Chronische Myeloische Leukämie (CML)

Im Mai 2003 ist in verschiedenen deutschen Kliniken eine neue Studie gestartet, die die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Kombination von Glivec und einem Langzeit-Interferon (Pegasys) untersucht. Von der Kombination versprechen sich CML-Experten eine verbesserte Ansprechrate und ein vermindertes Risiko der Bildung von Resistenzen gegenüber der Monotherapie. Die Studie nimmt weiterhin Patienten auf.

Die über zwei Jahre laufende Phase-II-Studie mit der Kombination von Glivec mit dem pegylierten Interferon Pegasys wird in Mannheim koordiniert. Die an der Studie teilnehmenden Kliniken sind die Universitätskliniken in Mannheim, Mainz, Marburg, Freiburg und Tübingen. Es ist Ziel dieser Studie herauszufinden, ob die Kombination aus Glivec und Pegasys im Vergleich zur alleinigen Glivec-Monotherapie die Ansprechraten erhöhen und die verbliebenen Leukämiezellen im Blut und Knochenmark vermindern kann, und welche Abfolge der Therapien die optimale ist.

Glivec wird in der von der Ethikkommission genehmigten Studie in der üblichen Dosis von 400mg täglich verabreicht. Von dem einmal wöchentlich per Injektion verabreichten Langzeit-Interferon Pegasys erhofft man sich neben der Stimulation des Immunsystems gegen die Leukämie auch eine bessere Verträglichkeit und deutlich geringere Nebenwirkungen im Vergleich zum normalen, täglich gegebenen Interferon-alpha2a. Das bisher für die Hepatitis-Therapie verwendete Medikament Pegasys von Roche ist bisher noch nicht für die Indikation CML zugelassen, wodurch für CML-Patienten in Deutschland diese Studie bisher der einzige Weg ist, dieses Medikament zu erhalten.

Auch wenn sich Resistenzen gegen das Medikament Glivec nur bei einem geringen Anteil der in früher chronischer Phase behandelten Patienten zeigt, erhofft sich Dr. Andreas Hochhaus, Privatdozent und Oberarzt an der III. Medizinische Klinik Mannheim der Universität Heidelberg,
durch die Kombination beider bei CML hochwirksamen Medikamente Synergieeffekte und noch höhere Ansprechraten, da die CML dabei von verschiedenen Seiten angegriffen wird. Vorhergehende in Mannheim durchgeführte Studien mit der Glivec-Pegasys-Kombination sind sehr erfolgreich verlaufen, da bereits bei zwei der daran teilnehmenden 32 Patienten selbst mit sensitivsten PCR-Methoden keine CML mehr nachgewiesen werden könne, so Dr. Hochhaus.

Voraussetzung für die Teilnahme an der Studie ist, dass die Diagnose der CML maximal sechs Monate zurückliegt und ausser mit Hydroxyurea (Litalir/Syrea) noch keine Vorbehandlung der CML (z.B. mit Glivec oder Interferon) erfolgt ist. Im Rahmen der Studie erhält der Patient die momentan erfolgsversprechendste verfügbare Kombination für die Behandlung der CML. Er wird hierbei sehr intensiv von den beteiligten Kliniken betreut und mit Hilfe modernster Diagnosemethoden, die im Rahmen der individuellen Behandlung oftmals aus Kostengründen nicht durchgeführt werden könnten, beobachtet.

Seit dem Start der neuen Studie wurden bisher sieben von maximal 40 Patienten aufgenommen, so dass die Studienteilnahme noch für Patienten offensteht. Interessenten hierfür können sich an die Studienzentrale des Kompetenznetzes Leukämie in Mannheim oder direkt an Dr. Hochhaus von der III. Medizinischen Klinik in Mannheim wenden.

Adressen:
CML-Studienzentrale
III. Medizinische Universitätsklinik
Fakultät für Klinische Medizin Mannheim der Universität Heidelberg
Wiesbadener Strasse 7-11
68305 Mannheim
Tel.: 0621 383 4168
Fax: 0621 383 4239
e-mail: 
Web: http://www.ma.uni-heidelberg.de/inst/med3/cmlstudi.html

Weiterführende Artikel und Informationen:
Der US-amerikanische Krebsforscher Brian Druker hat heute für seine bedeutenden Entdeckungen zur Krebs-Behandlung am Montag den mit 50.000 Euro dotierten "Braunschweig Preis 2003" erhalten. Der Leiter der Blutkrebs-Forschung an der Oregon Health & Sience University (OHSU) in Portland, USA, gilt als Erfinder des CML-Medikaments Glivec und als Wegbereiter der molekularen Krebstherapie.

