Chronische Myeloische Leukämie (CML)

Seit zweieinhalb Jahren bei uns zugelassen, zeigt der Enzymhemmer Imatinib (Handelsname Glivec) gute Resultate in der Behandlung der chronisch myeloischen Leukämie (CML) und gastrointestinaler Stromatumoren (GIST). Als mögliche weitere Einsatzgebiete kommen AML und Glioblastoma multiforme infrage. Die Euphorie trüben jedoch Resistenzbildungen in fortgeschrittenen Phasen der Krankheit. Bisher alle Patienten, die einen PCR-Wert von unter 0,1% erreicht hätten, sind jedoch rezidivfrei. Dr. Andreas Hochhaus stellte die aktuellen Forschungserkenntnisse kürzlich auf dem Krebskongress in Berlin vor, so ein Artikel in der Apotheker Zeitung.

Nahezu alle Patienten mit CML weisen eine Mutation im so genannten Philadelphia-Chromosom auf. Dadurch bildet ihr Körper die veränderte Tyrosinkinase Bcr-Abl, die verglichen mit der natürlichen Variante stärker enzymatisch aktiv ist. So regt sie die Zellteilung an und bremst den programmierten Zelltod - die Zellen vermehren sich unkontrolliert. Der Wirkstoff Imatinib hemmt das Bcr-Abl-Protein, indem er mit ATP um dessen Bindungstasche konkurriert und somit die Phosphorylierung von Botenstoffen und nachfolgende Signaltransduktionswege stoppt. 

"Die hämatologische Remission unter Imatinib geschieht sehr rasch", berichtete Professor Dr. Andreas Hochhaus auf einem Satellitensymposium der Firma Novartis den Besuchern des 26. Krebskongresses in Berlin. So habe sich bei Patienten in der First-Line-Therapie das Blutbild innerhalb der ersten drei Monate normalisiert. Auch die Zahl der Zellen mit dem Philadelphiachromosom ging zurück. Diese so genannte zytologische Remission zeigten 82 Prozent der Behandelten nach 30 Monaten medianer Beobachtung. Entscheidend für den Patienten sei eine gute molekulare Remission zwölf Monate nach Therapiebeginn. Patienten mit einem Rückgang der Erkrankung um drei log-Potenzen oder einem Quotienten Bcr-Abl zu Abl von unter 0,1 Prozent (bei 58 Prozent) seien bisher rezidivfrei. Insgesamt betrage das Überleben nach knapp drei Jahren 98 Prozent. 

Trotz der guten Daten versuche man die Therapie weiter zu optimieren, so Hochhaus. Eine Möglichkeit besteht darin, die Dosis von üblichen 400 mg auf 600 oder 800 mg pro Tag zu erhöhen. Erste, allerdings nicht randomisierte Studien zeigten eine deutlich raschere hämatologische und zytogenetische Remission. Der Gefahr von Zytopenien könne man mit dem Wachstumsfaktor G-CSF begegnen. Getestet würden auch Kombinationen mit Interferon alpha, Arabinosylcytosin oder Arsentrioxid. Als viel versprechend bezeichnete er zudem eine gemeinsame Gabe mit Farnesyltransferase-Inhibitoren, die die Bildung von in Tumorzellen häufig überaktiven Ras-Proteinen hemmen. 


Mutationen schmälern Wirkung

Was die Therapeuten jedoch aufhorchen lässt, sind Resistenzen unter der Behandlung, die bei Patienten aller CML-Stadien auftraten. Die Häufigkeit von Rezidiven trotz vorherigem Ansprechen betrug 4 Prozent bei Patienten in früher chronischer Phase (nach zwei Jahren Therapie), 20 Prozent der Responder in später chronischer Phase, 60 Prozent in der Akzelerationsphase und 93 Prozent in der myeloischen Blastenkrise bezogen auf drei Jahre. 

Der Hauptmechanismus der Resistenzbildung liegt in Mutationen in der Bindungsstelle für Imatinib beziehungsweise ATP. Wissenschaftler identifizierten verschiedene Mutationen, etwa im Aktivierungsloop und im so genannten P-Loop, einer eigentlich sehr konservierten Stelle. Komme es nur zu einem partiellen Bindungsverlust, könne eine Dosiserhöhung erfolgreich sein, vermutete Hochhaus. In einigen Fällen beobachte man jedoch einen kompletten Bindungsverlust, was ein rasches Handeln erfordere. Insbesondere die P-Loop-Mutation sei sehr aggressiv, unter ihr verstarben mehr als 60 Prozent der Betroffenen schon innerhalb weniger Monate.

