Leukämie bei Kindern und Jugendlichen

An dieser Stelle findet Ihr Informationen rund um das Thema pädiatrische Leukämie, zum Beispiel

    – deutsche Übersetzungen zu aktuellen relevanten Artikeln und Studien zu pädatrischen Leukämien

    – Aufzeichnungen von Online-Patientenseminaren

    – aktuelle Hinweise zu Veranstaltungen und Treffen

    – sowie allgemeine Neuigkeiten und interessante Informationen zu dieser Erkrankung

 


 

Der seltene Fall einer Leukämieerkrankung bei einem monochorialen Zwilling bot britischen Experten gemäß einer Veröffentlichung im Fachmagazin "Science" die Möglichkeit, die bisher vermutete Stammzellenhypothese der Akuten Lymphoblastischen Leukämie (ALL) bei Kindern zu beweisen. Die Stammzellhypothese besagt, dass die ALL und möglicherweise auch andere Leukämieformen, in zwei Schritten entstehen.

Im ersten Schritt entsteht eine tumorpropagierende Zelle (die Krebs-Stammzelle), aus der sich dann in einem zweiten Schritt eine Leukämiezelle entwickelt. Die Forscher vermuten seit einige Zeit, dass bei einer Variante der ALL, der "common ALL" (c-ALL), der erste Schritt in einer chromosomalen Translokation besteht: Zwei Abschnitte von unterschiedlichen Chromosomen werden zu einem neuen Gen, dem TEL-AML1-Gen, fusioniert. Dies sind die prä-leukämischen Krebs-Stammzellen, denen im zweiten Schritt dann die ALL entsteht.

Tariq Enver von der Oxford Universität kann diese Hypothese jetzt durch die Untersuchung eines Zwillingspaares belegen. Isabella und Olivia sind monochoriale Zwillinge. Sie teilten sich im Uterus die gleiche Plazenta. Damit erfolgte auch ein Blutaustausch zwischen den beiden Feten. Olivia erkrankte im Alter von 2 Jahren an einer cALL. Wenn die Stammzellhypothese zutrifft und der erste Schritt zur Krebserkrankung bereits im Uterus erfolgt, dann sollten die Krebs-Stammzellen auch bei derzeit noch gesunden Isabella nachweisbar sein.

Genau dies war der Fall. Im Blut von Isabella fanden die Forscher Leukozyten mit der TEL-AML1-Translokation. Dass diese Zellen tatsächlich das Potenzial haben, sich zur Leukämie zu entwickeln, belegen die Forscher in einem Experiment an immundefizienten Mäusen. Diese erkrankten nach der Infusion der Krebs-Stammzellen an einer Leukämie. Ob auch das derzeit noch gesunde Mädchen Isabella später einmal an Leukämie erkranken wird, ist nicht bekannt. Enver schätzt die Chancen auf etwa zehn Prozent.

Die Wahrscheinlichkeit sei jedenfalls zu gering, um derzeit eine Chemotherapie bei dem Mädchen zu rechtfertigen, um die Krebs-Stammzelle zu entfernen. Die Risiken der Therapie seien eindeutig höher als das potenzielle Krebsrisiko. Wenn die Leukämie noch im Kindesalter auftritt, sind die Chancen einer Heilung gut. Sie liegen mittlerweile bei 90 Prozent. Bei Olivia wurde die Leukämie bereits erfolgreich behandelt. Die Therapie verlief jedoch nicht komplikationslos. Nach einer Augeninfektion erblindete das Mädchen auf einem Auge.

Quelle: Deutsches Ärzteblatt vom 18.01.2008
Dank den verbesserten Therapiemöglichkeiten ist die Krebsdiagnose bei einem Kind nicht mehr gleichbedeutend mit einem Todesurteil. Nun aber steht die Medizin vor der Frage, wie die Spätfolgen und Zweittumoren der Überlebenden anzugehen sind. Die National Academies of Science von Amerika haben vor kurzem in Washington einen Untersuchungsbericht zu einem Thema vorgelegt, das bisher kaum erforscht worden ist und im Schatten der glanzvollen Erfolge stand, welche die Medizin in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten errungen hat: das weitere Schicksal von Menschen, die im Kindesalter an Krebs erkrankt sind und diesen überlebt, aber nicht immer überwunden haben.

