Chronische Myeloische Leukämie (CML)

Mehrere neue Arzneimittel zur Behandlung der CML in verschiedenen Entwicklungsphasen sind in der Pipeline. Obwohl es immer noch zu früh zur Beurteilung der Effektivität dieser Arzneimittel gegen die CML ist und wie sich deren Nebenwirkungsprofil darstellt, sind Berichte von Patienten und Ärzten ermutigend. Viele Forscher konzentrieren ihre Anstrengungen auf die Entwicklung von Arzneimitteln, die beim Eintreten von Resistenzen gegen die Standardtherapie wie z.B. Glivec (Wirkstoff Imatinib) Wirksamkeit zeigen. Dieser Artikel stellt drei Medikamente aus der Forschung vor.


BMS354825

Dieses von Brystol-Myers-Squibb (BMS) entwickelte Arzneimittel hemmt beide Kinasen Bcr-Abl als auch Src und wird momentan in Phase-I-Studien in den USA erprobt. [Gerüchte besagen, dass in Kürze auch eine Studie in Deutschland beginnen soll.]

Die Anfangsergebnisse sind sehr ermutigend beim Einsatz von BMS bei Patienten, die gegen Imatinib resistent sind. Die meisten der bisher in chronischer CML-Phase mit BMS behandelten Patienten haben ausgezeichnete hämatologische Antworten und einige zytogenetische Antworten erzielt, nachdem sie teilweise vorher komplett resistent gegen Imatinib waren. Patienten berichten nur von geringen Nebenwirkungen. Die Studie nimmt Patienten mit philadelphia-chromosom-positiver CML in allen Phasen der Krankheit sowie mit philadelphia-chromosom-positiver ALL auf, soweit ein fehlendes Ansprechen auf Imatinib oder starke Imatinib-Nebenwirkungen vorliegen. Phase-II-Studien werden in den nächsten Monaten erwartet. Die BMS-Studie läuft in den zwei US-Zentren M.D. Anderson Krebszentrum (MDACC, Dr. Moshe Talpaz und Dr. Hagop Kantarjian) und Universität von Kalifornien in Los Angeles (UCLA, Dr. Charles Sawyers). BMS354825 wird in Pillenform eingenommen. Der CML-Patient Jerry Mayfield berichtet über sein Online-Tagebuch (englisch) über seine Erfahrung mit BMS354825. 


AMN107

Präklinische Untersuchungen haben gezeigt, dass der von Novartis entwickelte Wirkstoff AMN107 etwa 10- bis 30-mal potenter gegen CML-Zellen sein soll als Imatinib. Zusätzlich soll es wirksam gegen viele Imatinib-resistente Zellformen sein. 

Seit Juni 2004 wird AMN107 am MDACC sowie an der Johann Wolfgang Geothe Universität in Frankfurt in einer Phase-I-Studie erprobt. Die Studie ist nur CML-Patienten in akzelerierter Phase oder Blastenkrise sowie ALL-Patienten mit Philadelphia-Chromosom zugänglich. Sobald eine effektive Dosis bestimmt ist, wird die Studie auch für Patienten der chronische Phase mit Imatinib-Versagen sowie für Hypereosinophilie oder Mastozytose geöffnet. In den ersten zwei Studienmonaten haben Patienten von wenigen Nebenwirkungen berichtet, so Quellen vom MDACC. AMN107 wird in Pillenform einmal am Tag eingenommen.


AP23464

Entsprechend einigen präklinischen Untersuchungen wird angenommen, dass AP23464 ein onkogener Proteinkinasehemmer ist, der sowohl natürlich auftretende als auch mutierte Formen des Enzyms Abl blockiert, das CML-Zellen außergewöhnlich aktiv ist. AP23464 blockiert auch das Protein Src, das eine Schlüsselrolle dabei spielt, dass solide Tumoren vom Entstehungsort an entfernte Stellen wandern (Metastasen). Außerdem wird berichtet, dass AP23464 die Ausbreitung von Krebszellen blockiert, deren Aktivität von molekularen Zielen wie EGFR, HER2, Raf und KIT kontrolliert wird, die oftmals bei soliden Tumoren wie Prostata-, Leber-, Lungen-, Nieren-, Gehirn-, Magen- oder Darmkrebs überexprimiert oder überaktiviert sind.

