Chronische Myeloische Leukämie (CML)

Auf ASH 2004 wurden die neuesten Daten zur CML-Ersttherapie mit Glivec (Wirkstoff Imatinib) vorgestellt. Die Studienergebnisse zeigen, dass sich die Ergebnisse in der längerfristigen Beobachtung - insgesamt nun bis zu 42 Monate - noch weiter verbessert haben. Die neuen Beobachtungsdaten bestätigten die dauerhaften Ansprechraten in der Ersttherapie mit Imatinib und belegen die Bedeutung des Erreichens einer umfangreichen zytogenetischen Antwort für längerfristiges Ansprechen auf das Medikament.

Neue Daten aus der weltweit umfangreichsten CML-Studie (1106 teilnehmende Patienten) "International Randomized IFN vs. ST1571" (IRIS) wurden am 05.12.2004 auf der amerikanischen Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) vorgestellt. Neu diagnostizierte Patienten mit Philadelphia-Chromosom-positiver (Ph+) chronischer myeloischer Leukämie (CML) in chronischer Phase, bei denen früh zytogenetische Antworten auftraten, zeigten verbesserte, progressionsfreie Überlebensraten im Vergleich zu den Patienten, bei denen keine frühen Antworten auftraten. Es zeigte sich, ein Ansprechen auf Imatinib auch noch nach 42 Monaten auftrat. 

"Die IRIS-Studie zeigt weiterhin dauerhafte Antworten bei Patienten, die mit Imatinib behandelt wurden", sagte Dr. Francois Guilhot, Leiter der Abteilung Hämatologische Onkologie und Zelltherapie, CHU La Miletrie, Poitiers, Frankreich. "Bei Patienten, welche die höchste Ansprechrate nach 12 Monaten erzielten, war die Wahrscheinlichkeit, leukämiefrei zu bleiben, sehr hoch."

Die Datenanalyse zeigte, dass nach 42 Monaten 84% der Patienten, die mit Imatinib behandelt wurden, progressionsfrei blieben, und nur 6% erfuhren eine Progression in die akzelerierte Phase oder Blastenkrise. Einige der Patienten, bei denen eine Progression eintrat, profitierten von einer Dosiseskalation mit Imatinib auf 600 oder 800mg. 

Patienten, denen Imatinib als Ersttherapie verabreicht wurde und die innerhalb von 12 Monaten nach Therapiestart eine vollständige zytogenetische Antwort (complete cytogenetic response, CcyR) erzielten, wiesen nach 42 Monaten eine progressionsfreie Überlebensrate von 93% auf; bei Patienten ohne CcyR innerhalb der ersten 12 Monate lag diese im Vergleich bei 74%. Die Gesamt-Überlebensrate (basierend auf CML-bedingten Todesfällen) bei Patienten, die mit Imatinib behandelt wurden, betrug 97% nach 42 Monaten.

Von den Patienten, die nach 12 Monaten eine CcyR sowie eine mindestens 1.000fache (3-Log) Reduktion des Bcr/Abl-Transkripten-Spiegels (= molekulare Antwort) erzielten, waren nach 42 Monaten 98% progressionsfrei. Progressionsfrei blieben auch 90% derjenigen, die eine CcyR mit weniger als 3-Log-Reduktion erreichten, und 75% der Patienten, die keine CcyR erzielten. Das Erreichen eines guten molekularen Ansprechens innerhalb von 12 Monaten nach Therapiebeginn wird also weiterhin als wichtiger Prognosefaktor für ein progressionsfreies Überleben gesehen.

Insgesamt 75 Patienten führten nach Verlassen der Studie eine Knochenmarktransplantation durch, 30 nach primärer Imatinib-Therapie und 45 nach primärer Interferon-Therapie. Es wurde kein Unterschied in den Überlebensraten nach Transplantation zwischen den Patienten mit Glivec-Ersttherapie (8 Todesfälle), Interferon-Ersttherapie (7 Todesfälle) und Imatinib nach Interferon-Ersttherapie (7 Todesfälle) festgestellt. Die Überlebenswahrscheinlichkeit 12 Monate nach der Transplantation betrug 70%, 75%, and 68% in den jeweiligen Gruppen.