Die National Academies of Science von Amerika haben vor kurzem in Washington einen Untersuchungsbericht zu einem Thema vorgelegt, das bisher kaum erforscht worden ist und im Schatten der glanzvollen Erfolge stand, welche die Medizin in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten errungen hat: das weitere Schicksal von Menschen, die im Kindesalter an Krebs erkrankt sind und diesen überlebt, aber nicht immer überwunden haben.

In den USA erkranken pro Jahr 12.000 Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren an einem bösartigen Tumorleiden (Malignom). Die jährliche Erkrankungsrate von 15,3 pro 100.000 Kinder und Heranwachsende sowie das Risiko, zwischen Geburt und zwanzigstem Lebensjahr an Krebs zu erkranken – es trifft statistisch eines von 300 Kindern –, dürften in anderen Industrienationen vergleichbar hoch sein. Malignome sind in Amerika bei Kleinkindern die häufigste, bei 5- bis 14-Jährigen die zweithäufigste Todesursache.

Dabei ist das Spektrum der Erkrankungen ein völlig anderes als bei Erwachsenen, wo Bronchial-, Darm-, Brust- und Prostatakarzinome die Krebsstatistiken anführen. Bei Kindern sind Leukämien, Tumoren des Zentralnervensystems und Malignome des lymphatischen Systems führend. Während bösartige Tumoren des Gehirns noch immer mit einer hohen Sterblichkeit verbunden sind, sind bei der Therapie der verschiedenen Leukämieformen enorme Fortschritte erzielt worden. Mit Ausnahme der akuten myeloischen Leukämie sind heute Fünf-Jahres-Überlebensraten von 80 Prozent und mehr nicht ungewöhnlich.

Ähnlich ist die Entwicklung bei den lymphatischen Tumoren; die Fünf-Jahres-Überlebensrate des Hodgkin-Lymphoms liegt nach Angaben der Akademie heute bei einst für unmöglich gehaltenen 92 Prozent, die des Non-Hodgkin-Lymphoms bei 73 Prozent. Insgesamt hat die Überlebensrate der kindlichen Krebspatienten (78 Prozent) längst jene der Erwachsenen mit 62 Prozent überholt. Als wichtigste Gründe dafür gelten die spezifischere Betreuung der Kinder (sie werden eher als Erwachsene in einem spezialisierten Krebszentrum behandelt) sowie biologische Unterschiede bei den Tumorzellen. Diese teilen sich im Kindesalter häufig besonders schnell, was rasch wachsende Malignome zur Folge hat. Doch gerade diese Zellen sprechen oft besonders gut an auf moderne Krebsbehandlungen aus Chirurgie, Strahlen- und Chemotherapie.

Waren Überlebende von Krebserkrankungen im Kindesalter einst eine demographische Rarität, teilen heute in den USA fast 300.000 Bürgerinnen und Bürger dieses Schicksal. Wie im Bericht der Wissenschafter dargelegt, ist der (überlebte) Krebs aber oft Ursache weiterhin behandlungsbedürftiger chronischer Krankheiten. So leiden zwei Drittel der Überlebenden unter mindestens einer gravierenden Einschränkung der Lebensqualität. Ein einheitliches diagnostisches Vorgehen ist aber illusorisch, denn manche dieser Nach- und Nebenwirkungen werden bereits bei frühen Kontrolluntersuchungen entdeckt, andere manifestieren sich erst nach Jahren.

Als wichtigste Folgeerscheinung bezeichnen die Wissenschafter in ihrem Report den Verlust von kognitiven Fähigkeiten nach der Therapie von Tumoren des Zentralnervensystems sowie nach Strahlentherapie von Leukämien und Lymphomen – dies betreffe fast 60 Prozent der behandelten Patienten. Die Betroffenen weisen ein schwaches Kurzzeitgedächtnis auf und haben Schwierigkeiten mit der Aufmerksamkeit, der Konzentration sowie der Koordination der Motorik. Sie können im Extremfall Intelligenzdefizite von bis zu 50 IQ-Punkten aufweisen. Zudem können Strahlentherapie und manche Chemotherapeutika zu einer Schädigung des Herzens führen und in der Lunge die Narbenbildung anregen, was die Leistung der Lungen und damit die körperliche Leistungsfähigkeit der Patienten einschränkt.