Er hatte vor fünf Jahren den Wirkstoff Imatinib gegen die Blutkrebsform "Chronische Myeloische Leukämie" (CML) identifiziert, die Schätzungen zufolge etwa einen von 100.000 Menschen trifft. Imatinib, im Handel als Glivec bekannt, blockiert erstmals gezielt ein Gen, das die unkontrollierte Vermehrung unreifer weißer Blutkörperchen auslöst.

"Der Name Brian Druker steht für einen Durchbruch in der Krebstherapie," sagte Braunschweigs Oberbürgermeister und Juryvorsitzender Dr. Gert Hoffmann am 8. Juli nach dem Votum des Rates der Stadt. Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa 1.700 Menschen an CML. Aus Braunschweig kamen einige der ersten Patienten, die mit Glivec behandelt wurden.

Der Braunschweig Preis wird seit 1999 alle zwei Jahre für Forschungsprojekte vor allem aus den Natur- und Ingenieurswissenschaften vergeben. Er gilt als der höchstdotierte Wissenschaftspreis einer deutschen Kommune. Gefordert sind fachübergreifende Produkte oder Verfahren, die zum einen schnell in der Praxis umsetzbar sind, zum anderen die Lebensgrundlagen künftiger Generationen im Blick haben. Die Preisverleihung 2003 ist in den Kongress "Lebenswelten für Morgen" eingebettet.

Druker absolvierte sein Medizinstudium an der University of California in San Diego. An der Harvard Medical School in Boston spezialisierte er sich auf Krebsforschung. Seit 1993 leitet er die Leukämie-Forschung an der Oregon Health & Science University in Portland.

Quellen:
Vom 5. bis 9. Dezember 2004 findet in den USA erneut die Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie (ASH) statt, auf der Leukämie-Experten aus aller Welt ihre neuen Forschungsergebnisse vorstellen. Die Tagung gilt als eine der bedeutendsten Veranstaltungen für die internationale Forschungsszene im Bereich hämatologischer Erkrankungen. Vorab sind bereits Zusammenfassungen ("Abstracts") der dort präsentierten Forschungen online erhältlich. Wir fassen hier kleine Auswahl interessanter Artikel zum Thema CML zusammen. 

(Hinweis: Die folgenden Artikel erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit, sondern stellen einen willkürlichen Auszug von Artikeln dar. Zudem ist zu beachten, dass es sich oftmals um Zwischenergebnisse aus der klinischen Forschung handelt, deren Interpretation medizinischen Experten vorbehalten bleiben sollte).


24-Monats-Ergebnisse der Glivec-Zulassungsstudie für neu diagnostizierte CML (IRIS-Studie)

Die überzeugenden Ergebnisse der vor rund drei Jahren begonnenen internationalen IRIS-Studie, die die Wirksamkeit von Imatinib (Medikament Glivec) mit der von Interferon+Ara/C verglich, verhalfen Glivec im Jahr 2003 zum Status der Standardtherapie für neu diagnostizierte CML-Patienten in chronischer Phase und zur Zulassung des Medikaments in vielen Ländern. Insgesamt 1106 Patienten wurden dabei anfänglich nach dem Zufallsprinzip jeweils auf die Interferon+Ara/C- und Imatinib-Therapie-Arme verteilt. Heute befinden sich jedoch nur noch 7,5% der Patienten unter Interferon-Behandlung, da der Rest der Interferon-Patienten aufgrund Unverträglichkeit, mangelndem Ansprechen oder Progression die Studienteilnahme abbrachen oder in den Imatinib-Therapiezweig wechselten. Aus diesem Grund beschränkt sich die Langzeitanalyse der Studienteilnehmer auf die 553 anfänglich in den Imatinib-Arm randomisierten Patienten.