Entgegen früherer Begeisterung ist der Hersteller Ariad jetzt vom starken Optimismus abgerückt. Das Unternehmen wird nun zitiert: "Kürzlich erhaltene Ergebnisse von Tierversuchen in dieser Arbeit haben dazu geführt, dass wir unsere Entwicklung nun auf zwei chemisch verwandte alternative Wirkstoffe von AP23464 konzentrieren, um klinische Versuche mit einem Produktkandidat zu initiieren, der ein optimaleres und konkurrenzfähigeres metabolisches Profil hat." AP23464 wurde nachgesagt, dass es hilfreich sei, das Wachstum von Leukämieziellen zu blockieren, die mehr als 30 verschiedene Mutationen des Abl-Proteins beinhalten, die wiederum eine Resistenz gegen Imatinib verursachen könnten. Einige präklinische Studien haben laut Ariad gezeigt, dass AP23464 zehnfach kräftiger als Imatinib beim Blockieren der natürlich vorkommenden Form von Abl sei. Die größere Potenz und das breitere Spektrum von Wirksamkeit von AP23464 sollen den Wirkstoff bei der Behandlung der CML besonders viel versprechend machen - sowohl bei Resistenz als auch als Primärtherapie, so Sprecher von Ariad. Unter den Forschern von AP23464 waren Brian Druker, der die Pionierarbeit für die Erforschung von Gleevec leistete.

Quelle:
CML-Support Newsletter Herbst 2004, übersetzt aus dem Englischen von Jan (ohne Gewähr)

Weiterführende Links:
CML/ALL Studie mit neuem Wirkstoff AMN107 startet in Frankfurt und Houston, Leukämie-Online vom 08.06.2004
Ein im Oktober in der DMW erschienener deutschsprachiger Artikel von Prof. Hochhaus, Dr. Berger und Prof. Hehlmann fasst den aktuellen Stand der CML-Therapie zusammen. Dabei werden insbesondere die Therapieoptionen Imatinib (Glivec), Interferon und Stammzelltransplantation verglichen, Empfehlungen bzgl. der Überwachung, der Behandlung von Resistenzen sowie der Therapieoptimierung ausgeführt sowie die CML-Studie IV beschrieben.

Im Folgenden eine Zusammenfassung des Artikels:

Glivec
  • In Phase-II-Studien erreichten Interferon-resistenten Patienten in chronischer Phase bei 400mg/Tag nach einer durchschnittlichen Therapiedauer von 40 Monaten 95% hämatologische Remissionen und 52% komplette zytogenetische Remissionen. In der akzelerierten Phase erreichten 600mg/Tag 45% hämatologische Remissionen und 24% komplette zytogenetische Remissionen.

  • In der internationalen Phase-III-Studie (IRIS) wurde Imatinib-Monotherapie mit Interferon/AraC-Standardtherapie verglichen. Nach durchschnittlich 18 Monaten wurde eine deutliche Überlegenheit der Imatinib-Therapie gegenüber IFN/Ara-C bezüglich kompletter hämatologischer Remission (96% vs. 67%), kompletter zytogenetischer Remission (76% vs. 14%), molekularer Remissionen und Nebenwirkungen beobachtet. Nach 30 Monaten erreichten 97% eine hämatologische Remissionen und 82% komplette zytogenetische Remissionen.

  • Die Imatinib-Therapie sollte auch nach Erreichen einer kompletten zytogenetischen Remission in unveränderter Dosis fortgesetzt werden, da eine Unterdosierung die Resistenzentwicklung begünstigt.

