ph+ CML und ALL dar.

Quelle: ASCO Abstract 7080: Innovative phase I study of concomitant and consecutive treatment with dasatinib and MK-0457 in refractory Ph+ CML and ALL patients. C. Papayannidis, I. Iacobucci, S. Soverini, S. Paolini, D. Cilloni, F. Messa, F. Pane, E. Ottaviani, M. Baccarani, G. Martinelli.Übersetzung durch Alice-Christine Merenda (Sigma) und Jan, ohne Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit.
Empfehlungen für eine Grund- und vierteljährliche Messung des BCR-ABL-Fusionstranskripts, um bei Patienten mit CML ein Ansprechen auf Imatinib zu überwachen, wurden ausdrücklich im Oktober 2006 ausgesprochen und in national anerkannte Behandlungsrichtlinien aufgenommen. Um die Häufigkeit der BCR-ABL-Überwachung zu bewerten, wurde eine rückwirkende Gruppenanalyse durchgeführt, wobei eine Datenbank über die Krankenkassenleistungen, die aus integrierten pharmazeutischen und ärztlichen Einreichungen besteht, und mehr als 10 Millionen Mitglieder umfasst, verwendet wurde.

Die Studiengruppe wurde als Patienten mit einer vom 01. Juli 2006 bis 31. Dezember 2006 registrierten pharmazeutischen Reklamation mit Bezug auf Imatinib definiert, bei denen eine CML diagnostiziert war (ICD-9 205.1X; N = 504), und die eine mindestens 3-monatige durchgehende Fortschreibung des Schadenverlaufs (N = 465) aufwiesen. Über einen Zeitraum von bis zu 4 Quartalen ab dem registrierten Verschreibungsdatum von Imatinib, wurde der BCR-ABL Test jedes Quartal durch die Anwesenheit eines beliebigen Sets von 19 CPT-4 Kodes bewertet. Die BCR-ABL-Testraten in jedem einzelnen Quartal und in darauf folgenden Quartalen wurden gemessen.

Ergebnisse: Die gesamte Studiengruppe war zu 57 % männlich; das durchschnittliche (±SD) Alter betrug 52 ± 14 Jahre, wobei 26 % 19 - 44 Jahre alt waren, 57 % 45 - 64 Jahre alt waren und 15 % ?65 Jahre alt waren. Die mittlere Nachsorgezeit betrug 559 Tage (Interquartilbereich 302 - 628 Tage) und bei einer Gruppe von 359 Patienten betrug der Nachsorgezeitraum 4 Quartale. Mindestens ein BCR-ABL Test wurde bei 60 % der Patienten aufgezeichnet. Die Rate des BCR-ABL Tests im ersten Quartal lag bei 40 % und verblieb bei 42 % - 43 % in den Quartalen 2 bis 4. Darauf folgende vierteljährliche Testraten betrugen 24 % im zweiten Quartal, 18 % im dritten Quartal und 14 % im vierten Quartal.

Schlussfolgerungen: Bei dieser rückwirkenden Datenbankanalyse wurde nur bei 14 % einer großen Gruppe von Patienten mit CML, die mit Imatinib behandelt wurden, in jedem von 4 aufeinanderfolgenden Quartalen ein BCR-ABL-Test aufgezeichnet. Mangelhafte Compliance mit dem BCR-ABL-Test kann Behandlungsentscheidungen verzögern und kann mit einem schlechten klinischen Ergebnis assoziiert werden.

Quelle: Abstract No: 7077: Inadequate BCR-ABL monitoring in imatinib-treated patients with chronic myelogenous leukemia. E. Stanek, R. E. Aubert, C. Sanders, F. W. Frueh, J. Yao, R. S. Epstein. Übersetzung durch Alice-Christine Merenda (Sigma) und Jan, ohne Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit.

Weiterführende Artikel:

Der Einsatz der Tyrosinkinasehemmer (TKIs) Imatinib, Dasatinib und Nilotinib hat die Pflege von Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie (CML) revolutioniert. Wir verfügen nunmehr über Nachsorge-Daten der IRIS Studie von mehr als 6 Jahren, und die Erstlinien-Verwendung von Imatinib hat gezeigt, dass sie sowohl sehr wirsam als auch allgemein sehr gut verträglich ist. Die große Mehrheit an Patienten mit frisch diagnostizierter CML in chronischer Phase (CP) erzielten eine vollständige zytogenetische Remission (CCyR), und im Laufe der Zeit erzielen die meisten von ihnen schließlich ein weitgehendes molekulares Ansprechen (MMR) und sogar ein vollständiges molekulares Ansprechen (CMR). Jedoch wurde noch keine Heilung nachgewiesen, und eine lebenslange Therapie mit Imatinib ist weiterhin die einvernehmliche Empfehlung.

Nichtsdestotrotz gibt es Situationen, in denen die Absetzung oder temporäre Aussetzung einer Therapie mit Tyrokinasehemmern (TKIs) bei Patienten mit gutem klinischem Ansprechen wünschenswert wäre. Beispielsweise können selbst relativ geringe Nebenwirkungen des Grades 1 oder 2, wie z. B. Wasseransammlung, Ausschlag, Muskelkrämpfe oder leichte Ermüdungserscheinungen, über einen Zeitraum von vielen Monaten bis hin zu Jahren mehr als störend werden, und sie können manchmal sogar kräftezehrend sein im Falle von Patienten, die eine lebenslange Therapie benötigen. Eine kurzzeitige Medikamentenauszeit kann eine willkommene Pause bieten, aber dies wird oftmals gegen die Angst vor einem raschen Rückfall aufgewogen. Die Kosten einer kontinuierlichen Therapie können sich ebenfalls als Last erweisen. Schlussendlich gibt es Situationen, wie z. B. eine Schwangerschaft, freiwillige operative Eingriffe oder kurzzeitig auftretende Krankheiten, in denen das Unterbrechen der Behandlung für einen kurzen Zeitraum in Betracht gezogen werden kann. Der Artikel von Goh et al. in dieser Ausgabe von Leukemia and Lymphoma trägt zu der wachsenden Anzahl an Daten über die klinischen Ergebnisse von Patienten mit CML in Remission bei, die aus verschiedenen Gründen während der Remission die TKI-Therapie unterbrochen hatten.

Wir setzen diese neuen Ergebnisse in Kontext zu den prospektiven Studien zur Unterbrechung der Behandlung mit Imatinib, über die kürzlich von australischen und französischen Forschern berichtet wurde.

Goh et al. in Korea folgten den klinischen Ergebnissen von 26 Patienten mit Philadelphia-Chromosom-positiver CML, die Imatinib nach Erreichen eines vollständigen zytogenetischen Ansprechens (CCyR) oder eines vollständigen molekularen Ansprechens (CMR) absetzten. Die Patienten dieser Studie stoppten die Behandlung mit Imatinib aus verschiedenen Gründen, einschließlich Toxizität, Schwangerschaft, Kosten oder anderen Patienten-spezifischen Faktoren. Im Gegensatz zu den unten beschriebenen Studien, beinhaltete die Auslegung der koreanischen Studie kein vorgeplantes Unterbrechungsschema. Eine heterogene Gruppe von 26 Patienten nahm an der Studie teil, einschließlich 11 Patienten, die vormals eine allogene Stammzellen-Transplantation erhalten hatten, und sieben Patienten, die sich zu der Zeit, in der die Behandlung mit Imatinib aufgenommen wurde, in der akzelerierten Phase befanden. 12 Patienten hatten vormals Interferon erhalten, und nur sieben hatten Imatinib als Ersttherapie für CML erhalten. Von den 26 Patienten stoppten 11 die Behandlung mit Imatinib nach Erreichen eines CCyR, und 15 beendeten die Behandlung nach Erreichen eines CMR. Wichtig ist anzumerken, dass die mittlere Remissionsdauer vor der Medikamentenunterbrechung für jede Gruppe nur 7 Monate betrug. Mehrere Patienten unterbrachen die Behandlung mit Imatinib innerhalb von 1 - 4 Monaten nach Erreichen eines Ansprechens. Die Patienten wurden jeden Monat auf einen hämatologischen Rückfall und alle 3 Monate auf einen zytogenetischen oder molekularen Rückfall überwacht. 24 Patienten erlitten einen Rückfall von ihrem tiefsten Remissionsstatus innerhalb von durchschnittlich 7 Monaten (zwischen 4 – 48 Monaten) nach dem Absetzen von Imatinib. Wenn die Behandlung mit Imatinib wieder aufgenommen wurde, erhielten 23 Patienten ihr bestes vormaliges Ansprechen, allerdings starb ein Patient, der vormals in CCyR war, aufgrund des Fortschritts von CML. Bis zu 28 Monate waren nach der Wiederaufnahme von Imatinib für einige Patienten notwendig, um ihr vormals bestes Ansprechen wieder zu erreichen, aber es wurden keinerlei zusätzliche Progressions-Ereignisse berichtet. Die durchschnittliche Nachsorgezeit nach der Wiederaufname der Therapie mit Imatinib lag bei 44 Monaten.

Im Gegensatz dazu führen australische Forscher einen prospektiven Versuch der Unterbrechung von Imatinib bei Patienten durch, die vormals ein CMR von mehr als 24 Monaten aufwiesen. Zwischenergebnisse, die im Rahmen der 2008 American Society of Hematology (ASH) Versammlung vorgestellt wurden, berichteten über 13 Patienten, die Imatinib nach Vorbehandlung mit Interferon erhalten hatten, und über fünf Patienten, die nur Imatinib erhalten hatten. Zehn der 13 Interferon/Imatinib Patienten und drei von fünf Patienten mit Imatinib Behandlung alleine verblieben bei der letzten Nachsorge in CMR. Alle fünf der molekularen Rückfälle geschahen innerhalb von 5 Monaten nach dem Unterbrechen der Behandlung, und alle fünf Patienten erreichten erneut ein CMR nach der Wiederaufnahme der Behandlung mit Imatinib. Kein Patient erlebte einen hämatologischen Rückfall und bei keinem Patienten wurde ein Erwerb einer ABL Kinase-Domain-Mutation festgestellt.

