von jan » 14.04.2012, 12:46
Hallo Ralf,
Danke fuer Deine Gedanken.
Für sehr rhetorisch oder selbstreflektierend halte ich Deine doch sehr auf meine Aktivitäten abzielenden Fragen nicht, aber heiße sie natürlich, wie jede kritische Reaktion in diesem offenen Forum, sehr willkommen.
Allerdings teile ich nicht, dass sich der Eintritt für Patientenrechte und die Unterstützung der Forschung widersprechen. Meiner Ansicht nach ist das höchste Recht des Patienten, gesund zu werden. Hierzu ist Forschung zwingend erforderlich, denn ohne Forschung kein Fortschritt, ohne Fortschritt keine neuen, hoffentlich kurativen Therapien, und ohne wissenschaftliche Evidenz kein Beweis, dass diese neuen Therapien tatsächlich auch besser sind als existierende. Ohne Evidenz bleiben wir in der Sphäre der Behauptungen, des Mutmaßens und des Marketings, das die "ganzheitliche Branche" der Heiler und Naturproduktehersteller mindestens genauso gut beherrscht wie die Pharmabranche - nur anders und subtiler.
Wie im Forum hier klar ersichtlich ist, bin ich ein klarer Anhänger evidenzbasierter Medizin (EBM), d.h. ich glaube an Fortschritt nur, wenn dieser nach wissenschaftlichen Kriterien nachweisbar ist, und lehne es ab, wenn Heilsversprechen und Einzelfallbeschreibungen als gerechtfertigtes Substitut für statistisch aussagekräftige Evidenz gesehen werden. Ich bin auch ein Befürworter der Komplementärmedizin, solange sich diese um den Wirkungsnachweis auf Basis der Grundlagen evidenzbasierter Medizin bemüht, und weiß auch, dass die Milliarden, die alljährlich in Deutschland in Komplementär- und Alternativmedizin fließen, für diese Nachweise genutzt werden könnten, stattdessen aber lieber abgeschöpft werden. Ich befürworte sie, wenn sie von verantwortlichen ganzheitlichen Ärzten, die die schul- und komplementärmedizinischen Ansätze nach einer soliden Ausbildung kompetent beurteilen können, angewendet werden, bin aber sehr kritisch, wenn Heilpraktiker nach meiner Ansicht nach hanebüchener Wochenendausbildung in der Krebstherapie herumwursteln.
Daher setze ich mich auch auf Europaebene dafür ein, dass Patientenvertreter sich in den Methoden evidenzbasierter Medizin, klinischen Studien, Nutzenbewertung, Arzneimittelsicherheit usw weiterbilden. Ob sie diese dann dafür einsetzen, in der Arzneimittelforschung gegenüber klinischen Forschern und Unternehmen ihre unbedienten Bedürfnisse zu kommunizieren, oder ob sie die "Gesamtheitlichen" zu besserer Evidenz ihrer Behauptungen überreden, ist dann Sache der Patientengruppen, oder ob sie Patienten über die Pros und Contras von Studien aufklären - all dies ist legitim. Wir versuchen, "Querdenker" mit Wissen und Kompetenzen auszustatten, dass sie diese Entwicklungsprozesse hinterfragen, beurteilen und unterstützen oder ablehnen können. Ich finde es daher etwas bedauerlich, denjenigen, die sich mit der Verbesserung der patientenzentrierten Forschung befassen und dabei mit allen Akteuren des Gesundheitssystems zusammenarbeiten, das "ganzheitliche Querdenken" abzusprechen und ihnen "Vertikalität" bzw "Linearität" zu unterstellen.
Ich stehe dazu, dass ich der Forschung helfen möchte, bessere Krebstherapien zu entwickeln, mit denen möglichst alle Krebspatienten diese drastische Diagnose überleben können. Die Mehrheit hier im Forum wären ohne die schulmedizinischen Fortschritte der Krebsforschung in den letzten 15 Jahren, so drastisch das klingt, bereits tot. Trotzdem sind wir hier, weil wir noch nicht geheilt sind, weil wir weiter mit dem Krebs kämpfen. Ohne Forschung und Studien heute gibt es allerdings keine Heilung für die Patienten morgen - weder schulmedizinisch noch alternativ. In den rund 230 klinisch unterschiedlichen Krebsarten, die es gibt, gibt es nur ganz wenige, bei denen es solche großen Fortschritte gab wie in der CML. Und es gibt kaum welche, wo man in vielen Fällen mit "Watch&Wait" (gleichsam ergänzt um Komplementärmethoden oder "völlig ohne") vorgehen kann wie bei der CLL. Die Fortschritte müssen für die meisten Krebsarten schneller, besser und systematischer werden, denn im Moment stirbt noch jeder vierte Europäer an Krebs - pro Jahr etwa 400.000 Deutsche, was der Bevölkerung von Wuppertal oder Dresden entspräche. Das bekommen wir nicht alleine durch ganzheitliches Denken oder Wundermittelchen in den Griff, sondern durch aufeinander aufbauende massive Fortschritte in der Medizin und bessere Zusammenarbeit der Akteure. Wir sind trotz vereinzelten Erfolgsmeldungen Lichtjahre davon entfernt, dass die Krebsforschung ihre Existenzgrundlage verliert - leider.
Wir als Patienten können helfen, dass die Forschungsprioritäten unsere Bedürfnisse trifft, dass Duplikation vermieden wird, dass mangelnde Transparenz aufgehoben wird, dass die evidenzbasierten Erkenntnisse möglichst schnell bekannt werden und sich in der ärztlichen Praxis niederschlagen. Aber nur, wenn wir kompetent mitwirken, statt auf ein Wunder zu hoffen und die zu kritisieren, die in der Richtung etwas unternehmen.