  • Eine Kryopreservation eigener Stammzellen nach G-CSF-Mobilisierung wird bei guter molekularer Remission empfohlen. Erste Erfahrungen zeugen von guter Qualität der Stammzellen mit geringem Anteil BCR-ABL-positiver Zellen.

  • Eine Zytopenie (Zellzahlverminderung) ca. 2–3 Wochen nach Therapiebeginn ist Ausdruck der Unterdrückung der leukämischen Zellen bei verzögerter Regeneration des normalen Knochenmarks. Die Neutrophilen sollten über 1000/ul und die Thrombozyten über 75.000/ul liegen.


Interferon (IFN)
  • IFN ermöglicht in 70–80% der Fälle stabile hämatologische Remissionen und in 5–15% dauerhafte komplette zytogenetische Remissionen.
  • Patienten mit gutem zytogenetischem Ansprechen (weniger als 35% Ph-positiv) haben einen Überlebensvorteil, nach komplettem zytogenetischen Ansprechen liegt die 10-Jahres-Überlebensrate bei 72%, bei Niedrigrisikopatienten bei 81%. Ein Absetzen von IFN sollte erst nach mehreren Jahren und nur unter regelmäßiger molekulargenetischer
    Überwachung (RT-PCR) versucht werden.

  • IFN-behandelte Patienten überleben länger als Patienten in Hydroxyurea(Litalir/Syrea)- oder Busulfan-Therapie.

  • Pegylierte Langzeit-Interferonpraparate zeigten In Phase-I- bis -III-Studien eine verbesserte Wirksamkeit bei besserer Verträglichkeit als konventionelles IFN.


Allogene Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation (SZT)
  • Die allogene AZT ist die einzige heilende Therapieoption. Die Entscheidung zur SZT sollte unter Berücksichtigung der Risikoparameter zum Diagnosezeitpunkt, dem individuellen Transplantationsrisiko und dem Ansprechen auf die medikamentöse Therapie erfolgen. Der EBMT-Score ermöglicht die Einschätzung des individuellen Risikos.

  • Bei Patienten bis 60 Jahre sollte nach Diagnosestellung die Familienspendersuche erfolgen. Ist kein passender Familienspender verfügbar, kann bei Patienten bis etwa 55 Jahre eine Fremdspendersuche je nach Erfolg einer initialen medikamentösen Therapie nach ca. 12-18 Monaten eingeleitet werden. Mit neuen Konditionierungstherapien ist auch bei älteren Patienten eine erfolgreiche SZT möglich.

  • Die Überlebenswahrscheinlichkeit wird überwiegend von der transplantationsbedingten Sterblichkeit bestimmt, die bei 25–30% liegt.

  • IFN hat keinen negativen Einfluss auf die SZT, wenn es mindestens 90 Tage vor der SZT abgesetzt wird. Für Imatinib ist die Datenlage umstritten, ein entscheidender Aspekt scheint das Absetzen von Imatinib mind. 2 Wochen vor Konditionierungsbeginn zu sein.


Therapie in der Blastenkrise
  • Bei einer Dosierung von 600mg/Tag wurden 34% hämatologische und 18% zytogenetische Remissionen beobachtet, davon 8% komplette zytogenetische Remissionen. Remissionen sind meist wenig dauerhaft, daher sollte eine allogene SZT während der Remission geprüft werden.

  • Die mediane Uberlebenszeit betragt nur 2-6 Monate.


Ph-negative CML
  • 5% der CML-Fälle weisen keine BCR-ABL-Fusion auf. Die Durchführung einer zytogenetischen und auch spezieller molekulargenetischer Untersuchungen ist deshalb empfehlenswert, da sich hierdurch Therapieoptionen mit selektiven Wirkstoffen ergeben können.
  • Wegen der ungünstigen Prognose der atypischen CML sollte eine frühe allogene SZT berücksichtigt werden.


