Chronische Myeloische Leukämie (CML)

Vom 5.-9. Dezember 2008 fand in San Francisco die Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie (ASH) statt. Die Tagung ist mit rund 23.000 Fachleuten aus über 100 Ländern die weltweit bedeutendste Veranstaltung im Umfeld von Therapie und Erforschung von Bluterkrankungen. Seit Jahren berichteten wir von interessanten Neuigkeiten und Forschungsergebnissen, die "auf dem ASH" vorgestellt werden – auch dieses Jahr durfte ich selbst vor Ort sein. Ein zusammenfassender Eindruck.

Die ASH-Jahrestagung


Die Zeit um das Nikolausfest ist für die Hämatologie immer eine hochspannende Zeit. In diesen Tagen treffen weltweit alle Experten für Bluterkrankungen an einem wechselnden Ort der USA zusammen, um dort die neuesten Ergebnisse aus klinischen Studien und der Grundlagenforschung zu präsentieren und diskutieren. Dem Ganzen geht ein aufwändiger Auswahlprozess vor, in dem weltweit tausende von Zusammenfassungen von Forschungsergebnissen eingereicht und von Experten begutachtet werden. Die bedeutendsten Forschungsprojekte pro Krankheitsgruppe werden in einem 10-minütigen Vortrag vorgestellt, einige Dutzend weitere dürfen in drei verschiedenen Poster-Sitzungen ausgestellt werden. Zusätzlich gibt es noch eine Weiterbildungsveranstaltung für Ärzte, die den aktuellen Status Quo der Therapie zusammenfaßt, sowie von Unternehmen organisierte Satellitensymposien. 

Auch dieses Jahr gelang es mir, die Zeit für eine Teilnahme auf ASH freizuhalten und die Leukämie-Experten selbst live zu hören, deren Veröffentlichungen ich seit Jahren verfolge. Auf den CML-Panels saß das Who's Who - darunter Goldman, Hochhaus, Kantarjian, Cortez, Mahon, Apperley, Rosti, Shah, Hughes, Guilhot, O'Brien, Baccarani, Nicolini und viele andere.

Die wichtigsten ASH-Publikationen zum Thema CML veröffentliche ich in separaten, weitgehend übersetzten Artikeln auf Leukämie-Online. Ich möchte daher gerne in diesem Bericht eher auf das Gesamtbild und meine persönliche Interpretation als Betroffener und Laie eingehen. Ich muss dabei zugeben, dass ich eigentlich nur die CML-Sitzungen verfolgen konnte, da alle Sitzungen parallel laufen. 

Internationale Koordination der CML-Forschung


Wie auch im Vorjahr war für mich beeindruckend, welche Energie weltweit in die Erforschung und Bekämpfung einer seltenen Erkrankung wie CML investiert wird. Während vor rund sieben Jahren die CML noch als schwer therapiebar galt und ein bedeutender Teil der Patienten binnen weniger Monate bis Jahre verstarb, wird heute auf verschiedensten Ebenen darum gekämpft, dass in Zukunft mehr als die heutigen 92% aller CML-Patienten nach fünf Jahren am Leben sind und eventuelle Progressionsrisiken weiter ausgeräumt werden. Die CML-Experten sind bestens vernetzt: internationale Studien laufen z.B. über das "European LeukemiaNet" (ELN) in hunderten von Kliniken und Praxen gleichzeitig nach vereinbarten Standards ab und erhöhen so das Wissen über Wirkungen, Nebenwirkungen und Verbesserungspotential. Es gibt viele unterschiedliche Ansätze und Meinungen, aber anscheinend nur begrenzte Doppelarbeit. Für eine seltene Erkrankung wie CML ist die abgestimmte Vorgehensweise zwischen den Kliniken, Ländern und Kontinenten beeindruckend und wichtig.

IRIS-Studie: Sieben-Jahres-Daten


Die nun sieben Jahre laufende Imatinib-Studie IRIS zeigt weiter hervorragende Ergebnisse, die von Dr. O'Brian vorgestellt wurden. Rund 90% sind nach sieben Jahren am Leben, vier Fünftel der Imatinib-Patienten erreichten eine komplette zytogenetische Remission, nur 3% davon erlitten ein Fortschreiten der Krankheit. Über die Zeit zeigte sich bei immer mehr Patienten, auch den anfangs langsam ansprechenden, eine gute molekulare Remission. Es gab keine neuen Langzeit-Nebenwirkungen. Imatinib gilt daher nun auch langfristig als sichere, gut verträgliche und wirksame Therapie. Die letztjährige Schlussfolgerung, dass ein Erreichen einer zytogenetischen Remission (im Knochenmark) und Anhalten dieser Remission in den ersten zwei Jahren der Therapie die Rückfallgefahr gegen Null sinken läßt, hat auch mit den Sieben-Jahre-Daten weiter Bestand.