Nach einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von 25 Monaten lebten noch 96% aller Patienten des Imatinib-Therapiearms. 90% erlitten keinen Fortschritt der Krankheit, d.h. zeigten eine unveränderte komplette hämatologische Antwort und ein weitgehendes zytogenetisches Ansprechen (major cytogenetic response). 79% erreichten eine komplette zytogenetische Antwort (CCR). Nach 18 Monaten Imatinib-Therapie waren nur selten schwerwiegende Nebenwirkungen (Grad 3-4) zu beobachten.

Von den 337 Patienten, die vom Interferon- auf den Imatinib-Arm wechselten, lebten nach einer durchschnittlichen Beobachtungsdauer von 12 Monaten noch 98%. 61% der gewechselten Patienten erreichten CCR.

Auf der ASH-Jahrestagung werden die 30-Monats-Ergebnisse präsentiert, die jedoch noch nicht veröffentlicht wurden bzw. online noch nicht zur Verfügung stehen. (ASH-Abstract Nr. 633)


Ergebnisse des Expanded Access Programms mit mehr als 7.000 Patienten bestätigen Vorstudien

Schon vor der staatlichen Zulassung und der kommerziellen Verfügbarkeit des Medikaments Glivec hatten zwischen Mai 2000 und November 2002 im Rahmen eines erweiterten Zugangs 7.227 Patienten in 153 klinischen Zentren in 37 Ländern die Chance, unter den gleichen Zugangsvoraussetzungen der bereits laufenden Studien einen Zugang zum Medikament Glivec zu erhalten. Das Ziel war, der durch die positiven Ergebnisse der Vorstudien erzeugten hohen Nachfrage nach dem Medikament nachzukommen und gleichzeitig statistische Daten zu Wirksamkeit und Nebenwirkungen strukturiert zu erfassen. Von den Patienten waren 3.632 CML-Patienten in chronischer Phase, 2.213 in akzelerierter CML-Phase, 784 in myeloischer Blastenkrise, 212 in lymphoider Blastenkrise und 386 hatten AML. 

Die Patienten in chronischer CML-Phase erhielten durchschnittlich täglich 400mg Imatinib. 97% waren nach 12 Monaten noch am Leben und bei 93,5% war in diesem Zeitraum kein Fortschritt der Krankheit eingetreten. 

Von den Patienten in akzelerierter Phase lebten nach 12 Monaten noch 84,1% und 71,8% waren progressionsfrei. Sie erhielten im Durchschnitt 576mg Imatinib täglich. 

Von den Patienten in myeloischer Blastenkrise, die durchschnittlich 600mg Imatinib erhielten, überlebten nur 39,2% die ersten 12 Monate, und 82,5% erlitten einen Fortschritt der Krankheit. 

60% der Patienten in fortgeschrittenen Phasen sowie mit AML, ALL und lymphoider Blastenkrise mussten die Therapie wegen Progression oder Tod abbrechen. Die durchschnittliche Zeit dieser Patientengruppen von Eintreten in das Studienprogramm bis zum Auftreten einer Progression war knapp über drei Monate. 

Grundsätzlich wurden die Ergebnisse der Vorstudien auch im erweiterten Zugangsprogramm (expanded access program) mit der höheren Anzahl von Patienten bestätigt. Die genauen Daten werden erst auf der ASH-Konferenz vorgestellt und erscheinen im November im Magazin Blood. (ASH-Abstract 3370). 


Untersuchung zur molekularen Überwachung der Imatinib- und Interferon/Ara-C-Therapie bei neu diagnostizierten Patienten mit qualitativer und quantitativer RT-PCR

Die Daten von 139 Patienten, die in 17 deutschen Kliniken im Rahmen der IRIS-CML-Studie mit Imatinib (Medikament Glivec) oder Interferon+Ara-C behandelt wurden, wurden unter Verwendung verschiedener PCR-Diagnosemethoden von einem Team um Dr. Andreas Hochhaus am Klinikum Mannheim bezüglich des Ansprechens auf die Therapie untersucht.

Ein komplettes zytogenetisches Ansprechen (CCR) erreichten nach 24 Monaten mittlerer Beobachtungszeit 87% der Imatinib-Patienten, während dies nur bei 14% der Patienten unter IFN/Ara-C Therapie der Fall war. Das durchschnittlich geringste Niveau der Resterkrankung im ersten Jahr nach Erreichen der kompletten zytogenetischen Remission lag bei den Imatinib -Patienten bei 0,087% (Quotient BCR-ABL/ABL), während die Interferon-Patienten nur 0,27% erreichten. BCR-ABL war bei 25 Patienten unter Verwendung von Real-Time-PCR nicht mehr nachweisbar. Bei vier dieser Patienten war auch die sensitivere Nested-PCR negativ. Keiner der 37 Patienten, die in der PCR einen BCR-ABL/ABL-Quotient unter 0,1% erreichten, erlitten einen Rückfall der Krankheit. 

