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von jan » 20.12.2013, 11:43
Hallo Skifahrer
ich denke, keines der TKIs ist nebenwirkungsfrei, alle haben ihre unterschiedlichen Schwerpunkte, Wirkungen und Nebenwirkungen.
Ich kenne viele Patienten, die unter dem jeweiligen Medikament Imatinib, Dasatinib, Nilotinib, Bosutinib, Ponatinib kaum Nebenwirkungen hatten. Ich kenne einige, die es mit einem der fünf sehr schwer hatten, nach einem Wechsel aber die Nebenwirkungsprobleme weitgehend los wurden, ohne dafür die anderen zu bekommen. Imatinib hat seinen Schwierigkeiten mehrheitlich bei Magen/Darm, Muskel/Knochenschmerzen und Haut/Ödemen, Nilotinib bei Hautausschlägen und Herz/Kreislauf, Dasatinib bei Lunge/Pleuraergüssen. Das ist die Statistik - im Einzelfall kann es so oder so sein. Ein bisschen hängt auch von Zweiterkrankungen, die man auch vor der CML schon hatte (z.B. Diabetes, Lungen-, Herzvorerkrankungen) ab - man darf das aber nicht überbetonen, denn wenn man die Studien ansieht, ist der Anteil der Patienten, die schwerwiegende Nebenwirkungen und eine "Cross-Intoleranz", d.h. gleiche Nebenwirkungen unter verschiedenen Medikamenten, recht klein. Man vergisst dabei oft, dass Wirkung und Vermeidung von Progression eigentlich das dominante Entscheidungskriterium sein sollte (finde ich zumindest), denn weiterhin gilt bei der CML: sie ist nur in der chronischen Phase gut behandelbar. Gibt man ihr die Chance auf Fortschritt in die Blastenkrise, hilft ausser der Stammzelltransplantation nichts mehr. Ich würde daher nicht sagen, dass die Toxizität beim einen oder anderen Medikament höher ist und man deswegen das eine oder andere Medikament wählt, sondern die Schwerpunkte liegen unterschiedlich und wirken sich individuell unterschiedlich aus und sind auch je nach Situation des Patienten unterschiedlich zu bewerten. Auf dem ASH sagte mir mein Experte: nicht zu nervös sein wegen den Nebenwirkungen, ich kann fast jeden Patienten mit fast jedem TKI wirksam behandeln - entscheidend ist, wie man im Einzelfall mit Schwierigkeiten umgeht. Und ein anderer sagte: hinter der Betonung von bestimmten Nebenwirkungen liegt manchmal auch die Kommunikationsstrategie des konkurrierenden Herstellers.
Gerade deswegen halte ich es eben für so wichtig, bei einem CML-Experten zu sein, der viele CML-Patienten behandelt, die aktuellen Fachveröffentlichungen (auch zu Nebenwirkungen und Zweiterkrankungen) kennt und dann für den jeweiligen Patienten die passende Therapie auswählen kann. Leider denkt mancher, CML sei heute eine Erkrankung, die man relativ sorglos durch Verschreiben einer Pille behandeln könne. Beim Großteil der Patienten stimmt das auch, aber ob man zu diesem Großteil gehört, weiss man im Vorfeld eben nicht, und wenn nicht, ist es gut, wenn man bei einem Arzt ist, der weiss, wie man mit den Nebenwirkungen am Besten umgeht. Die Erkenntnislage ist mit über 14 Jahren Imatinib, und über 7 Jahren Nilotinib und Dasatinib im Einsatz im Menschen mittlerweile für alle Therapien recht gut, aber Erkenntnis nützt nichts ohne Kenntnis.
Daher: Es gibt in ganz Deutschland viele in CML sehr erfahrene Kliniken, und auch viele niedergelassene Hämatologen, die mit diesen eng zusammenarbeiten und im Zweifelsfall wissen, wen sie fragen und an wen sie überweisen. Und wer heute Studien bei CML durchführt, ist sehr eng an den aktuellen Erkenntnissen dran, egal ob dessen Patienten innerhalb einer Studie oder individuell behandelt werden...
Liebe Grüße
Jan