Die ausgereiftesten Daten wurden von der französischen Gruppe unter Leitung von Dr. F-X Mahon veröffentlich. Sie führte zuerst eine Pilotstudie durch, um die Umsetzbarkeit einer Absetzung von Imatinib bei Patienten abzuschätzen, deren CMR länger war als 24 Monate. Nach dem Absetzen von Imatinib wurden die Patienten die ersten 6 Monate lang jeden Monat mittels quantitativer RT-PCR (Q-PCR) und anschließend alle zwei Monate überwacht. Die Forscher nahmen 12 Patienten auf, die ein CMR nach durchschnittlich 32 Monaten nach einer Verabreichung von Imatinib über einen durchschnittlichen Zeitraum von 45 Monaten aufwiesen. Zehn von 12 Patienten waren vormals mit Interferon behandelt worden. Nach dem Absetzen von Imatinib erlebten sechs Patienten einen molekularen Rückfall; alle Ereignisse geschahen innerhalb von 5 Monaten nach dem Absetzen des Medikaments. Nach der Wiederaufnahme der Behandlung mit Imatinib erzielten zwei Patienten erneut ein CMR und die anderen vier zeigten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung abnehmende Transkriptlevel. Sechs Patienten verblieben zum Berichtszeitpunkt in CMR mit einer durchschnittlichen Nachsorgezeit von 18 Monaten und manche bis zu 24 Monate.

Auf Grundlage dieser Ergebnisse initiierte die französische Gruppe im Juli 2007 eine multizentrische Stop-Imatinib-(STIM)-Studie. Die Voraussetzung zur Teilnahme an der Studie waren eine Behandlungsdauer mit Imatinib von mindestens 36 Monaten und mindestens 24 Monaten mit CMR, dokumentiert bei mehreren Gelegenheiten. An dieser Studie nahmen 50 Patienten teil, von denen 25 vormals Interferon erhalten hatten. Zum Zeitpunkt der Präsentation des Abstracts im Rahmen der 2008 ASH-Konferenz waren 34 Patienten länger als 6 Monate, nachdem die Behandlung mit Imatinib gestoppt worden war, beobachtet worden. Neunzehn Patienten (56 %) hatten bereits einen molekularen Rückfall erlitten, wobei alle Rückfälle bis auf einen innerhalb von 6 Monaten des Absetzens von Imatinib stattfanden. Fünfzehn Patienten (44 %) verblieben in CMR, wobei sie monatlich mittels Q-PCR überwacht werden. Allerdings wurden nur drei Patienten länger als 12 Monate beobachtet. Bemerkenswert ist, dass die beobachtete Rate der Rückfälle ähnlich bei Patienten war, die vormals Interferon erhalten hatten, verglichen mit denjenigen, die nur Imatinib verabreicht bekommen hatten. Somit legt eine kleine aber wachsende Menge an Beweisen nahe, dass eine Teilmenge der Patienten, die wegen CML in chronischer Phase behandelt werden und die in einer verlängerten CMR in Imatinib-Therapie sind, unter Umständen in der Lage sind, ihre TKI Therapie gesichert abzubrechen. Diese Strategie erfordert jedoch weitere Bestätigung und sehr viel längere Nachsorgezeiten. 

Bis jetzt scheint es keine Patienten oder Krankheitscharakteristika zu geben, die vorab diejenigen Patienten identifizieren, die ihre Imatinib-Behandlung gesichert abbrechen können. Daher sollten solche Patienten extrem genau und im Rahmen eines gut ausgelegten klinischen Versuchs beobachtet werden. Monatliche Überwachung mit einem genauen und zuverlässigen Q-PCR Verfahren sowie die Bereitschaft, bei einem ersten Anzeichen eines molekularen Rückfalls die Behandlung mit Imatinib wieder aufzunehmen, scheinen zwingend erforderlich zu sein. Glücklicherweise können die meisten Patienten nach dem Rückfall gerettet werden. Es bleibt zu bestimmen, ob Patienten, die vor der Behandlung mit Imatinib Interferon erhielten, niedrigere Rückfallraten haben, als diejenigen Patienten, die alleinig mit Imatinib behandelt werden. Weitere Studien können die Verwendung beider Wirkstoffe in Betracht ziehen, entweder nacheinander wie in der Vergangenheit, oder gleichzeitig, als Strategie zur CML Vernichtung mit dem Endziel, eine langfristige TKI Aussetzung zu verhindern.

Vorläufig sollte die klinische Praxis durch einen konservativen Ansatz geleitet werden. Durchgängige tägliche Imatinib-Therapie und das rechtzeitige Erreichen von therapeutischen Meilensteinen, wie z. B. frühzeitiges hämatologisches Ansprechen, vollständiges zytogenetisches Ansprechen (CCyR) und weitgehendes molekulares Ansprechen (MMR), sind entscheidend für die Zusicherung, dass sich die hervorragenden veröffentlichten Ergebnisse bei CML in der Praxis weitflächig wiederholen können. Kein Patient in einer verlängerten molekularen Remission, oder mit jeglicher Tiefe der Remission, sollte eigenverantwortlich versuchen, die Therapie zu beenden. Zusätzlich sollten behandelnde Krankenhausärzte diese frühen Ergebnisse nicht auf einzelne Patienten durch Abbruch einer wirksamen Therapie übertragen, bevor die Beweisgrundlage nicht größer und ausgereifter ist.

Quelle: Mattison, Ryan and Larson, Richard A.(2009): 'Discontinuing imatinib in chronic myeloid leukemia: don't try this at home', Leukemia and Lymphoma,50:6. DOI: 10.1080/10428190902934951. Übersetzung durch Alice-Christine Merenda (Sigma) und Jan, ohne Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit.

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Nilotinib ist ein wirksamer und sehr selektiver BCR-ABL Hemmer, der zur Behandlung von Ph+ CML Patienten in chronischer Phase oder akzelerierter Phase, die gegenüber einer vorherigen Therapie resistent sind oder sie nicht vertragen, zugelassen ist. Diese Studie bewertete die Wirksamkeit und Sicherheit von Nilotinib (400 mg zweimal täglich) bei CML-Patienten in chronischer Phase, die gegenüber Imatinib resistent sind oder es nicht vertragen.

Verfahren

Primärer Endpunkt der Studie war das weitgehende zytogenetische Ansprechen (MCyR). Sekundäre Endpunkte beinhalteten komplettes zytogenetisches Ansprechen (CCyR), komplettes hämatologisches Ansprechen (CHR), Dauer des weitgehenden zytogenetischen Ansprechens (MCyR), Gesamtüberleben (OS) und Sicherheit.

Ergebnisse

321 Patienten mit CML in chronischer Phase (70 % gegenüber Imatinib/IM resistent, 30 % mit einer Unverträglichkeit gegenüber Imatinib mit Resistenz) bei denen der Nachsorgezeitraum mindestens 19 Monate betrug, wurden bewertet; 72 % wurden vor der Teilnahme mit mindestens 600 mg Imatinib pro Tag behandelt. Die vorherige durchschnittliche Behandlungsdauer mit Imatinib betrug 32 (1 - 94) Monate. Die durchschnittliche Dosisintensität von Nilotinib (790 mg/Tag; zwischen 151 - 1,110 mg/Tag) kam der geplanten Dosis sehr nahe. 

Nilotinib führte zu einem schnellen und dauerhaften CHR und MCyR. Ein CHR wurde bei 94 % der Patienten beobachtet. 59 % erzielten ein MCyR (durchschnittlich 2,8 Monate bis zum Erreichen eines MCyR; 56 % bei gegenüber IM resistenten Patienten und 65 % bei Patienten mit Unverträglichkeit auf IMImatinib einschließlich 73 % der Patienten mit einem Ausgangs-CHR und 44 % erzielten ein CCyR (41 % bei gegenüber IM resistenten Patienten; 51 % bei Patienten mit Unverträglichkeit gegenüber IM). Das jeweilige Ansprechen war dauerhaft, wobei 78 % der Patienten ein MCyR 24 Monate lang aufrechterhielten. Die geschätzte OS-Rate betrug bei 24 Monaten 88 %. Das Sicherheitsprofil änderte sich bei einem längeren Nachsorgezeitraum nicht. Die häufigsten biochemischen Laboranomalien des Grades 3/4 waren erhöhte Lipasewerte (17 %), Hypophosphataemie (16 %), Hyperglykämie (12 %) und Gesamtbilirubin (8 %), die wieder abklangen und klinisch asymptomatisch waren. Grad 3/4 nicht hämatologische Nebenwirkungen waren selten: Hautausschlag, Kopfschmerzen und Durchfall traten bei 2 % der Patienten auf. Die häufigsten Grad 3/4 hämatologischen Laboranomalien waren Neutropenie (31 %), Thrombozytopenie (31 %) sowie Anämie (10 %). Kurze Dosisunterbrechungen waren erfolgreich, um die meisten Nebenwirkungen in den Griff zu bekommen. Pleura- oder Herzbeutelergüsse (Grad 3/4) traten nicht sehr häufig (seltener als 1%) auf.

Schlussfolgerungen

Diese Ergebnisse zeigen, dass Nilotinib sehr wirksam war und ein schnelles und dauerhaftes Ansprechen bei CML-Patienten in chronischer Phase zeigte, bei denen aufgrund von Resistenz oder Unverträglichkeit eine vorherige Therapie nicht anschlug. Nilotinib wurde mit einem günstigen Risiko/Nutzen-Verhältnis gut vertragen.