Mädchen sind nach einer Strahlentherapie eines Hodgkin-Lymphoms hochgradig gefährdet, 20 oder 30 Jahre später an einem Mammakarzinom zu erkranken. Überhaupt sind Zweittumoren an einem anderen als dem ursprünglichen Organ ein grosses Problem bei Patienten, die als Kinder einen Tumor überlebt haben: Die Erkrankungswahrscheinlichkeit beträgt für sie das Fünf- bis Zwanzigfache der Normalbevölkerung.

Der Bericht kommt zum Schluss, dass die Gesundheitssysteme nicht ausreichend für die Versorgung dieser speziellen Patientengruppe eingerichtet sind. Es müssten Standards für die langfristige interdisziplinäre Betreuung geschaffen werden. Dieser Anregung und der Aufforderung nach verstärkter klinischer Erforschung der Spätfolgen liegt die Erkenntnis zugrunde: Es gibt keinen endgültigen Sieg über den Krebs. 

Quelle: NZZ Online.ch vom 29.01.2008
Das von der Wilhelm Sander Stiftung seit 2005 mit 165.000 Euro unterstützte Forschungsprojekt zur Identifizierung und Charakterisierung von resistenten, persistierenden Leukämiezellen bei Kindern mit akuter lymphatischer Leukämie (ALL), erhielt im Dezember 2007 für weitere 2 Jahre von der Wilhelm Sander Stiftung eine Anschlußförderung. Ziel des Projektes ist die frühzeitige Diagnose kleinster Mengen persistierender Leukämiezellen, um mit einer rechtzeitigen Umstellung auf eine intensivierte Therapie eine vollständige Heilung zu ermöglichen. 

Außerdem soll geprüft werden, ob bei einer schon frühzeitig im Therapieverlauf nicht mehr nachweisbaren Leukämie die zytostatische Therapie auch reduziert werden kann. So ermöglicht das Monitoring der Restleukämiezellen im Knochenmark und auch im peripheren Blut die Steuerung der Therapie in Abhängigkeit vom Ansprechen der Leukämie. Der Vorteil der in dem Projekt angewandten multiparametrischen Durchflußzytometrie besteht in der raschen Durchführbarkeit, der hohen Empfindlichkeit und den schnell zur Verfügung stehenden Ergebnissen.

Die Heilung bzw. das Risiko, einen Rückfall der akuten Leukämie zu erleiden, hängen im Wesentlichen davon ab, in welchem Umfang die Leukämiezellen im Körper durch die Therapie eliminiert werden können. Hier setzen auch die klinisch-orientierten Forschungsprojekte der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. W.-D. Ludwig, Dr. L. Karawajew und Dr. R. Ratei an, die ein sehr empfindliches Verfahren zum Nachweis von residualen Leukämiezellen, die nicht im Lichtmikroskop entdeckt werden können, etabliert haben. 

Im Gegensatz zu normalen Zellen exprimieren Leukämiezellen auf ihrer Zelloberfläche atypische Antigene und können anhand eines leukämiespezifischen Antigenprofils eindeutig identifiziert und quantifiziert werden. Es ist heute mit diesem Verfahren und molekularbiologischen Techniken möglich, eine Leukämiezelle unter 10.000 normalen Knochenmark- oder Blutzellen zu erkennen. Nach Isolierung der durch Chemotherapie (und/oder Blutstammzelltransplantation) nicht eliminierten Leukämiezellen mit speziellen Zellsortierungsverfahren können die molekularen Eigenschaften dieser Leukämiezellen durch eine genomweite Genexpressionsanalyse charakterisiert werden. 

