Chronische Myeloische Leukämie (CML)

Ältere Patienten sind in vielen Studien durch ein oberes Alterslimit ausgeschlossen. Die Studiensituation entspricht daher oft nicht der tatsächlichen Altersverteilung der Patienten. Innerhalb des umfangreichen Studienprogramms zum Einsatz von Imatinib (Glivec) bei CML ist deshalb eine Anwendungsbeobachtung (ElderGli) speziell für Patienten über 65 Jahren vorgesehen. Die Anmeldung zur Teilnahme ist ab sofort möglich.

Bei der durch eine charakteristische Chromosomentranslokation gekennzeichneten chronischen myeloischen Leukämie (CML) waren die Heilungschancen, abgesehen von den Patienten, die einen geeigneten Knochenmarkspender fanden, bisher gering. Lediglich neuere Ansätze mit Interferon-Alpha versprachen akzeptable Behandlungsergebnisse. 

Patienten über 65 Jahren, die an einer CML erkrankt sind, wurden üblicherweise mit Hydroxyurea behandelt, da eine Behandlung mit Interferon-Alpha wegen Begleiterkrankungen oft nicht möglich war und eine autologe Stammzelltransplantation aufgrund des Patientenalters ausgeschlossen wurde. Hydroxyurea kann zwar die klinische Symptomatik und so die Lebensqualität subjektiv verbessern, die erkrankten Philadelphia-Chromosom-positiven Zellen werden jedoch nicht reduziert und die Überlebenschancen somit nur gering beeinflusst. 

Mit der Einführung des spezifischen Inhibitors Imatinib (Glivec), der die ursächlich an der Pathogenese beteiligte BCR-ABL-Tyrosinkinase hemmt, ist eine zielgerichtete Unterdrückung und Elimination des neoplastischen bcr-abl-positiven Zellklons möglich geworden. 


Neuer Ansatz – neue Chancen

Mit diesem molekularbiologischen Ansatz ist die Therapie der CML in ein neues Zeitalter getreten. Die hämatologischen und zytogenetischen Ansprechraten liegen deutlich höher als unter der Interferontherapie bei günstigerem Nebenwirkungsprofil. Besonders erfreu- lich ist, dass mit Imatinib hohe Raten in der kompletten zytogenetischen und guten molekularen Remission erzielt wer- den. Eine schnell erreichte molekulare Remission gilt als Indikator für ein längeres progressionsfreies Überleben (Guilhot, F. [IRIS Study Group], Abstract 21, ASH 2004). 


Warum ElderGli?

Die meisten Studien zu Imatinib zeigen nicht die tatsächliche Altersverteilung der Patienten mit CML, da der Einschluss von älteren Patienten oft durch ein oberes Alterslimit begrenzt ist. Bislang existieren zur Therapie älterer CML-Patienten mit Imatinib nur wenige Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit. 

Eine Studie mit 202 Patienten über 60 Jahren, die unter CML in später chronischer Phase, akzelerierter Phase oder Blastenkrise litten, beschreibt ein ähnliches hämatologisches und zytogenetisches Ansprechen wie bei jüngeren Patienten und keine Unterschiede in der Verträglichkeit (Cortes, J. et al., Blood 98:256b Abstract 4755, 2001). Die jetzt begonnene Anwendungsbeobachtung (AWB) ElderGli soll nun weitere Daten liefern. 


Auswertungskriterien

Die AWB dient der Erfassung von Wirksamkeit und Verträglichkeit der Glivec-Therapie bei älteren Patienten mit einer Krankheitsdauer von über einem Jahr ohne Imatinib-Vorbehandlung. Alle Patienten erhalten Imatinib gemäß ihrer Verschreibung. In der chronischen Phase beträgt die empfohlene Startdosis 400mg Imatinib pro Tag. Eine Dosiserhöhung auf 600 oder 800mg kann bei nicht zufrieden stellendem Ansprechen und bei Abwesenheit schwerer Nebenwirkungen in Betracht gezogen werden. Zur Beurteilung der Wirksamkeit wird das hämatologische, zytogenetische und molekulare Ansprechen analysiert. In die Auswertung zur Verträglichkeit gehen alle erfassten Nebenwirkungen und unerwünschten Ereignisse ein. Gefragt wird auch nach dem Zeitraum, bis ein zytogenetisches oder molekulares Ansprechen erreicht wird, und nach der Rate und Ursache der Resistenz gegenüber Imatinib bei Patienten unter der Standarddosis verglichen mit denen, für die eine Dosisreduktion erforderlich wurde. 