Quelle: ASCO Abstract 7029: Nilotinib in chronic myeloid leukemia patients in chronic phase (CML-CP) with imatinib (IM) resistance or intolerance: Longer follow-up results of a phase II study. H. Kantarjian, F. Giles, K. Bhalla, J. Pinilla, R. A. Larson, N. Gattermann, O. G. Ottmann, N. J. Gallagher, M. Baccarani, P. leCoutre et al. Übersetzung durch Alice/Jan, ohne Gewähr auf Richtigkeit

Weiterführende Informationen

ASH: Phase-II-Studie mit Nilotinib als Erstlinienbehandlung mit gutem Ansprechen, Leukämie-Online 10.12.2008
Imatinib 400 mg täglich ist die Erstlinien-Behandlung von CML in chronischer Phase, sie bietet jedoch lediglich 50 % weitgehendes molekulares Ansprechen (MMR) bei 18 Monaten. Französische Experten führen eine randomisierte multizentrische offene prospektive Phase-III-Studie durch, die Imatinib-Standardtherapie mit 3 experimentellen Armen vergleicht: Imatinib 600 mg/Tag, Imatinib 400 mg mit Cytarabin/Ara-C und Imatinib 400 mg/Tag mit Peg-Interferon. Auf der Krebskonferenz ASCO im Juni 2009 wurde ein Update der Studienergebnisse vorgestellt.

Die Medikation der Gruppen war wie folgt: Imatinib 400 mg/Tag (159 Patienten), Imatinib 600 mg/Tag (160 Patienten), Imatinib 400 mg/Tag + Cytarabin/Ara-C (20 mg/m2/Tag an Tag 15-28 von 28-tägigen Zyklen, 158 Patienten) und Imatinib 400 mg/Tag + Peg-IFN2a (90 µg/Woche, 159 Patienten).

Die Patienten wurden in einem 1.1.1.1 Verhältnis verteilt, wobei sie in Sokal-Risikogruppen eingeteilt wurden. Molekulare Abschätzungen wurden zentralisiert und verblindet. Eine vorläufige Analyse von 636 Patienten wurde geplant, basierend auf einem BCR-ABL/ABL-Verhältnis von weniger als 0,01 % nach internationaler Skala (optimales molekulares Ansprechen, OMR) 1 Jahr nach Therapiebeginn.

Ergebnisse: 636 Patienten wurden in der Zeit zwischen September 2003 und Oktober 2007 aufgenommen, ihr durchschnittliches Alter betrug 51 (18 - 78) Jahre, 62 % waren männlich und der durchschnittliche Nachsorgezeitraum betrug 36 (12 - 62) Monate. Nach 3 Monaten erzielten 88 % der Patienten ein komplettes hämatologisches Ansprechen. 

Die Raten des MMR bei 6 und 12 Monaten waren für Imatinib-PegIFN höher als im Vergleich zu Imatinib-400. Bei 18 Monaten betrugen die kumulativen Raten für optimales molekulares Ansprechen 22 % (Imatinib-400), 28 % (Imatinib-600), 25 % (Imatinib-Ara-c) sowie 43 % (Imatinib-PegIFN). 

Grad 3/4 Neutropenie und/oder Thrombozytopenie traten im ersten Jahr bei 8 % des Imatinib-400 Arms, 14 % des Imatinib-600 Arms, 41 % des Imatinib-Ara-C Arms bzw. 40 % des Imatinib-PegIFN Arms auf. Grad 3/4 nicht hämatologische Toxizitäten traten bei 19 % der Imatinib-400 (Ödeme, Muskelkrämpfe), 30 % der Imatinib-600, 27 % der Imatinib-Ara-C (Durchfall) und 31 % der Imatinib-PegIFN Patienten (Hautausschläge, Kraftlosigkeit) auf. Innerhalb der ersten 12 Monate brachen 8 % der Imatinib-600, 39 % der Imatinib-Ara-C und 45 % der Imatinib-PegIFN Patienten die experimentelle Behandlung ab.

Schlussfolgerungen: Obwohl eine erhebliche Anzahl an Patienten die PegIFN-Behandlung innerhalb des ersten Jahres verringerte oder stoppte, wurden bei den Raten des molekularen Ansprechens deutliche Verbesserungen bei dem Imatinib-PegIFN-Arm beobachtet.

Quelle:ASCO Abstract 7058: A phase III study exploring various doses of imatinib (IM) or IM in combination for newly diagnosed chronic phase (CP) chronic myeloid leukemia (CML) patients (pts): Results of an interim analysis of the SPIRIT trial of French CML group. E. Nicolini, F. X. Mahon, J. Guilhot et al. Übersetzung durch Alice/Jan, ohne Gewähr auf Richtigkeit/Vollständigkeit

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CML-Experten stellen sich in verschiedenen Studien die Frage, ob die heute für die Behandlung nach Imatinib-Resistenz oder -Unverträglichkeit zugelassenen CML-Medikamente bei einem Einsatz als Ersttherapie langfristig höhere oder bessere Ansprechraten erzeugen könnten, oder ob lediglich die Nebenwirkungen oder Kosten höher sind. Um die Wirksamkeit und die Sicherheit von Nilotinib 400 mg zweimal täglich bei nicht behandelten CML Patienten in früher chronischer Phase zu untersuchen, führt die GIMEMA-CML-Arbeitsgruppe eine multizentrische Phase II Studie (ClinicalTrials.gov NCT00481052) durch. Zwischen Juni 2007 und Februar 2008 hatten sich 73 Patienten für eine Teilnahme an der Studie angemeldet, erste Ergebnisse wurden auf der Krebskonferenz ASCO im Juni 2009 vorgestellt.

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Die empfohlene Therapie zur Dosierung von Dasatinib bei CML in chronischer Phase liegt heute bei 100 mg einmal täglich, früher bei 70 mg zweimal pro Tag, basierend auf den Erkenntnissen aus einer Phase-III-Studie zur Optimierung der Dosis (CA180-034). An dieser Studie nahmen Patienten mit CML in chronischer Phase teil, die eine Resistenz, Unverträglichkeit oder ein weniger gutes Ansprechen auf Imatinib zeigten. 

Verfahren: Die Patienten wurden unter Verwendung eines 2 x 2 Studienprotokolls per Zufallsverfahren auf einem der folgenden vier Behandlungsarmen angeordnet: 100 mg täglich (n = 167), 70 mg zweimal täglich (168 Patienten), 140 mg täglich (167 Patienten) oder 50 mg zweimal täglich (168 Patienten). Details bezüglich der Gestaltung der Studie und der Studienziele/Endpunkte wurden vorab beschrieben.

Ergebnisse: Nach mindestens 24 Monaten Beobachtung betrug das progressionsfreie Überleben mit 100 mg täglich 80 % (im Gegensatz zu 75 % - 76 % in anderen Armen) und die Gesamtüberlebensrate betrug 91 % (im Gegensatz zu 88 % - 94 %). In allen Armen wurden hohe Ansprechraten bei Patienten mit oder ohne anfängliche BCR-ABL-Mutation erzielt. Dasatinib 100 mg täglich wurde gut vertragen und der Anteil der Nebenwirkungen zeigte lediglich eine geringe Zunahme von 12 auf 24 Monate. 

Unter den vier Behandlungsarmen wurden bedeutende Unterschiede beim Auftreten von Arzneimittel-bedingtem Pleuraerguss (alle Grade) und Zytopenie (Grad 3/4) beobachtet, wobei die geringsten Häufigkeiten bei einer Dosierung von 100 mg täglich beobachtet wurden. Eine Behandlung mit 100 mg Dasatinib einmal täglich führte zu den geringsten Häufigkeiten bezüglich Behandlungsunterbrechung, Dosisverringerung und Therapieabbruch. Zusätzlich zur Bereitstellung einer 36-Monate-Beobachtung wird die Wahrscheinlichkeit gezeigt, längerfristige Endpunkte zu erzielen, die auf dem zytogenetischen Status bei 6, 12 und/oder 18 Monaten basieren.

Schlussfolgerungen: Dasatinib 100 mg einmal täglich bleibt das optimale Dosierungsschema für Patienten mit CML in chronischer Phase

Quelle: ASCO Abstract 7007: Dasatinib dose-optimization study in chronic phase chronic myeloid leukemia (CML-CP): Three-year follow-up with dasatinib 100 mg once daily and landmark analysis of cytogenetic response and progression-free survival (PFS). R. M. Stone, D. W. Kim, H. M. Kantarjian, P. Rousselot, A. Hochhaus et al.

Weiterführende Informationen

Dasatinib-Studie: 100mg/Tag bevorzugte Dosis, Leukämie-Online 01.06.2007
Aus aktuellem Anlass der Vogel- und Schweinegrippe wird von CML-Patienten vermehrt die Frage gestellt, ob die gleichzeitige Einnahme von Imatinib (Handelsname Glivec) und Oseltamivir (Handelsname Tamiflu) möglich sei. Ein Schweizer Team der Universitätsklinik Lausanne hat sich des Themas nun angenommen und den Wirkweg beider Medikamente untersucht. Eine gegenseitige Beeinflussung der Wirkspiegel der Medikamente scheint aufgrund ihrer Stoffwechseleigenschaften demnach unwahrscheinlich, Vorsicht sei aber aufgrund eventueller gemeinsamer Nebenwirkungen geboten.

Imatinib (Handelsname Glivec) wird über einen bestimmten Wirkstoffweg (Cytochrome P450/CYP, Isoenzypme 3A4 und 3A5) abgebaut. Der größte Teil von Imatinib wird in der Galle aufgenommen und mit dem Stuhl ausgeschieden. Oseltamivir (Tamiflu) wird im gastrointestinalen Trakt aufgenommen und weder der Wirkstoff, noch seine Metaboliten haben Wechselwirkungen mit P450 und anderen Enzymen, die im Abbau von Imatinib eine Rolle spielen.

Beide Medikamente haben daher verschiedene Mechanismen der Verstoffwechselung und des Abbaus. Pharmakologische Wechselwirkungen seien daher unwahrscheinlich, und die Wirkspiegel blieben bei Zuführung des jeweils anderen Medikaments unverändert.

Trotzdem, da bei Oseltamivir and Imatinib einige Nebenwirkungen gleich seien, beispielsweise Müdigkeit und Übelkeit, sollten diese sorgfältig überacht werden, und Oseltamivir sollte nicht bedenkenlos genommen werden, sondern nur nach Beratung durch den behandelnden Arzt und/oder Onkologen.

