Die "Qual" der Wahl

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Aramis
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Re: Die "Qual" der Wahl

Beitrag von Aramis » 04.02.2011, 22:42

Hallo Henry,

bei meinem Mann wurde CML vor 14 Tagen neu diagnostiziert. Er wurde im Krankenhaus anfangs mit Litalir behandelt und wurde letzte Woche auf Tasigna
umgestellt. Diese Tabletten nimmt er jetzt den 2. Tag und
bisher bekommen Sie ihm gut. Ich kann ja weiter berichten. Allerdings hat er im Moment immer dann Heisshunger wenn er 2 Stunden vor der Tabletteneinnahme nichts mehr Essen darf, vergleichbar bei einer Diät :D

LG Gabi

jan
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Re: Die "Qual" der Wahl

Beitrag von jan » 30.01.2011, 16:51

Hallo Henry

Ich sehe das im Grunde ja wie Du. Ich bin selbst 37, kann Deine Gedanken also gut nachvollziehen, TKIs nicht ins 80. Lebensjahr nehmen zu wollen. Und ich denke auch, dass wir das nicht muessen. Die Zeit spielt fuer uns, denn es findet sehr viel Forschung statt, die residualen Stammzellen zu vernichten, die die Tyrosinkinasehemmer nicht erwischen.

Ich glaube aber nicht, dass der Weg zur Heilung ueber die aktuellen TKIs zu erreichen ist. Erstens scheinen sich die schlafenden Stammzellen zu widersetzen, und zweitens ist noch nicht bewiesen, dass bei den 5%, die in kompletter molekularer Remission einen Rueckfall erleiden, das Medikament wieder anspricht. Zwar war dies in der STIM-Studie bei allen der Fall, aber die Fallzahl war einfach zu klein.

Ich glaube, der Weg zur Heilung kommt ueber Kombinationen von starken Tyrosinkinasehemmern mit Immuntherapie (wie Interferon) oder neuartigen Medikamenten, die spezielle Eigenschaften der schlafenden Stammzellen gezielt attackieren. Da wird mit Kraft geforscht, aber handfeste Ergebnisse sind bestimmt noch ein Jahrzehnt entfernt.

Dass ich mir darüber Gedanken mache, siehst du ja auch daran, dass ich 2006 im Rahmen einer Studie in guter molekularer Remission (aber nicht negativ) imatinib abgesetzt habe und nur mit PegIFN alle 14 Tage weitergemacht habe - und meine PCR blieb stabil auf niedrigem Niveau. Natuerlich denke ich drüber nach, wie ich die restlichen Biester wegbekomme. Mal sehen. Auf eine Monotherapie mit TKI werde ich in meiner Situation aber eher nicht setzen, sondern eher eine Kombination - der Kuchen ist aber noch nicht fertig gebacken... Bin ja auch nicht unter Zeitdruck.


Herzliche Gruesse
Jan

henryy
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Re: Die "Qual" der Wahl

Beitrag von henryy » 30.01.2011, 13:20

Hallo Jan,

deinen wirklich sehr informativen Artkel habe ich natürlich gelesen und über meine gestellte Frage hatten wir ja schonmal kurz geschrieben.

Ich möchte mich auch nochmal für diesen Artikel bei dir bedanken, denn er ist wirklich klasse und fast sehr viele ganz wichtige Informationen zusammen, die man sonst nur durch sehr mühsame Recherche herausfinden würde.

Ich stimme auch mit dir weitesgehend überein, dass ein Wechsel eigentlich nur Sinn macht, wenn das ansprechen schlecht oder die Nebenwirkungen zu hoch sind, in frage kommen sollte.

Ich sehe allerdings eine Sache etwas anders, denn die Chance auf eine Heilung (und sei sie auch noch so klein), sollte man meiner meinung nach nie ganz aus den Augen verlieren und immer auch in seine Entscheidungen mit einbeziehen.

