Auf einmal hat man CML

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jan
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Beitrag von jan » 26.08.2010, 11:16

Liebe Daggi

ich denke, alle hier können die Achterbahn Deines momentanen Alltags aus eigener Erfahrung sehr gut nachvollziehen. Bei mir war es 2001 so weit, im Alter von 28, als ich meine Diagnose der CML bekam. Damals war die Situation noch deutlich unsicherer - Imatinib/Glivec war noch sehr experimentell, die Standardempfehlung war die Transplantation mit all seinen hohen Chancen und Risiken, ... die Gedanken und Sorgen waren aber damals wie heute sehr ähnlich. Ich selbst habe mich damals an meiner Arbeit festgehalten, weil ich ohne Druck von außen vermutlich in ein dickes Loch gefallen wäre - und habe daher wegen der CML praktisch nie gefehlt. Aber jeder bewältigt das anders und braucht zur Überwindung der Krise andere Mittel - Ruhe oder Arbeit, Freunde oder Alleinsein, professionelle Hilfe oder Kunst, ...

Heute, mit über 10 Jahren Erfahrung des Einsatzes von Imatinib bei CML-Patienten, kann man sagen: Bei vier von fünf Patienten mit CML schafft es diese Therapie, unter sehr geringen Nebenwirkungen (für eine Krebstherapie) die CML langfristig auf ein Minimum zurückzudrängen. Natürlich kann keiner eine Prognose geben, und abgesehen von der CML hat jedes Leben seine Risiken, aber es gibt keine ernsthaften Warnsignale und ich würde behaupten, Du hast ganz gute Chancen, den 50. Geburtstag Deiner Tochter mitzufeiern. Für fast alle des restlichen Fünftels der Patienten, bei denen diese Therapie nicht funktioniert, gibt es für wirksame Zweitlinienmedikamente. Die Forschung in der CML schreitet zusätzlich gut voran, so dass neue Therapien noch gezielter werden und vielleicht in einigen Jahren sogar die minimale Resterkrankung, die "schlafenden CML-Stammzellen", erwischen.

Ich möchte Dir damit nur Hoffnung machen, dass die Zeit für uns spielt. Eine Krebsdiagnose ist immer ein Disaster, ein großer Einschnitt, ein Beginn von Unsicherheit und Ängsten. Im Falle der CML stehen die Chancen aber gut, damit wie ein Diabetespatient langfristig gut leben zu können, wenn man die Therapie ernst nimmt und den "Löwen im Käfig" hält, indem man die Medikamente nimmt und die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen nicht auslässt.

Ich wünsche Dir viel Kraft, damit umzugehen zu lernen. Wir helfen Dir hier gerne mit unseren Erfahrungen. Ich möchte nur bestätigen - nimm jemanden zu den Arztterminen mit, so dass Du nachher rekapitulieren kannst, was Ihr gehört habt. Überstürze keine Entscheidungen - es dauert etwas, bis der Körper an die Medikamente und Deine Seele an die CML gewöhnt ist, und dann kann sich ein normales Leben wieder einpendeln.

Herzliche Grüße
Jan




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Enrico
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Beitrag von Enrico » 25.08.2010, 21:33

Hallo Daggi!

Gern kannn ich dir vielleicht auch einige Fragen beantworten, bin seit Sept. 2009 an Leukämie erkrankt.
Das Glivec ist sehr verträglich.
Was den Schwerbehindertenausweis angeht, wurde gleich im KH ein Antrag gestellt über den Sozialdienst.
Also hast du noch Fragen, melde dich ruhig.

beste Grüße
Enrico
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Haggi
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Beitrag von Haggi » 24.08.2010, 12:21

Hi Daggi,


nur zum Thema Krankschreibung noch ein Wort. Es gibt viele Meinungen zum Thema sofort wieder arbeiten.
Ich war 11 Monate Krank nach der Diagnose (gut ich lag auch 2 Wochen in der Klinik zu Anfang), und habe auch eine Reha gemacht vor dem wiedereinstig.