Zusätzlich sollte Vorsicht geboten sein, da die kombinierte Gabe von Imatinib und Oseltamivir zuvor nie untersucht wurde und daher unerwartete Nebenwirkungen auftreten könnten und daher nicht ausgeschlossen seien.

Quelle: Imatinib (Gleevec) and Oseltamivir (Tamiflu), Amina Haouala, Nicolas Widmer, Thierry Buclin, Serge Leyvraz, Michael Montemurro.Übersetzung durch Jan, ohne Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit.
Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) hat am 27.09.2009 eine neue Version der deutschen CML-Therapieleitlinien veröffentlicht. Das Team um Prof. Hochhaus, Prof. Brümmendorf und Prof. Le Coutre stellte damit eine deutschsprachige Zusammenfassung bereit, die auch Neues aus der IRIS-Studie, der deutschen CML-IV-Studie und anderer Studien einbezieht. Die Leitlinien sollten für Ärzte als Referenz für die Behandlung der CML dienen.

(Zusammenfassung und Vereinfachung in Auszügen - mehr Detail im Originalartikel, siehe unten)

Aktuelle Erfahrungen mit Imatinib

Das Dokument zitiert die 6-Jahres-Daten der Imatinib-Zulassungsstudie "IRIS", in der nahezu 9 von 10 Patienten (87%) innerhalb von 18 Monaten ein sehr gutes zytogenetisches Ansprechen auf die Imatinib-Therapie erreichten. 86% aller Patienten überlebten die ersten sieben Jahre der Imatinib-Therapie. Es sei davon auszugehen, dass die jährliche CML-bedingte Sterblichkeit lediglich ca. 1% betrage, und die Sterberate an CML-unabhängigen Ursachen ebenfalls 1% betrage.

Die häufigsten schweren (Grad 3 oder 4) Nebenwirkungen unter Imatinib-Therapie waren Neutropenie (14%), Thrombopenie (8%), Blutarmut/Anämie (3%) sowie eine erhöhte Aktivität der Leberwerte (5%) und traten am häufigsten in den ersten beiden Jahren unter der Imatinib-Therapie auf. Leichte Nebenwirkungen wie Muskelkrämpfe oder Flüssigkeitseinlagerungen/Ödemen sollten konsequent symptomatisch behandelt werden, um die Therapietreue langfristig zu erhalten.

Die Leitlinien gehen auch auf aktuelle Erkenntnisse aus anderen Studien ein. So wird berichtet, dass klinische Studien wie die französische STIM-Studie auch nach lange bestehender molekularer Remission von Rezidiven bei Absetzen der Medikation beobachteten. Man vermute daher das Bestehen von CML-betroffener Stammzellen unter Imatinib-Therapie bei nahezu allen Patienten. Ausserhalb klinischer Studien werde deshalb ein Absetzen der Medikation nicht empfohlen. 

Weiterhin wurde in Studien die Fragestellung der Wirksamkeit und Sicherheit der Imatinib-Therapie bei älteren CML-Patienten beleuchtet. Eine Studie aus dem Jahr 2003 zeigte, dass Imatinib bei CML in chronischer Phase in der Patienten-Altersgruppe über 60 Jahre vergleichbar effizient wirkt wie bei jüngeren Patienten. Die kompletten hämatologischen Remissionen waren in beiden Altersgruppen gleich (94% der Patienten), und eine komplette zytogenetische Remission trat bei 56% der älteren und 44% der jüngeren Patienten auf. Subanalysen laufender Studien der italienischen GIMEMA-Studie und der Deutschen CML Studiengruppe (CML-Studie IV) zeigen ein gutes Ansprechen bei guter Verträglichkeit auch bei älteren Patienten über 65 Jahre.

Therapieplanung

Bei BCR-ABL-positiver CML werde ein rascher Therapiebeginn mit 400mg Imatinib/Tag empfohlen. Bei suboptimalem Ansprechen auf Imatinib seien nach Ausschluss von Therapietreue-Problemen oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten die Fortsetzung der Therapie mit 400 mg/Tag, die Dosiserhöhung oder der Einsatz von Nilotinib oder Dasatinib möglich. Bei Therapieversagen erfolgt der Einsatz der Zweitgenerations-Medikament nach dem Ergebnis einer Mutationsanalyse und der klinischen Vorgeschichte des Patienten. Eine allogene Stammzelltransplantation sollte nach Versagen der Erstlinientherapie überdacht werden.

Zur frühen Identifizierung von Patienten mit suboptimalem Ansprechen und von Rückfällen wird eine konsequente hämatologische, zytogenetische und molekulare Überwachung empfohlen.

Zum Aufstellen eines klaren Therapieplans mit der Definition bestimmter Meilensteine wird vor Beginn der Therapie sowie in jährlichen Intervallen eine Vorstellung in einem hämatologischen Zentrum empfohlen. Eine optimale Therapie sei nur unter Nutzung der zytogenetischen und molekularen Überwachungsmaßnahmen möglich. Die Teilnahme an klinischen Studien ermögliche angesichts der raschen Entwicklung der medikamentösen Optionen eine Therapieoptimierung und Qualitätssicherung. 

Verlaufskontrolle

Optimale Therapieergebnisse könnten nur bei systematischer Kontrolle des Ansprechens auf die Therapie erreicht werden.

Vom Europäischen Leukämienetz (ELN) werde daher nach Therapiebeginn eine drei- bis sechsmonatliche zytogenetische Untersuchung des Knochenmarkes (durch Punktion) bis zur Erreichung einer kompletten zytogenetischen Remission empfohlen. Ist diese erreicht, sei eine Knochenmarkuntersuchung nur noch zur Beobachtung einer eventuell bestehenden Zytopenie (zu geringe Zellzahlen bei Leukos, Thrombos etc) sowie vor jedem Therapiewechsel erforderlich. 

Allerdings sollte eine dreimonatliche molekulare Verlaufskontrolle (quantitative PCR-Untersuchung) unter Angabe der Resterkrankung (BCR-ABL-Last) nach dem Internationalen Standard erfolgen.

Eine BCR-ABL-Mutationsanalyse wird bei deutlichem (größer als 5-fachem) Anstieg der BCR-ABL-Last unter gleichzeitigem Verlust der guten molekularen Remission (BCR-ABL/ABL größer 0,1%) empfohlen. Bei allen Patienten mit steigenden PCR-Werten sollte die Therapietreue überprüft bzw. die Neueinnahme von Medikamenten erfragt werden, die Wechselwirkungen mit dem Abbau von Imatinib im Körper haben könnten. Die BCR-ABL-Mutationsanalyse werde jedoch nur bei klinischem Verdacht auf Imatinib-Resistenz, nicht aber als Routineverfahren empfohlen. 

Eine Imatinib-Plasmatalspiegel-Messung bzw. eine daran orientierte individuelle Dosierung sei nicht immer sinnvoll, da der zelluläre Imatinib-Wirkspiegel zusätzlich von der Aktivität bestimmter Transporterproteine abhinge. Die Bestimmung der Imatinib-Spiegel sei jedoch sinnvoll bei ungeklärten Nebenwirkungen, der Einnahme Medikamente mit potentiellen Wechselwirkungen zu Imatinib, sowie zur Überprüfung der Therapietreue.

Resistenzmechanismen

Die häufigste Ursache der Imatinib-Resistenz sind BCR-ABL-Punktmutationen. Mehr als 60 verschiedene Mutationen seien heute bekannt , die die Wirksamkeit von Imatinib vermindern oder aufheben können. Sehr wichtig sei das rasche Absetzen von Imatinib beim Auftreten derjenigen Mutationen, die einen komplettem Wirkverlust bewirken, z.B. Y253F/H, E255K/V, oder T315I, da dies sonst zu einem Überlebensvorteil resistenter Zellen führen könne. Es gebe jedoch noch andere Resistenzursachen als Mutationenv (Amplifikation, Überexpression, Deletion).

Suboptimales Ansprechen und Therapieversagen

Von suboptimalem Ansprechen auf Imatinib wird gesprochen, wenn nach 3 Monaten kein zytogenetisches Ansprechen, nach 6 Monaten noch mehr als 35% Ph-positive Zellen im Knochenmark, nach 12 Monaten noch Ph-positive Zellen im Knochenmark, oder nach 18 noch eine PCR von über 0.1% BCR-ABL/ABL vorliegen. Ein suboptimales Ansprechen auf Imatinib könne auch durch BCR-ABL-unabhängige Faktoren oder Mangel an Therapietreue verursacht werden. Die Dosiserhöhung von Imatinib auf 600 oder 800 mg/Tag werde im Falle des suboptimalen Ansprechens empfohlen. 

Therapieversagen liege vor, wenn nach 3 Monaten noch keine Normalisierung des Blutbilds, nach 6 Monaten noch kein zytogenetisches Ansprechen, nach 12 Monaten noch mehr als 35% noch mehr als 35% Ph-positive Zellen im Knochenmark, nach 18 Monaten noch mindestens eine Ph-positive Zelle im Knochenmark vorliege, oder wenn eine einmal erreichte hämatologische oder zytogenetische Remission, eine Mutation mit Komplettverlust der Imatinib-Wirkung, oder eine klonale Evolution vorliege. Therapieoptionen für Patienten nach Versagen der Standardtherapie beinhalten Hochdosis-Imatinib (bei Verträglichkeit der Standarddosis und fehlenden resistenten Mutationen), den Einsatz der Zweitgenerations-Hemmer Nilotinib oder Dasatinib, den Einschluss des Patienten in eine klinische Studie, oder die Durchführung einer allogenen Stammzelltransplantation.

