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EUROSKIÜber die sogenannte "therapiefreie Remission" beziehungsweise die Beendigung der Medikamenteneinnahme nach langanhaltender tiefer molekularer Remission bei CML wurde am diesjährigen ASH wahrscheinlich am meisten berichtet und diskutiert.

Die EUROpäische Stop Tyrosin-Kinase Inhibitor-Studie (EURO-SKI), die weltweit grösste laufende STOP-Studie, hat gerade die Rekrutierung von 700 Patienten beendet. Eine vorläufige Analyse der ersten 200 Patienten aus 8 europäischen Ländern mit einer Beobachtungsdauer von mindestens 12 Monaten wurde jetzt vorgestellt. Die Studie zielt darauf ab, die voraussagende Faktoren zu finden, um den Anteil der CML-Patienten zu erhöhen, bei denen in dauerhafter molekularer Remission die Behandlung mit TKI abgesetzt werden kann. Zusätzlich werden die Prozeduren der molekularen Verlaufskontrolle untersucht und die Lebensqualität vor und während des Stopps bewertet.

Im Unterschied zu früheren Untersuchungen wie der französischen STop IMatinib Studie (STIM) oder den Novartis ENEST-Stop-Studien werden bei dieser Studien etwas entspanntere Voraussetzungen für die Studienteilnahme und die Wiederaufnahme der Therapie angewendet: es wird nur eine MR4-Remission (<0.01% BCR-ABL) über mindestens 1 Jahr oder eine mindestens 3 Jahre andauernde Behandlung mit TKI vorausgesetzt, um absetzen zu können. Außerdem wird die Behandlung erst wird wieder aufgenommen, wenn MMR (BCR-ABL 0.1%) überschritten wird. Im Vergleich dazu hat die erste französische STIM-Studie als Voraussetzung ein tiefereres molekulares Ansprechen (MR 4.5, BCR-ABL <0.0032%) aus Zugangsvoraussetzung gefordert und eine Wiederaufnahme der Behandlung wurde bereits eingeleitet, wenn diese MR4.5 verloren ging.

Die 200 Patienten der EURO-SKI waren im Median 8 Jahre in Behandlung (alle Patienten in einem Bereich von 3-13 Jahren Therapie) und bereits im Median 5 Jahre in MR4 (Bereich 1-12 Jahre), bevor sie die TKI absetzten. Nach dem Absetzen der Behandlung mit TKI konnten 111 der 200 Patienten ohne Behandlung bleiben, 89 von ihnen erlitten einen Rückfall und mussten wieder mit der Therapie beginnen. Wie in der französischen STIM-Studie traten die meisten Rückfälle sehr schnell innerhalb der ersten 6 Monate auf. Von den 89 Patienten mit einem Rückfall erreichten zum Zeitpunkt des Berichtes 76 wieder MMR und 70 wieder MR4. Es wurde kein Fall einer Progression der CML in eine fortgeschrittene Phase festgestellt.

Bezüglich der Voraussagewahrscheinlichkeit eines Rückfalls schien die Dauer der vorausgegangenen Behandlung mit TKI und eine über mehr als 5 Jahre vor dem Absetzen der TKI andauernde MR4 einen positiven Einfluss auf den Stopp-Erfolg zu haben. Die Tiefe des molekularen Ansprechens (MR4 vs. MR4.5 vs. MR5) vor dem Absetzen hatte keinen Einfluss auf das Rückfallrisiko.

31 der 200 Patienten erfuhren mit dem Absetzen zusammenhängende Nebenwirkungen, hauptsächlich Muskel-, Gelenk- und Knochenschmerzen, aber auch Schweissausbrüche, Hautprobleme, depressive Phasen, Müdigkeit und Gewichtsverlust. Keine dieser Nebenwirkungen war schwerwiegend (Grad 4). Es wird noch diskutiert, wie die „Entzugserscheinungen“ der Behandlung mit TKI behandelt bzw. verhindert werden können.

Die geschätzten Einsparungen für die Gesundheitssysteme in den 8 EURO-SKI-Ländern wurde auf 7 Mio. Euro geschätzt.

Innerhalb der Studie werden die Prognosefaktoren, Lebensqualität und andere Faktoren, die einen Einfluss auf die Möglichkeit des Absetzens haben, weiter untersucht und es wird hierzu in Zukunft weitere Publikationen geben - der ASH-Report 2014 berichtete ja nur von einer Vorabanalyse von 200 der insgesamt 700 rekrutierten Patienten.