Therapieüberwachung
  • Die zytogenetische Untersuchung des Knochenmarks wird bis zum Erreichen der kompletten Remission in dreimonatigen Abständen empfohlen, danach 6-monatlich, um Veränderungen auch in Ph-negativen Zellen erfassen zu können. Die quantitative PCR aus peripherem Blut wird nach Erreichen der kompletten zytogenetischen Remission empfohlen, im Falle der Negativität der RT-PCR sollte eine sensitivere "nested PCR" durchgeführt werden. Komplette molekulare Remissionen (nested PCR negativ) sind unter IFN und Imatinib selten.

  • Bereits ab Monat 2 läßt sich ein gutes Ansprechen vorhersagen.

  • Eine gute Prognose besteht bei Unterschreiten des BCR-ABL/ABL-Quotienten von 0,1% in der chronischen Phase. Es ist prognostisch weniger wichtig, PCR-Negativität zu erreichen, als den Quotienten BCR-ABL/ ABL von 0,1% dauerhaft zu unterschreiten.


Resistenzen und Rückfälle


Therapieoptimierung
  • Bei Imatinib-Therapie bei neu diagnostizierter CML wird Therapieoptimierung empfohlen bei Nichterreichen einer hämatologischen Remission nach 3 Monaten, jeglicher zytogenetischer Remission nach 6 Monaten, einer kompletten zytogenetischen Remission nach 12 Monaten oder einer guten molekularen Remission (Quotient BCR-ABL/ABL kleiner 0,1%) nach 18 Monaten.

  • Eine Möglichkeit der Imatinib-Therapieoptimierung ist die individuelle Dosiseskalation auf 600–800mg/Tag.
    Synergistische Effekte mit Imatinib wurden z.B. bei Ara-C, Homoharringtonin, Vincristinin in Kombination mit Imatinib gefunden. Der immunstimulierende Effekt von IFN in Kombination mit Imatinib wird betrachtet. Weiterhin kommen Kombinationen mit mTOR-Antagonisten Rapamycin oder Everolimus oder mit Farnesyltransferaseinhibitoren (FTI) in Betracht. Klinische Studien zur Prüfung der Sicherheit und Effektivität
    dieser Kombinationen laufen bereits. Neue Tyrosinkinase-Inhibitoren mit verstärkter Wirksamkeit auch bei bestimmten Resistenzen befinden sich zur Zeit in klinischer Phase-I-Prüfung (z.B. AMN107, BMS354825).
  • Die zur Zeit diskutierten offenen Fragen zur medikamentösen CML-Therapie und Stammzelltransplantation sollen im Rahmen der "CML-Studie IV" der Deutschen CML-Studiengruppe beantwortet werden.

Quelle:
Therapie der chronischen myeloischen Leukämie 2004, Dtsch Med Wochenschr 2004;129:2122–2127 (PDF-Datei, Acrobat Reader erforderlich)
Das Unternehmen Kosan Biosciences gab bekannt, dass die US-Zulassungsbehörde FDA den Krebswirkstoff Geldanamycin (auch 17-AAG genannt) den Status einer "Orphan Drug" zur Behandlung der CML gewährt hat. Orphan Drugs sind "Stiefkinder" der Medizin: Medikamente gegen seltene Krankheiten, an denen in Europa weniger als 5 von 10.000 Menschen erkranken, und die daher wirtschaftlich gefördert werden.

Über 17-AAG

17-AAG wird für die Behandlung von verschiedenen Krebsarten in klinischen Phase II-, Phase I und Phase Ib-Studien untersucht, darunter auch eine Phase Ib-Studie in Kombination mit Glivec zur Behandlung der CML. Diese Studien werden in Zusammenarbeit mit dem US-Krebsinstitut (NCI) durchgeführt. "Dies ist die zweite Zulassung eines Orphan Drug von Kosan und dem NCI durch die FDA, und ist ein signifikanter Fortschritt für die gemeinsame klinische Geldanamycin-Aktivität", so Dr. Robert G. Johnson Jr, Vizepräsident, Leiter der Entwicklung und CMO von Kosan Biosciences. 