Hochdosis-Imatinib als Erstlinientherapie

400mg/Tag ist die Standarddosis für neudiagnostizierte CML-Patienten in chronischer Phase. Höhere Dosen als Ersttherapie werden in klinischen Studien aktuell geprüft. Im direkten Vergleich (TOPS-Studie) konnte ein schnelleres Ansprechen der Hochdosis nachgewiesen werden, nach 18 Monaten waren die kompletten zytogenetischen und guten molekularen Remissionsraten zwischen der Standardtherapie und der 800mg-Therapie jedoch nicht mehr verschieden. Die Nebenwirkungsrate war unter der 800mg/Tag deutlich höher. Mehrere nationale Studien, die Standard- und Hochdosis-Imatinib als Erstlinientherapie vergleichen, sind noch im Gange.

Zweitgenerations-Medikamente

Zwei Zweitgenerations-Tyrosinkinase-Inhibitoren sind zur Zeit in Deutschland für Imatinib-Resistenz oder Imatinib-Unverträglichkeit zugelassen: Nilotinib (Tasigna) und Dasatinib (Sprycel).

Ziel der Therapie mit Zweitgenerationsinhibitoren ist das Erreichen eines guten zytogenetischen Ansprechens nach 12 Monaten, da die Langzeitergebnisse ohne Erreichung eines solchen Ansprechens deutlich ungünstiger sind. Nach 12 Monaten sollte bei Nichterreichen die Durchführung einer allogenen Stammzelltransplantation deshalb erneut überdacht werden

Dasatinib hemmt alle Imatinib-resistenten BCR-ABL-Mutanten ausser T315I. Die zytogenetischen Remissionen waren bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten stabil. Bisher nicht bekannte nichthämatologische Toxizitäten bestanden in erster Linie aus Pleuraergüssen bei einem Viertel (26%) der Patienten in chronischer Phase.

Nilotinib ist gegen fast alle Imatinib-resistenten BCR-ABL-Mutationen außer T315I wirksam. Unter Nilotinib wurde ein Ansprechen auch bei Patienten gesehen, die zuvor Resistenz oder Unverträglichkeit auf Imatinib und Dasatinib zeigten. Nebenwirkungen von Nilotinib waren in erster Linie im Blutbild zu beobachten. Nichthämatologische Nebenwirkungen bestanden in einer vorübergehenden Bilirubinerhöhung, und erhöhten Lipasewerten ohne Zeichen einer aktiven Pankreatitis. Fette Nahrung erhöht die Blutspiegel von Nilotinib -- deshalb wird 2 Std. vor und 1 Std. nach der Einnahme Fasten empfohlen. Grapefruit-Produkte und andere Stoffe, die den gleichen Stoffwechselweg verwenden (CYP3A4), sollten vermieden werden. Patienten mit vorbestehender QTc-Verlängerung im EKG sollten nicht mit Nilotinib behandelt werden. Eine Häufung von Pleura- oder Perikardergüssen wurde unter Nilotinib nicht beobachtet.

Die nicht das Blutbild betreffende Kreuzintoleranz (d.h. Auftreten gleicher Nebenwirkungen bei zwei Medikamenten) zwischen Imatinib und Nilotinib oder Dasatinib war in allen Studien gering. Bei verzögerter Erholung der Blutbildung unter Imatinib besteht jedoch eine Gefahr des Wiederauftretens unter Nilotinib oder Dasatinib.

Zukünftige CML-Therapien

Die vielversprechendsten Daten beziehen sich auf den Erstlinieneinsatz der Zweitgenerationsmedikamente Dasatinib und Nilotinib. Andere sind in der Entwicklung: Bosutinib (Wyeth/Pfizer) ist ein dualer ABL/SRC-Inhibitor, der Aktivität nach Versagen von Imatinib und anderen ähnlichen Medikamenten in allen Phasen der Erkrankung bei guter Verträglichkeit zeigte. Die häufigsten vorübergehenden Nebenwirkungen waren überwiegend niedrig-gradige Übelkeit, Erbrechen und Durchfall.

Weitere neue Wirkstoffe wirken auf BCR-ABL durch andere Mechanismen: der Aurora-Kinase-Inhibitor MK-0457, AP24534 und Danusertib sind effektiv gegen die T315I-Mutation. Diese könnten für Patienten mit dieser Mutation eine Alternative darstellen.

Vakzinierungen (spezielle Impfstoffe) gegen verschiedene Antigene zeigten Ansprechen von Patienten mit minimaler Resterkrankung. Vielversprechende Ergebnisse wurden mit Omacetaxine, einem semisynthetischen Derivat des Alkaloids Homoharringtonin erzielt. Omacetaxin wirkt antiproliferativ und immunmodulierend, eventuell auch selektiv auf BCR-ABL-Mutanten.

Die Effektivität und Tolerabilität von Interferon wird in zahlreichen Studien in Kombination mit Imatinib untersucht. In der französischen Phase-III-Studie wurde eine Überlegenheit von Imatinib+Peg-Interferon (Pegasys) gegenüber der Imatinib-Standardtherapie bezüglich zytogenetischem und molekularem Ansprechen gezeigt. Die Daten anderer Studien, incl. der deutschen CML-Studie IV, stehen noch aus. Eine Interferon-Erhaltungstherapie nach Kombination von Imatinib mit Interferon wurde untersucht, um eine lebenslange Tyrosinkinase-Inhibition zu vermeiden. Bei 15 von 20 Patienten konnte unter sehr niedrigen IFN-Dosierungen eine stabile und z.T. verbesserte molekulare Remission erhalten werden. Ziel sei ein Absetzen auch von Interferon unter Beibehaltung der Immunantwort - und damit Langzeitansprechen ohne CML-Therapie. 

Quelle: DGHO CML-Leitlinien. Zusammenfassung in Auszügen durch Jan, ohne Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit. 
Originaltext unter http://www.dgho-onkopedia.de/onkopedia/leitlinien/cml
"Warum verbringe ich nur den Nikolaustag statt mit meiner Familie in den USA", fragte ich mich, als ich am 4. Dezember das Flugzeug in Richtung USA betrat - in Aussicht einer langweiligen 16-Stunden-Reise nach New Orleans, um dann mit Jetlag einige Tage in den dunklen Kellern eines Konferenzzentrums zu verbringen. Jahr für Jahr treffen sich mehr als 20.000 Hämatologen und Leute aus der Gesundheitsbranche zur Jahreskonferenz der "Amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie", von Wiederkehrern liebevoll auch "der ASH" genannt. Die Publikationen sind alle im Internet verfügbar. "Ist es wirklich den Aufwand wert, statt einfach nur meinen Browser zu verwenden", fragte ich mich. Es ist es, definitiv.

Wenn es einen Platz gibt, an dem die neuesten Forschungsergebnisse und Therapien für Bluterkrankungen zu sehen sind, dann ist es "der ASH". Wenn es ein Meeting gibt, an dem praktisch alle Experten, die in der Leukämieforschung etwas zu sagen haben, vor Ort sind, ist es dieses. Ich kann dem Eindruck nicht widerstehen, dass die Gemeinschaft der Hämatologen ein Jahr lang Forschungsergebnisse für sich behält, nur um sich auf ASH einen Wettbewerb um die spannendsten Neuigkeiten zu liefern. Ein unbenannter Hämatologe gab mir gegenüber zu, dass sie wohl Streichhölzer ziehen müssen, wer zuhause bleiben muss, um die Klinik während ASH am Laufen zu halten. Ist natürlich etwas übertrieben - aber als ich das Flugzeug in München betrat, hatte ich den Eindruck, ich war fast der einzige, der nicht schon alle anderen im Flieger kannte. Ein Flieger voller Hämatologen nach Charlotte, USA.

Ich bin also dieses Jahr wieder hingefahren. Insgesamt war es diesmal zeitlich etwas eng, weil ich nicht zu viele Tage vom Büro und meiner Familie entfernt sein wollte. Ich habe daher die Satellitensymposien am Donnerstag sowie die letzten Sitzungen am Dienstag verpaßt. Die restlichen Tage waren aber Hochdruckbetankung. Nachdem ich jetzt wieder in Deutschland bin, versuche ich, die wichtigsten Dinge zusammenzufassen, die ich mitgenommen habe. Ich habe die interessantesten "Abstracts" (veröffentlichte Zusammenfassungen) in einem separaten, englischen Dokument gesammelt, aber die Spannendsten werde ich auch übersetzen (lassen) und auf Leukämie-Online in den kommenden Tagen veröffentlichen. Dieser Bericht hier ist hauptsächlich meine persönliche Zusammenfassung von dem, was für mich am Beeindruckendsten war.

Der Status Quo


Am ersten Tag habe ich an der "CML Education Session" (CML Weiterbildungs-Sitzung) teilgenommen. Diese ist dazu gedacht, Hämatologen einen Überblick über den Status Quo der CML-Therapie zu geben. Dr. Druker, Talpaz, Goldman und Hughes trugen vor. Im Saal fühlte ich mich wie ein kleines BCR-ABL-Gen in einer guten molekularen Remission - der größte Meetingraum des Konferenzzentrums fast vermutlich rund 10.000 Leute auf einmal, und die an CML Interessierten machen vielleicht ein paar Hundert aus. 

Es war beeindruckend, Dr. Druker in seiner Ansprache zu hören, in der er zu Ehren des zehnten Jahrestags von Imatinib im Einsatz in CML-Patienten sprach. Eine Grafik, wie das Überleben der CML in der Zeit vor Imatinib war, hat mich wieder berührt. Bevor Knochenmarktransplantationen in den 80er-Jahren eingeführt wurden, konnte eine CML nur palliativ behandelt werden, was bedeutet: Reduktion der Symptome bis zu einem in wenigen Monaten eintretenden Tods. Heute sind die größten Herausforderungen der CML, Resistenzen und Rückfälle bei den Patienten zu überwinden, die keine gute Remission erreichen, oder zu untersuchen, ob eine Unterbrechung oder eine weniger starke Erhaltungstherapie in guter Remission möglich ist. Gesamtüberlebensraten in früh diagnostizierter CML sind recht nahe an denen der gesunden Bevölkerung. Wir sind schon weit gekommen.