Evaluation des Ansprechens

Das hämatologische Ansprechen, beurteilt durch ärztliche Untersuchung und hämatologische Laboruntersuchung, wird entsprechend der Praxis- routine 3, 6, 12, 18 und 24 Monate nach dem Therapiebeginn überprüft. 


Zytogenetisches Ansprechen

(Überprüfung von mindestens 20 Metaphasen auf Anwesenheit des Philadelphia-Chromosoms) und molekulares Ansprechen (quantitativer PCR-Nachweis von bcr-abl-Transkripten) werden ebenfalls so weit möglich verfolgt. Diese Untersuchungen werden drei Monate nach Therapiebeginn und dann alle sechs Monate während des zweijährigen Beobachtungszeitraums empfohlen. 

An dieser Anwendungsbeobachtung können alle interessierten hämatologisch-onkologischen Institutionen teilnehmen. 


Die ElderGli-Anwendungsbeobachtung in der Übersicht

Nicht interventionelle Beobachtungsstudie zur Verträglichkeit und Wirksamkeit von Imatinib (Glivec) in der Behandlung von älteren Patienten mit CML in chronischer Phase 

Protokollkomittee: Prof. Dr. Andreas Hochhaus
Teilnahme: Etwa 150 Patienten in 40 bis 50 deutschen hämatologisch-onkologischen Institutionen (niedergelassene Onkologen)
Aufnahmekriterien: Alter größer 65 Jahre. BCR-ABL-positive CML in chronischer Phase, mind. 12 Monate vor Beginn der AWB diagnostiziert, evtl. vorbehandelt, jedoch nicht mit Imatinib therapiert 
Ausschlusskriterien: Patienten in akzelerierter Phase oder Blastenkrise
Beginn der AWB: Oktober 2005
Ende Patientenrekrutierung: Oktober 2007
Ende der Dokumentation: Oktober 2009
Beobachtungszeitraum: Etwa zwei Jahre
Ansprechpartner zu Fragen der Durchführung: Dr. Peter Schuld, Novartis Pharma, T. 0911/27312-440, Fax -996 


Übersicht CML-Studien mit Glivec
  • Neu diagnostizierte CML-Patienten: CML-Studie IV
  • Ältere Patienten (älter 65 J.) nach Hydroxyurea-Vortherapie: ElderGli-AWB
  • Therapieoptimierung bei suboptimalem Ansprechen:
Eine Übersicht über laufende Studien findet sich unter www.kompetenznetz-leukaemie.de

Kontakt
Auskünfte zu den aktuellen Therapiemöglichkeiten und Studien sind erhältlich über die 
CML-Studienzentrale Mannheim 
Tel. 0621/383-41 68


Quelle: Medizin Aktuell Nr. 372, Beilage in der Zeitschrift Strahlentherapie und Onkologie 11/2005.
Imatinib (Handelsname Glivec) ist die Standardtherapie für CML-Patienten geworden. Aus diesem Grund müssen bei diesen Patienten auch die Zusammenhänge einer dauerhaften Imatinib-Therapie, speziell auch die Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, untersucht werden. Studien haben einige Wechselwirkungen aufgezeigt, die mit Imatinib in Verbindung gebracht werden. Daher ist eine sorgfältige Abwägung der Anwendung zusätzlicher Medikamente bei Patienten unter einer dauerhaften Imatinib-Therapie sehr wichtig.

Imatinib hemmt die BCR-ABL-Tyrosinkinase und unterbricht damit das Tumorwachstum, indem es die Vermehrung von BCR-ABL-Zellen unterdrückt und zum Zelltod dieser BCR-ABL-positiven Zellen führt. Das Medikament wird üblicherweise oral mit 400mg/Tag verabreicht. Die Dosis kann auf 600-800mg/Tag erhöht werden, wenn der Patient nicht anspricht oder wenn er sich in Blastenkrise befindet.