Um Resistenzen zu vermindern, sollte die Therapie nach Ansprechen mit konstanter Dosis, mindestens jedoch mit 400 mg, fortgesetzt werden. Zu einem Therapieabbruch riet Hochhaus nur in speziellen Situationen, wenn Nebenwirkungen dazu zwingen oder ein Kinderwunsch besteht. Neben der Resistenzbildung gelte es nun auch die Langzeitwirkung weiter zu beobachten. 


Imatinib hemmt weitere Kinase

"Das ideale therapeutische Target ist im Tumor generell exprimiert, onkogen aktiv und spezifische hemmbar", fasste Professor Dr. Peter Reichardt von der Charité in Berlin zusammen. Dies sieht er mit der Tyrosinkinase c-kit erfüllt, die in den gastrointestinalen Stromatumoren von 88 Prozent der betroffenen Patienten in unterschiedlichen, aktivierende Mutationen zu finden ist. C-kit bindet natürlicherweise den als Stammzellfaktor bezeichneten Wachstumsfaktor. Infolge der genetischen Veränderungen lagern sich jedoch zwei der transmembranären Kinasen zu einem Homodimer zusammen und bewirken eine kontinuierliche ligandenunabhängige Signaltransduktion. Untersuchungen an Mäusen haben zeigen können, dass die Tiere allein durch die induzierte Mutation einen GIST im Dünndarm entwickelten, berichtete der Referent. "Dies ist die direkte Ursache der Erkrankung." 

Die Inzidenz gastrointestinaler Stromatumoren (GIST) beträgt etwa 10 bis 20 pro eine Million Einwohner. GIST stellen damit weniger als 1 Prozent der malignen GI-Tumoren dar und entstehen zumeist im Magen, Duodenum oder Dünndarm. Wird der Krebs diagnostiziert, weist die Hälfte der durchschnittlich 58-jährigen Patienten bereits Metastasen auf. Die Chemotherapie gilt als ineffektiv, die mediane Überlebenszeit fortgeschrittener Tumoren betrug vor Einführung von Imatinib 12 bis 19 Monate. 

"Bisher waren die fortgeschrittenen GIST-Stadien nicht behandelbar", sagte Reichardt. Während die Chirurgie die Therapie der Wahl bei lokalisierten Tumoren sei, könne sie allein die high-risk GIST nicht kontrollieren. Liegen inoperable Geschwüre vor, könne nun Imatinib die Tyrosinkinase hemmen. In den Studien haben sich Tumoren zu 50 bis 70 Prozent zurückgebildet, das Wachstum war bei 85 bis 90 Prozent der Patienten gehemmt, ein Fortschreiten der Erkrankung sei nur in 10 bis 15 Prozent der Fälle beobachtet worden. "Bei symptomatischen Patienten bildeten sich die Symptome binnen Tagen bis längstens ein bis zwei Wochen zurück", hob Reichardt hervor. Das progressionsfreie Überleben betrage 70 Prozent nach einem Jahr und 50 Prozent nach zwei Jahren. 

Eine große multizentrische Phase-III-Studie mit 946 Patienten habe gezeigt, dass die höhere Dosierung von 800 mg Imatinib bei vernachlässigbarer Steigerung der Nebenwirkungen Vorteile gegenüber der 400-mg-Dosis bringe. So war in der 800-mg-Gruppe das progressionsfreie Überleben verlängert, eine Progression auf Grund einer Mutation trat im Mittel sechs Monate später auf. Ob dies allerdings mit einem Überlebensvorteil korreliere, sei noch nicht bekannt. 

Verschiedene Resistenzmechanismen seinen bei fortgeschrittenen GISTs bekannt. Neben Mutationen in bestimmten Domänen der Kinase, habe man auch eine zwei- bis vierfache c-kit-Überexpression beobachtet oder aber den Stopp der Expression, also einen kompletten Targetverlust, der von verstärkten alternativen Tyrosinkinase-Pathways begleitet wurde. Um der Reaktivierung der onkogenen Signale beziehungsweise einem Progress der Krankheit zu begegnen, sei in eine Erhöhung der Dosis auf 600 bis 800 mg pro Tag möglich.

Darüber hinaus laufen derzeit klinische Studien mit Patienten, die eine systemische Progression aufweisen und zusätzlich zu Imatinib Substanzen erhalten, die zu einem späteren Zeitpunkt in die Signalkaskade eingreifen. Dazu zähle das Rapamycinderivat RAD 001, das als mTOR-Inhibitor einen direkten Antitumor- und Antiangiogeneseeffekt zeige, sowie der Staurosporinabkömmling PKC 412, der unter anderem konventionelle PKC-Isoformen hemmt. Alternativ zu Imatinib könne bei diesen Patienten künftig auch der Wirkstoff SU 11248 eingesetzt werden, der mehrere Tyrosinkinasen, darunter auch c-kit, hemmt. 