Therapietreue


Wichtig bleibt aber weiterhin die Therapietreue, denn einige in diesem Jahr erstmals vorgestellten Studien zeigen erneut klar, dass ein Drittel bis die Hälfte der Patienten, die Imatinib absetzen, einen Rückfall erleiden. Außer der Transplantation heilt weiterhin keine Therapie, und nur die konsequente Einnahme friert die Krebserkrankung hoffentlich ins hohe Alter ein - oder bis irgendwann eine Heilung gefunden ist. Mangelnde Einnahme sowie Wechselwirkungen mit anderen Medikamente sind aber wohl ein landläufiges Problem und eine große Gefahr, dass der Tiger im Käfig bleibt. 

Erst- und Zweitlinientherapie


Es gibt mit der Stammzelltransplantation, drei gezielten Tyrosinkinasehemmern sowie Interferon mittlerweile fünf verschiedene ernstzunehmende zugelassene Therapieoptionen, die in verschiedensten Studien in Kombination und als Erstlinientherapie erprobt und im Nebenwirkungsprofil optimiert werden. 

Neu waren in diesem Jahr beispielsweise erste Ergebnisse der "Erstlinien"-Studien mit Nilotinib (Tasigna) und Dasatinib (Sprycel). Diese zeigten beim Einsatz direkt nach Diagnose ein deutlich schnelleres und intensiveres Ansprechen als Imatinib (Glivec). Ob diese höhere Ansprechgeschwindigkeit wirklich einen langfristigen klinischen Vorteil bringt oder etwa nur etwas mehr Nebenwirkungen, werden langfristig laufende Studien erst in den kommenden Jahren zeigen können. So berichtete Dr. Cortes (MD Anderson) beispielsweise, dass rund die Hälfte der Erstlinien-Dasatinib-Patienten die Therapie unterbrechen mussten, mehr als ein Drittel sogar mehrfach. Dr Rosti gab für die Nilotinib-Erstlinienstudie an, dass rund drei Viertel aller Patienten die volle Dosis vertrugen. Das Ansprechen schien nach zwei Jahren zwischen Imatinib und den "Neuen" jedoch in der Erstlinientherapie recht nahe beieinander zu liegen. Oder bildlich ausgedrückt: Die schnelleren Sprinter sind heute bekannt, aber wer am ausgeglichensten läuft und als erster die Ziellinie des Marathons überschreitet, ist noch völlig offen. Da Nilotinib und Dasatinib pro Jahr ungefähr die doppelten Kosten verursachen wie Imatinib, bleibt das aus verschiedener Sicht eine spannende Frage.

Bosutinib


Zusätzlich kündigt sich Bosutinib (SKI-606) als ernstzunehmende "Nummer Sechs" an. Das Medikament scheint eine ähnliche Potenz gegen Imatinib-Mutationen wie Dasatinib und Nilotinib zu haben, ist aber selektiver und scheint gut verträglich zu sein. Bei Dasatinib schwebt ja weiterhin die Frage, was die Hemmung der SRC-Kinase langfristig noch so alles bewirken könnte, im Raum. 

Interferon


Es gab einige spannende erste Erkenntnisse aus den Interferon-verbundenen Studien. Die Ansprechraten zwischen Imatinib-Monotherapie und Imatinib-Interferon-Kombo sind zwar weiterhin nahe beieinander, aber z.B. die Stop-Studien scheinen einen Vorteil der Interferon-Gruppe bzgl Rückfällen bei Absetzen zu zeigen. Es wurde auf dem Gang eifrig diskutiert, dass niedrigdosiertes Interferon eine gute Option für Erhaltungstherapie sein könnte. Dr. Mahon aus Frankreich zeigte in der "Stop Imatinib (STIM)" Studie, dass nach Absetzen der gesamten Medikation der Anteil der Rückfälle in der mit Interferon vorbehandelten Patienten deutlich geringer war als bei denen, die seit Diagnose ausschließlich Imatinib erhielten. 