Grundsätzlich wird Imatinib gut vertragen, sogar von älteren Patienten. Die üblichsten Nebenwirkungen sind Ödeme, Muskelkrämpfe, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Imatinib wird in der Leber von der Zytochom-Enzymfamilie P450 (CYP450) mit CYP3A4 als primärem Umwandler abgebaut.

Es gibt einige andere Isozyme, unter anderem CYP1A2, CYP2D6, CYP2C9 und CYP2C19, die zu einem geringeren Maße beim Abbau von Imatinib eine Rolle spielen. Daher haben Inhibitoren, Inducers und Substrate von CYP3A4 ein Potential von Wechselwirkungen mit Imatinib

Auf Hem/Onc Today vom Februar 2006 sind potentielle Wechselwirkungen und deren empfohlene klinische Behandlung aufgeführt [nicht übersetzt].

Aufgrund vorheriger Chemotherapie oder immunsuppressiver Therapie nach einer Stammzelltransplantation könnten CML-Patienten immungeschwächt sein. Daher könnte eine Therapie mit pilzbekämpfenden Mitteln erforderlich sein, von denen manche die Imatinib-Konzentration im Blutplasma erhöhen können. 

Auch der Blutgerinnungshemmer Warfarin kann mit Imatinib interagieren, so dass die Gerinnungswerte aufmerksam beobachtet werden sollten. 

Auch die Wechselwirkung mit Paracetamol sollte beachtet werden. Imatinib könnte die Plasmakonzentration von gleichzeitig eingenommenem Acetaminophen (Paracetamol) erhöhen.

Darüber hinaus haben klinische Studien gezeigt, dass erhöhte Bilirubinwerte und Leber-Transaminasen bei 3%-6% der Studienteilnehmer auftraten. Eine gleichzeitige Anwendung von Paracetamol und Imatinib könnte das Risiko einer Lebertoxizität erhöhen. Es wurde kürzlich ein Einzelfallbericht einer Frau publiziert, die Imatinib über ein Jahr nahm und während über eine Dauer von zwei Tagen eine hohe Menge Alkohol und etwa 4 Gramm Paracetamol einnahm. Erhöhte Transaminasen und eine Leberpunktion deckten eine schwere Hepatitis auf. Die Imatinib-Anwendung wurde unterbrochen, worauf hin die Laborwerte der Patientin sich nach rund 90 Tagen wieder normalisierten.

Die Anwendung von Paracetamol sollte daher bei Patienten unter Imatinib-Therapie eingeschränkt werden. Die klinischen Richtlinien des US-Amerikanischen NCCN (National Comprehensive Cancer Network) empfehlen Ärzten, die Anwendung von Paracetamol bei Imatinib-Patienten auf nicht mehr als 1.300 mg/Tag zu beschränken.

[Übersetzung in Auszügen durch Jan, keine Gewähr für Richtigkeit oder Vollständigkeit.]

Quelle:
Hem/Onc Today Februar 2006: Clinical Features: Potential drug interactions with imatinib therapy identified, Cathryn A. Jennissen (englisch, kostenlose Registrierung erforderlich)

Weiterführende Informationen:
Einige Studiendaten lassen vermuten, dass Glivec in Hochdosis (800mg) wirksamer ist als die Standarddosis. Trotz hervorragender Ergebnisse bei einem Großteil der Patienten erreichen nur eine kleine Zahl der Patienten eine komplette molekulare Remission, und der Einsatz einer hochspezifischen Monotherapie könnte zur Entwicklung von Resistenzen führen. Von Interferon ist gleichzeitig bekannt, dass es durch seinen immunstimulierenden Effekt bei CML wirksam ist und vielleicht auch wertvoll für die Behandlung bei minimaler Resterkrankung sein könnte. Präklinische Studien haben eine synergistische Wirkung von Interferon und Glivec gezeigt. Zusätzlich kann Neupogen (G-CSF) in Kombination mit Interferon die dentritischen Zellen gegen die CML stimulieren. Aus diesem Grund werden in verschiedenen Kliniken Kombinationen von Glivec und Interferon, teilweise mit G-CSF, geprüft.