Die Untersuchungen der Bucher Arbeitsgruppe haben gezeigt, dass in residualen Leukämiezellen die Kontrolle des Zellzyklus und Zellwachstums verändert wird und dies eine mögliche Erklärung für das unzureichende Ansprechen auf vorwiegend proliferierende Zellen wirkende Zytostatika darstellt. Diese Erkenntnisse können genutzt werden, um die Diagnostik bei akuten Leukämien zu verbessern, das Therapieansprechen frühzeitig mit Hilfe sehr empfindlicher Methoden zu überprüfen und risikoadaptierte Therapiestrategien zu entwickeln. Langfristiges Ziel dieser Untersuchungen ist es, anhand der Identifizierung von leukämiespezifischen bzw. -assoziierten Zielstrukturen einen Beitrag für die Entwicklung neuartiger Wirkstoffe zur Leukämiebehandlung zu leisten. 

Über die Wilhelm-Sander-Stiftung


Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert dieses Forschungsprojekt in einer zweiten Förderperiode mit über 200.000 €. Stiftungszweck der Stiftung ist die medizinische Forschung, insbesondere Projekte im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden dabei insgesamt über 160 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist. 

Quelle: idw-Mitteilung vom 11.02.2008
Für die Therapie von krebskranken Kindern ist die Zulassung neuer Medikamente erforderlich, hat Professor Thomas Klingebiel, der Vorsitzende der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) betont.


Dazu müssten Phase-I- und Phase-II-Studien aufgelegt oder weitergeführt werden. Der Aufwand für solche Studien sei deutlich höher als für die klassische Therapieoptimierung und benötige eine neue Infrastruktur, sagte der Direktor der Klinik für Onkologie, Hämatologie und Hämostaseologie am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Uniklinikums Frankfurt am Main. Veröffentlicht wurde das Interview vorab in der Zeitschrift "Wir", die die Deutsche Kinderkrebsstiftung herausgibt.

Quelle: Ärzte Zeitung, 18.02.2008
Kinder, die Krippen oder Spielgruppen besuchen, sind US-Forschern zufolge deutlich weniger anfällig für Leukämie. In einer in London vorgestellten Studie stellten die Wissenschaftler eine um 30 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit bei diesen Kindern fest, an Blutkrebs zu erkranken. Die Experten der Universität von Kalifornien in Berkeley verglichen bei ihren Arbeiten insgesamt 14 verschiedene Studien an rund 20.000 Kindern

"Insgesamt sehen wir eine Senkung des Leukämie-Risikos um 30 Prozent bei Kindern, die in Spielgruppen waren oder in sehr jungen Jahren mit anderen Kindern in Kontakt kamen, gegenüber Kindern, die diese Erfahrung nicht hatten", sagte die Ärztin Patricia Buffler im BBC-Fernsehen.

Leukämie ist in den Industriestaaten die häufigste Krebsform bei jungen Menschen und betrifft im Schnitt eines von 2000 Kindern. Nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft gibt es zwei große Auslöser der Krankheit. Einer ist eine genetische Mutation, die noch im Mutterleib stattfindet. Ein zweiter Auslöser ist vermutlich eine Infektion im Kindesalter, auf die der Körper "unangemessen" reagiert und so für Leukämie anfälliger wird.

Jetzt gehen die Forscher davon aus, dass diese unangemessene Reaktion weniger wahrscheinlich wird, wenn das Immunsystem durch die üblichen Kinderinfektionen wie Husten und Schnupfen abgehärtet wird. "Wir gehen davon aus, dass diese Erfahrung in jungen Jahren das Immunsystem besser vorbereitet, als wenn das Kind isoliert ist", erläuterte Buffler. 

Quelle: Aachener Zeitung vom 29.04.08l
Kindergartenkinder bekommen nach Erkenntnis amerikanischer Forscher seltener Blutkrebs als andere Altersgenossen. Das hat die Analyse von insgesamt 14 Studien mit mehr als 6.000 Leukämie-Kindern ergeben. "In unserer Analyse kommen wir zu dem Ergebnis, dass Kinder, die Kindertagesstätten oder Spielgruppen besuchen, ein um 30 Prozent geringeres Risiko haben, an Leukämie zu erkranken", hat Forschungsleiterin Patricia Buffler von der Universität von Kalifornien auf einer Konferenz für pädiatrische Onkologie in London berichtet.