Am Anfang nach der Klinik dachte ich auch ich könnte schnell wieder arbeiten, doch nach einigen Wochen war ich dan völlig ausgelaugt, und brauchte definitiv auch einige Zeit um alles wieder zu sortieren und wieder richtig warm mit allem zu werden.

Was ich damit sagen will. Wenn du es brauchst nimm dir ne Auszeit, mach auch eine Reha, nicht nur wegen des Körpers, sonder auch um deine Seele zu beruhigen :)
Keiner erwartet das man nach so einer Diagnose sofort wieder voll da ist.
Andererseits braucht manch einer Ablenkung, da kann auch ein schneller Einstig wieder sinnvoll sein.

Schwerbehinderung wirste sicher nach Antrag bekommen. Hat bei mir kein 4 Wochen gedauert. Habe 60% bekommen, unbefristet. Hilft dir grade beim Kündigugsschutz.

Bei Fragen musst du uns einfach Löchern, ging mir zumindest Anfangs nicht anders, da hatte ich 100 Fragen und bekam hier viele gute Tips und Antworten.

Haggi
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bk
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Beitrag von bk » 23.08.2010, 16:45

hallo daggi,

ich habe auch gerade eine ähnliche situation bei mir erlebt, plötzliche diagnose, ein toparzt, der alles richtig machte, ich war nichtmal im krankenhaus, aber eben sofort ein medikament, glivec, damit sollte man nicht lange warten, werde auch an der studie teilnehmen, nilotinib als erstlinientherapie....
ich weiß, dass man am anfang ziemlich erschlagen ist von all den fremden begriffen; aber richtig ist, dass die cml eine zwar schwere, aber in aller regel gut behandelbare chronische erkrankung ist.
sowie in der vergangenheit zb diabetes oder tbc fast immer zum tode führten ist das heute in der regel kein thema mehr und die patienten leben mit den medikamenten ähnlich gut wie andere und erreichen auch dasselbe lebensalter.

wenn du mehr wissen willst, oder auch mal persönlich reden schreib mir eine mail, dann könnten wir auch telefonieren......alles gute und liebe grüße, bernd
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Marc
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Beitrag von Marc » 23.08.2010, 13:01

Liebe Daggi,

für alle Fragen und Probleme bist Du natürlich hier im Forum richtig,
dies ersetzt allerdings in keinem Fall Deinen Arzt, denn der kennt Verlauf der
Behandlung, Diagnosen, etc..

Für die Besuche beim Arzt solltest Du jemand mitnehmen, dem Du vertraust.
Ganz nach dem Prinzip 4 Ohren hören mehr als 2. Ansonsten machst Du es ja
schon richtig und schreibst Deine Fragen auf, um keine zu vergessen.

Die CML ist mittlerweile zu einer gut therapierbaren Erkrankung geworden und
es stehen einige sehr wirksame und relativ nebenwirkungsarme Medikamente zur Verfügung.
Dies wären Glivec (Wirkstoff: Imatinib), Tasigna (Wirkstoff: Nilotinib) und Sprycel (Wirkstoff: Dasatinib), desweiteren in klinischen Studien weitere Medikamente.

I.d.R. wird man nicht länger krankgeschrieben, abhängig u.U. von der psychischen Verfassung und auch von evtl. individuellen Risiken (vielleicht auch berufsbedingt) des Patienten.
Die vergrößerte Milz bildet sich bei erfolgreicher Therapie relativ schnell zurück.

Die Medikamente haben i.d.R. alle unterschiedliche Nebenwirkungen, an die meisten gewöhnt man sich und viele kann man auch mit einfachen Mitteln wirksam begegnen. Also erstmal abwarten, womit Du behandelt wirst.

Sofern Du einen Schwerbehindertenausweis beantragen möchtest, bekommst Du einen GdB (Grad der Behinderung) von mind. 50%. Bei Splenomegalie (vergrößerte Milz) häufig noch einen Aufschlag. Der Ausweis kann je nach Person einige Nachteile ausgleichen, z.B. verbesserter Kündigungsschutz, Pauschbetrag für die Steuer, zusätzl. Urlaubstage, etc..