Am MD Anderson Krebszentrum wird momentan eine größere randomisierte Phase-II-Vergleichsstudie mit Glivec-Hochdosis (800mg) und Glivec + Peg-Interferon (Pegintron) + G-CSF (Neupogen) durchgeführt. Die Studie beginnt mit 800mg Glivec-Monotherapie. Nach 6 Monaten werden die Patienten zur Hälfte auf Glivec-Monotherapie weiterbehandelt oder erhalten eine Kombination von Glivec, Pegintron und G-CSF. Erste Studiendaten von 94 Patienten wurden im Dezember 2005 auf ASH vorgestellt. 94% der Patienten im Kombinationsarm erreichten binnen 12 Monaten eine komplette zytogenetische Remission (CCR) im Vergleich zu 87% der Patienten auf Glivec-Hochdosis-Monotherapie. Ausserdem erreichten 55% mit der Kombination eine gute molekulare Remission (MMR) und 32% der 800mg-Glivec-Patienten. Die Nebenwirkungen bei Glivec-Hochdosis waren wie in anderen Studien bereits berichtet. Die mit Peg-Interferon verbundenen häufigsten Nebenwirkungen schlossen Fatigue (n=7, 27%), Hautausschlag (n=5, 19%), Depression (n=3, 11%) und Kopfschmerzen (n=2, 7%) ein. Bei 12 Patienten war eine Dosisreduktion von Peg-IFN erforderlich, und 3 (13%) brachen die Therapie dauerhaft ab. Bei 4 Patienten im Kombinationsarm war eine Reduktion der Glivec-Dosis erforderlich. Die Autoren schließen, dass die Kombination eine akzeptables Nebenwirkungsprofil aufweist und ein weiterhin verbessertes Ansprechen nach 12 Monaten zu beobachten ist. [Quelle: ASH2005-Abstract 1084] 

Weitere IFN-Glivec-Kombinationsstudien

Für Patienten mit suboptimalem Ansprechen auf Glivec ist bei Dr. Michael Mauro an der OHSU (USA) eine Studie gestartet, die die Wirksamkeit einer Kombination von Glivec, pegyliertem Interferon, and Neupogen (G-CSF) untersuchen soll. Die Studiendauer ist sechs Monate; nach der Studie erhalten die Patienten diese Medikation weiter, wenn sie davon profitieren. [Quelle: OHSU-Studiendaten]

In Lyon (Frankreich) läuft bei Dr. Mauricette Michallet im Hospices Civils de Lyon eine Phase-II-Kombinationsstudie mit 600mg Glivec und 90 Mikrogramm Peg-Interferon für 30 CML-Patienten mit suboptimalem Ansprechen. Die Patienten müssen eine komplette hämatologische Remission, aber das Fehlen eines guten zytogenetischen Ansprechens nach mindestens einem Jahr Glivec-Monotherapie aufweisen. Die Studie nimmt noch Patienten auf. [Quelle: ClinicalTrials.gov]

Mitte 2005 wurde von einer Studiengruppe um Dr. Poerio der Universitätsklinik von Bologna über Ergebnisse einer Glivec-Interferon-Kombinationsstudie mit 76 Patienten berichtet. Vgl. "Kombination von Interferon und Glivec: Gute und stabile Remissionen", Leukämie-Online vom 01.06.2005.

Weitere Möglichkeiten der Therapieoptimierung

In Kürze soll an verschiedenen Kliniken in den USA, in Deutschland und Australien eine Phase-I-Kombinationsstudie mit Glivec und AMN107 starten. Ziel der Studie ist, die höchste sichere Dosis von AMN107 bei gleichzeitiger Gabe von Glivec zur Behandlung von Ph-positiver CML zu identifizieren. Dabei sollen die Plasmakonzentrationen der Medikamente zu verschiedenen Zeutpunkten gemessen werden (Pharmakokinetik). Als Sekundärziel sollen die Auswirkungen der Wirkstoffkombination getestet werden. Teilnehmen können 20 Patienten, die auf Glivec-Monotherapie nur suboptimal angesprochen haben. [Quelle: Forum und MDACC-Studiendaten]

In Deutschland werden gegenwärtig weitere Studien zur Therapieoptimierung bei suboptimalem Ansprechen auf Glivec-Monotherapie durchgeführt, beispielsweise mit einer Kombination von Glivec mit Lonafarnib, RAD001
vgl. hierzu "Update zur CML-Therapie und Therapieoptimierung", Leukämie-Online vom 28.08.2005.