Daten von über 14.000 Kindern ausgewertet


Der Grund für diesen möglichen Effekt sei in der Analyse jedoch nicht untersucht worden. Die Beobachtung stütze jedoch die These, dass ein frühes Training des Immunsystems - etwa durch die Vielzahl der im Kindergarten zirkulierenden Keime - einen schützenden Effekt gegen Leukämie habe.

Leukämie ist in den Industrieländern die häufigste Krebserkrankung bei Kindern und trifft dort etwa eines von 2.000 Kindern. In 80 Prozent aller Fälle handelt es sich um die akute lymphatische Leukämie (ALL), die meist im Alter zwischen zwei und fünf Jahren auftritt. Auf diese Form konzentriert sich auch die US-Analyse. Sie fasst 14 Studien mit insgesamt 6.108 leukämiekranken und 13.704 gleichalten gesunden Vergleichskindern zusammen. Die Eltern hatten jeweils Angaben zu Kindergarten- oder Spielgruppenbesuch sowie zu anderen Sozialkontakten gemacht.

In zwölf der Studien hatte sich bereits einen gewisser Schutz angedeutet, zwei Studien hatten keinen Effekt belegt. "Die Kombination der Studiendaten stärkt unsere Zuversicht darin, dass der schützende Effekt tatsächlich existiert", betonte Buffler.

Quelle: Ärzte-Zeitung vom 05.05.2008
Etwa neun von zehn Kindern, die heute an einer Leukämie oder einem Lymphom erkranken, dürfen auf eine Heilung hoffen, berichten Epidemiologen des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) im Journal of the National Cancer Institute.

Dass hämatologische Tumoren bei Kindern, die früher immer tödlich waren, heute in der Mehrzahl geheilt werden können, ist bekannt. Die meist genannten Zahlen stammen jedoch aus den 90er-Jahren und sind nach Einschätzung von Hermann Brenner vom DKFZ inzwischen überholt.

Der Epidemiologe legte deshalb auf der Basis einer Analyse des amerikanischen Krebsregisters SEERS (Surveillance, Epidemiology, and End Results) neue Zahlen vor. Danach haben sich die Zehn-Jahresüberlebensraten bei der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) im Jahrzehnt zwischen 1990/4 und 2000/4 von 73,4 auf 83,8 Prozent verbessert.

Für die Gegenwart sagt der Experte eine 10-Jahresüberlebensrate von 88 Prozent voraus. Etwas ungünstiger sind die Ergebnisse bei der akuten nicht lymphatischen Leukämie. Die Zehn-Jahresüberlebensraten betragen heute 63,9 Prozent, was aber ein deutlicher Fortschritt gegenüber 1990/4 ist, wo nur 38,7 langfristig überlebten.

Beim Non-Hodgkin-Lymphom dürfen heute 90,6 Prozent der Kinder auf eine Heilung hoffen, beim Morbus Hodgkin sind es sogar 94,3 Prozent. Beim Non-Hodgkin-Lymphom bedeutet dies eine Verbesserung gegenüber 1990/94, als 76,6 Prozent zehn Jahre oder länger überlebten. Beim Morbus Hodgkin ist die Zehn-Jahresüberlebensrate dagegen ein wenig abgefallen (96,1 in 1990/4).

Quelle: Ärzte Blatt vom 11.09.08. Veröffentlicht im Journal of the National Cancer Institute (2008; 100: 1301-1309).
Das Kind ist müde und schlapp, mag nicht spielen und hat leichtes Fieber - Symptome, wie sie bei jedem kleinen Infekt auftreten können, der schnell wieder vergessen ist. "Wenn allerdings nach vier Tagen keine Besserung eingetreten ist, sollten Eltern mit ihrem Kind einen Kinderarzt aufsuchen, um der Ursache genauer auf den Grund zu gehen", rät Prof. Reinhard Schneppenheim, Direktor des Kinderkrebszentrums am Universitätsklinikum Eppendorf. Denn wenn solche allgemeinen Beschwerden andauern, kann auch eine beginnende Leukämie dahinterstecken. Akute Leukämien sind die häufigsten bösartigen Erkrankungen bei Kindern und treten vor allem im Vorschulalter auf. Die häufigste Form ist die akute lymphatische Leukämie, wesentlich seltener ist die akute myeloische Leukämie.