Die französische SPIRIT-Studie, die u.a. Imatinib-Monotherapie mit Imatinib-PegInterferon-Kombination vergleicht, zeigte sehr positive Ergebnisse, mit einem höheren Anteil an zytogenetischem molekularem Ansprechen in der Imatinib-PegIFN-Kombinationsgruppe. Rund die Hälfte der PegIFN-Patienten vertrugen die Kombination über eine Dauer von mehr als 2 Jahren, mit einer vorgeschriebenen Dosis von 90µg/Woche und einer tatsächlich verabreichten Durchschnittsdosis von 45µg/Woche. Dr Guilhot sagte auf Rückfrage, dass die vorgeschriebene PegIFN-Dosis vermutlich auch zu hoch gewählt sei und man heute vermutlich eher die halbierte Dosis empfehlen würde. Gleichzeitig sagte er, dass Interferon vermutlich "ein wirksames Schutzschild gegen Progression und Resistenz in der Vollremission" sein könnte.

Neue Wirkstoffe gegen Resistenzen


Weitere neue Wirkstoffe sind in früherer Erprobungsphase, um auch die wenigen hartnäckigen Resistenzen gegen die Medikamente Imatinib, Dasatinib und Nilotinib zu überwinden. Studien zeigen, dass sich fast alle Imatinib-Resistenzen mit den anderen zugelassenen Medikamenten wirksam und dauerhaft behandeln lassen. Für die restlichen Mutationen wie T315I und F317L gibt es erste Wirkstoffe wie 
HHT/Homoharringtonin/Omacetaxine, PHA-739358, MK-0457, AP24534, AT-9283, SGX393, XL228, DCC-2036 und andere, die bei T315I erste Wirkung gezeigt haben. 

Rolle der Transplantation


Trotzdem bleibt gerade im Falle dieser speziellen Resistenzen die Transplantation eine der bedeutensten Optionen, deren Ergebnisse mit dosisreduzierter Konditionierung, verzögerter Spenderlymphozytengabe und Einsatz von Imatinib auch immer besser werden. Frau Dr Saussele aus Mannheim berichtete in dem Zusammenhang von ersten Ergebnissen der deutschen CML-Studie IV, in 94% der nach Imatinib-Therapieversagen transplantierten 84 Patienten noch am Leben sind.

Auch zeigten Präsentationen der MD Anderson Klinik zur Transplantation im AML-Umfeld, dass die Altersgrenze für Stammzelltransplantationen zunehmend geringer werden. Während früher Transplantationen vor allem aufgrund der Belastungen durch Hochdosischemo und Bestrahlung bei Patienten über 65 nicht mehr angewendet werden konnten, scheinen dosisreduzierte Konditionierung und andere methodische Verbesserungen dazu zu führen, dass nur noch geringe altersbezogene Unterschiede in transplantationsbedingter Sterblichkeit bestehen. Weiterhin bleiben Krankheitsstatus, Kompatibilität des Spenders, allgemeiner Gesundheitszustand des Empfängers die wichtigsten Risikofaktoren.

Schlafende Stammzellen und Vorhersage des Ansprechens


Die Grundlagen- und Laborforschung arbeitet währenddessen an der Erforschung der Mechanismen, warum keines der neuen Medikamenten die Kolonien "schlafender" Stammzellen erreicht und mit welchen Mechanismen diese letzte Bastion zur Heilung zu knacken wäre. Zusätzlich wird versucht, anhand von Therapiemeilensteinen, Biomarkern und Genprofilen bereits frühzeitig ein Ansprechen auf die einzelnen Therapien vorherzusagen und so frühzeitig den individuell richtigen Weg einzuschlagen.

Diagnostik und Verlaufskontrolle


Die vom ELN im Jahr 2006 herausgegebenen Therapieleitlinien, die unter anderem Meilensteine für die CML-Therapie bezüglich suboptimalem Ansprechen und Therapieversagen sowie die Regelmäßigkeit von Zytogenetik/Knochenmarkpunktion und Molekularuntersuchungen/PCR definieren, wurden auch durch die ASH-Publikationen in diesem Jahr weiter bestätigt. 