Zusammenfassung von Jan, ohne Gewähr auf Richtigkeit oder Vollständigkeit.
Im August 2005 wurden in Deutschland Phase-II-Studien mit dem neuen Wirkstoff AMN107 (Nilotinib) für Patienten mit CML oder Ph-positiver ALL, bei denen eine Resistenz/Unwirksamkeit oder Unverträglichkeit gegen Glivec vorliegt, gestartet. Mit dem Universitätsklinikum Dresden bieten nun neun Kliniken (München, Dresden, Leipzig, Hamburg, Frankfurt/Main, Mannheim, Mainz, Berlin und Düsseldorf) in Deutschland die Teilnahme an der AMN107-Studie an. In der Schweiz wird die Studie neben Basel nun auch in Genf und Bern durchgeführt.

Nähere Informationen zur Studie befinden sich in dem Studienprogramm (PDF, Acrobat Reader erforderlich).

In Deutschland führen gegenwärtig folgende Kliniken Studien mit AMN107/Nilotinib durch:
  • Universitätsklinikum Dresden
    Med. Klinik und Poliklinik 1
    Fetscherstr. 74
    01307 Dresden

  • Klinikum rechts der Isar, München
    III. Med. Klinik & Poliklinik der TU München 
    Abteilung Haematologie/Onkologie
    Ismaninger Str. 22 
    81675 München

  • Univ.-Klinikum Eppendorf
    Zentrum Innere Medizin, Med. Klinik II
    Martinistr. 52
    20246 Hamburg

  • Universität Leipzig
    Medizinische Klinik und Poliklinik II
    Abteilung Haematologie/Onkologie
    Johannisallee 32
    04103 Leipzig

  • Johann Wolfgang Goethe-Universitaet, Frankfurt
    Prof. Oliver G. Ottmann
    Zentrum der Inneren Medizin/Med. Klinik III, Abt. Haematologie/Onkologie
    60590 Frankfurt/Main

  • Klinikum Mannheim der Universitaet Heidelberg
    Prof. Andreas Hochhaus
    III. Medizinische Klinik
    68305 Mannheim

  • III. Med. Klinik der Universität Mainz
    PD Dr. Thomas Fischer
    Abt. Hämatologie
    55131 Mainz

  • Virchow Klinik der H.U., Berlin
    Dr. Philipp Le Coutre
    Campus Charité, Abt. Haematologie und Onkologie
    13353 Berlin

  • Universitaetsklinikum Düsseldorf
    PD Dr. Norbert Gattermann
    Medizinische Klinik A, Abt. Haematologie/Onkologie
    40225 Düsseldorf

In der Schweiz wird die AMN107-Studie in folgendem Zentrum durchgeführt:
  • Universitätsspital Basel
    Petersgraben 4
    4031 Basel
    Schweiz

  • Hôpitaux universitaires de Genéve
    Crest 24 
    1211 Genève 
    Schweiz

  • Inselspital Bern 
    Freiburgstrasse 
    3010 Bern
    Schweiz


Genauere Informationen z.B. zu den Aufnahmevoraussetzungen für die Studie können die teilnehmenden Kliniken geben.

Weiterführende Informationen:
Trotz verbesserter Behandlungsmethoden stirbt derzeit eines von vier leukämiekranken Kindern. Bei Erwachsenen ist die Prognose noch schlechter: Drei von fünf erkrankten Erwachsenen überleben die Blutkrankheit nicht. Den derzeit wirksamsten Ansatzpunkt für neue Behandlungsmethoden bilden die genetischen Ursachen der Krankheit. An einer dieser Ursachen setzt das vor wenigen Jahren zugelassene Medikament Imatinib (Glivec) an, das bei der Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie (CML) eingesetzt wird, einer speziellen Form der Leukämie: Der Wirkstoff kann das Eiweiß BCR/ABL, das die Krankheit verursacht, sozusagen abschalten. Trotz seiner guten Wirkung kann aber auch Imatinib gegenüber einzelnen Leukämiezellen machtlos werden - nämlich dann, wenn diese eine Resistenz gegenüber dem Medikament ausbilden. Marburger Forscher haben nun einen Ansatz einer Kombinationstherapie zur Verhinderung einer Resistenzbildung entwickelt.