Im weiteren Verlauf der Erkrankung kommt es zu typischen Anzeichen, die den Kinderarzt dazu veranlassen, das Kind gleich in die Onkologie zu überweisen. "Klassische Zeichen sind z. B. Hautblutungen, entweder als flohstichartige Blutungen oder großflächige blaue Flecken ohne Verletzung, und deutlich sichtbar angeschwollene Lymphknoten", sagt Schneppenheim.

Hautblutungen sind fast immer auf eine starke Verminderung der Blutplättchen zurückzuführen, weil das Knochenmark gefüllt ist mit Leukämiezellen, sodass es keine normalen Zellen mehr bilden kann, aus denen sich die Blutplättchen sowie weiße und rote Blutkörperchen ableiten. "Die Verminderung der roten Blutkörperchen zeigt sich daran, dass die Kinder meistens leistungsgeschwächt sind, nicht mehr laufen oder spielen mögen und sich öfter hinlegen. Auch die normalen weißen gehen zurück, sodass die Infektabwehr geschwächt ist, deswegen kommt es zu Infekten mit hohem Fieber", erklärt der Onkologe.

In der Klinik wird das Kind gründlich untersucht, ein Blutbild und andere Laborwerte überprüft. Mit dem Ultraschall können die Ärzte feststellen, ob Leber und Milz vergrößert sind.

"Um ganz sicherzugehen, wird das Knochenmark auf bösartige Zellen untersucht, weil diese in 25 Prozent der Fälle im Blut nicht zu finden sind", sagt Schneppenheim. Bei einer akuten lymphatischen Leukämie sind über 90 Prozent der Zellen im Knochenmark bösartig.

Wenn ein Patient morgens in die Klinik kommt, werden die Untersuchungen so rasch durchgeführt, dass nachmittags die Diagnose feststeht und die Ärzte mit den Eltern das Aufklärungsgespräch führen, in denen die Erkrankung, ihr natürlicher Verlauf und Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Die Behandlung ist eine Chemotherapie mit einer ganzen Reihe verschiedener Medikamente, die sich im Laufe der letzten vier Jahrzehnte als wirksam erwiesen haben. Sie besteht aus Therapieblöcken, nach denen die Patienten wieder nach Hause gehen. Die gesamte Therapie dauert ein halbes Jahr und kann mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden sein. "Die häufigsten Nebenwirkungen sind schwere Infektionen, Schleimhautentzündungen im Mund mit offenen Stellen und Haarausfall. Die Übelkeit kann gut medikamentös behandelt werden", sagt Schneppenheim.

Doch sind diese Strapazen überstanden, ist in den meisten Fällen das Schlimmste vorüber, und Kinder und Eltern können aufatmen: Die Erfolgsrate dieser Therapie liegt bei der akuten lymphatischen Leukämie auf Anhieb bei 80 Prozent. Wenn es zum Rückfall kommen sollte, kann man noch mit einer weiteren Therapie Heilerfolge erzielen.

Wenn die Therapie nicht erfolgreich ist, oder die Leukämie innerhalb der nächsten zwei Jahre wieder auftritt, wird eine Knochenmarktransplantation notwendig. Die Erfolgsquote der Therapie wird immer besser, sodass sie immer seltener nötig ist", berichtet Schneppenheim.

Bei der selteneren akuten myeloischen Leukämie ist eine Knochenmarktransplantation häufiger erforderlich. Die Kinder bekommen zuerst die Chemotherapie und erhalten dann, wenn möglich, eine Knochenmarkspende von einem identischen Familienspender.