Die molekulare Ansprechrate auf Imatinib war nicht unterschiedlich zwischen den verschiedenen Risikogruppen nach Hasford- oder Sokal-Score. Es zeigte sich auch, dass das Niveau der BCR-ABL-Transkripte vor Beginn der Therapie keine Prognose der Ansprechrate zulässt. Insgesamt wird festgestellt, dass Imatinib der Interferon-Ara-C bezüglich der Geschwindigkeit und dem Grad des molekularen Ansprechens überlegen ist, aber trotzdem eine geringe Resterkrankung nur sehr selten eliminiert werden kann (ASH-Abstract Nr. 636).


Neuigkeiten bzgl. Glivec-Kombinationstherapien

Auf der Jahrestagung wurden verschiedene Untersuchungen zu Kombinationen von Imatinib mit neuen Wirkstoffen vorgestellt, die in erster Linie dann zum Zug kommen sollen, wenn sich eine Resistenz gegen Imatinib einstellen sollte. Vorgestellt wurden hierbei z.B. Erkenntnisse zu folgenden Wirkstoffen:

  • Peg-Interferon: Eine italienische Studie untersuchte die Kombination eines speziellen pegylierten Interferons (Langzeit-Interferon, PegIFN) mit Imatinib bei 76 neu diagnostizierten Patienten. 27 Patienten erhielten 50ug PegIFN, 18 Patienten 100ug PegIFN und 31 Patienten 150ug PegIFN wöchentlich; alle erhielten 400mg Imatinib. Nach 12 Monaten erreichten 96% ein komplettes hämatologisches Ansprechen, 95% innerhalb der ersten drei Monate der Therapie. 70% erreichten eine komplette zytogenetische Remission (CCR), wobei von den Hochrisikopatienten 56% CCR und von den Mittel- und Niedrigrisikopatienten 91% CCR erreichten. 44 Patienten (58%) mussten jedoch die Verabreichung von Peg-IFN aufgrund von Nebenwirkungen beenden, wobei dabei die jeweils eingesetzte Dosishöhe des Peg-IFNs keine sehr deutliche Rolle spielte. (ASH-Abstract Nr. 638)

  • Homoharringtonine (HHT): Bei einer Pilotstudie in Straßburg, die mit stark vorbehandelten Patienten in allen Phasen der Krankheit durchgeführt wurde, die unter Imatinib-Monotherapie entweder nur ein unzureichendes Ansprechen zeigten oder ein anfängliches Ansprechen wieder verloren, wurde Imatinib in Kombination mit subkutan verabreichtem HHT eingesetzt. Die Hälfte der Patienten sprach auf die Kombination an. In Phase-I-Studien soll nun die tolerierbare Dosis sowie der weitere Einsatz von HHT überprüft werden. (Abstract Nr. 3381)

  • Arsentrioxid, Decitabine: Weitere Untersuchungen der CML-Experten Druker, Hochhaus und Deininger finden z.Zt. zu den Vorgängen bei der Bildung von Resistenzen gegen Imatinib statt. Bei den Wirkstoffen Arsentrioxid (Medikament Trisenox) und Decitabine konnten in Laborversuchen (in vitro) synergetische Wirkungen in der Kombination mit Imatinib bei Zellen nachgewiesen werden, die noch auf Imatinib ansprechen (ASH-Abstract Nr. 58).


Neuigkeiten bzgl. Impftherapien (Vaccines)

Im vergangenen Jahr wurden verschiedene Studien zum Thema Immunstimulationstherapie (Vaccines) bei Patienten durchgeführt, die eine Resistenz gegen Imatinib entwickelten oder bei denen das initiale Ansprechen auf Imatinib unzureichend war. Von Vaccines erhoffen sich Experten eine Stimulation des Immunsystems gegen die CML-Zellen. Bisher ist jedoch ungeklärt, ob im Falle eines erfolgreichen Ansprechens auf eine Vakzinierung dieser Effekt auch über eine längere Frist anhalten kann.