Wissenschaftler forschen weiter

Für Menschen mit dem malignen Hirntumor Glioblastoma multiforme bietet Imatinib eine neue Behandlungsoption, sagte Dr. Gregor Dresemann aus Dülmen. Die Betroffenen haben bisher eine extrem schlechte Prognose, über die Hälfte rezidiviert innerhalb des ersten Jahres. "Das rezidivfreie Überleben nach fünf Jahren ist eine Ausnahme", stellte der Mediziner fest. Nach chirurgischer Entfernung des Tumors stehen Strahlen- und Chemotherapie, die jedoch das Überleben nur um etwa drei Monate verlängern können. 

Doch der Hirntumor ist PDGFR- und c-kit-positiv, das heißt, er exprimiert zwei Tyrosinkinasen, die Imatinib kompetetiv hemmt. Während erste Therapiestudien keinen nennenswerten Effekt zeigten, kombinierten die Mediziner in einem zweiten Schritt den Enzymhemmer mit Hydroxyurea. Auf diese Weise kann Imatinib die Blut-Hirn-Schranke besser überwinden und erzielt gute Ansprechraten, so etwa 40 Prozent bei Chemotherapie-refraktären Patienten. Die Remissionen hielten zum Teil sogar über ein Jahr an. Auch die 26 von ihm behandelten Patienten zeigen laut Dresemann zu über 30 Prozent keinen oder einen sehr langsamen Progress und geben Anlass zur Hoffnung. 

Auch in der Behandlung der akuten myeloischen Leukämie könnte Imatinib künftig eine Rolle spielen. Hier sei das Enzym c-kit zwar nicht so essenziell für die Tumorbiologie, sagte Professor Dr. Gerhard Ehninger aus Dresden. Dennoch deuten erste Studien darauf hin, dass der Tyrosinkinase-Hemmer in Kombinationstherapien als Chemosensitizer dienen könnte. Weitere Phase-II-Studien sollen dies überprüfen.

Quelle: Artikel "Imatinib bewährt sich in der Tumortherapie" in der Apotheker Zeitung 03/2004
In Frankfurt sowie am M.D. Anderson Krebszentrum (USA) soll in diesen Tagen eine Studie mit dem neuen, in Webforen bereits mit dem Spitznamen "Super-Glivec" versehenen Wirkstoff AMN107 von Novartis starten. Das Medikament wird zunächst in einer Phase-I-Studie bei CML in akzelerierter Phase und Blastenkrise sowie bei Philadelphia-Chromosom-positiver ALL erprobt.

Der Wirkstoff soll speziell auf zusätzliche genetische Mutationen abzielen, die bei manchen Patienten auftreten und die für die Bildung von Resistenzen gegen das Medikament Glivec verantwortlich sind. 

Nähere Informationen werden nach Ende der Jahreskonferenz der Amerikanischen Gesellschaft für Klinische Onkologie (ASCO) verfügbar sein, die vom 4.-8. Juni 2004 in New Orleans (USA) stattfindet. Die ASCO-Jahreskonferenz gehört zu den weltweit bedeutendsten Fachveranstaltungen in der Leukämieforschung.

Links:
Informationen über Frankfurter AMN107-Studie vom Kompetenznetz Leukämien
Webseite der ASCO
Abstracts von der ASCO-Jahreskonferenz 2004
Glivec ist mit seinem Wirkstoff Imatinib eine molekulare Therapie, die ein bestimmtes für CML typisches Fusionsprotein sehr selektiv hemmt. Imatinib hat seine Wirksamkeit in der Behandlung der CML besonders in chronischer Phase demonstriert; auch die Langfristdaten seit Beginn der klinischen Verwendung 1998 sind vielversprechend. Auch bisher spielen Resistenzen gegen Imatinib in den klinischen Ergebnissen nur eine untergeordnete Rolle. Für die Minderheit der Patienten, die auf Imatinib nur unzureichend ansprechen oder eine Resistenz erleiden, sowie für Patienten in fortgeschritten Krankheitsphasen müssen jedoch Behandlungsstrategien entwickelt werden. Ein aktueller Artikel im Fachmagazin "Leukemia" von Prof. Hochhaus und Dr. La Rosée vom Klinikum in Mannheim gibt einen Einblick in die aktuelle Forschung.