Aber noch nicht weit genug. Manche Patienten werden immer noch resistent oder vertragen die Therapien nicht, und müssen mit einer lebenslangen Therapie leben. Dr. Talpaz und Dr. Goldman haben recht gut zusammengefasst, wo wir in der CML-Therapie heute stehen:
  • Was wir haben: Wirksame Erstlinien- und Zweitlinientherapien
  • Was verbessert werden müßte: Nebenwirkungsmanagement, Erhöhung der Ansprechraten und Ansprechdauern, Vermeidung von Resistenzentwicklungen, Klarheit über Therapiewechselkriterien, Mittel für "Archillesfersen"-Mutationen
  • Was fehlt: T315I-Hemmung, Elimination der schlafenden leukämischen Stammzellen, und Absetzen der Therapie ohne Rückfälle (= Heilung)

Ich war glücklich, zu sehen, wie aktiv die CML-Forschergemeinschaft ist, die letzten Lücken zu schließen.

Erstlinientherapie


In Bezug auf Erstlinientherapie nach Diagnosestellung war es die vergangenen vier, fünf Jahre bei CML in chronischer Phase recht einfach: Imatinib war der "Goldstandard", das einzige Mittel der Wahl. Es gab klare Behandlungsleitlinien, basierend auf den "ELN-Empfehlungen", die just diesen Sommer erneut überarbeitet und veröffentlicht wurden. Bei ASH dieses Jahr schienen alle Experten auf die Kriterien und Empfehlungen dieser Leitlinien zu verweisen, wenn es um Standardtherapie sowie die Definition von suboptimalem Ansprechen, Therapieversagen und Verlaufskontrollen ging.

Nun streben die "Zweitgenerationenmedikamente" Dasatinib und Nilotinib nach Zulassung für die Erstbehandlung nach Diagnosestellung. Daher gibt es neue Optionen (und auch Fragen) am Horizont. Auf ASH 2009 wurde die ersten Daten der Phase-III-Zulassungsstudie vorgestellt, die Nilotinib und Imatinib beim Einsatz nach Diagnosestellung in chronischer Phase untersucht. In der Vergangenheit war ich immer etwas skeptisch gegenüber dem Enthusiasmus, dass Nilotinib oder Dasatinib Erstlinientherapie werden könnten: Novartis könnte ja nur zum Ende des Glivec-Patents 2016 mit etwas ähnlich teurem auf dem Markt sein wollen, und BMS wolle vermutlich nur etwas von dem leckeren (und großen) Glivec-Kuchen abhaben. Nun gibt es erste Belege, dass eine stärkere Induktionstherapie zu Beginn eventuell Sinn machen könnte.

Die 8-Jahres-Daten der IRIS-Studie wurden dieses Mal nur mit einem Poster und nicht in einer Präsentation vorgestellt, wodurch klar wurde, dass es auch im achten Jahr in der Langfristbeobachtung keinerlei neue Überraschungen gab. Aus dieser Studie wissen wir auch, dass die meisten Rückfälle binnen der ersten drei Jahre nach Therapiestart passieren: Etwa 6% aller Patienten erleiden in dieser Zeit einen Rückfall - danach fällt die Rückfallrate auf nahe Null. Die neuen Daten der ENESTnd-Studie, die Imatinib-400mg/Tag, Nilotinib zweimal 400mg/Tag und Nilotinib zweimal 300 mg/Tag vergleicht, zeigte, dass es nicht nur schnellere Remissionen gab, sondern dass es unter Nilotinib in Jahr 1 deutlich weniger Progressionen als unter Imatinib 1 gab: Von 282 Patienten unter Nilotinib erlitt nur einer eine Progression in die akzelerierte Phase, während von 283 Patienten unter Imatinib elf Patienten ein Fortschreiten zeigten.

Zusätzlich war die Häufigkeit der Therapieunterbrechungen aufgrund von Nebenwirkungen in allen Therapiearmen vergleichbar. Auf ASH wurde nur die ersten 12-Monats-Ergebnisse präsentiert, und ein paar Jahre dürften noch vergehen, bis wir Klarheit haben - aber es ist auf jeden Fall eine interessante Perspektive. Die Herausforderungen der Therapietreue bei Nilotinib aufgrund der zweimal täglichen Einnahme und der Fastenzeiten bleiben jedoch eine Herausforderung.
Inoffiziell hörte ich, dass ähnliche Vergleichsdaten für Erstlinientherapie mit Dasatinib oder Imatinib zu EHA im June 2010 verfügbar sein könnten. Dann wird es richtig spannend, weil wir dann die Ansprechraten, Rückfallraten, Nebenwirkungsprofile von allen drei Therapieoptionen in Erstlinie vergleichen können.

In dem Zusammenhang fand ich noch spannend, dass Imatinib-800mg/Tag in der als Erstlinie in der chronischen Phase etwas aus dem Fokus geraten ist. Während auf dem letztjährigen ASH einige Experten noch sehr enthusiastisch zu einem "mehr-hilft-mehr" standen und 800mg/Tag als Erstlinie empfahlen, weil es schnelleres Ansprechen zeigte, ist nach 18 Monaten Beobachtung nun Ernüchterung eingetreten: Es scheint nach 18 Monaten keinen Vorteil von 800mg und 400mg/Tag in Bezug auf Ansprechen und Überleben mehr zu geben. Zusätzlich zeigte Dr. Cortes einen Vergleich, dass Nilotinib und Dasatinib höhere Ansprechraten bei gleichzeitig geringeren Nebenwirkungen als Imatinib-800mg aufwiesen. Daher wird Hochdosis-Imatinib wohl als Erstlinientherapie in chronischer Phase kaum noch in Erwägung gezogen - in fortgeschrittenen Stadien der Krankheit ist das natürlich eine andere Angelegenheit.

Andere Ansätze für Erstlinientherapien wurden von Prof. Goldman angesprochen: Die Kombination von Imatinib mit bekannten anderen Wirkstoffen (Cytarabine, Interferon/IFN, Omacetaxine, Arsenicals), oder die drei zugelassenen TKIs in wechselnder Abfolge. Zu den Interferon-Studien folgt unten mehr.

Resistenzmanagement


Viel wurde in den vergangenen Monaten über die Behandlung von Imatinib-Resistenzen veröffentlicht. Obwohl nur ein kleiner Teil (15%) der Patienten in chronischer Phase eine Resistenz oder ein suboptimales Ansprechen zeigen, ist die Wahl der vielversprechendsten Folgetherapie ein Thema von hoher Aufmerksamkeit. Mehr als 100 verschiedene Mutationen der BCR-ABL-Tasche sind heute bekannt, die zur Resistenzbildung führen. Nur ein kleiner Teil, hauptsächlich die gefürchtete T315I-Mutation, die ungefähr 15% aller Mutationen ausmacht, ist resistent zu Dasatinib, Nilotinib und Bosutinib. Die meisten anderen Mutationen können mit Imatinib-Dosiserhöhung oder einer der drei Medikamente überwunden werden - aber welche dieser Optionen man dann wählt, ist die spannende Frage.

Um ein Werkzeug zur Entscheidungsfindung zu haben, haben Forscher eine Tabelle der Empfindlichkeit einzelner Mutationen in "IC50-Werten" entworfen, die den Grad der Hemmung von BCR-ABL-Zellen im Reagenzglas messen. Es gab jedoch Fragezeichen, als Dr. Laneuville Diskrepanzen zwischen diesen Laborerkenntnissen und den realen Ansprechraten bei echten Patienten beobachtete. Er sagte, dass offensichtlich einige Mutationen sich im Körper anders verhielten, als es das Reagenzglas vorhergesagt habe. Nun müsse mehr reale Erfahrung gesammelt und dokumentiert werden.

In Bezug auf die T315I-Mutation berichtete Dr. Cortes über Omacetaxine (Homoharringtonine, HHT) als intravenös gegebene Chemotherapie mit einiger Selektivität gegen CML-Zellen, aber auch mit recht häufigen Nebenwirkungen. Etwa 27% aller Patienten erreichten gute zytogenetische Remissionen, auch wenn diese nicht sehr dauerhaft waren (im Mittel 5 Monate). Mehr als die Hälfte aller Patienten in chronischer Phase mit T315I haben eine Reduktion des T315I-Zellklons gezeigt, aber nur etwa 9% ein völliges Verschwinden.

Viel aufregender waren da zwei neue gezielte Therapien für BCR-ABL, die einen anderen Wirkmechanismus als Dasatinib, Nilotinib und Bosutinib haben. Sie scheinen wirksam bei der T315I-Mutation bei guter Verträglichkeit zu sein: Decipheras DCC-2036 und Ariads AP24534. Dr. Talpaz präsentierte erste Fakten zu dem oral verabreichten DCC-2036, auch wenn er erwähnte, dass erster Studienergebnisse nicht vor ASH 2010 verfügbar sein werden. Dr. Cortes präsentierte eine Phase-I Studie mit in Tablettenform gegebenem AP24534, mit dem 43% aller Patienten mit T315I-Mutation eine gute zytogenetische Remission erreichten - sehr ermutigend. Darüber hinaus gab es Berichte zu MK0457 und XL228, die die Aurora-Kinase hemmen, die ebenfalls in der Leukämie-Zellteilung, unabhängig von BCR-ABL, eine wichtige Rolle spielen. Diese beiden Medikamente müssen jedoch ebenfalls intravenös verabreicht werden.

Trotz allem ist die Erfahrung mit diesen Medikamenten noch sehr gering, und es gibt nur wenige Studien. Dr. Nicolini hat daher präsentiert, dass die Stammzelltransplantation momentan noch die Therapie der Wahl bei Vorliegen einer T315I und eines passenden Spenders ist.

Geplanter Therapieabbruch


Dr. Hughes präsentierte die "Imatinib-Stopp-Studie". In dieser Studie wurden 32 Patienten eingeschlossen, die zuvor mindestens zwei Jahre lang eine vollständige molekulare Remission (PCR-negativ) zeigten. Von ihnen waren 17 vor Imatinib mit Interferon vorbehandelt, und 15 hatten Imatinib als Ersttherapie. Etwa die Hälfte aller Patienten zeigten innerhalb von 18 Monaten einen Rückfall, die meisten innerhalb der ersten 6 Monate nach Absetzen von Imatinib, unabhängig davon, ob sie mit IFN vorbehandelt waren oder nicht.