Einordnung von CML-Ansprechraten

Eine komplette hämatologische Antwort (CHR) ist eine Normalisierung des Blutbildes, die über mindestens vier Wochen andauert; allerdings können Zellen, die Philadelphia-Chromosom-positiv sind (Ph+), immer noch vorhanden sein. 

Bei einer weitgehenden zytogenetischen Antwort (McyR) werden in weniger als 35% der Zellen ein Ph-Chromosom nachgewiesen. In einer kompletten zytogenetischen Antwort (CcyR) sind Ph+-Zellen in der Zytogenetik nicht mehr nachweisbar.

Eine molekulares Ansprechen wird bei CML definiert als das Verschwinden oder die deutliche Reduktion der Menge an Bcr-Abl-Transkripten durch Nachweis einer PCR-Untersuchung. 


Hintergrund der IRIS-Studie

Von Juni 2000 bis Januar 2001 wurden 1106 Patienten von 117 Studienzentren in 16 Ländern in die IRIS-Studie aufgenommen (553 Patienten in jeden Behandlungsarm randomisiert). Diese CML-Studie Phase III ist bis heute die Studie mit der höchsten Anzahl rekrutierter Patienten. Das Protokoll der IRIS-Studie (Studie 106) erlaubt ein Crossover, d.h. einen Wechsel in den jeweils anderen Therapiearms der Studie, im Falle fehlenden Ansprechens (kein starkes zytogenetisches Ansprechen binnen 12 Monaten), Verlust des Ansprechens oder Unverträglichkeit der Therapie. 


Quellen

"Sustained Durability of Responses Plus High Rates of Cytogenetic Responses Result in Long-Term Benefit for Newly Diagnosed Chronic-Phase Chronic Myeloid Leukemia (CML-CP) Treated with Imatinib (IM) Therapy: Update from the IRIS Study"; Francois Guilhot, Oncology Hematology and Cell Therapy, CHU La Miletrie, POITIERS, France; stellvertretend für die IRIS-Studiengruppe.

Die Studie (ASH-Abstract Nr. 21), wurde veröffentlicht im Fachmagazin Blood, Ausgabe 104, Issue 11, 16. November 2004

Übersetzung und Zusammenfassung von Jan, ohne Gewähr auf Richtigkeit oder Vollständigkeit.
Anfang Dezember 2004 fand in den USA die ASH-Jahrestagung statt, in der alljährlich die neuesten Erkenntnisse der Leukämie-Therapie vorgestellt wurden. Einige gut vernetzte Patienten, die in ihrer Freizeit in verschiedenen Foren über die neuesten CML-Veröffentlichungen berichten, waren auch auf ASH. Wir bieten eine deutschsprachige Zusammenfassung von Eindrücken von CML-Patienten aus den USA, Asien und Europa, sowie einer Zusammenfassung weiterer Publikationen.

Obwohl die ASH-Jahrestagung sich an das Fachpublikum der Hämatologen richtet, besuchen zunehmend auch gut informierte Patienten diese Veranstaltung, die sämtliche Fachpublikationen lesen, an Präsentationen teilnehmen und medizinische Inhalte in für Patienten verdauliche Häppchen umsetzen. Es ist zudem zu beobachten, dass die Anwesenheit von Patienten auf ASH so manchem CML-Spezialisten und Pharmavertreter auch merkliche Motivation und Antrieb für die tägliche Arbeit gibt - es läßt sie noch mehr realisieren, dass sie nicht nur einen spannenden Beruf haben, sondern auch für unser Leben und Überleben kämpfen.

Auch wenn fast alle Patienten ausbildungsseitig medizinische Laien sind, entspricht ihr Wissen über spezifische Aspekte der CML-Therapie dem Kenntnisstand vieler Fachleute. Under streng medizinischen Gesichtspunkten sind Patientenberichte natürlich kritisch zu betrachten, aber ich glaube nicht als einziger fest daran, dass gerade der gut informierte Patient in Zeiten rasanten Wandels der Therapien die Chance hat, länger zu leben.