Eine in Italien durchgeführte Studie untersuchte die Kombination von Imatinib mit einer "CMLVAX100" (P210-Derived Multipeptide Vaccine) genannten Impftherapie unter Zugabe von GM-CSF (Stammzell-Wachstumsfaktor). Hierbei wurden 10 vorher mit Imatinib behandelte Patienten untersucht, bei denen im bcr-abl-Fusionsgen ein spezifischer, bei CML sehr häufig auftretender genetischer Bruchpunkt P210-b3a2 vorlag. 9 dieser Patienten wurden vor Beginn der Impfstudie für 12-24 Monate mit Imatinib behandelt und zeigten seit durchschnittlich 10 Monaten eine unveränderte Resterkrankung mit im Mittel 10% Philadelphia-Chromosom-positiver Zellen (Bereich 2-43%). Bei allen 9 Patienten zeigte sich im Laufe der Vakzinierung eine deutliche Reduktion der Ph-positiven Zellen. 5 erreichten eine komplette zytogenetische Remission, bei dreien konnte mit Hilfe der RT-PCR kein P210-b3a2-Transkript mehr nachgewiesen werden. Auch bei sechs weiteren, im Durchschnitt 59 Monate mit Interferon-alpha vorbehandelten Patienten, bei denen durchschnittlich seit 17 Monaten eine stabile Resterkrankung (3% bis 46% Ph+) bestand, sprachen fünf auf die Vakzinierung an, zwei erreichten komplette zytogenetische Remission und einer eine negative RT-PCR bezüglich des P210-b3a2-Transkripts. Diese Studie ist in erster Linie deswegen interessant, da bei den teilnehmenden Patienten trotz Glivec/Interferon-Therapie über einen längeren Zeitraum eine stabiles hohes Resterkrankungsniveau vorlag, wodurch die zusätzliche Gabe des Vaccines besser ablesbar sein könnte. Statistisch repräsentativ ist das Ergebnis jedoch aufgrund der geringen Patientenzahl sicherlich noch nicht. (ASH-Abstract Nr. 93) 

Bei einer in Connecticut, USA, durchgeführten Phase-I-Studie wurden 14 Patienten, die trotz Imatinib-Therapie noch eine deutlich nachweisbare Resterkrankung hatten, zusätzlich mit einer individuellen Immuntherapie mit HSP70 (Hitzeschockprotein 70) behandelt. Es wurden hierbei keine schwerwiegenden Nebenwirkungen festgestellt. Alle Patienten blieben in chronischer Phase. 10 der 14 Patienten erreichten eine Reduktion der Phildelphia-Chromosom-positiven Zellen oder ein verringertes Level an per PCR nachgewiesenen bcr/abl-Transkripten. Eine Phase-II-Studie bei CML in chronischer Phase soll daher angeschlossen werden (ASH-Abstract Nr. 3392). 


Andere neue Wirkstoffe

Weiterhin werden auf der ASH-Jahrestagung Neuigkeiten bzgl. anderen neuen Wirkstoffen vorgestellt. So werden von einem Team um Ohare und Deininger (Portland, USA) erste in-vitro-Ergebnisse des Wirkstoffs AP23464 vorgestellt, die insbesondere im Zusammenhang eines Auftretens von Imatinib-Resistenzen Hoffnung machen. AP23464 stellt sich hierbei als potenter Hemmstoff heraus, mit dem im Laborversuch fünf der sechs häufigsten Mutationen (Q252H, Y253F, M351T and H396P), die in der klinischen Praxis im Zusammenhang mit Imatinib-Resistenzen beobachtet wurden, überwunden werden könnten. Klinische Studien zur Untersuchung des Wirkstoffs bei Patienten sind in Vorbereitung (ASH-Abstract Nr. 59).