Bezüglich der Diagnostik fiel in den verschiedensten Präsentationen auf, dass wohl die Standardisierung der Labore für PCR endlich Fortschritte macht. Waren bisher Ergebnisse zwischen Labors schwer vergleichbar, schließen sich immer mehr Labore der "Internationalen Skala" (IS) an, mit der die Ergebnisse anhand von Referenzproben normiert werden. 

Schlussfolgerungen


Zusammenfassend war mein diesjähriger Eindruck, dass ASH in Bezug auf CML in diesem Jahr spannend und gleichzeitig positiv unaufgeregt auf. Die CML-Experten weltweit sind sehr aktiv und gut vernetzt, es herrscht aktiver Wettbewerb um Forschung und Entwicklung im Kampf gegen die "letzten Bastionen" und in der Erforschung der CML-Entstehung. Die Ergebnisse und Aussichten mit den bereits zugelassenen Therapien sind gut und werden weiter verbessert. Die Langzeitdaten mit Imatinib bringen keinerlei negative Überraschungen. Die ersten Erfahrungen mit den Zweitlinienmedikamenten sind gut. Ein weiteres gutes Dutzend Wirkstoffe gegen Resistenzen sind in klinischer Erprobung -- und nach meinem Gefühl werden auch die schlafenden Stammzellen nicht mehr lange ihren ungestörten Dornröschenschlaf schlafen dürfen. Ich hoffe auf kleine Schritte in Richtung einer Heilung - hoffentlich berechtigt.

Ich fahre auch in diesem Jahr mit einem guten Gefühl nach Hause.

-- Jan

Weitere Berichte von der ASH-Jahrestagung 2008

Imatinib hat bei CML die Überlebensraten wesentlich verbessert. Jedoch müssen alle Patienten die Behandlung über einen unbestimmten Zeitraum fortführen. Eine Pilotstudie der ersten Patienten, die die Therapie mit Imatinib unterbrachen, wurde vor kurzem veröffentlicht (Rousselot et al. Blood 2007;109:58–60). Die neue Studie mit mehreren Schwerpunkten "Stop Imatinib" (STIM) wurde im Juli 2007 gestartet. Ziel dieser Studie ist es, bei einer größeren Gruppe die Beständigkeit einer kompletten molekularen Remission nach Absetzen von Imatinib auszuwerten und die Faktoren zu bestimmen, die die Beständigkeit einer kompletten molekularen Remission beeinflussen könnten.

Die Kriterien zur Aufnahme war eine Behandlung mit Imatinib (IM) über einen Zeitraum von mehr als 3 Jahren und aufrecht erhaltener kompletter molekularer Remission (CMR). Anhaltende komplette molekulare Remission (CMR) wurde definiert als BCR-ABL/ABL-Spiegel unter einer Nachweis-Schwelle, entsprechend einer 5-log-Senkung (nicht nachweisbares Signal mit RQ-PCR, Real-time quantitative Polymerasekettenreaktion) von mindestens 2 Jahren. Ein molekularer Rückfall, definiert als RQ-PCR-Positivität, wurde berücksichtigt, wenn dies in zwei aufeinanderfolgenden Auswertungen bestätigt wurde. Im Falle eines molekularen Rückfalls wurden die Patienten erneut mit Imatinib (IM) 400 mg täglich behandelt.

In der Pilotstudie erlitten 7 von 15 Patienten innerhalb von 6 Monaten einen Rückfall, jedoch wurde eine komplette molekulare Remission (CMR) in allen Fällen erneut erreicht, nachdem die Behandlung mit Imatinib (IM) wieder aufgenommen wurde. Die anderen 8 Patienten (4 männlich, 4 weiblich) befinden sich immer noch in einem Zustand der kompletten molekularen Remission (CMR), mit einem durchschnittlichen Nachsorge-Zeitraum von 37 Monaten (zwischen 26 und 49 Monaten), nach einer Unterbrechung der Behandlung mit Imatinib (IM). Alle Patienten wurden im Vorfeld mit Interferon-alpha (IFN) behandelt, und bei den meisten Patienten erfolgte ein Ansprechen auf das Interferon-alpha (IFN) vor der Behandlung mit Imatinib (IM).