Ein US-Patient schilderte in einem US-Forum seine Eindrücke von ASH, die ich hier ausführlich wiedergeben möchte: "Es ist nur sechs Monate her, seit ich mit der Diagnose CML konfrontiert wurde und ich mit der Glivec-Therapie begann. Wenn Ihr mich vor 7 Monaten irgend etwas zu CML, Glivec, ASH oder Forschern wie Dr. Druker gefragt hättet, hätte ich nur 'Hä?' entgegnet.

Unter normalen Umständen leben Menschen in einer Blase, die mit der CML-Diagnose plötzlich platzt. Ganz plötzlich haben wir mehr gemeinsam mit Leuten von verschiedenen Ländern, Kulturen und Hintergründen, als wir jemals für möglich gehalten hätten. Jeden Tag werden Menschen überall auf der Welt mit CML diagnostiziert und gehen durch ähnliche Muster von Schock, Unglauben und Angst.

Heute bin ich hier [auf ASH], folge jedem Wort, treffe all die wunderbaren Leute aus den Foren und schüttle Hände mit Leuten wie Dr. Druker, Sawyers, Shah, Hughes und Holyoake, und nehme an Präsentation von anderen Kapazitäten wie Dr. Hochhaus, Talpaz, Cortes und Giles teil.

Es ist aufregend, auf ASH zu sein: Forscher lernen von Monat zu Monat mehr über jede Facette der CML. Mutationsmechanismen, Glivec-Effizienz, neue Inhibitor-Medikamente, neue Kombinationen, neue Mechanismen zur Ausschaltung der Proteine in Signalübertragungswegen zählen zu den Bereichen, in denen im vergangenen Jahr unglaubliche Fortschritte erzielt wurden. Es ist schwer zu sagen, wann für CML eine wirkliche Heilung gefunden wird, aber es scheint nicht mehr weit entfernt zu sein. Aufregenderweise spielt die Krankheit, die wir hier alle teilen (CML), die Vorreiterrolle. CML ist zum Bilinguae-Stein der Krebsforschung geworden. Der CML-Spezialist Dr. Sawyers hat es kürzlich in einem Interview am besten ausgedrückt, als er sagte, dies sei 'die Blaupause für die Behandlung anderer Krebsarten'."


Nun aber noch zu einigen inhaltlichen Eindrücken von der Fachtagung.


Glivec

Über die 42-Monats-Daten von Glivec hatte ich bereits in einem anderen Artikel auf Leukämie-Online berichtet, weshalb ich an dieser Stelle nicht nochmals im Detail darauf eingehen möchte. Insgesamt wurde von ASH aber berichtet, dass Glivec mit einer Überlebensrate von 91% nach 40-50 Monaten deutlich besser funktioniert als anfangs von CML-Spezialisten erwartet. Die Ergebnisse werden in der langfristigen Beobachtung auch heute immer noch etwas besser, da die Rate derer, die eine sehr starke Reduktion der BCR-ABL-Transkripte (PCR 3-log bzw. BCR-ABL/ABL-Ratio von 0.12%) erreichen, immer noch ansteigt, so Dr. Branford aus Australien. Insofern ist in der Expertendiskussion von "Transplantation versus Glivec" eine klare Tendenz hin zur Glivec-Therapie zu erkennen, solange "der Patient nicht nur 12 Jahre alt ist", so ein CML-Spezialist vom MDACC.

Es ist jedoch mittlerweile auch klar, dass keine Wahrscheinlichkeit auf Heilung durch Glivec besteht. Es wurde von einem knappen Dutzend Patienten berichtet, die nach PCR-Negativität (nach ungenauerer US-Methode) das Medikament absetzten und dann in kurzer Zeit wieder PCR-positiv wurden. Dr. Talpaz berichtete beispielsweise von 5 Patienten, die nach 3 Jahren PCR-Negativität (US-Methode) Glivec absetzten und von denen 4 innerhalb sehr kurzer Zeit wieder im nachweisbaren Bereich waren. Insofern ist PCR-Negativität unter Glivec nur eine Unterschreitung der technischen PCR-Messgrenze, bei der ein CML-Patient immer noch etwa 10^6 Leukämiezellen im Körper hat. Die kurative Hoffnung der Forscher liegt daher auf neuen Wirkstoffen, die auf verschiedenen Wirkwegen angreifen (z.B. BMS-354825, Kombinationen), während klares klinisches Ziel der heutigen Glivec-Therapie die schnellst- und größtmögliche Reduktion der CML-Tumorlast ist - denn je niedriger die PCR-Werte, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dauerhaft in der chronischen Phase zu bleiben (Dr. Hughes).

