Frage zum Überlebenszeitraum

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Ste77
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Re: Frage zum Überlebenszeitraum

Beitrag von Ste77 » 07.08.2025, 20:57

Hallo Lukas,

habe meine Diagnose letztes Jahr erhalten. Habe auch das Internet rauf und runter abgesucht nach irgendwelchen Anhaltspunkten wie "lange" ich noch habe. Schlag dir das am Besten direkt aus dem Kopf, denn du wirst nicht fündig werden. Es gibt zu viele Unbekannte in der Gleichung:
Wie lange dauert es bis man eine Behandlung braucht?
Braucht man überhaupt jemals eine?
Wie gut spricht man auf die Behandlung an?
Wie lange funktioniert die Behandlung bevor man Resistenzen entwickelt?

Wie lange hat man nun also noch zu leben? Irgendwas zwischen 10 und 25 Jahren? Unterscheidet uns das wirklich so sehr von Menschen ohne CLL?

Ich für meinen Teil gehe davon aus, dass die Krankheit meine Lebenserwartung, wenn überhaupt, nur unbedeutend verringert (bin 48).

10 Jahre sind es übrigens das Minimum. So lange schaffen die es in der Regel ab Behandlungsbeginn die Krankheit im Griff zu halten, bei relativ guter Lebensqualität. Und die Medikamente mit denen man behandelt wird, gab es vor 15 Jahren noch gar nicht (zumindest waren sie noch nicht zugelassen). Wer weiß was es in 10-15 Jahren noch alles gibt. Google z.B. mal CAR-T-Zell-Therapie. Da wird ,verkürzt gesagt, dein Immunsystem gentechnisch verändert, damit es die Blutkrebszellen erkennt und angreift.

Gast2025

Re: Frage zum Überlebenszeitraum

Beitrag von Gast2025 » 07.08.2025, 00:59

Hallo Lukas,

im Moment kann Deine Frage niemand beantworten, da die neuen Medikamente so wirksam sind, dass in den Studien die medianen Überlebensraten noch nicht erreicht wurden, selbst bei Patienten mit ungünstiger Genetik der CLL Zellen. Auch die aktuelle S3 Behandlungsrichtlinie darf in Teilen schon wieder als veraltet angesehen werden. So gehen Experten beispielsweise davon aus, dass nach erfolgreicher Kombinationstherapie, d.h. bei Erreichen einer mehrjährigen Remission, die gleichen Wirkstoffe mindestens noch einmal eingesetzt werden können, da es die CLL Zellen sehr schwer haben, auf einen Schlag Resistenzen gegen zwei Wirkstoffe zu entwickeln. Um Dein Szenario aufzugreifen: man könnte V+O nach 7 Jahren wiederholen, evtl. ist dann die Zeit in Remission etwas kürzer, da der Selektionsdruck zu schneller wachsende Zellen führen kann. Aber da könnten dann beispielsweise noch einmal 4 Jahre Remission in 2. Linie nach der Wiederholung von V+O dazukommen und vielleicht lässt sich die Therapie sogar noch einmal wiederholen, aber das ist noch nicht erforscht. Selbst wenn danach sowohl Venetoclax als auch Obinutuzumab "verbrannt" sein sollten, wäre im Anschluss eine Therapie mit BTK-Inhibitoren möglich, was wiederum zu 5-10 Jahren führen dürfte, in denen man die CLL im Griff hat. Ggf. kann man von kovalenten BTK Inhibitoren dann noch einmal auf nicht-kovalente wechseln oder man fängt bis dahin doch gleich mit den nicht-kovalenten an, falls sich herausstellen sollte, dass bei deren frühem Einsatz bessere langfristige Erfolge erzielt werden können. Auch das ist derzeit noch Forschungsgegenstand. Bis dahin dürften zudem die sog. BTK-Degrader etabliert sein. Aber selbst wenn das alles ausgeschöpft sein sollte ist das Ende der therapeutischen Fahnenstange bereits nach heutigem Stand nicht erreicht, ohne dass eine SZT notwendig wäre, man denke nur an bispezifische Antikörper oder CAR-T. Solltest Du eine gutmütige CLL haben, also mit mutiertem IGHV und evtl. nur einer Löschung auf dem Chromosom 13, dann dürfte man die genannten Zeiten vielleicht sogar verdoppeln.

Was ich insgesamt sagen wollte: nimm das Ergebnis der genetischen Analyse gelassen, auch in dem Fall,.das die Markern nicht die günstigsten sind. Schon jetzt ist die Erkrankung in den meisten Fällen über Jahrzehnte kontrollierbar, wie dargestellt, und als jüngerer Patient hast Du vermutlich den Vorteil, die Medikamente gut wegstecken zu können. Vergiss vor allem die Überlebenskurven, die man derzeit mit Google findet. Nicht ohne Grund wird in der aktuellen Forschung nicht mehr das Gesamtüberleben, sondern das progressionsfreie Überleben als Kenngröße einer Therapie verwendet.