17-AAG hemmt HSP90 (Hitzeschockprotein 90), ein Protein, das an Signalproteine bindet, die besonders krebsrelevant sind wie z.B. mutiertes p53, Bcr-Abl, Her2, Akt, Raf-1, B-Raf und andere. Wenn 17-AAG an das HSP90 bindet, unterbricht es die Hsp90-Signalproteinkomplexe, was zu einem Abbau der Signalproteine führt.

Über Orphan Drugs

Orpan Drugs Status wird von der US-FDA solchen Produkten gewährt, die seltene Krankheiten oder Bedingungen behandeln, die weniger als 200.000 Menschen in den Vereinigten Staaten betreffen. Die Kennzeichnung als Orphan Drug berechtigt das Unternehmen zu einer besonderen siebenjährigen Marktexklusivität nach der Zulassung und ermöglicht Steuervorteile für die Forschung, Subventionen zur Finanzierung von Forschung und Entwicklung, reduzierte staatliche Gebühren für die Vermarktungsbewerbung sowie Unterstützung bei der Überprüfung von Protokollen für klinische Versuche.
Durch die Exklusivitätsklausel genießt das Arzneimittel weitreichenden Schutz auf dem Markt; weitere Medikamente erhalten die Zulassung nur, wenn sie zum Beispiel besser wirken, ein anderes Wirkprinzip haben oder weniger Nebenwirkungen verursachen. 

Die Entwicklung von Arzneimitteln gegen seltene Krankheiten lohnt sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht meist nicht, wenn die Forschungskosten unter den normalen Bedingungen des Marktes erwirtschaftet werden müssen. Durchschnittlich dauert es neun Jahre, bis aus einer im Labor als wirksam erkannten Substanz ein verkaufsfähiges Medikament entsteht. Die Kosten für Forschung und Entwicklung verursachen teilweise dreistellige Millionenbeträge. Deshalb werden im Rahmen von "Orphan Drug"-Zulassungen staatlich zusätzliche Anreize für Unternehmer und Forscher geschaffen, solche "unwirtschaftlichen" Arzneimittel zu entwickeln. 

Seit dem Jahr 2000 kann auch in Europa Medikamenten der Orphan-Status zur Diagnose, Verhütung oder Behandlung lebensbedrohender, zu schwerer Invalidität führender oder schwerer und chronischer Leiden von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) zuerkannt werden.

Quelle:
Pressemitteilung von Kosan Biosciences Inc. vom 26.10.2004, via PR Newswire. Orphan-Drug-Erläuterung von Jan.
Vom 4.-7. Dezember 2004 findet mit der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie (ASH) in San Diego die weltweit bedeutendste Veranstaltung im Bereich der Leukämieforschung statt. Üblicherweise werden dort jedes Jahr die neuesten Erkenntnisse zu Therapien, Studien und neuen Wirkstoffen vorgestellt. Die Zusammenfassungen der Veröffentlichungen sind bereits jetzt im Internet verfügbar, darunter auch einige zum neuen Wirkstoff BMS-354825, der in Hinsicht auf die CML-Therapie weitere Forschritte verspricht.

Im folgenden sind (leider noch sehr medizinische) Zusammenfassungen einiger Abstracts der ASH-Publikationen zu BMS-354825 aufgeführt.