Die ASH-Ergebnisse zeugen davon, dass man mittlerweile die Mutationen (insgesamt 45 verschiedene) sehr gut versteht. Prof. Hochhaus aus Mannheim sowie das MDACC präsentierten Daten, die zeigen, dass die p-Loop-Mutationen vermutlich weniger kritisch als erwartet sind und überwunden werden können. Die häufigste und kritischste Mutation scheint T315I zu sein, da bei dieser weder BMS-354825 noch AMN107 wirken - in vitro wurden aber bereits neue Wirkstoffe auf diese Mutation getestet, z.B. SGX67686A von GenomiX – aber mit noch unbekannter Auswirkung im Körper, so dass es sein kann, dass T315I-Wirkstoffe wegen starker Nebenwirkungen nicht einsetzbar sind. Bezüglich einer Verbesserung der Aufdeckung von Mutationen stellte Prof. Hochhaus in seiner Präsentation auch neue, sensitivere Methoden für eine entsprechende Diagnostik vor.

Über die Dosishöhe gibt es unter Experten verschiedene Ansichten. Dr. Hughes stellte beispielsweise Studiendaten vor, nach der Patienten in chronischer Phase bei einer Dosis von 600mg-800mg Glivec/Tag binnen 12 Monaten schneller eine gute Remission erzielten als Patienten unter 400mg/Tag (600mg: 92.2% MCR, 88.5% CCR, 47.4% MMR; 400mg: 84.1% MCR, 69.3% CCR, 40% MMR). Allerdings ist umstritten, ob die höhere Dosis lediglich zu einem schnelleren Ansprechen oder tatsächlich auch langfristig zu einem Vorteil verhilft.

Für Patienten in akzelerierter Phase (AP) und Blastenkrise (BC) sind die Remissionen weiterhin weniger dauerhaft, so eine Präsentation von Dr. Talpaz. Bei einer Dosis von 600mg waren nach 36 Monaten noch 40% (AP) und 7% (BC) der Patienten progressionsfrei, und etwa 55% (AP) und 14% (BC) Patienten am Leben.

Das Team um Prof. Hochhaus berichtete von der multizentrischen deutschen CML-Studie IV, die in vier Armen Glivec mit Glivec+Interferon, Glivec+Ara-C und Glivec nach Interferon-Versagen bei CML-Patienten in chronischer Phase vergleicht, wobei die Interferon-Patienten bei ungenügendem Ansprechen auf den Glivec-Arm wechseln können. Von 2002 bis August 2004 wurden 429 Patienten in die Studie aufgenommen. Es ist noch zu früh für Ergebnisse, aber grundsätzlich wurden auch die Kombinationen gut vertragen.


BMS-354825

In einer Präsentation wurden die ersten Daten aus den Phase-I-Studien von BMS-354825, dem neuen CML-Hoffnungsträger von Brystol Myers Squibb, vorgestellt. Auch wenn die Daten nur indikativ sind, da sie nur eine kleine Patientenzahl aufweisen und daher nicht statistisch signifikant sind, sind sie doch sehr positiv und lassen vermuten, dass BMS bei guter Verträglichkeit deutlich stärker wirkt als Glivec und dabei Glivec-Resistenzen überwindet. Die wichtigste Besonderheit von BMS-354825 scheint zu sein, dass es neben BCR-ABL auch die SRC-Kinase hemmt, die bei CML insbesondere auch in der Blastenkrise eine wichtige Rolle spielt, so dass die CML auf zwei unabhängigen Wegen angegriffen würde.