Gemeinsam mit Partnerinstitutionen ist es Krebsforschern der Philipps-Universität Marburg in grundlagenwissenschaftlichen und klinischen Studien nun gelungen, eine rationale Kombinationstherapie zu erforschen, die Imatinib mit weiteren Wirkstoffen ergänzt. Dank dieser Therapie kommt es im Krankheitsverlauf möglicherweise weniger häufig zur Ausbildung resistenter Zellen beziehungsweise kann die Entstehung von Resistenz durch eine früh einsetzende Behandlung durchbrochen werden.

Darüber hinaus konnten die Wissenschaftler in einer weiteren Arbeit zeigen, dass auch das Vitamin-A-Derivat ATRA in Kombination mit dem Antiepilepsiemittel VPA in der Lage ist, erkrankte Zellen in den Zelltod zu treiben. Dieses Vorgehen hat sich bei einer weiteren wichtigen Leukämievariante, der BCR/ABL-positiven akuten lymphatischen Leukämie (ALL), als erfolgreich erwiesen.

Schließlich fanden die Marburger Forscher der Arbeitsgruppe Neubauer auch heraus, dass ein Tumorgen namens SKI die Ausreifung von Leukämiezellen blockiert und damit Teil des komplexen Entstehungsprozesses von Blutkrebs ist. Dies eröffnet einen weiteren Ansatzpunkt für Therapien, nämlich die Entwicklung von Medikamenten, die Gene wie SKI unterdrücken können.

Ihre Erkenntnisse, die Konsequenzen für die Behandlung von Leukämien und für die Entwicklung neuer Medikamente mit sich bringen könnten, haben die Forscher nun in drei Publikationen - eine im renommierten Fachjournal Blood, zwei weitere in der ebenfalls sehr anerkannten Fachzeitschrift Leukemia - veröffentlicht. Gefördert wurden ihre Arbeiten von der Deutschen José Carreras Leukämie-Stiftung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

"Die Gefahr bei Imatinib", so erklärt der Marburger Onkologe Dr. Andreas Burchert, "besteht darin, dass trotz der Behandlung immer einige Leukämiezellen übrig bleiben, weil sie gegen das Medikament resistent sind oder im Verlauf der Behandlung eine Resistenz entwickelt haben." Burchert ist klinischer Oberarzt und Leiter einer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe der Abteilung für Hämatologie, Onkologie und Immunologie der Philipps-Universität, die unter Direktion von Professor Dr. Andreas Neubauer steht. Die Arbeitsgruppe erforscht Probleme der Resistenzentwicklung gegenüber neuen molekularen Therapeutika.

Nun aber stellten die Wissenschaftler fest, dass sie auch solche Leukämiezellen in den Zelltod treiben können, die die Behandlung mit Imatinib sonst überstanden hätten - indem sie nämlich die Substanz Everolimus (RAD001) verabreichen, die den so genannten Pl3-Kinase-Signalweg blockiert. "Das Gute daran ist", so Burchert, "dass dieser Wirkstoff bereits klinisch eingesetzt wird, nämlich vor allem in der Transplantationsmedizin." Die neue Behandlungsform eigne sich besonders für die CML, so Burchert, "und hier wiederum wirkt sie wahrscheinlich besonders gut in den frühen Phasen der Krankheit." Bereits vor einigen Monaten haben die Marburger Forscher mit einer klinischen Prüfung der Phase II begonnen: Diese soll Wirksamkeit und Unbedenklichkeit einer Imatinib/RAD001-Kombination in einer größeren Fallstudie nachweisen, um so eine der Voraussetzungen für die Zulassung eines Medikaments in der Leukämietherapie zu schaffen.

Auch im Bereich der BCR/ABL-positiven Akuten Lymphatischen Leukämie (ALL) haben die Forscher einen Fortschritt erzielt, als sie klinische Leukämieproben analysierten. "Mit der Substanzkombination VPA/ATRA", sagt Burchert, "die wir zuletzt auch einem Imatinib-resistenten Patienten mit ALL verabreichten, konnten wir vorübergehend eine signifikante anti-leukämische Wirkung erzielen." Eine der Ursachen von Krebserkrankungen nämlich besteht darin, dass vom Krebs befallene Zellen nicht mehr ausdifferenzieren, weil bestimmte ihrer Gene nicht mehr "abgelesen" werden. Unter anderem setzt dies auch den für die "Selbstreinigungskräfte" des Organismus wichtigen Apoptose-Mechanismus außer Kraft, der es entarteten Körperzellen ermöglicht, sich selbst "umzubringen". "VPA/ATRA aber schiebt die abgeschaltete Gentranskriptionsmaschinerie wieder an", erklärt Burchert, "und dadurch kommt auch der Apoptose-Mechanismus wieder in Gang."