Jedes Jahr werden in dem Zentrum am UKE 120 Kinder mit Krebserkrankungen neu behandelt, 600 pro Quartal sind in ständiger Betreuung. Jetzt soll dort die Versorgung von Kindern mit Hirntumoren weiter ausgebaut und durch einen weiteren Spezialisten verstärkt werden.

Hirntumoren sind die zweithäufigste Krebserkrankung bei Kindern. "Es ist nicht nur eine bösartige Erkrankung, sondern dieser Tumor zerstört eventuell auch lebenswichtige oder für die Entwicklung eines Kindes notwendige Strukturen und Hirnareale. Auch eine Operation ist deswegen immer problematisch. Deswegen muss man manchmal entscheiden zwischen Überleben und einer gewissen Behinderung. Das erfordert viel Erfahrung, und deswegen sollten diese Tumoren nur in Zentren behandelt werden, in denen man viele solcher Tumoren sieht. Wir wollen ein Zentrum für Hirntumoren in Deutschland werden", so Schneppenheim.

Der häufigste Hirntumor bei Kindern ist das Medulloblastom. Es kann alle Altersgruppen vom Neugeborenen bis zum Jugendlichen betreffen und zeigt sich durch Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, ohne dass ein Infekt vorliegt, Gleichgewichtsstörungen, Sehstörungen, Schiefhals, Sehen von Doppelbildern.

Die Therapie besteht aus mehreren Säulen: Zunächst wird in einer Operation der Tumor entfernt, dann folgen in der Regel Chemo- und Strahlentherapie. Insgesamt dauert die Behandlung ein halbes bis ein Jahr. Die Erfolgsrate ist sehr unterschiedlich: "Beim Medulloblastom reicht die Heilungsrate von 30 bis 80 Prozent, je nach Untergruppe", sagt Schneppenheim.

Im Forschungsinstitut, das von der Fördergemeinschaft des Kinderkrebszentrums in Kooperation mit dem UKE betrieben wird, erforschen die UKE-Spezialisten neue Wege, um Hirntumoren und Leukämien besser bekämpfen zu können. "Wir wollen die Entstehung von Leukämie und Hirntumoren besser verstehen, um dabei neue Angriffspunkte für eine Therapie zu finden. Das Ziel ist angewandte Forschung, die auch in therapeutische Vorgehensweisen umsetzbar ist", betont Schneppenheim.

Quelle: Abendblatt vom 08.01.09
Britische und US-amerikanische Forscher haben unabhängig voneinander zwei Genvarianten gefunden, die das Risiko auf eine akute lymphatische Leukämie (ALL) erhöhen. Eine Genvariante könnte nach den Berichten in Nature Genetics auch das Ansprechen der Therapie beeinflussen. Leukämie ist in Großbritannien die häufigste Krebsform bei Kindern. Rund 85 Prozent dieser Kinder leiden an ALL.

Die beiden Gene wurden in sogenannten genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) ermittelt. Dazu wurde das Genom von Leukämiepatienten gescannt und an möglichst vielen Stellen mit dem Genom von Gesunden verglichen.

Die US-Gruppe um Mary Relling vom St. Jude Children's Research Hospital in Memphis/Tennessee und die britische Arbeitsgruppe um Richard Houlston vom Institute of Cancer Research in Sutton bei London benutzten die gleichen Techniken, führten die Untersuchungen jedoch an verschiedenen Gruppen durch.

Dass beide zum gleichen Ergebnis kommen, schließt einen Zufall weitgehend aus. Die Varianten in den Genen ARID5B und IKZF1 dürften deshalb Mitverursacher der ungehemmten Vermehrung von Lymphoblasten im Knochenmark sein, die zur ALL führt. Dafür spricht auch, dass beide Gene in der gesunden Variante an der Entwicklung von Lymphozyten beteiligt sind. 

Die US-Gruppe schätzt, dass beide Genvarianten 37 Prozent aller ALL-Erkrankungen bei Kindern erklären könnten, was allerdings nicht bedeutet, dass ein Gentest zum Screening sinnvoll ist. Dazu ist die Erkrankung viel zu selten: In Deutschland kommt es jährlich zu schätzungsweise 500 Erkrankungen. Dennoch ist es die häufigste Leukämie in diesem Alter. Außerdem erkranken nicht alle Kinder mit den Genvarianten an einer ALL. Sie erhöhen das Leukämierisiko “nur” um 30 bis 60 Prozent. 