Auszüge aus dem Artikel
(Übersetzung von Auszügen aus dem Englischen)

Imatinib ist eine molekulare Therapie, die das onkogene Fusionsprotein BCR-ABL hemmt, welches für die CML typisch ist. Die selektive Hemmung der Aktivität von BCR-ABL durch Imatinib hat seine Wirksamkeit in der Behandlung der CML besonders in chronischer Phase demonstriert. Einige Patienten jedoch, insbesondere jene in fortgeschritten Phasen der Krankheit, sind gegen Imatinib resistent oder erleiden einen Rückfall. Rückfälle unter Imatinib treten häufig nicht nur mit erneuter BCR-ABL-Kinaseaktivität auf, sondern könnte auch einen von BCR-ABL unabhängigen und damit Imatinib nicht zugänglichen Krankheitsfortschritt beinhalten. Ergebnisse von Phase 2/3-Studien legen nahe, dass Resistenzraten mit dem Stadium der Krankheit und mit den Überwachungskenngrößen - hämatologisches, zytogenetisches und molekulares Ansprechen - in Beziehung stehen. Diese Beobachtungen und kürzlich durchgeführte Studien mit Imatinib, verbunden mit einem gesteigerten Verständnis der molekularen Mechanismen der Resistenzentwicklung, bilden die logische Grundlage der Ansätze, Resistenzentwicklungen in der CML-Therapie zu vermeiden und zu überwinden. Zur Vermeidung einer Resistenzbildung ist eine frühe Diagnose und ein unmittelbarer Therapiebeginn mit angemessener initialer Dosis essentiell. Die Resistenzsteuerung könnte therapeutische Massnahmen wie Dosiserhöhung zur Erreichung einer individuell optimalen Höhe, Kombinationstherapien und Therapieunterbrechung einschließen.


Aktuelle klinische Ergebnisse

Die klinische Verwendung von Imatinib begann im Juni 1998 und es wurde seitdem klar, dass Resistenzen gegen Imatinib in den klinischen Ergebnissen nur eine untergeordnete Rolle spielt. Nur eine Minderheit der CML-Patienten in chronischer Phase und ein substantieller Anteil der Patienten in fortgeschrittenen Phasen der Krankheit sind anfangs gegenüber einer Imatinib-Therapie resistent oder verlieren über Zeit das Ansprechen auf Imatinib. So erreichten von Patienten der IRIS-Studie, die direkt ohne Vortherapie mit Imatinib behandelt wurden, nach 18 Monaten nur 5% keine komplette hämatologische Remission (CHR) und nach 24 Monaten nur 12% keine zytogenetische Remission (MCR). Ganze 39% der neu diagnostizierten CML-Patienten in chronischer Phase erreichten mindestens eine Reduktion der BCR-ABL-Zellen um 3 Logstufen (= RT-PCR kleiner 0,1%). Ausnahmslos alle (100%) dieser Patienten waren nach 24 Monaten noch progressionsfrei. Weniger als 5% konnten sogar eine komplette PCR-Negativität (bei einer Sensitivität von 1:1.000.000) erreichen. 


Beobachtung der Resterkrankung

Regelmäßig alle sechs Monate sollte eine zytogenetische Untersuchung zur Feststellung klonaler Veränderungen selbst im Falle des Erreichens einer kompletten zytogenetischen Remission durchgeführt werden. 

Sobald ein zytogenetisches Ansprechen vorliegt, kann die minimale Resterkrankung mit der PCR als molekulare Methode festgestellt werden. Die nested PCR kann dabei eine einzige positive Zelle in einer Million normaler Zellen feststellen. Die Autoren empfehlen, die quantative und nested PCR auf peripheres Blut alle 3 Monate durchzuführen.

Im Falle einer vermuteten Resistenz kann die Reaktivierung der BCR-ABL-Kinaseaktivität durch eine Messung von CRKL oder Stat5 festgestellt werden. Eine Amplifikation des BCR-ABL-Gens kann durch eine FISH-Untersuchung (interphase fluorescence in situ hybridization) festgestellt werden. Soweit bei Verlust einer hämatologischen Remission Mutationen vermutet werden, können bestimmte Mutationen mit spezifischen PCR-Methoden nachgewiesen werden, die die Autoren genauer beschreiben. Die Kenntnis des genauen Mutationstyps ist für die Einschätzung des Risikos sowie der weiteren Therapiewahl wichtig.


Strategien zur Resistenzbehandlung

Die Autoren diskutieren verschiedene Arten, dem Auftreten von Resistenzen entgegenzutreten. Dosiserhöhungen können in bestimmten Fällen erfolgsversprechend sein, aber auch die Unterbrechung der Imatinib-Therapie hat teilweise zum Erfolg geführt, um einem Imatinib-resistenten Zelltyp den Überlebensvorteil gegenüber unmutierten CML-Zellen zu nehmen. 

Kombinationstherapien von Glivec mit zytotoxischen Wirkstoffen, Interferon (wegen des immunstimulativen Effekts), anderen Signalübertragungshemmern (z.B. FTI) oder molekularen Wirstoffen (z.B. Heat Shock Proteine HSP90 und HSP60/Geldanamycin) werden als dritte Alternative momentan in verschiedenen klinischen Studien untersucht, z.B. in der deutschen CML-Studie IV. Ob Resistenz- und Rückfallsraten mit Kombinationstherapien langfristig minimiert werden können, werden jedoch erst laufende Studien langfristig zeigen.

