TKI und Kinderwunsch

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bertheo
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Re: TKI und Kinderwunsch

Beitrag von bertheo » 22.02.2013, 09:30

jan hat geschrieben: Gut ist, dass es jetzt von den CML-Foschungsgruppen (Ärzte) in Italien und Russland Initiativen gibt, ein eigenes Schwangerschaftsregister aufzubauen, und auf dem ELN-Treffen im Februar wurde gesagt, dass man diese evtl sogar harmonisieren wolle. Wir wären da als Patienten gerne dabei, um das zu beflügeln. Deutschland macht da im Moment leider nicht mit, man habe "andere Prioritäten". Ich selbst finde das recht bedauerlich, weil es für junge Patienten ein so relevantes Thema ist, auf einer solideren Faktenbasis Überlegungen anzustellen. In unserem Forum ist das Thema CML und Schwangerschaft mit großem Abstand zugriffsmäßig Thema 1.

Viele Grüße
Jan
Mein Eindruck ist, dass der Fokus der Hämatologen ganz klar auf dem Überleben des Patienten liegt. Natürlich sollte hier auch die erste Priorität liegen. Aber gerade aufgrund der großen Erfolge bei der CML besteht jetzt auch ein großer Bedarf an Beratung zu nachgelagerten Fragestellungen. Ich glaube, dass es hier deutliches Verbesserungspotential bzgl. der ärztlichen Beratung gibt.

Bei der Familienplanung musste ich meinen Arzt wirklich drängen, mir eine Empfehlung zu geben. Ich muss zugeben, dass ich natürlich auch ein schwieriger Fall bin, da bei mir die CML auch nicht so gut im Griff ist wie bei anderen. Auf Glivec 400 folgte Glivec 800, dann Tasigna und jetzt Sprycel. Trotzdem wollte ich Nachwuchs und altersbedingt konnten wir auch nicht auf den Faktor Zeit setzen.

Nach Beratung mit meinem Hämatologen und einem Reproduktionsmediziner haben meine Frau und ich uns dann entschieden, vor dem Wechsel auf Tasigna eine Kryokonservierung vornehmen lassen. Mein Hämatologe hat sich die Mühe gemacht, auf dem ASH-Kongress verschiedene CML-Experten auf dieses Thema anzusprechen. Beide Ärzte meinten, dass es keine Evidenz für schädliche Auswirkungen auf das Kind gäbe, und das man dieses Vorgehen deshalb verantworten könne. Wir sind jetzt glückliche Eltern eines gesunden Jungen.

Fazit: Es gibt doch die Möglichkeit verantwortungsvollen ärztlichen Rat zu erhalten. Aber letztendlich muss man selber die Entscheidung treffen und das ist nicht einfach.

Viele Grüße
Bertheo

jan
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Re: TKI und Kinderwunsch

Beitrag von jan » 22.02.2013, 08:51

bertheo hat geschrieben: Das Thema scheint für die Pharmaunternehmen noch nicht einmal relevant genug zu sein, um systematisch Daten zu sammeln. Man schlägt natürlich gerne auf die Pharmaindustrie ein, aber im Falle von Glivec hätte Novartis von den Milliarden-Gewinnen sicherlich auch eine Datenerhebung zu diesem Thema finanzieren können. Vor ein paar Jahren habe ich irgendwo mal gelesen, dass sie so etwas vorhaben. Aber ich habe nirgendwo wieder etwas davon gehört. Statt dessen müssen wir uns weiterhin mit Berichten von ein paar Einzelfällen begnügen, bei denen nichts passiert ist.