2GSTOPDie Vorstellung der STOP-2G-TKI-Studie, von der französischen CML-Studiengruppe geführt, hat 52 Patienten rekrutiert. Die Einschlusskriterien dieser Studie waren etwas enger, denn sie forderten eine vorausgegangene Behandlung mit Tyrosinkinasehemmern der zweiten Generation (DasatinibNilotinib, Bosutinib) mit mindestens einer MR4.5 (BCR-ABL <0,0032%) für eine Dauer von mindestens 2 Jahren. Patienten mit einer medianen TKI-Behandlungsdauer von 6.5 Jahren und einer medianen MR4.5-Dauer von 2.3 Jahren vor Therapiestopp wurden über 12-60 Monate beobachtet und in diesem ASH-Bericht beschrieben. Wie bei EURO-SKI wurde das Überschreiten der MMR (0,1% BCR-ABL) als Kriterium für die Wiederaufnahme der Therapie definiert. 24 der 52 Patienten (46%) verloren ihre MMR und mussten die Behandlung wieder aufnehmen.

Eine Beobachtung bei STOP-2G-TKI führte am Ende der Präsentation zu Diskussionen der Fachleute: während die meisten Rückfälle sehr schnell auftraten (im Median nach 3.7 Monaten), trat ein Rückfall 24 Monate und ein weiterer 37 Monate nach dem Absetzen der Behandlung auf. Der Patient mit dem Rückfall nach 37 Monaten war in nach der CML-Diagnosestellung direkt mit einem TKI der zweiten Generation behandelt worden und war in sehr tiefer molekular Remission bis kurz vor dem Rückfall.

Es scheint daher erforderlich, dass die Patienten auch Jahre nach dem Absetzen weiterhin regulär in engmaschiger molekularer Überwachung bleiben müssen. Die gute Nachricht ist trotzdem, dass dieser Patient nach Wiederaufnahme der Behandlung eine tiefe molekulare Remission wiedererlangte. Keiner der Patienten in der STOP-2G-TKI-Studie erlitt eine Progression in eine fortgeschrittene Phase. Alle Patienten mit Rückfällen erreichten MMR innerhalb von 1-6 Monaten und MR4.5 innerhalb von 1-21 Monaten.

Die Prognosefaktoren für ein erfolgreiches Absetzen der Behandlung bleiben jedoch unklar. EURO-SKI hat gezeigt, dass die Dauer der vorausgegangenen Behandlung mit TKI und die Dauer der MR4 vor dem Absetzen der Behandlung die Chance einer behandlungsfreien Remission erhöhen. Die französische STOP-2G-TKI-Studie hat keine Verbindung mit Alter, Geschlecht, Sokal-Risiko zum Zeitpunkt der Diagnose, vorherige Behandlung mit Interferon, Dauer der Behandlung mit TKI, Dauer der MR4.5 und Art des TKI festgestellt. Ein suboptimales Ansprechen oder Resistenz gegenüber Imatinib irgendwann vor Therapiestopp schien jedoch die Erfolgswahrscheinlichkeit des Absetzens unter Dasatinib/Nilotinib-Behandlung in Zweitlinientherapie zu verringern. Die dritte am ASH vorgestellte Stopp-Studie, die Imatinib Suspension and Validation Study (ISAV), zeigte ähnliche Rückfallraten wie EURO-SKI und STOP-2G-TKI, zeigte aber auch, dass ein Alter <45 Jahre oder die Nachweisbarkeit von BCR-ABL mit einer deutlich genaueren „digitalen PCR“-Untersuchung auf ein höheres Rückfallrisiko hinwies. Schliesslich zog die Korean Imatinib Discontinuation Studie (KIDS) die Schlussfolgerung, dass sowohl die Dauer des tiefen molekularen Ansprechens als auch die Dauer der Vorbehandlung mit Imatinib die wichtigsten Prognosefaktoren für ein erfolgreiches Absetzen der Behandlung sind. Es gibt also bisher keine einheitliche Linie.

Um besser zu verstehen, ob spezielle Eigenschaften der individuellen Immunsysteme der Patienten einen Einfluss auf das Rückfallrisiko nach dem Absetzen haben, untersucht eine EURO-SKI-Unterstudie, wie das Immunsystem eine „Rest-CML“ mittels T-Immunzellen und natürlichen Killerzellen („NK-Zellen“) unter Kontrolle hält, und ob die TKI das Immunsystem selbst beeinflussen. Die präsentierten Ergebnisse legen nahe, dass die Patienten, die später einen Rückfall nach Absetzen zeigten, geringere Anteile und absolute Zahlen der NK-Zellen zum Zeitpunkt des Absetzens hatten. Die Präsentation warf die Frage auf, ob die Messung dieser NK-Zellen bei der Vorhersage eines Stopp-Rückfalls helfen könnte, und schlägt weitere Untersuchungen der biologischen Mechanismen und patientenspezifischer Faktoren vor.

Zusammenfassung und Gedanken

In der „Education Session“ zog der CML-Experte Dr. Michael Mauro die Schlussfolgerung, dass das Erreichen einer behandlungsfreien Remission machbar erscheint und dass sich die Bedenken über ein Langzeitrisiko beim Stopp-Versuch einer behandlungsfreien Remission nicht erhöht haben, wenn auch nur in einem sehr eng überwachten Rahmen.