Bei jungen Patienten mit kompatiblen Spendern ist die Stammzelltransplantation weiterhin eine wichtige Therapieoption bei unzureichendem Ansprechen oder Resistenz gegen Imatinib.


Behandlung bei minimaler Resterkrankung

Auch wenn nur 5% der Imatinib-Patienten der IRIS-Studie eine komplette PCR-Negativität erreichten, stellt sich die Frage der Fortführung der Imatinib-Therapie. Die Autoren empfehlen hierbei die Fortführung einer Hemmung von BCR-ABL durch Imatinib mit begleitender molekularer Diagnostik. Zukünftige Studien werden Aufschluß über die Dauer der Therapie zur Erhaltung einer molekularen Remission geben. Langfristig glauben die Autoren jedoch, dass langfristige Therapien wahrscheinlich Kombinationstherapien mit zytotoxischen Wirkstoffen oder Wirkstoffen, die mehrere verschiedene Stellen des BCR-ABL-Signalübertragungswegs angreifen, einschließen werden.


Quelle:
"Imatinib therapy in chronic myelogenous leukemia: strategies to avoid and overcome resistance". Leukemia (2004) 1–11, Prof. A. Hochhaus and Dr. P. La Rosée, III Medizinische Klinik, Fakultät für Klinische Medizin Mannheim der Universität Heidelberg, Mannheim (pdf, englisch)

Übersetzung durch Jan, ohne Gewähr.
ine der wirklich spektakulären Erfolgsgeschichten in der modernen Onkologie ist die Entwicklung von Glivec, ein Arzneimittel, das den Fortschritt der CML bei einem Großteil der Patienten praktisch stoppt. Doch bei einigen Patienten zeigen sich widerstandskräftige genetische Mutationen, für deren Überwindung neue Wirkstoffe benötigt werden. Einer dieser hochpotenten Wirkstoffe, BMS-354825, befindet sich in den USA bereits in klinischer Erprobung. An der Studie teilnehmende Patienten berichten inoffiziell über hervorragende Fortschritte.


BMS-354825 überwindet 16 von 17 Mutationen, die für Glivec-Resistenzen verantwortlich sind

BMS-354825 wurde speziell dafür entworfen, bestimmte Glivec-Resistenzen zu überwinden. So berichten Forscher des Howard Hughes Medical Instituts (HHMI) an der University of California, Los Angeles (UCLA), und Mitarbeiter von Bystol-Myers-Squibb Oncology in Priceton, NJ, erstmals von der Zusammensetzung dieses Wirkstoffs. "Die Identifikation dieses Wirkstoffs als Arzneimittelkandidat ist ein direktes Nebenprodukt des genauen Verständnisses, warum Patienten überhaupt Resistenzen zu Glivec entwickeln.", so Charles L. Sawyers, HHMI-Forscher an der UCLA. In einem am 16. Juli 2004 veröffentlichten Artikel des Fachmagazins "Science" berichten Sawyers, sein Kollege Neil P. Shah und andere Kollegen, dass das von Brystol-Myers-Squibb entwickelte BMS-35428 dem verzwickten Problem der Glivec-Resistenz erfolgreich ausweicht. So sagt Sawyers, dass gerade Glivec als molekular gezielter Hemmer entwickelt wurde und nun die nächsten Generationen von Glivec-ähnlichen Wirkstoffen - wie z.B. BMS-35825 - in ihrer biologischen Struktur verfeinert und verbessert werden, um auch ein durch Mutationen verändertes molekulares Ziel zu treffen. Auf diese Weise kann das hyperaktive BCR-ABL auch bei Mutationen wirkungsvoll ausgeschaltet werden.

In den in Science herausgegebenen Untersuchungen demonstrierten Sawyers und seine Kollegen, dass BMS-354825 das Überleben von Mäusen mit CML verlängert. In Tests mit kultivierten menschlichen Knochenmarkzellen zeigten die Forscher, dass der Wirkstoff die Ausbreitung von Knochenmark-Stammzellen hemmt, die BCR-ABL-positiv und gegen Glivec resistent sind. Sawyers berichtet, dass die in-vitro-Daten zeigten, "dass dieses Arzneimittel aktiv gegen alle Mutationen außer einer [T315I] ist". Zum Zeitpunkt des Berichts in Science gab es 17 bekannte Mutationen, die die Bindung von Glivec an die kranke ABL-Kinase verhindern, und die durch intensive internationale Forschung heute besser bekannt sind. Die auch gegen BMS-35428 resistente Mutation T315I liegt nur in rund 20% aller Glivec-resistenten Patienten vor.