Viele Grüße
Bertheo
Hallo Bertheo,

es gibt bei Novartis seit etwa 7 Jahren die interne Initiative "TKI Pregnancy Registry", in der man die Schwangerschaftsfälle strukturiert erfassen will, denn seit Jahren schon liegen wir als weltweite CML-Patientengemeinschaft (cmladvocates.net) den Unternehmen in den Ohren, die Daten weniger sporadisch und etwas strukturierter zu sammeln und Ärzte auch dazu anzuhalten, die Daten von "TKI-Schwangerschaften" weiterzumelden, damit wir als Patienten mehr Klarheit über gute und schlechte Ausgänge erhalten. Ich hatte im Okt 2012 zuletzt ein Treffen mit dem US-Team dazu, aber - ehrlichgesagt kann man die Initiative vergessen, da kommt nichts bei raus.

Die Seite tkipregnancyregistry.com war vor einigen Jahren für ein paar Wochen verfügbar, Novartis musste die Seite aber leider auf Gegenwehr von Aufsichtsbehörden und Wettbewerbern wieder vom Netz nehmen, so dass momentan das Projekt in der digitalen Steinzeit residiert. Momentan ist das Novartis-TKI-Schwangerschaftsregister in U.S., Dänemark, Niederlande und Russland offen, es sind aber bisher kaum Fälle erfasst. Aber auch strukturell ist es nicht sehr hilfreich, weil sie nur Daten von weiblichen CML-Patienten und deren Kindern erfassen dürfen, nicht von Männern. Der Grund scheint zu sein, dass die Datenschutzregeln es ethisch schwierig machen, Daten von Menschen zu erfassen, die gar nicht krank sind (z.B. Daten der Frau und von deren Schwangerschaft und Kind zu erfassen, obwohl der Mann CML hat). Insgesamt klingt es aber irrsinnig und nicht im Patienteninteresse - wieviel davon selbstauferlegte Umständlichkeit oder mangelnde Priorisierung des Unternehmens ist und wieviel bürokratischer, patientenferner Behördenquark "zu unserem Schutz", habe ich noch nicht verstanden.

Bei BMS und den anderen Unternehmen sind gar keine Bestrebungen erkennbar, in dem Bereich überhaupt was zu machen, trotz ebenfalls einigen hundert Millionen EUR Jahresumsatz mit deren CML-Medikamenten.

Gut ist, dass es jetzt von den CML-Foschungsgruppen (Ärzte) in Italien und Russland Initiativen gibt, ein eigenes Schwangerschaftsregister aufzubauen, und auf dem ELN-Treffen im Februar wurde gesagt, dass man diese evtl sogar harmonisieren wolle. Wir wären da als Patienten gerne dabei, um das zu beflügeln. Deutschland macht da im Moment leider nicht mit, man habe "andere Prioritäten". Ich selbst finde das recht bedauerlich, weil es für junge Patienten ein so relevantes Thema ist, auf einer solideren Faktenbasis Überlegungen anzustellen. In unserem Forum ist das Thema CML und Schwangerschaft mit großem Abstand zugriffsmäßig Thema 1.

Viele Grüße
Jan

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Re: TKI und Kinderwunsch

Beitrag von bertheo » 21.02.2013, 23:10

paradoxon hat geschrieben: Weiß jemand, wie das kommt? Gibt es in Deutschland/Europa keine Verpflichtung, das anzugeben? Sind die rechtlichen Anforderungen, ob dazu etwas angegeben werden muss oder nicht, unterschiedlich?
Es gibt bei Männern - soweit ich weiß - keinerlei Anzeichen dafür, dass sich die Einnahme von TKI schädlich auf das Kind auswirkt. Es gibt aber auch keine Studien, die das Gegenteil beweisen. Im Falle einer Freigabe, drohen dem Pharmaunternehmen allerdings Schadensersatzklagen, wenn es doch zu Komplikationen kommen sollte. Also hält sich die Pharmaindustrie mit Aussagen zu diesem Thema zurück, denn es gibt für sie nicht wirklich etwas zu gewinnen, sondern nur etwas zu verlieren.