Doppelter Kinase-Inhibitor BMS-354825 (Abstract Nr. 553)

BMS-354825 ist ein dualer SRC/ABL-Tyrosinkinasehemmer. Die kristalline Struktur von BMS-354825 bindet in der ATP-Bindungsstelle genauso wie Imatinib. Der BMS-Wirkstoff scheint jedoch sowohl an die aktiven als auch inaktiven Formen von BCR-ABL zu binden, während Imatinib nur an die inaktiven Formen bindet. Die gesteigerte Bindungsneigung von BMS-354825 gegenüber Imatinib wird vermutlich teilweise durch die Fähigkeit, verschiedene Zustände des Enzyms zu erkennen, verursacht.


Relative Effienz auf BCR-ABL-positive CML-Zellen und Abl-Mutationen (Abstract Nr. 1988)

BMS-354825 scheint in vitro eine 100fach größere Potenz in der Hemmung von BCR-ABL als Imatinib aufzuweisen. In Vitro und in Vivo hat BMS-354825 bei 14 von 15 gegen Imatinib-resistente Mutationen von BCR-ABL präklinische Aktivität gezeigt (Shah et al, Science, 305:399, 2004).


Der Abl-unabhängige Mechanismus von BMS-354825 (Abstracts Nr. 1989, 4480)

Eine Schlüsselfrage ist, ob BMS-354825 die Fähigkeit dazu hat, das Wachstum von CML-Zellen auf einem anderen Weg als den von Imatinib, der Bindung an ATP in BCR-ABL zu unterbinden, hat. Die genannten Studien gingen der Frage nach, ob die Fähigkeit von BMS-354825, SRC-Kinasen zu hemmen, die Proliferation von CML-Zellen aufhalten könnte.

MV4-11-Zell-Linien sind menschliche myeloische Zell-Linien, die keine Expression von Abl aufzeigen, aber deutliche SRC-Kinase-Aktivität zeigen. Sie werden als Erkennungsmuster in akuter myeloischer Leukämie (AML) verwendet. BMS-354825 wurde mit einem bekanntem SRC-Kinasehemmer, PP1, verglichen, das eine Inhibition in diesen Zellen verursacht. In MV4-11-Zellen verursachten BMS-354825 und PP1 eine ähnliche SRC-bedingte Wachstumshemmung.

In einer anderen Untersuchung wurden klinische Proben von Imatinib-resistenten CML-Patienten (mit und ohne BCR-ABL-Kinasemutationen) mit Imatinib oder BMS-354825 behandelt und für Änderungen in der Aktivierung von Lyn und Hck (beides sind SRC-Kinasen) analysiert. Bei CML-Zellen, die sowohl BCR-ABL- als auch Lyn-Kinase-Aktivierungen aufzeigten, konnte Imatinib das BCR-ABL-Enzym nicht erfolgreich hemmen. Der BMS-Wirkstoff war beim Hemmen des BCR-ABL-Enzyms in diesen Zellen erfolgreich, wodurch vermutet werden kann, dass die Lyn-Aktivierung eine direkte Rolle in der Imatinib-Resistenzbildung spielt.

Die zwei Untersuchungen lassen vermuten, dass die SRC-Kinase-Aktivierung eine Rolle bei der Resistenzbildung von CML-Zellen gegen Imatinib spielt und dass der BMS-354825-Wirkstoff diese durch Hemmen der SRC-Kinase überwinden könnte.


Ergebnisse einer Phase-I-Studie mit BMS-354825 für Imatinib-resistente Patienten in chronischer Phase (Abstract Nr. 1)

In die Phase-I-Studie mit BMS-354825 wurden 29 Patienten mit Ph-positiver CML in chronischer Phase mit hämatologischer Progression oder Unverträglichkeit unter Therapie mit Imatinib eingeschlossen. 9 Kohorten mit täglichen Dosen zwischen 15mg bis 180mg von BMS-354825 wurden 5-7 Tage pro Woche bis zu 9 Monate gegeben. BMS-354825 wurde insgesamt gut toleriert, mit nur einem Fall von Grad-4-Thrombozytopenie als einziger wirkstoffbedingter Nebenwirkung.