Herzliche Grüße
Jan
Hallo Ralf,
Danke fuer Deine Gedanken.
Für sehr rhetorisch oder selbstreflektierend halte ich Deine doch sehr auf meine Aktivitäten abzielenden Fragen nicht, aber heiße sie natürlich, wie jede kritische Reaktion in diesem offenen Forum, sehr willkommen.
Allerdings teile ich nicht, dass sich der Eintritt für Patientenrechte und die Unterstützung der Forschung widersprechen. Meiner Ansicht nach ist das höchste Recht des Patienten, gesund zu werden. Hierzu ist Forschung zwingend erforderlich, denn ohne Forschung kein Fortschritt, ohne Fortschritt keine neuen, hoffentlich kurativen Therapien, und ohne wissenschaftliche Evidenz kein Beweis, dass diese neuen Therapien tatsächlich auch besser sind als existierende. Ohne Evidenz bleiben wir in der Sphäre der Behauptungen, des Mutmaßens und des Marketings, das die "ganzheitliche Branche" der Heiler und Naturproduktehersteller mindestens genauso gut beherrscht wie die Pharmabranche - nur anders und subtiler.
Wie im Forum hier klar ersichtlich ist, bin ich ein klarer Anhänger evidenzbasierter Medizin (EBM), d.h. ich glaube an Fortschritt nur, wenn dieser nach wissenschaftlichen Kriterien nachweisbar ist, und lehne es ab, wenn Heilsversprechen und Einzelfallbeschreibungen als gerechtfertigtes Substitut für statistisch aussagekräftige Evidenz gesehen werden. Ich bin auch ein Befürworter der Komplementärmedizin, solange sich diese um den Wirkungsnachweis auf Basis der Grundlagen evidenzbasierter Medizin bemüht, und weiß auch, dass die Milliarden, die alljährlich in Deutschland in Komplementär- und Alternativmedizin fließen, für diese Nachweise genutzt werden könnten, stattdessen aber lieber abgeschöpft werden. Ich befürworte sie, wenn sie von verantwortlichen ganzheitlichen Ärzten, die die schul- und komplementärmedizinischen Ansätze nach einer soliden Ausbildung kompetent beurteilen können, angewendet werden, bin aber sehr kritisch, wenn Heilpraktiker nach meiner Ansicht nach hanebüchener Wochenendausbildung in der Krebstherapie herumwursteln.
Daher setze ich mich auch auf Europaebene dafür ein, dass Patientenvertreter sich in den Methoden evidenzbasierter Medizin, klinischen Studien, Nutzenbewertung, Arzneimittelsicherheit usw weiterbilden. Ob sie diese dann dafür einsetzen, in der Arzneimittelforschung gegenüber klinischen Forschern und Unternehmen ihre unbedienten Bedürfnisse zu kommunizieren, oder ob sie die "Gesamtheitlichen" zu besserer Evidenz ihrer Behauptungen überreden, ist dann Sache der Patientengruppen, oder ob sie Patienten über die Pros und Contras von Studien aufklären - all dies ist legitim. Wir versuchen, "Querdenker" mit Wissen und Kompetenzen auszustatten, dass sie diese Entwicklungsprozesse hinterfragen, beurteilen und unterstützen oder ablehnen können. Ich finde es daher etwas bedauerlich, denjenigen, die sich mit der Verbesserung der patientenzentrierten Forschung befassen und dabei mit allen Akteuren des Gesundheitssystems zusammenarbeiten, das "ganzheitliche Querdenken" abzusprechen und ihnen "Vertikalität" bzw "Linearität" zu unterstellen.
Ich stehe dazu, dass ich der Forschung helfen möchte, bessere Krebstherapien zu entwickeln, mit denen möglichst alle Krebspatienten diese drastische Diagnose überleben können. Die Mehrheit hier im Forum wären ohne die schulmedizinischen Fortschritte der Krebsforschung in den letzten 15 Jahren, so drastisch das klingt, bereits tot. Trotzdem sind wir hier, weil wir noch nicht geheilt sind, weil wir weiter mit dem Krebs kämpfen. Ohne Forschung und Studien heute gibt es allerdings keine Heilung für die Patienten morgen - weder schulmedizinisch noch alternativ. In den rund 230 klinisch unterschiedlichen Krebsarten, die es gibt, gibt es nur ganz wenige, bei denen es solche großen Fortschritte gab wie in der CML. Und es gibt kaum welche, wo man in vielen Fällen mit "Watch&Wait" (gleichsam ergänzt um Komplementärmethoden oder "völlig ohne") vorgehen kann wie bei der CLL. Die Fortschritte müssen für die meisten Krebsarten schneller, besser und systematischer werden, denn im Moment stirbt noch jeder vierte Europäer an Krebs - pro Jahr etwa 400.000 Deutsche, was der Bevölkerung von Wuppertal oder Dresden entspräche. Das bekommen wir nicht alleine durch ganzheitliches Denken oder Wundermittelchen in den Griff, sondern durch aufeinander aufbauende massive Fortschritte in der Medizin und bessere Zusammenarbeit der Akteure. Wir sind trotz vereinzelten Erfolgsmeldungen Lichtjahre davon entfernt, dass die Krebsforschung ihre Existenzgrundlage verliert - leider.
Wir als Patienten können helfen, dass die Forschungsprioritäten unsere Bedürfnisse trifft, dass Duplikation vermieden wird, dass mangelnde Transparenz aufgehoben wird, dass die evidenzbasierten Erkenntnisse möglichst schnell bekannt werden und sich in der ärztlichen Praxis niederschlagen. Aber nur, wenn wir kompetent mitwirken, statt auf ein Wunder zu hoffen und die zu kritisieren, die in der Richtung etwas unternehmen.
Herzliche Grüße
Jan