Sawyers weist natürlich schnell darauf hin, dass Zeit und weitere Forschung benötigt wird, um zu zeigen, ob der Wirkstoff Arzneimittel seinen Weg in die klinische Praxis finden wird. Die Vorzeichen sind gut. "Dies könnte das erste Arzneimittel sein, das um die Resistenz in der Kinase herumkommt - und das hat weite Auswirkungen", sagte Sawyers. "Wenn dieser Wirkstoff sich in der klinischen Praxis als sicher und effektiv erweisen sollte, kann man sich vorstellen, diesen bei CML in einer Kombinationstherapie mit anderen Kinase-Hemmern zu verwenden." 

Sawyers sagte, dass BMS-354825 letztlich mit Glivec und anderen Arzneimitteln kombiniert werden könnte, um die Krebstherapie zu verbessern. Ein anderer Autor des Forschungsberichts, Dr. Neil Shah, ein Onkologe an der UCLA, meint, dass zusätzliche Untersuchungem zu einer neuen Art der Behandlung von Krebs mit einem "Cocktail" von Arzneimitteln führen könnte - ähnlich der heutigen HIV-Behandlung. "Wir könnten zukünftig dazu in der Lage sein, Therapien zu kombinieren, die gemeinsam all die Resistenzmechanismen außer Kraft setzen können, die es dem Krebs heute ermöglichen, einzelne Therapien zu umgehen," so Shah. Ein Sprecher von Bristol-Myers Squibb sagte, dass das Unternehmen mit dem FDA (der amerikanischen Zulassungsbehörde) in Diskussionen über das Arzneimittel stehe, aber dass noch mehr Untersuchungen erforderlich seien, bevor die Firma bei der FDA eine Bewerbung zur Arzneimittelzulassung vorlegen konnte. 


Erste Phase-I-Studien am Menschen gestartet

Das oral einzunehmende BMS-354825 wird gegenwärtig an der UCLA und am MD Anderson Krebszentrum in Houston, Texas, in Phase I-Studien an CML-Patienten mit Glivec-Resistenz erprobt. Bisher nehmen etwa 30 Patienten an der Studie teil. 

Zugelassen zur Teilnahme sind erwachsene Patienten mit philadelphia-chromosom-positiver CML und primärer oder erworbener Resistenz gegen Glivec. Resistenz ist dabei definiert für Patienten, die nicht innerhalb von 3 Monaten bei einer Glivec-Dosis von mindestens 400mg ein hämatologisches Ansprechen erreichten oder die unter Glivec-Therapie eine hämatologische Progression (mind. 10.000 Leukozyten mit ansteigenden Werten bei mindestens zwei aufeinanderfolgenden Untersuchungen) aufzeigten. Zusätzlich können Patienten teilnehmen, die die Glivec-Therapie wegen nicht-hämatologischer Unverträglichkeiten abbrechen mussten. Grundsätzlich gilt die Studie für CML-Patienten in Chronischer Phase, aber auch zusätzlich für diejenigen, die mit Hilfe von Glivec von der Blastenkrise oder Akzelerierten Phase zurück in die Chronische Phase gebracht werden konnten.

Erste offizielle Ergebnisse der Studie werden im Dezember, vermutlich auf der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie (ASH), veröffentlicht, so Dr. Neil P. Shah am Jonsson Krebszentrum der UCLA. Wenn dieser Versuch erfolgreich ist, würden größere Untersuchungen gemacht, so Sawyers. 

Das Forschungsprojekt an UCLA's Jonsson Krebszentrum wurde teilweise vom Howard Hughes Medizinischen Institut und von der Amerikanischen Leukämie- & Lymphomgesellschaft finanziert.


Web-Tagebuch eines Studienteilnehmers gibt erste Erfahrungen preis

Einer der an der Studie teilnehmenden Patienten ist Jerry Mayfield, langjähriger CML-Patient und Betreiber der Webseite newcmldrug.com, einem der Pioniere in der patientengetriebenen Information über neue Behandlungsmöglichkeiten in der CML. Jerry möchte nicht abwarten, bis Bristol-Myers Squibb die Ergebnisse der Studie veröffentlicht, und schreibt daher regelmäßig in seinem Web-Tagebuch über Gespräche mit anderen Studienteilnehmern, eigene Erfahrungen und Untersuchungsergebnisse.