Insgesamt 26 Patienten wurden wie folgt beurteilt: 22 mit Imatinib-Resistenz, 4 mit Imatinib-Intoleranz; Durchschnittliche CML-Erkrankungsdauer 6,1 Jahre; 22 Patienten hatten feststellbare BCR-ABL-Kinase-Domain-Mutationen vor dem Beginn der BMS-354825-Therapie. Mit Stand vom 6. August 2004 wurden diese Patienten mit Dosen von 35mg/Tag behandelt und für mindestens 4 Wochen beobachtet. Komplette hämatologische Remissionen erreichten 73% (19 Patienten). Von 21 Patienten, die länger als drei Monate behandelt wurden, erreichten 11 ein zytogenetisches Ansprechen, davon einer mit kompletter zytogenetischer Remission, 6 mit weitgehender zytogenetischer Remission (1-35% Ph+), 1 geringfügiges Ansprechen (36-65% Ph+) und 4 erreichten minimales zytogenetisches Ansprechen (66-95 % Ph+).

Von den 7 Patienten, die keine komplette hämatologische Remission erreichten, erfolgte bei zwei eine Progression der Krankheit, wovon einer eine T315I-Mutation in BCR-ABL aufwies. (Eine präklinische Studie wies bereits auf eine Unwirksamkeit von BMS-354825 bei Vorhandensein von T315I hin). Die anderen fünf Patienten ohne komplette hämatologische Antwort wurden mit höheren Dosen von BMS-354825 behandelt, um den Versuch eines Erreiches einer Komplettremission zu unternehmen. Die Dosiserhöhung wird gegenwärtig fortgeführt, und Phase-II-Studien für chronische und akzelerierte Phase sowie Blastenkrise werden gegenwärtig vorbereitet. 

Die Daten dieser Studie liefern den zwingenden Nachweis, die die Sicherheit und Wirksamkeit bei Einsatz von BMS-354825 bei Imatinib-resistenter CML in chronischer Phase unterstützen.


Ergebnisse der Phase-I-Studie mit BMS-354825 für Imatinib-resistente Patienten in akzelerierter Phase und Blastenkrise (Abstract Nr. 20)

Die Ergebnisse der Phase-I-Studie mit BMS-354825 mit Patienten mit Ph-positiver CML in akzelerierter Phase (AP) und Blastenkrise (BP), die eine hämatologische Progression oder Intoleranz unter Imatinib-Therapie hatten. Mit Stand vom 6. August 200 wurden 17 Patienten (6 mit AP; 11 mit BP) in 3 Kohorten mit Dosen zwischen 35mg und 70mg BMS-354825 behandelt

Von den 11 BP-Patienten erreichten 7 eine hämatologische Antwort.: 3 komplette hämatologische Antworten (CHR), 2 "ohne Nachweis der Leukämie" (NEL), und 2 "Rückkehr zur chronischen Phase" (RTC). Zytogenetische Daten sind für 8 der 11 BP-Patienten verfügbar. Vier Patienten hatten ein größeres zytogenetisches Ansprechen, 2 Patienten hatten eine geringfügige zytogenetische Antwort, und 2 Patienten zeigten kein Ansprechen. Bei zwei Patienten war ein leichtes Tumorlyse-Syndrom nachweisbar. Drei von 6 AP-Patienten erreichten ein hämatologisches Ansprechen: 2 CHRs und 1 NEL. Zwei Patienten sind zum Zeitpunkt der Einreichung des Abstracts noch nicht zu beurteilen. Ein Patient wies eine BMS-354825-Resistenz aufgrund einer T315I-Mutation in 8 von 10 Klonen auf. Diese Mutation zeigte Resistenz gegenüber BMS-354825 in präklinischen Untersuchungen. Ein BCR-ABL-Mutationsstatus ist für 3 zusätzliche AP-Patienten verfügbar: Bei 2 Patienten ließen sich keine Mutationen identifizieren, und 1 Patient in CHR hatte M351T/A Imatinib-resistente Mutationen. Von 3 Patienten, von denen frühe zytogenetische Daten verfügbar sind, hatte einer eine geringfügige zytogenetische Antwort (40% Ph+). BMS-354825 wurde bis dato sehr gut vertragen. 