Besonders interessant, so der Onkologe, sei die Tatsache, dass VPA/ATRA bislang hauptsächlich bei der akuten myeloischen Leukäme (AML) getestet werde, die Ergebnisse aber weniger signifikant als erhofft ausfallen. Der Mechanismus indessen, den die Marburger Arbeitsgruppe jetzt beschrieb, erklärt, warum die Kombination von Imatinib und VPA/ATRA besonders gut bei der BCR/ABL-positiven ALL wirken könnte. "Die Ergebnisse unserer Untersuchungen", so Burchert, "könnten Konsequenzen für die Behandlung von ALL mit diesen oder ähnlichen Substanzen haben."

Leukämie (Blutkrebs) ist eine Erkrankung des blutbildenden Systems, bei der zuviele weiße Blutkörperchen gebildet werden. Während akute Leukämien binnen Wochen zum Tode führen können, bringen chronische Leukämien über Jahre hinweg oft kaum Symptome mit sich, können aber dann in die akute Form übergehen. Ursache für die chronische myeloische Leukäme ist die Verschmelzung, die "Fusion" des ABL-Gens von Chromosom 9 mit einem Teil des BCR-Gens auf Chromosom 22. Während das ABL-Gen das ABL-Protein produziert, das unter anderem für die DNA-Reparatur verantwortlich ist, ist das Fusionsprotein BCR/ABL dauerhaft überaktiv und bewirkt, dass sich weiße Blutkörperchen zu stark und auf Kosten anderer Blutbestandteile vermehren.

Der Wirkmechanismus von Imatinib wiederum beruht darauf, dass er die Aktivität von BCR/ABL blockiert und auf diese Weise BCR/ABL-tragende Zellen gezielt zum Absterben bringt. Während die meisten Zellen sofort zugrunde gehen, wenn ihr BCR/ABL-Gen durch Imatinib abgeschaltet wird, erklärt Burchert, "gelingt es manchen von ihnen, weiterzuleben, zu 'persistieren' - und zwar darum, weil der Pl3K-Signalweg die für die Zelle überlebenswichtigen Funktionen von BCR/ABL mit übernehmen kann." Persistierende Leukämiezellen aber sind eine Gefahr für den Körper, denn "im Laufe der Zeit kommt es bei einem Teil der Patienten zu einer bestimmten genetischen Mutation in BCR/ABL", so Burchert, "sodass Imatinib nicht mehr daran binden kann und das Medikament gegenüber den mutierten Zellen komplett unwirksam wird." Eine persistierende Zelle kann also monate- und jahrelang darauf "warten", dass es eines Tages zu einer Mutation kommt und sie nicht mehr nur persistiert, sondern tatsächlich gegen das Medikament resistent wird. "Indem wir nun zusätzlich zu Imatinib auch noch den Pl3K-Signalweg durch RAD001 blockieren, bleibt der erkrankten Zelle aber von vornherein weniger Chance zum Überleben."

Zu den Kooperationspartnern der Marburger Onkologen gehören die Fakultät für Klinische Medizin Mannheim der Universität Heidelberg, die Medizinische Klinik III des Universitätsklinikums Frankfurt, die Abteilung für Innere Medizin III der TU München, das Institut für Molekularbiologie und Tumorforschung (IMT), das Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie (beide Institute gehören dem Universitätsklinikum Gießen und Marburg an) ebenso wie das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden und schließlich das Department of Molecular Genetics and Microbiology der Stony Brook University im US-Bundesstaat New.

Kontakt

Professor Dr. Andreas Neubauer: Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Medizin / Klinik für Innere Medizin, Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Immunologie, Baldingerstraße, 35043 Marburg
Tel.: (06421) 28 66272, E-Mail: 

Dr. med. Andreas Burchert:
Tel.: (06421) 28 65061, E-Mail: 

Quelle: idw-online vom 10.03.2006