Das Thema scheint für die Pharmaunternehmen noch nicht einmal relevant genug zu sein, um systematisch Daten zu sammeln. Man schlägt natürlich gerne auf die Pharmaindustrie ein, aber im Falle von Glivec hätte Novartis von den Milliarden-Gewinnen sicherlich auch eine Datenerhebung zu diesem Thema finanzieren können. Vor ein paar Jahren habe ich irgendwo mal gelesen, dass sie so etwas vorhaben. Aber ich habe nirgendwo wieder etwas davon gehört. Statt dessen müssen wir uns weiterhin mit Berichten von ein paar Einzelfällen begnügen, bei denen nichts passiert ist.

Viele Grüße
Bertheo

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Re: TKI und Kinderwunsch

Beitrag von paradoxon » 21.02.2013, 22:06

Hallo zusammen,

was mir in dem Zusammenhang aufgefallen ist:

Die Packungsbeilage (bzw. die gesamten Zulassungsunterlagen) von Tasigna erwähnt mit keinem Wort, dass man (als Mann) Verhütungsmittel anwenden sollte.

Google spuckt mir aus:
  • us.novartis.com: "Sexually active female patients should use effective contraception during treatment"
  • novartis.com.au: "Sexually active male or female patients taking Tasigna should use highly effective contraception."
  • bccancer.bc.ca: "Nilotinib may damage sperm [...]. It is best to use birth control while being treated with nilotinib. Tell your doctor right away if you or your partner becomes pregnant."
  • novartis.ca: "Women of childbearing potential must be advised to use effective contraception during treatment with TASIGNA*."
Nur die australischen Informationen beziehen sich auf Frauen und Männer. In Kanada wird von staatlicher Seite gewarnt, von Novartis nicht.

Weiß jemand, wie das kommt? Gibt es in Deutschland/Europa keine Verpflichtung, das anzugeben? Sind die rechtlichen Anforderungen, ob dazu etwas angegeben werden muss oder nicht, unterschiedlich?

Viele Grüße
Jonathan

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Re: TKI und Kinderwunsch

Beitrag von Exil-Hanseat » 21.02.2013, 16:32

Freut mich, dass es jetzt doch so schnell ging mit dem Termin. Richtig geholfen hat er aber wohl nicht.....
Ich denke in der derzeitigen Situation kommst du um das Einfrieren nicht drumrum, nur dann hast du noch alles Optionen.

Jedenfalls wünsche ich euch eine glückliche Hand bei euren Entscheidungen und vor allem erstmal toi toi toi für das Zurückdrängen der CML.

Alles Gute
Stephan

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Re: TKI und Kinderwunsch

Beitrag von paradoxon » 21.02.2013, 14:04

Hallo Stephan,

zum Thema Einzelkind gibt es ja nicht viel zu diskutieren. Wir sind natürlich sehr froh über unseren Kleinen und uns ist bewusst, dass wir auch, wenn es so bleibt, eine glückliche Familie sein können.
Unser Wunsch ist aber natürlich, dass wir noch weitere Kinder bekommen können, und ich muss im Moment Entscheidungen treffen (bzw. habe das schon getan), die die Erfüllung dieses Wunsches entscheidend beeinflussen! Hier ist für mich viel mehr Diskussionsbedarf.

Ich war übrigens heute morgen in der Kinderwunschsprechstunde. Die Ärztin hat nur betont, dass es ja keine Studien über die Auswirkungen der Therapie auf die Spermien gibt. Dass die aktuellen Spermien von dem Medikament noch nicht betroffen sind, weil sie vor Therapiebeginn entstanden sind, konnte sie nicht bestätigen. Nach meinem Laien-Verständnis ist das Risiko also etwas geringer (was heißt das eigentlich, wenn das ursprüngliche Risiko schon völlig unbekannt ist?), weil eine mögliche Schädigung erst in den letzten drei Wochen der ca. 9 Wochen dauernden Spermatogenese passieren konnte. Sie ist aber darauf nicht näher eingegangen, sondern hat mir mehr oder weniger pauschal das Einfrieren empfohlen...