Die neue STIM-Studie umfasste 50 Patienten aus 18 Zentren (20 männlich, 30 weiblich), deren Durchschnittsalter bei 62 Jahren lag (zwischen 32 und 81 Jahren). Davon wurden 25 Patienten im Vorfeld nicht mit dem Interferon-alpha (IFN) behandelt. Bis Juli 2008 wiesen 34 Patienten eine Nachsorgezeit von ≥ 6 Monaten auf. 18 Patienten erlitten innerhalb der ersten 6 Monate einen Rückfall: 3 Patienten im 2. Monat (M2), 8 Patienten im 3. Monat (M3), 4 Patienten im 4. Monat (M4) und 3 Patienten im 5. Monat (M5). Ein Patient erlitt nach über 6 Monaten (M8) einen Rückfall. Unter den 19 Patienten, die einen Rückfall erlitten, wurden 11 Patienten nicht im Vorfeld mit dem Interferon-alpha (IFN) behandelt, und 8 Patienten wurden im Vorfeld mit dem Interferon-alpha (IFN) behandelt (Rückfallrate 44 % vs 32 %). 10 Patienten mit einer Nachsorgezeit von ≥ 6 Monaten, die im Vorfeld mit dem Interferon-alpha (IFN) behandelt wurden, erlitten keinen Rückfall (M12 bei 2 Patienten, M10 bei 5 Patienten, M8 bei 1 Patient, M7 bei 2 Patienten), und 5 Patienten mit einer Nachsorgezeit von ≥ 6 Monaten, die nicht im Vorfeld mit dem Interferon-alpha (IFN) behandelt wurden, erlitten keinen Rückfall (M12 bei 1 Patient, M10 bei 1 Patient, M8 bei 1 Patient, M6 bei 2 Patienten).

Diese Studien bestätigen, dass die komplette molekulare Remission nach der Unterbrechung der Behandlung mit Imatinib (IM) aufrecht erhalten werden kann, besonders bei Patienten, die im Vorfeld mit dem Interferon-alpha (IFN) behandelt wurden und eine lange Nachsorgezeit hatten (Pilotstudie).Unter den Patienten in der STIM-Studie, die im Vorfeld nicht mit dem Interferon-alpha (IFN) behandelt wurden, erlitten mehr als die Hälfte keinen Rückfall, und 20 % durchliefen einen Nachsorgezeitraum von mehr als 6 Monaten und erlitten keinen Rückfall. Aktualisierte Daten werden vorgelegt, allerdings schlussfolgern wir, dass es möglich ist, die Behandlung bei Patienten mit anhaltender kompletter molekularer Remission (CMR) zu beenden – sogar bei den Patienten, die lediglich mit dem Wirkstoff Imatinib (IM) alleine behandelt wurden.

Quelle: ASH-Abstract Nr 187, Is It Possible to Stop Imatinib in Patients with CML? An Update from a French Pilot Study and First Results from the Multicentre "Stop Imatinib" (STIM) Study, Mahon, Guilhot et al, France. Übersetzung durch Jan und Alice, ohne Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit.

Weiterführende Informationen zum Thema Therapiestopp


Weitere Berichte von der ASH-Jahrestagung 2008

Bosutinib (SKI-606) ist ein oraler bioverfügbarer dualer Src/Abl Hemmer, der Hemmaktivität gegenüber BCR-ABL-Phosphorylierung zeigt, und der im Labor 200mal wirkungsvoller als Imatinib (IM) ist, allerdings mit minimaler Hemmung des von Blutplättchen abgeleiteten Wachstumsfaktor-Rezeptors (PDGFR) oder c-Kit. Die Phase II Studie, die die Wirksamkeit und Sicherheit von Bosutinib bei Patienten mit Ph+ CML in chronischer Phase (CP) untersuchte, bei denen Imatinib in der Therapie nicht angeschlagen hatte, läuft immer noch und liefert vorläufige Daten.

283 behandelte Patienten wurden zusätzlich zu Imatinb (IM) mit Interferon (91 Patienten), Dasatinib (71 Patienten), Nilotinib (7 Patienten) und einem Stammzellen-Transplantat (13 Patienten) behandelt.

Von 84 auf Imatinib resistenten Patienten, die auswertbar waren bzgl. des zytogenetischen Ansprechens, erzielten 34 (40 %) ein weitgehendes zytogenetisches Ansprechen (MCyR) und 24 (29 %) davon ein komplettes zytogenetisches Ansprechen (CCyR). Von den 34 Patienten mit einem weitgehenden zytogenetischen Ansprechen (MCyR) haben 31 ihr Ansprechen bis heute aufrecht erhalten. Von den 60 auswertbaren auf Imatinib resistenten Patienten erzielten 20 (33 %) ein weitgehendes molekulares Ansprechen (MMR), bei 10 (17 %) der Patienten war das Ansprechen vollständig.