Die ASH-Abstracts sind im englischen Originaltext auf folgenden Webseiten abrufbar:

Für Hinweise, welche ASH-Abstracts besonders erwähnenswert sind - insbesondere auch in anderen Fachrichtungen als CML - wäre ich sehr dankbar, z.B. per e-Mail mit der entsprechenden Abstract-Nummer. Diskussion über die hier genannten Themen gerne im Forum


Übersetzung und Inhalte ohne Gewähr. Bitte lesen Sie die Original-Abstracts unter den oben genannten Links. Ich bin sehr dankbar für jeden Hinweis auf fehlerhafte oder missverständliche Inhalte. Übersetzung und Zusammenfassung durchgeführt von Jan.
Ein aktueller deutschsprachiger Artikel von Dr. Andreas Hochhaus von Klinikum Mannheim, der kürzlich in "Onkologie Heute 4/2003" erschienen ist, fasst die vielversprechenden Ergebnisse der vorliegenden CML-Studien zusammen. Außerdem werden offene Fragen der Imatinib-Therapie wie Therapiedauer, Dosierung, Nebenwirkungen, Relevanz der Höhe der Resterkrankung sowie Häufigkeit der Resistenzentwicklungen bei Langzeittherapie behandelt. 

Die Inhalte des Artikels umfassen die Wirkungsweise von Imatinib (Glivec), die Ergebnisse von klinischen Studien, übliche Nebenwirkungen der Imatinib-Therapie, die Überwachung des therapeutischen Ansprechens, die Resistenzentwicklung auf Imatinib, die Prognose des Therapieverlaufs sowie Imatinib-basierte Kombinationstherapien.

Hier einige Kernaussagen aus dem Artikel:

Studienergebnisse: Von nicht vorbehandelten Imatinib-Patienten erreichten 96% eine komplette hämatologische und 76% eine komplette zytogenetische Remission. Komplette molekulare Remissionen sind (bisher) selten.

Nebenwirkungen: Imatinib wird im allgemeinen gut toleriert. Nebenwirkungen treten auf, sind aber meist gering ausgeprägt und gut tolerabel. Häufig sind milde Übelkeit, Flüssigkeitsansammlungen mit Ödemen, Muskelkrämpfe und Hautrötung bis zur Dermatitis. Die Verträglichkeit von Imatinib wird verbessert durch Einnahme nach dem Essen. Gegen die Symptome können Kochsalzrestriktion, Diuretika und Magnesium eingesetzt werden.

Beobachtung der Resterkrankung: Die Vielfältigkeit der Therapiemöglichkeiten verlangt eine konsequente hämatologische, zytogenetische und molekulare Kontrolle und Bewertung. Im Verlauf unter Therapie werden zytogenetische Untersuchungen [mit einer Knochenmarkpunktion] zum Nachweis der Remissionsqualität und frühzeitiger Entdeckung einer klonalen Evolution mindestens halbjährlich empfohlen. Die quantitative Real-Time-PCR erlaubt die rasche Beurteilung der Remissionsqualität und ihrer Dynamik aus dem peripheren Blut. 

Prognose: Die Prognose eines CML-Patienten erscheint um so besser zu sein, je früher mit der Therapie begonnen und je rascher die Tumorlast auf ein Minimum reduziert wird. Das molekulare Ansprechen geht dem zytogenetischen Ansprechen voraus, d.h. bereits ab Monat 2 [der Imatinib-Therapie] lässt sich ein gutes Ansprechen vorhersagen. Ein Unterschreiten des BCR-ABL/ABL Quotienten von 0,1% ist in der chronischen Phase mit einer guten Prognose assoziiert. Demnach ist es prognostisch wichtig, den Quotienten BCR-ABL/ABL von 0,1% dauerhaft zu unterschreiten. Das Erreichen einer zytogenetischen Remission nach einem Jahr wurde auch unter Therapie mit Imatinib als günstiger prognostischer Faktor identifiziert. 

Resistenzen: Nach zwei Jahren Imatinib-Therapie wurde nach Erreichen einer hämatologischen Remission bei 4% der Patienten in chronischer Phase unter primärer Imatinib-Therapie, bei 13% unter
sekundärer Imatinib-Therapie nach Interferon-Versagen, in 51% der Patienten in akzelerierter Phase und
88% der Patienten in myeloischer Blastenkrise die Bildung einer Resistenz beobachtet. 

Gegenmaßnahmen: Wichtigste vorbeugende Maßnahme zur Verhinderung von Resistenzen ist die Vermeidung von subtherapeutischen Dosen kleiner 300 mg Imatinib/Tag. Als therapeutische Maßnahmen zur Therapie einer Imatinib-Resistenz in Frage kommen zunächst die Dosiserhöhung auf bis zu 800 mg/Tag, die Kombination mit synergistisch wirkenden Zytostatika (Ara-C, Homoharringtonin), oder Absetzen von Imatinib zur Zurückdrängung der klonalen Selektion der resistenten Zellen. 