Eine mögliche Anwendung des Gentests könnte sich für die Therapieplanung ergeben, denn die US-Gruppe berichtet, dass eine der Genvarianten (ARID5B) die Akkumulation von Methotrexat in den Zellen beeinflusst. Die Genträger hatten erhöhte Konzentrationen dieses Zellgifts in den Zellen.

Möglicherweise könnten Patienten mit den Genvarianten durch eine geringere Dosierung des Zytostatikums geheilt werden. Ob dies tatsächlich der Fall ist, können natürlich nur klinische Studien zeigen, auf deren Planung die Studienergebnisse vermutlich Einfluss haben werden

Quellen: Ärzteblatt vom 18.08.2009
Pressetext-Meldung vom 17.08.2009
Auch Zellen brauchen ein Tempolimit - sie müssen ausreifen, und im Zeitraffer funktioniert das nicht richtig. Produzieren weiße Blutkörperchen zu rasch bestimmte Eiweiße, bleiben sie in einem frühen Stadium stecken, in dem sie sich unkontrolliert teilen können. Die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Robert Slany am Lehrstuhl für Genetik der Universität Erlangen-Nürnberg hat die allzu hohe Produktionsgeschwindigkeit als Ursache einer gefährlichen Blutkrebserkrankung bestimmt und beobachtet, wie und wo die dafür verantwortlichen Eiweißmoleküle ansetzen.

Während die Behandlung von Blutkrebs (Leukämie) im frühen Kindesalter eine Erfolgsgeschichte der modernen Medizin darstellt und inzwischen Heilungsraten von nahezu 90 Prozent erreicht werden, gibt es leider immer noch einen Subtyp der Leukämie, vor allem bei Kleinkindern, der sich einer effizienten Behandlung entzieht. Die so genannte "mixed lineage leukemia" ist dadurch gekennzeichnet, dass in den betroffenen Zellen das Chromosom 11 zunächst zerbricht und daraufhin mit anderen Chromosomen "falsch" verheilt. Durch diese unnatürliche Kombination verschmelzen verschiedene Gene miteinander, und in der Zelle wird nach deren "Bauplan" ein Fusionseiweiß produziert, das Leukämie auslöst.

Zum ersten Mal konnte die Arbeitsgruppe an der Naturwissenschaftlichen Fakultät in Erlangen jetzt die biologische Funktion eines solchen Fusionsproteins aufklären.*) Durch die fehlerhafte Verknüpfung zweier - normalerweise getrennt vorliegender - Eiweißmoleküle entstehen "Beschleunigerpro teine", die dazu führen, dass bestimmte, für die Blutzellentwicklung nötige Gene viel schneller als gewöhnlich abgelesen werden.

Wie bei einer Fließbandherstellung, die in zu hohem Takt abläuft, kommt es dadurch zu einer Überproduktion der entsprechenden Genprodukte. Eigentlich müssten die beteiligten Gene abgeschaltet werden, um die Entwicklung von reifen, funktionellen Blutzellen zu ermöglichen, doch in den Leukämiezellen arbeiten diese Gene einfach weiter. Dadurch wird die Zellreifung blockiert. Die betroffenen Zellen werden in einem frühen Entwicklungszustand künstlich festgehalten, in dem sie sich unkontrolliert vermehren können.

Mit der Aufklärung der an diesen Prozessen beteiligten Moleküle eröffnet sich nun auch die Möglichkeit, nach geeigneten Hemmstoffen dieser Proteine zu suchen, um die Taktrate des "Genfließbandes" wieder auf ein Normalmaß zu reduzieren. Erste Kandidaten für solche "Genbremsen" wurden in der Arbeitsgruppe von Prof. Slany bereits identifiziert und werden derzeit auf ihre Verwendbarkeit in der Leukämie-Therapie untersucht.

Quelle: idw vom 24.11.2009

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