Dr. Mahon präsentierte die "STIM"-Studie (STop IMatinib). Für eine Teilnahme an der Pilotstudie mussten Patienten mindestens zwei Jahre lang in kompletter molekularer Remission (PCR-negativ) sein. 69 Patienten wurden aufgenommen, 34 mit IFN-Vorbehandlung vor Imatinib, und 35 mit Imatinib-Initialtherapie. Von diesen 69 Patienten erlitten 41 innerhalb der ersten 7 Monate einen Rückfall. Es gab keine signifikanten Unterschiede in Rückfallraten zwischen den IFN-vorbehandelten Patienten und denen, die direkt mit Imatinib begannen. Seine Schlussfolgerung war, dass es möglich ist, dass Patienten in vollständiger molekularer Remission die Therapie abbrechen, aber empfiehlt dies ausschließlich im Rahmen einer klinischen Studie mit sehr engmaschiger Kontrolle per PCR.

In der Diskussionsrunde nach der Präsentation der STIM-Studie fragte Dr. Talpaz, wie die Angst der Patienten bei Abbruch der Therapie zu bewerten sei. Dr. Mahon antwortete, dass die Patienten zufrieden gewesen seien, weil die Imatinib-Nebenwirkungen nach dem Stopp natürlich verschwunden seien. Dies führte zu einer Debatte, da erfahrungsgemäß die Nebenwirkungen bei den meisten Patienten nach mindestens zwei Jahren Imatinib-Therapie sowieso nur noch verhältnismäßig gering seien.

Imatinib-Interferon-Kombination


Dr. Guilhot präsentierte die französische SPIRIT-Studie mit Aktualisierung der Daten von 695 neu diagnostizierten Patienten nach 12 Monaten. Die Behandlungsarme waren Imatinib 400mg, Imatinib 600mg, Imatinib 400mg+AraC und Imatinib+PegIFN. Die Daten von 636 Patienten wurden ausgewertet. Nach 24 Monaten ist jetzt ein klarer Vorteil für die Imatinib+PegIFN-Gruppe zu erkennen: 46% der Patienten befindet sich in optimaler molekularer Remission (PCR-Wert für BCR/ABL kleiner 0.1%), während nur 26% der nur mit 400mg-Imatinib behandelten Patienten ein vergleichbares Ansprechen erreichten. Bei 22% der Imatinib+PegIFN-Patienten war die PCR negativ, im Gegensatz zu nur 10% der Patienten unter reiner Imatinib-Therapie. Insgesamt haben 5-10% der Patienten Imatinib während des ersten Jahres abgesetzt, 45% der Patienten haben PegIFN abgesetzt. Die durchschnittliche PegIFN-Dosis betrug 54µg/Woche. Dr. Guilhot schloss daraus, dass die Überlegenheit der Imatinib+PegIFN-Kombination im Bezug auf das molekulare Ansprechen nach 24 Monaten bestätigt wurde. Die wöchentliche PegIFN-Dosis wurde mittlerweile auf 45µg für die ersten 3 Monate der Behandlung reduziert. Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Dauerhaftigkeit der PegIFN-Behandlung und dem Grad des molekularen Ansprechens (was ich persönlich interpretiere als: "besser eine konstant niedrige PegIFN-Dosis als eine hohe, mit dem Risiko von Unterbrechungen verbundene PegIFN-Dosis").

In eine skandinavische Studie (Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden) und einer israelischen multizentrischen Studiengruppe wurden insgesamt 130 neu diagnostizierte Patienten aufgenommen. Die Patienten mussten sich nach drei Monaten Monotherapie mit 400mg Imatinib in vollständiger hämatologischer Remission befinden. Die Studienarme waren Imatinib 400mg und die Kombination von Imatinib 400mg mit Peg-IFNa2b (PegIntron, Schering-Plough). Die Imatinib-Dosis wurde auf 400mg fixiert. Die Peg-IFN-Behandlung wurde mit 30µg/Woche begonnen, konnte aber je nach Verträglichkeit auf 50µg/Woche erhöht oder auf 15µg/Woche reduziert werden. Die Rate guten molekularen Ansprechens nach 52 Wochen war im Imatinib+PegIFN-Arm mit 82% signifikant höher, verglichen mit 54% im Imatinib-Arm. Es wurden über keine unvorhergesehenen Komplikationen oder widrige Umstände berichtet.

Interessanterweise kommt die deutsche CML-IV-Studie (Vergleich von Imatinib 400mg, Imatinib 400mg+AraC, Imatinib 400mg+IFN, Imatinib 800mg, und Imatinib nach IFN-Versagen) nicht zur gleichen Schlussfolgerung. In dieser Studie wurden bisher 954 Patienten untersucht. Die Rate guten molekularen Ansprechens war mit Imatinib 800mg (61%) höher als mit Imatinib 400mg (42%) oder Imatinib 400mg+IFN (45%). Es wurde keine signifikante Differenz des Gesamtüberlebens zwischen den Studienarmen festgestellt. Als ich später nachfragte, hat ein Experte angenommen, dass der Unterschied zwischen den Studien durch die Verwendung "normalen" Interferons in der CML-IV-Studie verursacht wurde, während die beiden anderen erwähnten Studien pegyliertes Langzeit-Interferon (PegIFN) verwendeten, was zu besserer Verträglichkeit und damit besseren Einwirkung von PegIFN auf die CML-Zellen führt.

Während in der italienischen GIMEMA-Studie im Vergleich von Imatinib 400mg mit Imatinib 400mg+IFN zunächst Vorteile im Kombinationsarm festgestellt wurden, war nach 24 Monaten kein Unterschied mehr sichtbar. Dies war keine Überraschung, denn der Anteil der mit IFN behandelten Patienten sank von 41% nach 12 Monaten auf 18% nach 18 Monaten, 13% nach 24 Monaten und 3% nach 36 Monaten. Gegen Ende des vierten Jahres hatten alle Patienten IFN abgesetzt. Es würden jedoch keine Informationen über die IFN-Dosierung gegeben (und einige vermuteten, die Dosierung bzw. das Festhalten an einer zu hohen Dosierung war der Grund für die hohe Abbruchrate).

Interferon-Erhaltungstherapie


Dr. Burchert (Marburg) zeigte aktualisierte Daten zur deutschen Interferon-Erhaltungstherapiestudie, in der 20 Patienten nach einer durch Imatinib+IFN erreichten Vollremission nur mit niedrig dosiertem IFN weiterbehandelt wurden. Er berichtete, dass Imatinib zwar sehr wirksam sei, aber die Leukämie-Stammzellen bekanntermaßen nicht auslöschen könne und außerdem leukämiespezifische Immunreaktionen unterdrücke. Interferon hingegen stimuliere T-Lymphozyten gegen CML-Zellen. In der Studie wurden 20 Patienten mit Imatinib+IFN in Kombination behandelt. Bei Studienbeginn hatten 19 Patienten eine vollständige zytogenetische Remission, 15 Patienten ein gutes zytogenetisches Ansprechen und 2 Patienten eine negative PCR erreicht. Die Patienten setzten dann Imatinib ab, die Therapie wurde nur noch mit Interferon fortgesetzt. Nach 2.8 Jahren war bei 4 Patienten das Ansprechen noch besser geworden, bei 9 Patienten blieb das Ansprechen stabil und 5 Patienten erlitten einen graduellen Rückfall, die jedoch alle wieder auf Imatinib ansprachen. Dr. Burchert zog daraus den Schluss, dass das Erreichen einer negativen PCR keine Vorbedingung für das erfolgreiche Absetzen von Imatinib und nachfolgender erfolgreicher IFN-Erhaltungstherapie sei. 

CML bei Kindern


Eine der unvorhergesehen Überraschungen war die Präsentation von Daten über die Imatinib-Behandlung von Kindern mit CML. CML macht nur 2% aller Leukämiefälle bei Kindern aus und ist extrem selten. Deshalb gibt es auch nur sehr wenige Daten, auf deren Basis man entscheiden könne. Prof. Suttorp aus Dresden zeigte Daten der PAED-II-Studie. 51 Patienten wurden aufgenommen. Das mediane Alter war 11 Jahre (1-20). 48 der Patienten befanden sich in chronischer Phase, einer in akzelerierter Phase und 3 in einer Blastenkrise. 6 von 42 Patienten setzten Imatinib wegen unzureichenden Ansprechens ab. 4 Patienten bekamen Tyrosinkinasehemmer der zweiten Generation, bei zweien wurde eine Stammzelltransplantation gewählt. 49 von 51 Patienten sind heute am Leben. Die Forscher beobachteten einen Einfluss auf den Knochenstoffwechsel: Der Effekt ist, dass Imatinib die Entwicklung und Aktivität der Osteoblasten und damit das Knochenwachstum reduziert. Suttorp zog insgesamt den Schluss, dass Imatinib bei Kindern hohe Ansprechraten erreicht, während die Nebenwirkungen gut tolerabel seien. Deshalb sei die Stammzellentransplantation auch bei Kindern mit CML zu einer Zweitlinientherapie geworden. Die Änderungen im Knochenmarksstoffwechsel und die Beeinträchtigung des Knochenwachstums seien jedoch von besonderer Bedeutung in noch nicht ausgewachsenen jungen Patienten.