"Die Phase-I-Studie mit BMS-354825 schreitet jetzt in einem schnellen Tempo fort, und ich erwarte, dass eine Phase-II-Studie bald beginnen wird... aber ich weiß das nicht sicher, so dass meine Aussage nur eine eine Art gebildete Annahme darstellt" - so ein aktueller Eintrag im Web-Tagebuch von Jerry Mayfield, einem 56-jährigen ehemaligen Polizisten aus Louisiana, der an CML erkrankt ist. Letzten November, nachdem sich Mayfield gegen Glivec resistent zeigte, begab er sich in eine frühe Phase-I-Studie mit BMS-354825. Innerhalb von drei Monaten kehrten seine Leukozyten in den Normbereich zurück, ein erstes Zeichen, dass die experimentelle Therapie funktionierte. "Ich bin völlig resistent gegen Glivec, und nur 30mg des Medikaments brachten mich in die hämatologische Remission.", so Mayfield. "Dies ist die beste Therapie, die ich seit Jahren hatte. Meine Werte kommen nun in einen Bereich, wo sie sein sollten. Wenn sie für drei Monate auf diesem Niveau bleiben, bekomme ich vielleicht eine zytogenetische Antwort."

Mit der ständigen Aktualisierung seines Web-Tagebuchs "Jerry's Diary" unterlief Mayfield jedoch die klinische Praxis, Ergebnisse von Studien so lange unter Verschluß zu halten, bis die Fakten sorgfältig nach wissenschaftlichen Methoden ausgewertet und termingerecht zu einer Fachveranstaltung publikationsfähig aufbereitet wurden, um sich nicht der Gefahr von juristischen Auseinandersetzungen auszusetzen. Mayfield jedoch hat keine Geheimhaltungsvereinbarung unterzeichnet und fühlt sich daher als Patient an diese Vorgehensweise nicht gebunden. Im vergangenen Monat stellte er die Wirkungen des Arzneimittels auf einen Patienten in Endstadium - der Blastenkrise, die innerhalb von Monaten meist tödlich verläuft - in seinem Tagebuch dar: "Ich weiß, dass dies an den Haaren herbeigezogen klingen wird, aber ich schwöre, dass es wahr ist, ... In der ersten zwei Tagen mit dem Arzneimittel stürzten seine Leukozyten von 119.000 auf 6.300 ab." Am 1. Juni schrieb er begeistert, "Manchmal kann ich nachts nicht schlafen, da ich über all die aufregenden Ergebnisse nachdenken muss, die wir haben. Ich weiß, dass einige dieser [medizinischen] Reaktionen nur kurzzeitig sein könnten... An dieser Stelle es ist es jedoch offensichtlich, dass BMS-354825 Jedermanns Erwartungen übersteigt". 

Moshe Talpaz, Mayfields Onkologe, sorgt sich in einem Forbes-Bericht um das Potential der Fehlinformation, die Krebspatienten davon überzeugen könnte, voreilig in eine Studie zu hasten. Aber der Bio-Ethiker der Universität von Pennsylvania, Arthur Caplan, befürwortet solche Veröffentlichungen, weil sie Studienteilnehmern einen Eindruck davon geben, worauf sie sich einlassen: "die Hochs und Tiefs, die Kosten und die Ärgernisse". Bristol-Myers Squibb habe "kein Problem" mit Mayfields Tagebuch, solange es keine proprietären Informationen preisgibt. Der bei Brystol-Myers Squibb für die Krebsstudien Verantwortliche Renzo Canette spricht jedoch einige Bedenken aus: "Einen Tag sind Sie der Große und der Erretter, und am nächsten Tag sind Sie ein schrecklicher Typ." Mayfield hat das Web-Tagebuch verwendet, um Einfluss auf Bristol-Myers zu nehmen, um Patienten zu erlauben, die Häufigkeit von Untersuchungen zu reduzieren, so dass sie mehr Zeit zu Hause verbringen können. Er selbst hat mittlerweile Schulden von $14.000, da er eine Wohnstätte nahe dem M.D. Anderson Krebszentrum in Houston als auch seinen Hauptwohnsitz in Monroe, Louisiana, unterhalten muß.


Autor/Recherche: jan am 18.07.2004

Quellen:
Philadelphia-positiven Zellen gelten als die Ursache der CML. Doch für die Blastenkrise im Endstadium der CML sind nach einer im US-amerikanischen New England Journal of Medicine (NEJM) veröffentlichten Studie andere Zellen verantwortlich: Ausgereifte Granulozyten/Makrophagen erwerben stammzellenähnliche Eigenschaften. Dies könnte Mechanismen der Resistenzentwicklung gegen Imatinib (Glivec) in fortgeschrittenen Phasen der Krankheit erklären, aber auch neue Ansatzpunkte für eine kurative CML-Therapie aufzeigen.

Das Philadelphia-Chromosom ist das zentrale Kennzeichen der CML. Es entsteht durch den gegenseitigen Austausch von Abschnitten der Chromosomen 22 und 9. Dadurch wird das Fusions-Gen "Bcr-Abl" gebildet, zusammengesetzt aus dem "Motor" ABL-Kinase und dem "Wachstumsfaktor" BCR. Das Ergebnis ist ein unkontrolliertes Zellwachstum. Imatinib blockiert die ABL-Kinase und stellt dadurch den Normalzustand wieder her, eine eigentlich nahezu ideale Therapie der CML.