BMS-354825 und PCR-Trends im Vergleich mit Imatinib (Abstract Nr. 1008)

Bereits früher wurde gezeigt, dass unter Imatinib-Therapie die Quantitative PCR (Q-PCR) mit einer zytogenetischen Antwort korreliert, wobei eine Reduktion der BCR-ABL-Transkripte um eine Logstufe mit dem Erreichen einer größeren zytogenetischen Antwort (MCR) entsprachen, und eine Reduktion um zwei Logstufen einem kompletten zytogenetischen Ansprechen (Branford et al, Leukemia 17:2401, 2003).

Von 13 untersuchten Imatinib-resistenten/unverträglichen Patienten in chonischer Phase, die mit BMS-354825 an der UCLA behandelt wurden, erreichten vier eine MCR, und dies entsprach nach Q-PCR einer Reduktion der BCR-ABL-Transkripte um ein bis zwei Logstufen. Insgesamt betrug die durchschnittliche Reduktion der BCR-ABL-Transkripte nach vier Wochen der Behandlung 32%, eine hohe signifikante Abnahme. Von den neun Patienten, die keine MCR erreichten, hat keiner eine Ein-Log-Reduktion erreicht. Ähnlich wie bei Imatinib ist eine unter BMS-354825 erreichte MCR in CML in chronischer Phase mit einer Ein- bis Zwei-Log-Reduktion der BCR-ABL-Transkripte verbunden.


Resistenzen unter BMS-354825 (Abstract Nr. 552)

In diesem Test sollte herausgefunden werden, ob es BMS-354825-resistente Zellklone gibt. Die Untersuchung zeigte, dass es vier mögliche Stellen für Punktmutationen bei BMS-354825 gibt, während bei Imatinib 20 existieren. Mutationen an den Stellen L248, T315 und F317 lösten Resistenz gegen BMS-354825 aus und wurden bereits bei Imatinibresistenz identifiziert. Eine Mutation bei V299 stellt eine neuartige Resistenzart dar. Interessanterweise ist die Mutation F317V resistent gegen BMS-354825, wird aber durch Imatinib erreicht, wodurch möglicherweise eine Kombination von Imatinib und BMS nützlich sein kann, um die Bildung von Resistenzen zu verhindern.

Quelle:
ASH-Abstracts auf abstracts2view.com (englisch, kostenlose Registrierung erforderlich)

Hinweis: Übersetzung und Zusammenfassung durch Jan, ohne Gewähr auf sachliche Richtigkeit.
Glivec-Patienten gefährden mit der Einnahme von Johanniskraut möglicherweise ihre Therapie: Die Spiegel von Glivec im Blut sinken unter dem pflanzlichen Antidepressivum deutlich ab und könnten so auch zu Resistenzen führen, berichten US-Forscher in der aktuellen Medical Tribune.

Da Johanniskraut den Metabolismus von Imatinib (Handelsname Glivec) beschleunigt, bestehe nicht nur die Gefahr, dass letzteres unwirksam bleibe. Subtherapeutische Spiegel könnten auch bewirken, dass Leukämiezellen resistent gegen das Medikament werden, so Professor Patrick F. Smith vom Pharmakologischen Institut der Universität Buffalo, in einer Pressemitteilung. Patienten sollten ihren Arzt deshalb unbedingt informieren, wenn sie sich selbst mit pflanzlichen Präparaten behandeln, rät Prof. Smith: Im Einzelfall könnte ihr Leben davon abhängen. 

Quelle:
Medical Tribune, 39. Jahrgang, Nr. 49, Deutsche Ausgabe vom 3. Dezember 2004, Seite 12