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von jan » 16.10.2007, 23:08
Hallo Gast,
meine CML-Diagnose war mit 28, das ist nun sechs Jahre her. Natürlich hatte ich damals ähnliche Gedanken und Zukunftsängste. Und damals zu Beginn von Glivec konnten wir auch kaum hoffen, dass die Therapie so gut funktionieren würde. Und ich hätte nicht geglaubt, dass ich mit meiner Partnerin noch an Familien- und Lebensplanung denken könne. Heute sind wir verheiratet, haben ein beinahe einjähriges Kind, leben unser Leben ganz normal.
Meine auf den klinischen Erfahrungen der letzten sechs Jahre Glivec-Therapie basierende Hoffnung heute ist: Ich werde mit der CML, nicht aber an der CML sterben, und das hoffentlich jenseits der 80. Heilung ist für mich selbst kein Primärziel mehr, wenn ich die Erkrankung lebenslang als chronische Erkrankung in Schach halten kann, denn Heilung ist kein Wert an sich, sondern Leben und Lebensqualität.
Und danach sieht es unter Glivec, mit Eskalationsstufen neuerer, noch wirksamerer Medikamente Sprycel und Tasigna, auch aus. Dass die "Lebenserwartung mit CML auf jeden Fall geringer ist", ist seit Glivec, Tasigna und Sprycel glücklicherweise wieder eine ungewisse Hypothese.
Ein Freund von mir hat ein T-Shirt mit der Aufschrift "Leben gefährdet die Gesundheit", und ich denke immer wieder daran. Ich glaube, dass heute das Lebensrisiko eines in frühem Stadium und gewissenhaft behandelten CML-Patienten, der gut auf die Medikation angesprochen hat und die Therapie ernst nimmt, recht nahe an dem der Normalbevölkerung ist. Ein Unfall im Straßenverkehr, eine schwere Sportverletzung und ähnliches sind ebenso wahrscheinlich. Würdest Du einen Paraglider verlassen, nur weil eine Risikosportart betreibt?
Was sich für mich durch die CML geändert hat, ist, dass ich mehr im Heute lebe, statt immer dem Morgen nachzurennen. Wir haben gemeinsam einige Entscheidungen gefällt und Prioritäten gesetzt, die vor der CML vielleicht eher pro Beruf und contra Lebensqualität ausgefallen wären.
Ich kann Dir nur wünschen, dass Du Deine Ängste überwindest, und wie meine Vorredner sagten, Deinem Herz folgst. Auch ein Gesunder weiss nicht, ob er die nächsten 10 Jahre überlebt - oder aus irgendeinem Grund früh stirbt. Ein regelmäßiger Schweinshaxenesser lebt statistisch auch kürzer und tut es dennoch. Warum also aus Angst das Heute aufgeben, wenn man das Morgen sowieso nicht kennt? Die CML ist jedenfalls kein guter Grund, sich von einem wichtigen Menschen zu trennen, ob nun Freund oder Partner.
Viele Grüße
Jan