Viele Grüße
Jonathan

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Re: TKI und Kinderwunsch

Beitrag von Exil-Hanseat » 20.02.2013, 23:54

Hallo nochmal,

drüber schlafen ist immer gut.
Ich persönlich glaube nicht, dass dir ein Arzt zum "Rückwechsel" auf Glivec raten wird. Mitmachen als Patientenentscheidung schon eher.
Ich persönlich als Laie, der nie besonders auf seine Gesundheit geachtet hat und trotzdem (fast) immer gesund war, würde es für mich für vertretbar halten, aber gehst du gerne Risiken ein?

Auf der anderen Seite habt ihr ein gesundes Kind und wollt es gesund aufwachsen sehen. Wenn es Einzelkind bleibt, habt ihr immer noch viel mehr als andere je in ihrem Leben bekommen.
Wenn es so sein soll, das ohne Risiken kein Geschwisterchen kommen kann, dann soll es vielleicht so sein?!

Habt ihr diese Option schon diskutiert?

Grüße
Stephan

paradoxon
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Re: TKI und Kinderwunsch

Beitrag von paradoxon » 20.02.2013, 20:48

Hallo Stephan, hallo Jan,

also, so richtig entschieden habe ich mich noch nicht (und werde das ganz sicher auch nicht ohne Rücksprache mit meinem Arzt tun).

Für mich schien der Wechsel auf Imatinib/Glivec irgendwie schon eine sinnvolle Option. Wenn es sinnvoller wäre, das jetzt zu machen, als irgendwann (wenn ich eine stabile Remission erreicht habe), würde ich das evtl. auch machen. Aber so ein kurzfristiger Wechsel ohne Not ist ja wohl noch weniger zu empfehlen als ein langfristiger.

Jan, wenn du sagst: "Vielleicht wartet ihr ja ab mit dem Nachwuchs, bis die Stop-Kriterien von der TIGER-Studie sowieso erfüllt wären", hast du natürlich Recht. Vielleicht wollen wir aber auch nicht warten. Ich sehe mich nicht in der Lage, mich da jetzt für 4 oder mehr Jahre festzulegen. Ich sehe auch absolut die Chancen der Studie (neben den auch vorhandenen Risiken). Ich würde es aber nicht für korrekt halten, an der Studie teilzunehmen, wenn ich schon eine nicht zu geringe Chance sehe, dass ich aus persönlichen Gründen aussteige.

Ich muss wohl nochmal drüber schlafen... oder vielleicht auch mal mit einem TIGER-Studienzentrum sprechen.

Viele Grüße
Jonathan

jan
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Re: TKI und Kinderwunsch

Beitrag von jan » 20.02.2013, 16:49

Hallo Exil-Hanseat, Jonathan

das ist genau das, was ich sagen wollte, danke - keine belastbaren Daten für den Wechsel von Nilotinib auf Imatinib. Es gibt keine Studie, die den Rückwechsel von Nilotinib auf Imatinib untersucht hat. Imatinib ist ja ein Medikament, das bcr-abl weniger stark hemmt als Nilotinib, und der Wechsel von einem stärkeren auf ein schwächeres Medikament kann ja durchaus seine Tücken haben - muss aber nicht. Ich würde das nicht ohne gute Gründe ausprobieren. Ich denke, in den nächsten Jahren werden wir den "wilden Rückwechsel" stärker sehen, weil Imatinib dann patentfrei sein wird und damit noch günstiger, aber es wäre wünschenswert, wenn dies dann auch evidenzbasiert passieren würde - mangels Studien ist das schwierig.

Ohne Not würde ich es aber nicht machen.