Ich persönlich tue mich auch recht schwer damit, mich damit abzufinden mein ganzes weiteres leben (bin 40Jahre) ein Medikament vom Kaliber der CML Medikamente zu nehmen, denn das sind ja leider nunmal keine "harmlosen" Asperin :wink:

Daher ist ein vieleicht medikamenten freies leben für mich durchaus als ein nicht zu verachtendes entscheidungs Kriterium anzusehen. Für mich stand auch schon vor 2 Jahren nach der Diagnose fest, dass ich irgednwann versuchen werde das Medikament abzusetzen. Vorausgetzt ist natürlich eine komplette Remission.

Natürlich sind 5% Heilungschancen nicht berauschend viel, aber immerhin!! und wenn man die Zahl anders sieht, nähmlich die 50% (von den mit >0,0032%), dann sieht die Zahl für mich schon wieder ganz anders aus :wink:

Und wenn dann aus den 50% vielleicht 75% werden könnten oder sich die Chance erhöt die >0,0032 zu erreichen durch einen Medikamenten Wechsel, dann ist es durchaus auch eine Überlegung wert denke ich.

Vieleicht sehe ich das auch etwas zu naiv, aber ich finde es lohnt sich durchaus darauf zu hoffen und sich nicht gleich damit abfinden zu müssen, ein leben lang CML zu haben und Medikamente nehmen zu müssen.

Lg Henry

jan
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Re: Die "Qual" der Wahl

Beitrag von jan » 30.01.2011, 00:10

Lieber Henryy,

sicher hast Du meinen Artikel ASH: Wettrennen von Nilotinib und Dasatinib auf dem Weg zur Erstlinientherapie gelesen. Im Kapitel "Diskussion" dieses Artikels setze ich mich ja im Detail mit diesem Thema auseinander.

Das Problem bei der Sache ist, dass es keine klare Antwort gibt, denn in der Tat ist die Wahl von individuellen Faktoren abhängig. Wenn man unter Imatinib bereits ein hervorragendes Ansprechen erreicht hat, dieses Ansprechen schon über längere Zeit stabil sind, die Nebenwirkungen gering sind, gibt es meines laienhaften Erachtens keine wirklich guten Gründe, das Pferd zu wechseln. Gibt es Probleme, kann es, je nach Nebenwirkung oder Ansprechen, Gründe für das eine oder andere geben. Und wenn man direkt nach Diagnose heute die Entscheidung trifft, gibt es sicher gute Gründe für eine stärkere Erstlinientherapie, um die am Anfang der Therapie höhere Risiken eines Krankheitsfortschritts zu verkleinern.

Keines der drei Medikamente heilt einen signifikanten Teil der Patienten, das ist relativ sicher. Unter Imatinib erreichen nur ca. 10% der Patienten ein dauerhaft PCR-negatives Ergebnis ("komplette molekulare Remission"). Wenn diese 10% das Medikament absetzen, so die Ergebnisse der französischen STIM-Studie, erleiden etwa die Hälfte davon einen Rückfall. Dies bedeutet, etwa 5% der Patienten kann man, zumindest der kurzen Erfahrung der französischen Studie nach, als von Imatinib geheilt betrachten. Nun könnte es sein, dass man unter Nilotinib oder Dasatinib den Anteil derer, die komplett negativ erreichen, erhöhen - vielleicht auf 20%, rein spekulativ? Dann würden etwa 10% der Patienten geheilt und 90% nicht. Meiner persönlichen, nicht-ärztlichen Ansicht nach ist also das Ziel, Heilung zu erreichen, kein unmittelbar einleuchtender Entscheidungsfaktor für den Wechsel von Imatinib auf die Zweitgenerationsmedikamente.

Demnach, so leid es mir tut, ist es doch so, dass mangels längerfristiger Studiendaten noch keine bessere Antwort als "das kommt darauf an" (individuelles Ansprechen und Nebenwirkungen) bzw "muss jeder individuell entscheiden" (Prinzip Hoffnung auf komplette molekulare Remission mit Inkaufnahme von anderen Nebenwirkungen vs. "bewährtes Medikament und super Remission")... und die Entscheidung bzgl "Erstmedikation" und "Wechsel nach Imatinib-Erstlinie" sind halt auch grundlegend verschiedene Entscheidungspunkte...