Auch wenn es verdammt schwer fällt, es gibt noch etwas außer der CML, z.B. die Einschulung Deiner Tochter und irgendwann einmal den verdienten Ruhestand. Aus Deinem Anmeldenamen entnehme ich Du bist Geburtsjahr 1973, dann musst Du noch etwas arbeiten bis dahin.

Für alle weiteren Fragen kannst Du das Forum nutzen oder auch den anderen Forenteilnehmern eine persönl. Nachricht schicken.

Gruss

Marc



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Beitrag von Daggi1973 » 23.08.2010, 12:21

Hallo zusammen,
ich bin froh, ein Forum gefunden zu haben, in dem sich Mitbetroffene der CML austauschen können.
Für mich ist das alles noch neu.
Am Freitag, dem 13.8.2010 hieß die Aussage der Internistin, zu der mich mein Hausarzt geschickt hatte: Leukämie. Das war erst mal ein Schock.
Dabei war ich am Montag davor "nur" zu meinem Hausarzt gegangen, weil ich mich schon seit einiger Zeit gewundert hatte, dass mein rechter Bauch härter ist als der linke. Und da ja gerade mein Urlaub begonnen hatte, hatte ich ja auch mal Zeit zum Arzt zu gehen. Mein Hausarzt war ja noch der Meinung, dass das wohl nichts Schlimmes sein würde. Ich hätte ja eh abgenommen und da würde man halt die Muskeln etwas deutlicher spüren. Nichts desto trotzt schrieb er mir eine Überweisung für einen Internisten, damit dieser einen Ultraschall und eine Blutuntersuchung machen sollte.
Den Termin beim Internisten zum Ultraschall hatte ich dann Dienstag. Dabei stellte sich dann heraus, dass meine Milz so extrem vergrößert ist, dass sie es mit ihrem Gerät gar nicht richtig messen konnte (also mindestens 23 cm sagte sie). Leider war erst am nächsten Tag, also am Mittwoch die Blutabnahme möglich. Und am Freitag dann das Ergebnis.
Weil meine Leukozyten bei 243.000 lagen, sollte ich sofort zum Krankenhaus fahren. Dort haben sie mich auch direkt einbehalten. Im Krankenhaus konnte mich der Arzt etwas beruhigen, als er mir erklärte, dass es sich vermutlich um eine CML handeln würde, die man doch recht gut mit Medikamenten behandeln könne.
Dann war ich eine Woche im Krankenhaus, damit die Leukozyten runter gingen. Das taten sie dann zum Glück auch. Den Medikamenten sei Dank. Jetzt bin ich erst mal wieder zu Hause.
Nun habe ich am Donnerstag den ersten Termin in der Ambulanz. Dann werde ich mit dem Doc besprechen, welches Medikament ich bekommen soll. Auch er hat mir von einer Studie erzählt. Er kam direkt am ersten Tag an dem ich im Krankenhaus war. Und er hat geredet und geredet. Ich konnte gar nicht richtig zuhören, weil ich so Kopfschmerzen hatte.
Also habe ich mir in den letzten Tagen einen Zettel genommen und alle Fragen aufgeschrieben, die mir eingefallen sind.
Ich habe viel im Internet gelesen. Viele Sachen verwirren mich im Moment noch. Manchmal ist das alles doch einfach noch zu viel.
Vielleicht hab ich am Donnerstag mehr Durchblick und weiß dann endlich, wie es weitergeht. Bleibe ich noch länger krank geschrieben? Wie komme ich mit den Medikamenten zurecht? Was kann / muss ich noch alles tun? Ich habe davon gelesen, dass CML-Patienten bereits eine Schwerbehinderung anerkannt bekommen haben. Und dass die Krankenkassen auch helfen, wenn kleine Kinder (habe eine Tochter, die nächste Woche eingeschult wird) im Haushalt leben.
Ich habe so viele Fragen. Und manchmal könnte ich nur heulen. Und dann denke ich wieder, dass es anderen schlechter geht und die Prognose doch gar nicht so schlecht ist.
Naja. Wie gesagt. Schön, dass es hier eine Plattform gibt, wo man sich austauschen kann oder vielleicht einfach nur mal was runterschreiben kann, so wie ich gerade.
Danke
Eure Daggi

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