Denk nochmal über TIGER nach. Auch wenn man in der Studie nicht schwanger werden sollte, und an der Studie nicht teilnehmen sollte, wenn man dies während der Studiendauer schon vorhat, nimmt das Leben in Zukunft unbekannte und ungeplante Wege. Vielleicht wartet ihr ja ab mit dem Nachwuchs, bis die Stop-Kriterien von der TIGER-Studie sowieso erfüllt wären, und dann würde ich lieber im Rahmen einer Studie "warten" als außerhalb, weil einfach die Verlaufskontrolle engmaschig bei bester PCR ist und man dazu noch mit der Datenerfassung etwas zum strukturierten Lernen über die CML und dessen Therapie beiträgt, was uns allen am Ende nützt.

Viele Grüße
Jan

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Re: TKI und Kinderwunsch

Beitrag von Exil-Hanseat » 20.02.2013, 16:33

Hallo Jonathan,

ich glaube Jan wollte aussagen, dass über einen Wechsel von Tasigna auf Glivec keine "belastbaren" Erkenntnisse vorliegen, unter anderem sicher auch deshalb, weil er einfach ungewöhnlich ist.

So wie ich das sehe, hast du dich eigentlich schon entschieden. Behandlung mit Tasigna solange erfolgreich (also hoffentlich sehr lange), wenn vertretbar absetzen.
Dann, also ggf. auch erst in mehreren Jahren, Nachwuchs auf natürlichem Weg versuchen.
Eventuell als "Back-Up" Spermien einfrieren lassen, falls das andere nicht funktioniert.

Das klingt doch gar nicht schlecht?! Und vernünftig ist es auch, denn es setzt dich und deiner Familie dem geringsten Risiko aus.

Alles Gute!

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Re: TKI und Kinderwunsch

Beitrag von paradoxon » 19.02.2013, 11:43

Hallo Jan,

danke für deine Gedanken, die ich gerade nach dem Schreiben der Antwort auf Stephans Beitrag gesehen habe und die auch schon ein paar Antworten auf die eben von mir formulierten Fragen beinhalten.

Du beschreibst ziemlich gut, was mir auch durch den Kopf geht. Das Risiko einer "Kinderwunschbehandlung" hatte ich bisher noch gar nicht einbezogen. Wie du sagst, sehe ich auch die Chance, in einigen Jahren mit ruhigem Gewissen auf natürliche Art ein Kind zu bekommen, als recht gut an. Ich schätze und teile deinen Optimismus, den man bei all deinen Berichten spürt :) Ich frage mich dann nur, ob manches nicht vielleicht doch länger dauert, als man es sich heute erhofft...

Und natürlich hat oberste Priorität, die CML in den Griff zu bekommen, ich sehe auch aufgrund meines Alters und des Ziels, das Risiko eines Rezidivs für Jahrzehnte minimal zu halten, den schnellen Therapiebeginn mit Tasigna als richtig an.

Die "TIGER"-Studie hatte ich eigentlich schon abgeschrieben, auch die "Verpflichtung", während der Studie keine Kinder zu zeugen, hat mich abgeschreckt... Vielleicht sollte ich es doch noch einmal überlegen (dann aber schnell, ich nehme ja schon fast 3 Wochen Tasigna...).
Denkst du, dass ein späterer Wechsel auf Imatinib/Glivec wirklich so wenig zu empfehlen ist? Was könnte denn daran problematisch sein? Ist das so anders als ein Wechsel von Imatinib auf Nilotinib?

Eine Telefonkonferenz finde ich eine super Idee und würde daran gerne teilnehmen!

Viele Grüße
Jonathan

paradoxon
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Re: TKI und Kinderwunsch

Beitrag von paradoxon » 19.02.2013, 11:05

Hallo Stephan,

ja, die CML wurde bei mir auch im frühen Stadium diagnostiziert, der höchste gemessene Leukozyten-Wert war 24.200.

Mein Hämatologe hat das Thema durchaus auf dem Schirm und hat auch schon die Option, auf Glivec zu wechseln, genannt.