Wenn Du Dich in der englischen Sprache einigermaßen sicher fühlst, dann empfehle ich Dir zusätzlich zu dem Forum hier auch auf der Seite healthunlocked.com die Gruppe "CLL Support" *, die schon aufgrund der Internationalität sehr breit aufgestellt ist und eigentlich zu jeder Frage einen kompetenten Teilnehmer hat, der schon einmal in einer vergleichbaren Situation gewesen ist. Die meisten Beiträge dort kann man allerdings erst nach einer Anmeldung lesen.

* https://healthunlocked.com/cllsupport

Joanna
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Re: Frage zum Überlebenszeitraum

Beitrag von Joanna » 06.08.2025, 07:55

Guten Morgen, Lukas und willkommen hier im Forum.
Ich bin auch 56 Jahre alt, habe die Diagnose seit 2016, bin zweimal behandelt (2016 RFC, 2022R+V). Beide Behandlungen haben bei mir gut angeschlagen und mir eine beschwerdefreie Lebensphase ermöglicht. Grad zeigen sich so langsam die ersten CLL-Zellen wieder am Horizont, was ich ziemlich früh finde. Ich habe prognostisch aber auch ungünstige Marker (IGHV unmutiert, TP53). Dafür wären in deinem Fall vermutlich wirklich die Ergebnisse der Mutationsanalyse wichtig, immer blöd, die Warterei. Ich arbeite nur noch halbtags, fühle mich aber normal fit und gesund, passe eine bisschen mehr mit Infektionen auf, trage z.B. im Zug auf langen Strecken noch Maske.
Die Bandbreite, wie die Krankheit verlaufen kann, ist wirklich sehr groß. Du kannst eine normale Lebenserwartung haben oder halt irgendwelche Komplikationen oder schlechtes Ansprechen auf Behandlung. Es scheint in den letzten Jahren wirklich medizinisch in diesem Bereich enorme Weiterentwicklungen gegeben zu haben, die immer noch weitergehen. Von nur zehn Jahren Überlebenszeit würde ich auf gar keinen Fall ausgehen, zumal du ja jetzt schon wirklich von den moderneren Behandlungsformen profitieren kannst.
Da die Krankheit ja oft in sehr hohem Lebensalter auftritt, ist die Lebenserwartung dann ja auch noch durch andere Faktoren bestimmt.
Das ist so meine laienhafte Antwort. Ich finde die Materie nach wie vor sehr kompliziert.
Ich wünsche dir alles Gute, Lukas!
Joanna

Lukas24

Frage zum Überlebenszeitraum

Beitrag von Lukas24 » 06.08.2025, 01:00

Guten Abend,

ich bin Lukas und lese seit drei Wochen das Forum hier hoch und runter. Ich bin 56 Jahre alt und habe seit 4 Wochen die Diagnose CLL.

Mein jetziger Status sind vergrößerte Lymphknoten im Halsbereich. Insbesondere ein eigroßes Ding am Kinn. Im Blutbild normaler HB und erhöhte Leukos. CT zeigte 21 cm Milz, aber ohne körperliche Einschränkungen.

Außer das ich oft müde bin, keine Ahnung, ob ich das nicht schon immer war, habe ich keine Symptome.

Eine "Mutationsanalyse" des Blutes, so wurde mir gesagt, ist erfolgt und ich warte auf die Ergebnisse.

Durch meine Lektüre im Internet habe ich verstanden, dass die Krankheit sehr individuell verläuft, dass die Behandlungen bzw. die Behandlungsmöglichkeiten sich in den letzten Jahren sehr stark gewandelt haben.

Was mir leider überhaupt nicht klar ist, und das belastet mich sehr, ist eine nur annähernde Überlebensprognose.

Wenn ich das in der S3 Richtlinie zur CLL richtig verstehe, erfolgt irgendwann die Erstlinientherapie. V+O oder was auch immer. Wenn es gut läuft, dauert es 6-7 Jahre bis die Krankheit voranschreitet und wieder behandelt werden muss.
Dann bin ich in der zweiten Linie. Der Richtlinie entnehme ich, dass nun nur noch für kurze Zeit verzögert werden kann (2 Jahre ?). Drittlinie ist dann eine Stammzellentransplantion oder was bis dahin dann "State of the Art ist".

Da ich durch meine Prognose getriggert nun aber Entscheidungen für mein Leben treffen möchte (also z.B. arbeite ich weiter, reduziere ich das-------hole ich jetzt alles nach, was ich schon immer machen wollte usw.), stelle ich mir die Frage: 9-10 Jahre , wenns gut läuft ? Oder ist das Quatsch ? Oder kann ich die Erstlinie mehrfach durchlaufen ?

Wie gesagt, mir ist bewusst dass das alles sehr individuell ist und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich alles komplett richtig verstanden habe bisher.

Viele liebe Grüße
und haltet durch
Lukas

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