Unter den Patienten, die Imatinib nicht vertragen, erreichten 22 (76 %) der 29 auswertbaren Patienten ein komplettes hämatologisches Ansprechen (CHR) und 13 der 22 (59 %) auswertbaren Patienten erreichten ein weitgehendes zytogenetisches Ansprechen (MCyR), 11 (50 %) davon ein komplettes zytogenetisches Ansprechen (CCyR). Von 25 auswertbaren Patienten, die Imatinib nicht vertragen, erzielten 7 (28 %) ein weitgehendes molekulares Ansprechen, 5 (20 %) davon ein vollständiges Ansprechen.

Die Behandlung wurde im Allgemeinen gut vertragen. Die am häufigsten auftretenden unerwünschten Ereignisse bei den behandelten Patienten (n = 283) waren im Magen-Darm Bereich (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall), normalerweise im Grad 1-2 Bereich, handhabbar und vorübergehend, in der Häufigkeit und Schwere nach den ersten 3 – 4 Wochen der Behandlung abnehmend. Grad 3 – 4 nicht-hämatologische Toxizität, die bei ≥ 5 % der Patienten auftraten, waren Durchfall (8 %), Ausschlag (8 %) und erhöhte Alanin-Aminotransferase-Werte (5 %). 27 Patienten (10 %) berichteten über Grad 1-2 unerwünschte Ereignisse hinsichtlich Wasseransammlung, einschließlich 21 Patienten mit Ödemen, und 6 Patienten mit Effusionen: 4 pleural, 1 perikardial und 1 pleural und perikardial. Ein einziger Patient erlitt einen Grad 3 Pleuraerguss, der möglicherweise der Behandlung mit Bosutinib zuzuschreiben ist, mit begleitender Lungenentzündung und einer Vorgeschichte von wiederkehrenden Pleuraergüssen. Grad 3 – 4 hämatologische Laboranomalien waren u.a. Blutplättchenmangel (Thrombozytopenie) bei 65 Patienten (23 %), Neutropenie bei 37 Patienten (13 %) und Anämie bei 17 Patienten (6 %). Bei 124 Patienten (44 %) wurde mindestens 1x die Behandlung kurzfristig unterbrochen und bei 85 Patienten (30 %) wurde aus Gründen der Toxizität mindestens 1x die Dosis gesenkt. 37 Patienten (13 %) haben aufgrund von unerwünschten Ereignissen die Behandlung dauerhaft unterbrochen.

Bosutinib ist wirksam bei Patienten mit CML in chronischer Phase, die eine Resistenz oder Unverträglichkeit gegenüber einer Vielzahl von Mutationen von Imatinib aufweisen. Anders als andere Tyrosinkinasehemmer hat Bosutinib keine wesentlichen Hemmfunktionen gegenüber PDGFR oder c-Kit. Dies kann als Grund für das relativ niedrige Toxizität-Profil verantwortlich sein, wobei nur ein paar Patienten hämatologische Toxizität oder Wasseransammlung erlitten.

Quelle: Abstract Nr. 1098, Efficacy and Safety of Bosutinib (SKI-606) in Patients with Chronic Phase (CP) Ph+ Chronic Myelogenous Leukemia (CML) with Resistance or Intolerance to Imatinib - Cortes, Kantarjian, Brümmendorf et al. Übersetzung und Zusammenfassung durch Alice/Jan, ohne Gewähr.

Weitere Berichte zu SKI-606


Weitere Berichte von der ASH-Jahrestagung 2008

Wirkstoffe wie Imatinib, Nilotinib oder Dasatinib können die Aktivität von Immuneffektor-Zellen, wie z. B. "natürliche Killerzellen" (NK-Zellen) und T-Zellen, beeinträchtigen. Nachdem onkogene Ereignisse ausgelöst wurden, hängt die Entwicklung und Progression von klinisch auffälliger Bösartigkeit von der Art und Weise, wie die Tumorzellen die Immunüberwachung umgehen, ab. In Anbetracht der wichtigen Rolle der NK-Zell-Reaktivität gegen Leukämie wird der Einfluss von Imatinib, Nilotinib und Dasatinib auf die Reaktivität von sowohl ruhenden als auch IL-2 aktivierten NK-Zellen mit CML-Zellen verglichen, um die Verbindung mit den schwächsten Nebenwirkungen auf das Immunsystem zu bestimmen.