Wichtig ist für uns aber vor allem, ob das überhaupt in Frage kommt. Daher ist für mich schon wichtig von anderen, die in der gleichen Situation waren - wie z. B. Bertheo -, zu hören, was die Grundlage ihrer Entscheidung war. Spielen außer den Einzelfallberichten noch andere Faktoren hinein, die mir nicht bewusst sind? Gingen sie davon aus, dass es kein Problem gibt oder haben sie ein Risiko und mögliche Konsequenzen bewusst in Kauf genommen?

BTW, eine Beratung beim Reproduktionsmediziner ist scheinbar komplizierter als ich dachte... Bei der Uniklinik meinen alle Sekretärinnen, sie seien nur für Frauen zuständig :?: Naja, ich finde schon noch den richtigen Ansprechpartner.

Viele Grüße
Jonathan

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Re: TKI und Kinderwunsch

Beitrag von jan » 19.02.2013, 10:22

Lieber Jonathan,

wie Du vielleicht hier im Forum bereits gelesen hast, bin ich selbst Vater von zwei jungen Töchtern. Bei mir ist die CML-Diagnose zwar schon bald 12 Jahre her, so dass die Ausgangslage nicht ganz mit Deiner vergleichbar ist (damals war Imatinib noch nicht zugelassen, die allgemeine Aussicht auf Überleben der CML und Beschwerdefreiheit der Transplantation relativ mau, d.h. damals stand das Überleben von, weniger das Leben mit, CML stärker im Vordergrund). Im Grunde war ich einige Jahre in ähnlicher Sachlage wie Du. Imatinib war damals noch sehr experimentell, es gab aber eine wachsende Zahl von Einzelfallberichten von Schwangerschaften, die entgegen dem klaren ärztlichen Rat entstanden waren, die ich natürlich neben allen wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu diesem Thema verfolgt habe.

Ich hatte damals auf Anraten meines Arzts vor Therapiebeginn Spermien eingefroren (interessanterweise war es erst der vierte Arzt, der mich nach Diagnosestellung auf die Möglichkeit der Samenbank vor Therapiebeginn hinwies - alle anderen hätten vermutlich ohne "Familienvorsorge" mit Transplantation oder Zytostatikatherapie begonnen). Der Versuch, das Eingefrorene 2004 zu verwenden, ging furchtbar schief und war ein gesundheitlicher Alptraum für meine Frau (was nicht repräsentativ ist, aber nach dem CML-Schlag in 2001 war dies die zweite dunkle Zeit in unserem Leben -- eine Hormontherapie kann auch seine Herausforderungen haben, wenn auch selten).

Nachdem aus Einzelfallberichten, aber aus den weltweiten Foren zu vermuten war, dass Imatinib vermutlich beim Mann keinen Einfluss auf die Spermien hat, haben wir es 2006 dann auf natürlichem Wege - trotz meiner Imatinib- und PegIFN-Therapie - versucht. Natürlich haben wir von Ultraschall zu Ultraschall gebibbert, aber wir hatten neben einem hervorragenden CML-Experten auch einen sehr erfahrenen und entspannten Gynäkologen, der alle Ultraschallregister zog, um uns zu zeigen, dass sich alles normal entwickelt. Vielleicht hatten wir Glück, aber es gibt weltweit sicherlich schon einige hundert gesunde Babys von Männern unter Imatinib, denen es gut geht (und natürlich gibt es auch welche mit gesundheitlichen Problemen, aber diese gibt es bei gesunden Menschen ebenso). In medizinischen Fachzeitschriften sind rund 60 Kindern von Männern unter Imatinib berichtet, und darin gab eis keinerlei Hinweise auf Probleme bei Empfängnis, Schwangerschaft oder Geburt. Bzgl Nilotinib ist leider bisher kaum etwas bekannt, wir stehen erkenntnisseitig also 2013 etwa da, wo wir 2004 mit Imatinib standen.
Sicher hast Du
http://www.leukaemie-online.de/index.ph ... cle&id=905
sowie die "Ähnlichen Artikel" rechts daneben bereits gelesen?