Kombinationstherapien: Additive bis synergistische Effekte wurden in vitro bei einer Reihe von Wirkstoffen in Kombination mit Imatinib gefunden (z.B. Ara-C, Homoharringtonin, Vincristin). Besonders interessant ist der zusätzliche immunstimulierende Effekt von Interferon in Kombination mit Imatinib. Ergebnisse der ersten Phase-I/II-Studien (Imatinib +Interferon, +pegyliertes IFN 2a (Pegasys), +pegyliertes IFN 2b (PegIntron), +AraC) demonstrieren die Machbarkeit solcher Kombinationen.

Studien: Empfohlen wird die Therapie im Rahmen einer prospektiven Studie wie der CML-Studie IV. Ziel ist ein risikoorientiertes Therapiemanagement für den einzelnen Patienten im Rahmen kontrollierter Studien. 


Quelle / Artikel im Volltext:
Artikel "Hemmung der BCR-ABL-Tyrosinkinase bei CML - Aktuelle Ergebnisse und offene Fragen", Andreas Hochhaus, III. Medizinische Universitätsklinik, Klinikum Mannheim der Universität Heidelberg, erschienen im November 2003 in Onkologie Heute 4/2003, S. 22-28, hier als PDF-Datei abrufbar, Acrobat Reader erforderlich.
Mehr als drei Viertel aller Patienten erreichen unter Glivec ein komplettes zytogenetisches Ansprechen. Bei einem geringen Prozentsatz der Patienten stellt sich sogar eine komplette molekulare Remission ein, bei der selbst mit sensitivsten PCR-Methoden keine Resterkrankung mehr nachgewiesen werden kann. Bei genau diesen Patienten ist bisher unklar, ob die Therapie zur Remissionserhaltung fortgesetzt werden sollte oder Glivec ohne das Risiko eines Rückfalls abgesetzt werden könnte. In einem kürzlich von Dr. Mauro und Dr. Druker (OHSU) veröffentlichten Artikel wurde nun erstmals von zwei Patienten berichtet, die das Medikament nach dem Erreichen einer molekularen Remission abgesetzt haben.

Der Artikel "Divergent Clinical Outcome In Two CML Patients Who Discontinued Imatinib Therapy After Achieving A Molecular Remission" beschreibt das sehr unterschiedliche Ergebnis dieser beiden Fälle, bei dem einer während der Therapieunterbrechung in kompletter molekularer Remission verblieb, während der andere einen deutlichen Rückfall erlitt. Dies unterstreicht die Unsicherheit, die Glivec-Therapie zu unterbrechen, so die Autoren. Trotz einer fehlenden Nachweisbarkeit von bcr-abl-Transkripten könne bei diesen Patienten noch ein subklinisches Reservoir von CML-Zellen vorhanden sein, die nach dem Absetzen einen Rückfall auslösen könnten.

Beide Patienten wurden nach einer fehlgeschlagenen Ersttherapie anschließend mit Glivec behandelt und nach Studienende unter dieser Medikation weiterbetreut. Regelmäßige Untersuchungen schlossen Zytogenetik, FISH und quantitative PCR mit einer Sensitivität von 1 in 1 Million Zellen ein. 


Patient 1

Bei der 36jährigen weiblichen Patientin wurde im März 2000 CML in chronischer Phase diagnostiziert. Nachdem sich in zwei Interferon-Studien unvollständiges hämatologisches Ansprechen sowie Toxizitäten zeigten, wurde sie 12 Monate nach Diagnose mit Glivec behandelt. 4 Wochen nach Beginn mit Glivec stellt sich eine hämatologische, 3 Monate nach Beginn komplete zytogenetische Remission ein. qPCR vom Knochenmark war nach 9 und 12 Monaten negativ. Im Monat 13 wurde eine Stammzellkonservierung vorgenommen. FISH-Untersuchungen in den Monaten 14, 15 und 16 waren negativ.