Das wird von den Daten der vier verschiedenen am diesjährigen ASH vorgestellten STOP-Studien gestützt. Die engmaschige Überwachung innerhalb einer klinischen Studie, sehr empfindliche PCR-Diagnostik in den besten Labors mit einer verlässlichen Genauigkeit, MR4.5 zu detektieren, und sofortige Wiederaufnahme der Behandlung, wenn die PCR-Werte wieder über die MMR-Grenze steigen, scheinen ein beträchtliches Sicherheitsnetzwerk zum Absetzen der Behandlung darzustellen. Abhängig von der jeweiligen Studie und den Kriterien für eine Wiederaufnahme liegt der Anteil der in stabiler tiefer Remission verbleibenden Patienten zwischen 40% und 60%. Sowohl die ENESTnd-Studie (Nilotinib in Erstlinientherapie) als auch die Dasision-Studie (Dasatinib in Erstlinientherapie) zeigen, dass mehr als die Hälfte der Patienten mit TKI der zweiten Generation MR4.5 innerhalb einiger Jahre erreichen, und nur die Hälfte von ihnen nach dem Absetzen einen Rückfall erleiden würde. Das bedeutet, dass ungefähr jeder vierte CML-Patient in der Lage sein könnte, seine CML-Behandlung nach Jahren der Therapietreue abzusetzen und trotzdem in stabiler, behandlungsfreier Remission bleiben könnte.

Wie auch immer, der späte Rückfall in der STOP-2G-TKI-Studie im 37. Monat deutet darauf hin, dass selbst nach Jahren der behandlungsfreien Remission eine regelmässige molekulare Überwachung essentiell sein könnte. Keiner der Patienten der vier Studien mit einem Rückfall erlitt eine Progression der Erkrankung, aber eindeutig nur innerhalb eines Rahmens von engmaschig kontrollierten klinischen Studien mit sehr häufigen und empfindlichen PCR-Überwachungen und sofortiger Wiederaufnahme der Behandlung mit Tyrosinkinasehemmern beim Verlust der MMR.

Es gibt noch keine Klarheit bei der Vorhersage, welcher Patient die Behandlung ohne Rückfälle absetzen kann. Das Verständnis der Mechanismen, warum einige Patienten einen Rückfall bei minimaler Resterkrankung erleiden und andere nicht, befindet sich noch in den Kinderschuhen. Bis wir die Ergebnisse haben und standardisierte Untersuchungen zur verlässlichen Detektion von MR4.5 und früher molekularer Rückfälle breiter verfügbar sind, bleiben die Experten am ASH bei ihrer Empfehlung, die CML-Behandlung nicht ausserhalb klinischer Studien abzusetzen.

Thematisch passende ASH-Abstracts

Siehe die ASH-Abstracts-Datenbank (englisch):

  • Sunday Presentation #151: Interimsanalyse einer paneuropäischen Stop Tyrosinkinasehemmer-Studie bei CML: Die EURO-SKI-Studie.
  • Monday Poster #4547: Standpunkte und Empfindungen von Patienten mit CML in chronischer Phase gegenüber der behandlungsfreien Remission.
  • Tuesday Presentation #812: Frühe Rückfälle nach Absetzen der Behandlung mit TKI steht in Verbindung mit geringer Zahl und gestörter Funktion von NK-Zellen.
  • Sunday Poster #3155: Ergebnisse der Koreanischen Absetzstudie bei Patienten mit CML in chronischer Phase: Update nach im Median 15 Monaten.
  • Tuesday Presentation #813: Das Rückfallrisiko von CML-Patienten, die die Behandlung mit Imatinib absetzten, kann anhand des Alters und der Ergebnisse der dPCR-Analyse vorhergesagt werden.
  • Saturday Poster #1797: BCL211 (BIM) Deletions-Polymorphismus wird mit molekularen Rückfällen nach Absetzen von ABL- Tyrosinkinaseinhibitoren bei Patienten mit CML und vollständigen molekularen Ansprechen in Verbindung gebracht.
  • Monday Poster #4561: Das Erreichen des für das Absetzen der Behandlung mit Imatinib notwendigen tiefen molekularen Ansprechens steht deutlich in Verbindung mit dem PCR-Level beim Erreichen des ersten Therapiemeilensteins.
  • Monday Poster 4553: Langzeitüberwachungsergebnisse nach dem Absetzen von Imatinib bei CML-Patienten mit nicht nachweisbarer minimaler Resterkrankung.

Unsere weiteren Berichte vom ASH-Kongress 2014

Von: Giora Sharf und Jan Geissler, 12.12.2014. Übersetzt ins Deutsche von Niko/NL.

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