BMS-354825 überwindet fast alle Glivec-Resistenzen außer den Mutationen T315I und F317L, wobei erstere für jede fünfte Glivec-Resistenz verantwortlich ist, während zweitere sehr selten ist (und nebenbei von AMN107 erreicht wird). In einem direkten Gespräch mit einer Patientin gab ein CML-Forscher auch seine Einschätzung, dass eine der nächsten Forschungsaufgaben sei, festzustellen, ob BMS-354825 auch einen Effekt auf schlafende CML-Stammzellen ("quiescent cells") habe, die von Glivec offensichtlich verschont werden. Kernfokus dürfte aber sein, nun nach den Phase-I-Studien, über die auch der Patient Jerry Mayfield regelmäßig im Web berichtet, die entsprechenden Phase-II-Studien zu starten. Gerüchteweise stehen diese bereits in Deutschland und USA in den Startlöchern.


AMN107

Die auf ASH vorgestellten Daten zu Phase-I-Studien zu AMN107, einem neuen Wirkstoff von Novartis, lassen Glivec-resistente Patienten auf eine neue Therapieoption hoffen. AMN107 ist laut einer Präsentation von Dr. Giles etwa 10fach wirksamer als Glivec.

Im Gegensatz zu BMS-354825 wirkt AMN107 bei CML nur auf BCR-ABL, überwindet aber die meisten der unter Glivec bekannten Mutationen. Eine Wirksamkeit läßt sich aufgrund der geringen Fallzahlen sowie der schlechten Konstitution der Studienteilnehmer (36 Patienten in akzelerierter Phase, 15 Blastenkrise, 7 lymphoide Blastenkrise, 7 ALL-Patenten, alle mit gescheiterter Glivec-Dosiseskalation und Mutationen) heute noch nicht folgern. Ein Teilnehmer von ASH sprach die Vermutung aus, dass AMN107 aus Patientensicht besonders bedeutsam zu sein scheint, wenn sich die SRC-Kinasen-Hemmung von BMS-354825 in Folgestudien als problematisch (z.B. bezüglich der Nebenwirkungen) herausstellen sollte.

AMN107 wird im Moment noch in Phase-I-Studien in den USA und in Frankfurt erprobt; Gerüchte besagen jedoch, dass sich für AMN107 und BMS-354825 Phase-II-Studien in Vorbereitung befinden und im ersten Quartal 2005 mit dem Start - und damit höheren Patientenzahlen und erleichterten Zugangsvoraussetzungen - zu rechnen sein könnte. Die auf ASH präsentierten Daten dieser zwei Wirkstoffe jedenfalls stehen dem jedenfalls nicht entgegen. Eine gute Nachricht für die Patientengruppen, die mit Glivec-Resistenzen zu kämpfen haben und für die eine Studie die vielleicht letzte Rettung wäre, wenn Alternativen nicht zur Verfügung stehen.


Stammzelltransplantation

Für CML-Patienten, denen ein perfekt passender Stammzellspender zur Verfügung steht, ist eine Transplantation weiterhin eine ernstzunehmende Therapieform - die aktuell einzige mit wirklicher Chance auf Heilung. Durch die Fortschritte in der weniger toxischen "Mini-Transplantation" steht diese Option auch älteren Patienten zur Verfügung. 

Auf ASH wurden diesbezüglich von einer tschechischen Gruppe Ergebnisse eines retrospektiven Vergleichs einer "normalen" Transplantation (full transplant, FT) gegenüber einer Mini-Transplantation (MT) bei 30 CML-Patienten in früher chronischer Phase vorgestellt. Die 17 FT-Patienten erhielten die toxischere Kombination von Busulfan mit Cyclophosphamid und waren im Durschnitt 33 Jahre alt, während die 13 MT-Patienten Fludarabine/Busulfan/ATG in niedrigen Dosen erhielten und durchschnittlich 51 Jahre alt waren. Alle Patienten hatten Blutstammzellen eines HLA-identischen Verwandten erhalten. Die Ergebnisse der Gruppen waren sehr unterschiedlich: 76% der FT-Patienten und 38% der MT-Patienten erlitten eine akute GvHD. Es gab keine Unterschiede bezüglich chronischer GvHD und CMV-Reaktivierung. Die FTs entwickelten jedoch deutlich zügigere und dauerhaftere Remissionen (64.7% molekulare Komplettremissionen bei FT versus 46.1% bei MT nach 6 Monaten). Die Zahl der Rückfälle war in beiden Untergruppen mehr oder weniger gleich (4 vs. 3 Fälle). Das Langzeitüberleben liegt bei 76.5% der FT-Patienten und 92.3% bei den MT-Patienten.