Meine Tochter ist jetzt sechs Jahre alt, die kleinere (die nach meinem Imatinib-Stopp 2006 entstand) vier, beiden geht es prima. Was natürlich nicht als Aufforderung verstanden werden soll, denn die medizinische Empfehlung ist klar, unter diesen Therapien keine Kinder zu bekommen. Und auf für die weiblichen Mitleser - das hier Gesagte bezieht sich nur auf Männer unter CML-Therapie.

Was würde ich nun in Deinem Fall machen? Grundsätzlich gibt es ja folgende Überlegungen:
- Einfluss der Erkrankung und ihrer Behandlung auf die Fortpflanzungsfähigkeit
- Einfluss der Erkrankung und deren Behandlung auf die Schwangerschaft
- Einfluss der Maßnahmen zur "sicheren Empfängnis" vs. Risiko für den CML-Patienten
- Zeitliche Planung einer Schwangerschaft im Zusammenhang mit der CML

Meiner Ansicht nach ist die oberste Priorität die Stabilisierung Deiner CML. Ihr habt schon ein Kind und Ihr wollt sicher mit ihm/ihr gemeinsam Deinen 70. Geburtstag feiern können, daher würde ich eher nichts tun, was dies evtl gefährdet, z.B. frühzeitige Absetzversuche, unbegründeter Wechsel der Therapien o.ä... Für eine Rückwechsel von Nilotinib auf Imatinib gibt es leider keinerlei strukturierte Erfahrungen (Studiendaten). Du bist 28, so alt wie ich 2001 war, und auch wenn der Abstand eines zweiten Kinds sich zu seinem Geschwisterkind verlängert, gibt es keinen Grund für Eile. Die Absetzstudien aus Frankreich zeigen, dass die Rückfallrate nach TKI-Absetzen mit der TKI-Therapiedauer zusammenzuhängen scheint, d.h. je kürzer die Zeit seit Therapiebeginn bzw. in molekularer Remission, desto höher das Rückfallrisiko. Wie bereits jemand in dieser Diskussion schrieb, findet die Produktion der Spermien rund 72 Tage vor Verwendung statt, d.h. der Einfluss einer Therapie auf Spermien hält für mindestens 10 Wochen nach der letzten Dosis an, und weil die meisten Rückfälle sehr schnell nach Absetzen kommen, reicht vermutlich die Zeit nicht aus, "mal schnell abzusetzen und noch in Remission ein Kind zu zeugen" - vor allem, weil eine Schwangerschaft sich ja auch nicht zwingend bei den ersten Versuchen einstellt.

Daher würde ich sagen: Habt Geduld. Die Zeit spielt für Euch, sowohl vom Erkenntnisgewinn über Kinder unter Nilotinib, als auch in Bezug auf die Stabilität einer Remission, wenn Du sie schon eine Weile hattest und dann an Absetzen denkst. Wie Du richtig sagst, habt Ihr Zeit zu überlegen. In zwei, drei Jahren wissen wir aus den STOP-Studien mehr, und vielleicht auch mehr Einzelfallberichte zu Nilotinib und Schwangerschaften. TIGER ist sicherlich eine sehr gute Studie, die, wenn das Ansprechen gut läuft, in einigen Jahren die Chance auf ein kontrolliertes Absetzen unter Tasigna bei gleichzeitig sensitivster PCR-Verlaufskontrolle ermöglicht, daher würde ich die Studie ernsthaft in Erwägung ziehen.

Wir werden übrigens demnächst eine Telefonkonferenz für "Leukämie-Onliner" anbieten, in der wir uns zu dem Thema CML + Familienplanung austauschen können. Ich melde mich diesbzgl. hier im Forum, wenn der Termin steht.