Im Monat 17 musste die Patientin Glivec aufgrund moderater Nebenwirkungen wie z.B. sich verstärkender Fatigue absetzen. Zytogenetik und FISH waren in Monat 18 wie auch FISH aus dem peripheren Blut in Monat 19 negativ. In Monat 20, 12 Wochen nach Unterbrechung der Therapie, zeigte die Zytogenetik 28% positive und FISH 3,4% positive Zellen. Die Glivec-Therapie wurde wieder mit 400mg, allerdings zur Nebenwirkungsreduktion nur an 5 Tagen pro Woche, wieder aufgenommen. 4 Wochen nach dem Neustart betrug die Zytogenetik nur noch 12% Ph+, nach 4 Monate war wieder zytogenetische Remission erreicht. Zum Zeitpunkt der Publikation war die Patientin weiterhin auf 400mg an 5 Tagen/Woche.


Patient 2

Die ebenfalls 36 Jahre alte Patientin erhielt im Januar 2000 die Diagnose CML in chronischer Phase. Zuvor war sie wegen Autoimmun-Arthritis in Behandlung. Aufgrund des langsamen Anstiegs der Leukozyten wurde die CML in den ersten 8 Monaten nach Diagnose nicht behandelt. Dann wurde die Therapie mit Hydroxyurea und Anagrelide begonnen, eine Interferon-Therapie wurde wegen ihrer medizinischen Vorgeschichte als zu risikobehaftet betrachtet. 10 Monate nach der Diagnose begann sie mit Glivec-Therapie.

Nach einem Monat erreichte sie komplette hämatologische, nach 3 Monaten komplette zytogenetische Remission. Nach 9 Monaten waren mit qPCR keine BCR-ABL-Transkripte mehr nachweisbar. Im Monat 17, zwei Wochen nach Entdeckung einer Schwangerschaft, unterbrach die Patientin die Therapie. Das Baby wurde ohne Komplikationen gesund geboren, und noch ein Jahr nach der Unterbrechung der Therapie waren alle CML-Untersuchungen (qPCR) negativ. 13 Monate nach Abbruch der Therapie wurde die Glivec-Therapie aufgrund Besorgnis wegen eines potentiellen Rückfalls wieder aufgenommen. Ob die Patientin über die 13 Monate hinaus in Remission geblieben wäre, bleibt daher unbekannt.


Fazit

Wie diesen zwei Fällen zu entnehmen ist, kann ein Absetzen des Medikaments nach Erreichen einer kompletten molekularen Remission, bei der kein BCR-ABL mehr nachweisbar ist, unterschiedliche klinische Ergebnisse haben. Beide Patienten erreichten innerhalb von 3 Monaten eine komplette zytogenetische Remission, was von den Autoren gemäß den zweijährigen Erkenntnissen der bisherigen Phase-II-Studie als guter Prognosefaktor für das Erreichen einer anhaltenden Remission und hohen Überlebenswahrscheinlichkeit gilt. Trotz fehlendem Nachweis des bcr-abl-Transkripts bei Patient 1 trat ein Rückfall und ein rascher Anstieg in qPCR kurz nach Unterbrechung der Therapie, gefolgt von einem kompletten Verlust des zytogenetischen Ansprechens binnen 12 Wochen, ein. 

Die Autoren schließen aus der Untersuchung, dass eine Negativität auf molekularer Ebene nicht mit einer Heilung gleichgesetzt werden könne. Selbst bei qPCR-Negativität bei einer Sensitivität von 1 in 1 Million Zellen könnten im Körper weiterhin bis zu einer Million leukämische Zellen vorhanden sein. Ob es einige Patienten geben könnte, die nach Erreichen einer molekularen Remission auf sichere Weise die Glivec-Therapie unterbrechen können, bleibt daher weiterhin ungeklärt. Die Autoren empfehlen daher zum heutigen Stand auf jeden Fall ein Fortsetzen der Glivec-Therapie mit regelmäßiger Kontrolle des bcr-abl-Niveaus.

Quelle: In Auszügen aus dem Englischen übersetzten von jan: 
Leukemia Research Artikel "Divergent Clinical Outcome In Two CML Patients Who Discontinued Imatinib Therapy After Achieving A Molecular Remission", Michael J. Mauro, Brian J. Druker, Richard T. Marziaz, Oregon Cancer Institute, Oregon Health & Science University, USA. (Download als PDF, Acrobat Reader erforderlich)