Viele Grüße
Jan

henryy
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Re: Die "Qual" der Wahl

Beitrag von henryy » 29.01.2011, 23:25

Hi Nico,

das mit dem running system ist natürlich ein nicht zu verachtenes Argument.

Was ich noch nicht ganz durchblicke ist, welches medikament Nebenwirkungsärmer sein soll, Nilotinib oder doch Imatinib.

Was ich mich weiterhin Frage ist, ob das neuere und etwas in seiner Wirksamkeit stärkere Medikament tatsächlich eine größere Change auf vollständige Heilung ergibt. Wenn dem so ist, dann ist es sicher ein nicht zu verachtender Punkt und wäre ein gewichtiges Argument bei der Wahl oder einem Wechsel

Lg

NL
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Re: Die "Qual" der Wahl

Beitrag von NL » 29.01.2011, 19:57

Moin Henry,
dazu fällt mir das englischsprachige Sprichwort "never change a running system" ein. So lange sich bei mir nichts ändert (PCR negativ, keine "echten" Probleme mit Nebenwirkungen, Leber funktioniert), werde ich auch bei meinen 400mg Glivec bleiben. Zu Beginn der Behandlung habe ich zusammen mit meinem Hämatologen übder einen Wechsel von Glivec zu Tasigna diskutiert, da aber das Ansprechen nach Dosiserhöhung sehr gut war, bestand dazu dann kein Anlass. Ich bin eigentlich nicht der Ansicht, dass jeder Patient diese Entscheidung alleine fällen sollte; entschieden werden sollte in Absprache mit dem behandelnden Onkologen.
Alle drei Medikamente habe ihre Eigenheiten, eine allgemeine Empfehlung will ich als Laie nicht geben. Es sieht zumindest nach über vier Jahren und 1.5 Jahren negativer PCR so aus, als sei Glivec die richtige Wahl für mich gewesen. Die Studienergebnisse deuten meines Wissens darauf hin,dass ein schnelles Erreichen der zytogenetischen Remission von Vorteil sei. Damit spricht einiges für Nilotinib/Tasigna und Dasatinib/Sprycel. Die Entscheidung für ein Medikament ist ja nicht endgültig. Wenn man eine zweite Linie benötigt, stehen ja glücklicherweise Medikamente zur Auswahl. Und der Wechsel ist bekanntermassen möglich, zumindest, wenn er notwendig ist.
Alles Gute
Niko

henryy
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Die "Qual" der Wahl

Beitrag von henryy » 29.01.2011, 14:29

Hallo,

ich möchte hier einmal eine Frage in den Raum stellen auf die es sicher keine eindeutige Antwort gibt, aber trotzdem interessiert mich eure Meinung sehr. Ich hoffe auch oder gerade auf Antworten die etwas weg von allgemeingültigen Aussagen wie "das muss jeder individuell entscheiden" gehen

Welches der drei Medikamente ist die "beste" Wahl um die CML zu behandeln? Tasigna (Nilotinib) und Sprycel (Dasatinib) oder Glicec (Imatinib).

Welche Medikament ist vom Leistungs/Nebwenwirkungs-Verhältniss das Hofnungsvollste eurer Meinug nach. Welches Medikament würdet ihr nach den heutigen Forschungsergebnissen als Estmedikament einsetzen, oder gibt und gab es auch bei euch überlegungen von einem bewährtem Mittel wie Glivec zu einen der neueren zu wechseln?

Für mich stellt sich diese Frage und auch die Wahl , auch wenn meine Diagnose und Erstbehandlung schon 2 jahre her ist und ich mit Glivec sehr gute Ergebnisse erzielen konnte gehen mir diese Überlegungen nicht aus dem Kopf. Vieleicht ergeht oder erging es anderen hier ja ähnlich wie mir.

Danke und viele Grüße

Henry

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