Viele Grüße
Jan

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Re: TKI und Kinderwunsch

Beitrag von Exil-Hanseat » 18.02.2013, 23:03

Hallo Jonathan,

du hast schon mal das Wesentliche begriffen: Es gibt eine Perspektive!
Ich habe ja extra dazu geschrieben, dass die 2,5 Monate nicht das Maß aller Dinge sind und zur Nachahmung empfohlen werden sollen, aber andererseits ging es mir ja vor Therapiebeginn besser als danach, da ich sehr früh diagnostiziert wurde. Du wurdest vermutlich auch sehr früh diagnostiziert? Meine Leukos waren nie über 50.000.

Ich werde auch ganz sicher niemandem abraten, TKI der 2. Generation einzunehmen.
Viele empfehlen das inzwischen, aber wieviel davon medizinisch begründet ist und wieviel "Gefühl" dabei ist oder gar Interessen der Hersteller, wer von uns weiß das schon. Ich habe es halt (zusammen mit dem Arzt) für mich anders entschieden.
Ich kann auch bei Kopfschmerzen gleich zu ibuprofen 600 greifen, wenn zur Hand. Meist reichen aber die 400..... (Ich weiß, der Vergleich hinkt).

Nach den letzten Publikationen ist das Ziel, nach 3 Monaten unter 10% zu kommen, wohl derzeit das Maß aller Dinge. Ob es dann 9% unter Glivec oder 5% unter Tasigna sind, scheint eher sekundär zu sein. Aber wissen tut das wohl noch keiner.

Der Wechsel von Generation 2 auf Glivec ist eher ungewöhnlich, scheint aber möglich zu sein. Ich würde das Thema frühzeitig mal beim Arzt anreißen.....

Nochmal alles Gute, auch bei der Entscheidungsfindung.
Stephan

paradoxon
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Re: TKI und Kinderwunsch

Beitrag von paradoxon » 18.02.2013, 21:53

Hallo Stephan,

danke für die Antworten.

Ja, der Therapiebeginn nach 2 Tagen war schon schnell. Mir erscheinen 2,5 Monate ziemlich lang - aber ich habe ja keinen Vergleich. Ich habe das Thema beim Arzt nicht vergessen, wir haben aber gemeinsam entschieden, die Therapie so schnell wie möglich zu beginnen. Im Nachhinein hätte ich es vielleicht anders gemacht und mich vor Therapiebeginn bei einem Reproduktionsmediziner beraten lassen. Das werde ich jetzt auf jeden Fall nachholen.

Für mich ist aber sowieso die Aussicht, auch auf natürlichem Weg noch Kinder bekommen zu können, von noch größerem Interesse. Ich hoffe auch, dass in einigen Monaten die CML weitgehend zurückgedrängt ist. Wir brauchen auch sicher noch Zeit, um zu überlegen, ob eine Schwangerschaft trotz Glivec oder sogar Tasigna für uns überhaupt eine Option ist. Wenn die Alternative ist, vielleicht erst in einigen Jahren nach einem möglichen Absetzen noch ein Kind zu bekommen, ist das sicher später als wir es uns eigentlich vorgestellt hatten - aber die Diagnose CML hatten wir eben auch nicht eingeplant und ich finde es ehrlich gesagt genial, dass es diese Perspektive überhaupt gibt!

Es gab übrigens keinen zwingenden medizinischen Grund, Tasigna zu wählen. Ich habe zwar ein seltenes BCR-ABL Transkript (b2a3), aber es gibt keine Erkenntnisse, dass dafür ein bestimmtes Medikament besser geeignet wäre. Allerdings wird ja von vielen inzwischen empfohlen, mit den Zweitgenerations-TKI zu beginnen - die Ergebnisse sprechen einfach dafür. Ich fand das grundsätzlich auch sinnvoll. Ich denke auch, dass es durchaus denkbar wäre, auch zu einem späteren Zeitpunkt noch zu Glivec zu wechseln - wenn ich Tasigna gut vertrage und es gut wirkt, kann ich ja ruhig erst einmal von der höheren Wirksamkeit profitieren. Oder verstehe ich hier etwas falsch?

Viele Grüße
Jonathan

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