Therapietreue


Die Frage der Therapietreue bleibt eine Herausforderung bei Tyrosinkinasehemmern. 
Dr. Goldman präsentierte am Hammersmith Hospital gesammelte Daten. In einer Studie erhielten ihre Patienten ihre Medikamente in einer Dose, die einie in den Deckel eingebaute Elektronik enthielt. Die Elektronik registrierte automatisch den Zeitpunkt jeder Öffnung des Deckels. Auf diese Weise wurde beobachtet, dass jeder vierte CML-Patient weniger als 90%, und jeder siebte Patient weniger als 80% der verschriebenen Dosis einnahm. Es wurde eine starke Abhängigkeit des Ansprechens auf die Therapie von der Therapietreue festgestellt: die 6-Jahres-Wwahrscheinlichkeit, gutes molekulares Ansprechen zu erreichen, betrug 28% für Patienten, die weniger als 90% der Dosis nahmen, und 95% für die therapietreuen Patienten. Das gleiche Ergebnis wurde für das Erreichen einer vollständigen molekularen Remission festgestellt (0% bzw. 44%). Interessanterweise zeigte sich beim Vergleich der elektronischen Messung mit den Aussagen der Patienten bei Befragung, dass die Patienten sich als viel therapietreuer betrachteten, als sie es tatsächlich waren. Das zeigt, dass der Mangel an Therapietreue immer noch stark unterschätzt wird - auch von den Patienten selbst.

Zusammenfassung


Es war wieder eine großartige Zeit beim ASH: Nicht nur wegen der Gelegenheit, alte Freunde und Spitzenmediziner zu treffen, sondern auch, mit viel Zuversicht nach Hause zu kommen. Obwohl die CML-Therapie während der letzten Jahre bereits radikal verbessert wurde, gibt es weiterhin aufregenden Fortschritt und viel Enthusiasmus, die noch existierenden Lücken zu schließen. 
Es ist immer noch viel Raum für Verbesserungen: Ungefähr jeder siebte Patient spricht nicht von Beginn auf Imatinib an, und etliche Patienten vertragen Imatinib nicht. Die dieses Jahr gezeigten Daten der Zweitlinientherapien mit Nilotinib, Dasatinib und Bosutinib scheinen ein guter Schritt vorwärts zu sein. Für die "letzte Bastion" T315I werden eine Reihe neuer, spezifischer, vielversprechender und auch verträglicher Wirkstoffe in Studien untersucht. Das sind für mich im Vergleich zum ASH 2008 großartige Nachrichten. 

Bezüglich der Suche nach einer Heilung könnte es noch mehr Fortschritte geben. Allerdings konnte ich auch Fortschritte bei der auf die "schlafenden Stammzellen" abzielende Forschung erkennen. Die Mechanismen suboptimalen Ansprechens werden immer besser verstanden. Verbesserte Erstlinientherapie kann dabei helfen, frühe Progression vermeiden. Neue (und/oder billigere und/oder besser verträgliche) Langzeit-Erhaltungstherapien werden untersucht. Im Gegensatz dazu haben mich die "STOP"-Studien aus Frankreich und Australien nicht überzeugt - wenn das Rückfallrisiko 50:50 ist, würde ich bei guter Verträglichkeit der Therapie zögern, auch wenn das Ansprechen nach Wiederaufnahme der Imatinib-Therapie gut zu sein scheint.

Neue Berichte über Niedrigdosis-Interferon als Erhaltungstherapie bei minimaler Resterkrankung, in Kombination mit Imatinib oder auch allein, sind vielversprechend, wie in Deutschland und Schweden gezeigt wurde. Vielleicht werden weitere Untersuchungen zeigen, bei wem sich eine Immunantwort auf Interferon zeigt - diese Patienten könnten dann ein minimales Rückfallrisiko auch nach Absetzen aller Therapien haben. Allerdings scheint es so zu sein, dass niedrigdosiertes Interferon einfühlsame Dosierungen erfordert: In der italienischen GINEMA-Studie haben alle Patienten innerhalb von drei Jahren Interferon wegen Nebenwirkungen abgesetzt, wohingegen die schwedische und die zwei deutschen Studien langfristige Vorteile bei gleichzeitig guter Verträglichkeit gezeigt haben.

Aber eine der für mich besten Nachrichten kam mit den Präsentationen zur CML bei Kindern: Bei der Behandlung von Kindern, bei denen die Entscheidungen über die Therapie auf der Basis der Erreichung weiterer 80 Lebensjahre basieren sollten, ist die Transplantation jetzt auch Zweitlinientherapie nach Imatinib-Therapie geworden. Ich hoffe - und glaube - dass dies die Botschaft für alle CML-Patienten ist: Die Experten erwarten, dass die aktuellen Therapien uns langfristig am Leben erhalten. Die Chancen, trotz Leukämie sehr alt werden zu können, scheinen gut zu sein, solange wir die Therapietreue erhalten - lange genug, bis jemand die Munition erfindet, mit der sich auch die kleine resistente CML-Stammzellen-Gang erwischen lässt.

All dies ist ermutigend. Und es ist der Grund, warum ich den Nikolaustag wieder in den USA verbracht habe.

Jan Geißler, 13.12.2009.

Mein herzlicher Dank gilt Niko, der mir bei der Fertigstellung des Berichts sehr geholfen hat.


Weitere Informationen



Weitere Berichte zu Ergebnissen von ASH2009:

Auf ASH 2009 wurden neue Daten einer Phase-III-Studie zur Dosisoptimierung von Dasatinib (Handelsname Sprycel) bei CML in chronischer Phase, in der die Patienten entweder 100mg oder 140mg Dasatinib täglich als Einmaldosis bzw. in zwei einzelnen Dosen bekamen, vorgestellt. Die Auswertung der Daten zeigte, dass die Einzeldosis von einmal täglich 100 mg Dasatinib eine dauerhafte Kontrolle der Krankheit mit einem geschätzten progressionsfreien Überleben (PFS) von 73% nach 36 Monaten erlaubt.

Das Team hat eine retrospektive Analyse durchgeführt, um herauszufinden, ob sich anhand früheren zytogenetischen Ansprechens eine bessere Wirkung innerhalb dieses Dosierungsarmes vorhersagen ließe, und um die Progressionsraten in fortgeschrittene Stadien der CML zu bestimmen und die Art der BCR-ABL-Mutationen zu charakterisieren, die mit dem Verlust des Ansprechens auf Dasatinib in Verbindung gebracht werden. Die Untersuchung zeigte, dass 90% der mit einmal täglich 100mg Dasatinib behandelten Patienten, die nach 12 Monaten ein vollständiges zytogenetisches Ansprechen aufwiesen, nach 36 Monaten progressionsfrei waren. Das ist ein beachtlicher Vorteil gegenüber den Patienten ohne vollständige zytogenetische Remission nach 12 Monaten. Von den 164 Patienten, die einmal täglich 100mg Dasatinib bekamen, erreichten 59 eine vollständige zytogenetische Remission nach 6 Monaten. Der Anteil progressionsfreien Überlebens nach 36 Monaten betrug für diese Patientengruppe 93%, wohingegen die mit partieller zytogenetischer Remission oder ohne gutes zytogenetisches Ansprechen nach 6 Monaten PFS-Raten von 76% bzw. 54% erreichten. Insgesamt 36 Patienten erfuhren eine Progression während der Therapie mit einmal täglich 100mg Dasatinib: 8 von ihnen verstarben, 5 entwickelten eine fortgeschrittene Phase der CML, 3 davon wegen eines Anstieges auf über 30% Ph-positive Metaphasen, 9 wegen ansteigender Zahl der weissen Blutkörperchen, 4 wegen Verlustes der vollständigen hämatologischen Remission, 4 wegen des Verlustes guten zytogenetischen Ansprechens und 3 aus unbekannten Gründen. 

Die Entwicklung von Mutationen des BCR-ABL ist ein bekannter Mechanismus des Verlustes des Ansprechens auf Dasatinib. Bei Studienteilnehmern mit einem Verlust des Ansprechens auf Dasatinib, bei denen Mutationsdaten erfasst wurden (n=61) ist die Häufigkeit der Entwicklung von Mutationen während der Dasatinib-Therapie (bei jeder Dosierung) 19% (5/27) bei Patienten ohe Mutationen bei Therapiestart. Bei Patienten mit Mutationen zu Therapiebeginn mit Dasatinib ist diese Häufigkeit 47% (16/34). Von den Patienten mit einem Verlust des Ansprechens auf Dasatinib wegen neuentwickelter Mutationen während der Therapie zeigten 13 Patienten die T315I-Mutation, 6 Patienten F317L, 3 hatten V299L und einer E255K. Drei andere Patienten entwickelten Mutationen, die nicht mit Resistenz gegen Dasatinib in Verbindung gebracht werden. Neu auftretende Mutationen im Arm mit 100mg einmal täglich und im Arm mit 70mg zweimal täglich waren von ungefähr gleicher Häufigkeit. 

Die Schlussfolgerung ist, dass die Mehrheit der Patienten, die früh vollständige zytogenetische Remission mit der Zweitlinientherapie mit Dasatinib erreichten, geringere Progressionsraten zeigen als solche ohne vollständige zytogenetische Remission nach 6 Monaten. Von den Patienten mit Progression während der Dasatinibtherapie verbleibt die Mehrheit nach 36 Monaten in chronischer Phase. Von den mit 100mg einmal täglich behandelten Patienten gingen nur 3% in die akzelerierte oder Blastenphase innerhalb eines Zeitraums von 36 Monaten über.

Diese Raten progressionsfreien Überlebens legen den Einsatz von Dasatinib nach Imatinibversagen für Patienten, die die Option der allogenen Stammzelltransplantation haben, nahe. Schließlich sei die Entwicklung von neuen zur Resistenz führenden Mutationen unüblich. Die tiefere Tagesdosis von einmal täglich 100mg scheint nicht zu einer grösseren Vielfalt von Mutationen zu führen, als bereits bereits vorher an mit zweimal täglich 70mg behandelten Patienten festgestellt wurde. Für Patienten, die das Ansprechen auf Dasatinib verlieren und neue Mutationen entwickeln, kann der Wechsel zu anderen Tyrosinkinasehemmern oder die Durchführung einer Stammzelltransplantation angemessen sein.

Quelle: ASH-Abstract 1122: Resistance, Outcome and the Development of Mutations with Dasatinib in Patients with Chronic-Phase Chronic Myeloid Leukemia (CML-CP), Neil Shah. Übersetzung durch Niko, ohne Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit. Danke, Niko!


Weitere Berichte zu Ergebnissen von ASH2009:

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