Zunächst sah es danach aus, als ob der Wirkstoff Imatinib (im Handel als Glivec erhältlich) die CML heilen könnte. Unter der Behandlung normalisiert sich, vor allem in der chronischen Phase der Erkrankung, nicht nur das Blutbild. Auch die Philadelphia-positiven Stammzellen verschwinden fast vollständig aus dem Knochenmark. Die Therapie glänzt durch häufige und anhaltende zytogenetische Remissionen, doch vor allem in fortgeschrittenen Stadien der Krankheit kommt es zu Rückfällen. Insbesondere in der Blastenkrise, dem Endstadium der Erkrankung, ist das Medikament meistens erfolglos. 

Die mögliche Ursache hierfür haben Catriona Jamieson von der Stanford-Universität und Kollegen herausgefunden. Sie entdeckten unter den Stammzellen, die in der Blastenkrise auftreten, solche, die ausdifferenzierten Blutzellen sehr stark ähneln. Und tatsächlich: Die genaue Analyse belegte, dass es sich um unmittelbare Vorläuferzellen der Granulozyten und Makrophagen aus dem peripheren Blut handelt. Diese Zellen gehören normalerweise nicht zu den Stammzellen. Doch in der Blastenkrise der CML verändern sie ihre Natur. Sie enthalten jetzt in großer Menge ein Eiweiß namens Beta-Catenin in ihrem Zellkern. Beta-Catenin ist normalerweise ein Bestandteil von embryonalen Zellen, in denen es die Zellteilung antreibt. In der Blastenkrise sorgt Beta-Catenin dafür, dass die Vorläuferzellen der Granulozyten und Makrophagen unabhängig von BCR-ABL und damit vom Glivec-Target einen dauerhaften Nachschub an Blasten produzieren.

Bisher war man davon ausgegangen, dass die CML-typischen, krankhaften Stammzellen von normalen Stammzellen abstammen, wie jenen, die im Knochenmark rote Blutkörperchen und Immunzellen produzieren. Die nun vorliegende Studie im NEJM belegt jedoch, dass die kanzerösen Zellen entstehen, indem eine normale, erwachsene Zelle mutiert und die stammzellentypische Fähigkeit zur Selbsterneuerung erlangt. 

In der Studie wurden nun diese Vorläuferzellen erstmals für die CML beschrieben. Zusätzlich wurde erstmals identifiziert, welche Zelltypen kanzerös werden, d.h. sich von einer normalen Zelle in eine Krebsvorläuferzelle verwandeln. Das Team um Catriona Jamieson von der Stanford University School of Medicine unterteilte die kanzerösen Zellen in Untergruppen, die alle über ein charakteristisches Muster von Proteinen an ihrer Oberfläche verfügten, und verglich diese mit Zellen von gesunden Menschen. Anschließend wurde jede dieser kanzerösen Populationen auf einer eigenen Laborschale platziert, um zu ermitteln, welche davon sich erneuern konnten. Es zeigte sich, dass nur eine Zellgruppe über die Fähigkeit verfügte, sich permanent zu teilen, um neue Stammzellen zu bilden, oder zu Blutzellen heranzureifen. Gleichzeitig schloss man daraus, dass Therapien wie Imatinib, die speziell auf BCR-ABL abzielen, leukämische Vorläuferzellen bekämpfen, nicht aber selbsterhaltende, philadelphia-positive Stammzellen.

Die Forschungsergebnisse könnten bedeuten, dass Beta-Catenin ein neuer Ansatzpunkt für eine Therapie der CML ist, wenn es dabei gelingen würde, die eigentliche Quelle der Krebsentstehung, d.h. die bisher als "schlafend" (quiescent) bezeichneten philadelphia-positiven Stammzellen, gezielt auszuschalten. Wie die Forscher berichten, wird Beta-Catenin von einem anderen Protein namens "Wnt" angetrieben. "Wnt" sei normalerweise nur in Zellen aktiv, die sich dauerhaft teilen, also embryonalen Zellen oder Stammzellen, heißt es in der Pressemitteilung des Instituts. Auch "Wnt" biete sich deshalb als Ansatzpunkt für eine neue Therapie an. 

Die Ergebnisse zeigen, dass längst nicht alle Rätsel der Entstehung der CML gelöst sind. Unklar bleibt letztlich auch, was die Vermehrung der Granulozyten/Makrophagen-Vorläuferzellen auslöst. Ständige Fortschritte in der CML-Forschung geben jedoch berechtigte Hoffnung auf noch wirksamere medikamentöse Therapien.

Quellen:

Weiterführende Links:
Abstract der Studie im NEJM (englisch)
Pressemitteilung der Stanford Universität (englisch)