Zuerst wurden die Wirkungen der Verbindungen auf die NK-Zell-Reaktivität in Konzentrationen, die den höhsten Plasmaspiegeln entsprachen, untersucht. Dasatinib baute die Aktivierung des NK-Zellgranulats, die Zytotoxizität und die IFN-γ Produktion vollständig ab, wohingegen keine erkennbare Hemmung im Falle von Imatinib und Nilotinib beobachtet wurde.

Das Vorhandensein der Verbindungen in IC50-Konzentrationen offenbarte keinen Einfluss von Imatinib und Nilotinib, während Dasatinib die NK-Zell-Zytotoxizität und die IFN-γ Produktion immer noch wesentlich bis zu 60 % senkte. Dasatinib, hemmt, zusätzlich zu BCR-ABL, SRC-Kinasen stark, die bei der Aktivierung von MAP-Kinase-Wegen auftreten, und somit äußerst wichtig für die NK-Zell-Zytotoxizität sind.

Zusätzlich bestimmten wir den Einfluss der Verbindungen auf die ERK-Phosphorylierung. Während keine Hemmwirkung bei der Verwendung von Imatinib und Nilotinib erkannt wurde, senkte Dasatinib die ERK-Phosphorylierung in NK-Zellen merklich.

SCHLUSSFOLGERUNG:

Die Daten zeigen, dass eine Anti-Tumor-Reaktivität der NK-Zellen durch klinisch relevante Konzentrationen von Imatinib nicht gehemmt wird. Während Nilotinib eine geringe Wirkung herbeiführen kann, beeinträchtigt Dasatinib die NK-Zell-Reaktivität wesentlich, indem es Wege meldet, die für Funktionen der NK-Effektorzellen entscheidend sind. Bei den Patienten kann es daher notwendig sein, die Wahl und Dosis des am geeignetsten BCR-ABL-Hemmers auf seinen Einfluss auf das Immunsystem, insbesondere hinsichtlich der wichtigen Rolle der NK-Zellen bei der Immunüberwachung der Restleukämie, zu prüfen.

Quelle: ASH-Abstract Nr. 3200, Differential Effects of the BCR-ABL-Inhibitors Imatinib, Nilotinib and Dasatinib on NK Cell Reactivity against CML, Krusch et al, Tübingen, Germany

Weitere Berichte von der ASH-Jahrestagung 2008

Nach 5-jähriger Behandlung mit Imatinib erzielen 40-50 % der Patienten mit CML stabile, nicht nachweisbare BCR-ABL mittels Echtzeit-RT-PCR ("komplettes molekulares Ansprechen"). Viele Patienten, die die Behandlung mit Imatinib in der Phase des kompletten molekularen Ansprechens unterbrechen, werden einen Rückfall erleiden, allerdings wurde bei einer geringen Anzahl nach dem Absetzen von Imatinib ein anhaltendes komplettes molekulares Ansprechen beobachtet. Eine Gruppe australischer Ärzte initiierte eine nicht-randomisierte und aussichtsreiche Phase 2 Studie bezüglich des Absetzens von Imatinib bei erwachsenen Patienten mit CML in chronischer Phase, die seit mehr als 2 Jahren ein komplettes molekulares Ansprechen erzielen.

Die Patienten wurden in mehreren Zentren in Australien behandelt und eine RQ-PCR (Real-time quantitative Polymerasekettenreaktion) für BCR-ABL wurde zentral durchgeführt: monatlich im 1. Jahr nach dem Absetzen von Imatinib (IM), und zweimonatlich im 2. Jahr. Ein molekularer Rückfall wurde als ein einzelnes PCR-Ergebnis überhalb des Levels des weitgehenden molekularen Ansprechens (MMR) oder jegliche zwei aufeinanderfolgende positive Ergebnisse definiert. Molekulare Rückfalle wurden mit Imatinib (IM) behandelt und die Patienten wurden 12 Monate lang jeden Monat überwacht, um das Ansprechen auf die erneute Behandlung auszuwerten. Die Patienten wurden zwei Gruppen zugeteilt: Imatinib de novo (IM alleine, 5 Patienten) und Imatinib nach vorheriger Interferon-Therapie (IFN-IM, 13 Patienten). Die Durchschnittsdauer der Interferon-Therapie (IFN) im Vorfeld betrug 39 Monate. Beide Gruppen werden ständig erweitert.