Eine Schweizer Forschergruppe aus Genf, Basel und Zürich stellte die Ergebnisse von 214 Transplantationen von Fremdspenderzellen (60 Blutstammzell-, 154 Knochenmark) vor. Dabei waren die Ergebnisse von Transplantaten von perfekten Fremdspendern (10 von 10 übereinstimmenden Merkmalen) gleich gut wie die von identischen Familienspendern. Die Ergebnisse bei fehlender Übereinstimmung in HLA-C und DQB1 schienen besser zu sein als die bei HLA-A, B oder DR, welche mit verringerten Überlebensraten verbunden werden.

Weiterhin wurden die Ergebnisse einer deutschen multizentrischen Phase-II-Studie mit Glivec-Therapie nach Transplantations-Rückfall vorgestellt, in der zwei Drittel aller rückfälligen Patienten eine komplette molekulare Remission erzielten; 40% der Patienten blieben sogar nach Absetzen des Medikaments in Remission, so dass der Schluss naheliegt, dass die CML im Falle eines Rückfalls nach Transplantation wieder in einen stabilen Zustand ohne Medikation gebracht werden kann.


Übersetzung und Zusammenfassung aus verschiedenen Forenbeiträgen und ASH-Abstracts durch Jan, keine Gewähr auf Vollständigkeit und Richtigkeit.

Quellen:
Manche Patienten sprechen nicht auf Glivec (Wirkstoff Imatinib) an. Aus diesem Grund wurde an der Universität Frankfurt das neue Novartis-Präparat AMN107 bei 65 Imatinib-resistenten Patienten mit akzelerierter CML, CML-Blastenkrise und Ph-positiver ALL geprüft. Die Mehrheit der CML-Patienten sprachen auf das Medikament an, während bei ALL kein Effekt erzielt wurde.

In der Phase IA / II-Studie wurde AMN107, eine Weiterentwicklung von Imatinib (Glivec), verabreicht. Die Substanz bindet fester an die durch Mutationen veränderte Tyrosinkinase als Imatinib. In präklinischen Studien hatte sie mehrere für den Wirkverlust wichtige Mutationen gehemmt.

65 Imatinib-resistente Patienten mit fortgeschrittener CML oder akuter lymphatischer Philadelphia-(Ph) Chromosom-positiver Leukämie (ALL) nahmen teil. Das Ph-Chromosom entsteht, wenn DNA-Abschnitte zwischen zwei Chromosomen ausgetauscht werden. In der Folge wird eine übermäßig aktive Tyrosinkinase gebildet. Die Zellen proliferieren unkontrolliert.

Erste Daten der Studie hat Privatdozent Dr. Oliver Ottmann von der Universität Frankfurt/Main bei einer Veranstaltung von Novartis in Frankfurt vorgestellt. CML-Patienten in akzelerierter Phase, in der die Differenzierungsfähigkeit der neoplastischen Zellen mehr und mehr verloren geht, sprachen zu 63 Prozent an, meist komplett hämatologisch. Bei Patienten in der Blastenkrise lag dieser Anteil über 50 Prozent. Ein zytogenetisches Ansprechen (Verminderung des Ph-Chromosoms) hatte jeder Fünfte in der akzelerierten Phase. Bei ALL wurde kein Effekt erzielt.

Quellen:
Die Durchführung einer Phase-II-Studie des neuen Wirkstoffes BMS-354825 von Bristol-Myers Squibb zur Behandlung von CML und Ph+ALL ist nun in den Universitätskliniken Mannheim, Mainz, Frankfurt und Hamburg gestartet. Die Studie richtet sich an Patienten mit Imatinib-Resistenz oder -Unverträglichkeit 

Grundsätzlich steht die Studie den Patienten unter bestimmten Kriterien, darunter Imatinib-Resistenz oder -Unverträglichkeit sowie folgenden Indikationen, offen: An der Studie teilnehmende Zentren sind:
  • Universitätsklinik Mannheim (Prof. Dr. A. Hochhaus, Frau Dr. Ute Berger)
  • Universitätsklinik Mainz (PD Dr. T. Fischer)
  • Universitätsklinik Hamburg (PD Dr. T. Brümmendorf)
  • Universitätsklinik Frankfurt/Main (PD Dr. O. Ottmann, hier nur CML mit lymphoider Blastenkrise und Ph+ ALL)

Die Behandlung im Rahmen der Studie erfordert wöchentliche Kontrollen.