Zehn der 13 IFN-IM Patienten (77 %) erhalten ein komplettes molekulares Ansprechen (CMR) aufrecht und 7 von ihnen haben mindestens 12 Monate lang ohne Behandlung (maximal 23 Monate) ein komplettes molekulares Ansprechen (CMR) aufrechterhalten. Die durchschnittliche Nachsorgezeit bei den Patienten, die nur mit Imatinib (IM) behandelt wurden, beträgt derzeit 7 Monate (R1-15) und 3 von 5 Patienten erhalten das komplette molekulare Ansprechen (CMR) aufrecht.

Alle molekularen Rückfälle traten in beiden Gruppen innerhalb von 5 Monaten nach Abbruch der Behandlung mit Imatinib (IM) auf. Die Durchschnittsdauer der vormaligen Behandlung mit Imatinib (IM) unterschied sich bei den 5 Patienten mit Verlust des kompletten molekularen Ansprechens (CMR) (76 Monate) nicht von denjenigen mit einem stabilen kompletten molekularen Ansprechen (CMR) (60 Monate). Unter den 5 Patienten mit einem Verlust des kompletten molekularen Ansprechens (CMR) betrug die Dauer bis zum molekularen Rückfall durchschnittlich 3 Monate (zwischen 2 und 5 Monaten). Zwei der rückfälligen Patienten verloren das weitgehende molekulare Ansprechen (MMR) und 3 hatten nachweisbare BCR-ABL mRNA unterhalb dieses Spiegels. Kein Patient erlitt einen hämatologischen Rückfall oder entwickelte eine Kinase-Domain-Mutation. Bei der letzten Nachsorge hatten alle 5 rückfälligen Patienten nach durchschnittlich 5 Monaten, nachdem die Behandlung mit Imatinib (IM) wieder aufgenommen wurde, wieder ein komplettes molekulares Ansprechen (CMR) erzielt.

Als Schlussfolgerung scheint ein Absetzen von Imatinib bei Patienten mit stabilem komplettem molekularem Ansprechen (CMR) unter engmaschiger molekularer Kontrolle gefahrlos zu sein: derzeit befinden sich alle Patienten außerhalb der Behandlung entweder in einem stabilen Zustand des kompletten molekularen Ansprechens (CMR) oder erzielten nach erneuter Behandlung nochmals ein komplettes molekulares Ansprechen (CMR). Ein Absetzen der wirksamen Behandlung außerhalb des Rahmens einer klinischen Studie ist nicht empfehlenswert. Noch können klinische oder labortechnische Faktoren (z. B. IFN-Behandlung im Vorfeld), die die Wahrscheinlichkeit eines anhaltenden kompletten molekularen Ansprechens (CMR) ohne Behandlung eventuell beeinflussen, nicht benannt werden.

Ergänzung durch Jan: Obiges ist die Übersetzung der vor einigen Monaten eingereichten ASH-Zusammenfassung. Auf ASH wurde auf einem Poster ein Update präsentiert. Dabei wurde ersichtlich, dass ein Patient 14 Monate nach Therapiestopp einen Rückfall erlitt. Als ich Dr Ross auf ASH ansprach, meinte er, dass die Schlussfolgerung der früh auftretenden Rezidive nach Therapiestopp zwar noch vermutet würde, aber aufgrund des einen späten Rezidivs (bei der kleinen Fallzahl) sicherlich nicht mehr generell so gelte. ("Alle molekularen Rückfälle traten ... innerhalb von 5 Monaten nach Abbruch auf").

Quelle: ASH-Abstract Nr 1102, The Majority of Chronic Myeloid Leukaemia Patients Who Cease Imatinib after Achieving a Sustained Complete Molecular Response (CMR) Remain in CMR, and Any Relapses Occur Early, Ross, Branford, Hughes et al, Australia. Übersetzung durch Jan und Alice, ohne Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit.

Weiterführende Informationen zum Thema Therapiestopp

 

Weitere Berichte von der ASH-Jahrestagung 2008