Für nähere Informationen zu Start und Aufnahmekriterien sollten die Ansprechpartner der an der Studie teilnehmenden Kliniken kontaktiert werden. Rückfragen können auch über die CML-Studienzentrale unter der EMail-Adresse  erfolgen.

Über BMS-354825

BMS-354825 ist ein dualer SRC/ABL-Tyrosinkinasehemmer, da er sowohl BCR-ABL als auch SRC hemmt. BMS-354825 bindet in der ATP-Bindungsstelle genauso wie Imatinib (Glivec), scheint jedoch sowohl an die aktiven als auch inaktiven Formen von BCR-ABL zu binden, während Imatinib nur an die inaktiven Formen bindet. BMS-354825 scheint eine in vitro (im Reagenzglas) 100-fach größere Potenz in der Hemmung von BCR-ABL als Imatinib aufzuweisen. In ersten Studien hat BMS-354825 bei 14 von 15 gegen Imatinib-resistente Mutationen von BCR-ABL Aktivität gezeigt.

Zusätzlich hemmt BMS-354825 auch die SRC-Kinase, wodurch die Proliferation von CML-Zellen auch auf anderem Weg aufgehalten werden könnte. MV4-11-Zell-Linien sind menschliche myeloische Zellen, die keine Expression von Abl, aber deutliche SRC-Kinase-Aktivität aufzeigen. Sie werden als Erkennungsmuster in akuter myeloischer Leukämie (AML) verwendet. In Vorstudien wurde gezeigt, dass BMS-354825 eine vergleichbare SRC-bedingte Wachstumshemmung wie ein bereits bekannter SRC-Kinasehemmer, PP1, verursacht. 

Weiterführende Informationen:
In einer Vakzinierungsstudie der Phase II konnte ein Team der Universität in Siena, Italien, bei 16 CML-Patienten mit stabiler Resterkrankung die verbleibenden Tumorzellen mit einem Peptid-Impfstoff noch weiter zurückdrängen, so eine Meldung im Ärzteblatt.

Die Studie, veröffentlich in Lancet (2005; 365: 657-662, 631-632), fand mit 16 CML-Patienten statt, bei denen zuvor entweder mit Imatinib (Glivec) oder Interferon alpha eine für ein bis zwei Jahre stabile Residualkrankheit erzielt wurde. Immunisiert wurde mit fünf Peptiden, die mit den im Bereich der Bruchstelle liegenden Sequenzen korrespondieren. Im zweiwöchigen Abstand erhielten die Patienten sechs subkutane Injektionen. 

Bei neun von zehn Patienten, die zuvor Imatinib erhalten hatten, verminderte sich die Residualkrankheit, und nach sechs Vakzinierungen erreichten fünf eine komplette zytogenetisch nachgewiesene Remission (CCR). Von diesen fünf konnten bei dreien auch mithilfe molekularbiologischer Techniken (real-time PCR) Tumorzellen nicht mehr nachgewiesen werden. Fünf der sechs Interferon-alpha-Patienten sprachen auf die Immunisierung an, zwei erreichten CCR und bei einem Studienteilnehmer konnte auch molekularbiologisch die Chromosomentranslokation nicht mehr detektiert werden. Die Impfung wurde von allen Studienteilnehmern gut toleriert. 

In einem begleitenden Editorial würdigen Wong und Chatterjee von der CML-Studiengruppe in Duarte, Kalifornien, die Erfolge der italienischen Arbeitsgruppe. Allerdings müssten ihrer Ansicht nach die Langzeitergebnisse und Resultate eines größeren Patientenkollektivs abgewartet werden, um die Relevanz der Studie beurteilen zu können.

Quellen: Ärzteblatt vom 22.02.2005
Webseite von Fachpublikation Lancet