von jan » 09.10.2011, 13:46
Hallo zusammen
das Thema "ist eine Leukämie erblich" muss man in zwei unterschiedliche Aspekte aufteilen:
1. Ist
Leukämie erblich von einem erkrankten Elternteil auf die Kinder
2. Ist
Krebs erblich bzw gibt es eine Häufung von Krebserkrankungen in Familien
Diese Fragen, die augenscheinlich ähnlich zu sein scheinen, haben unterschiedliche Antworten.
Bei #1 geht man nach heutigen Erkenntnissen davon aus, dass diese verneint werden muss. Man geht bei Leukämien von einer "erworbenen" Erkrankung aus, bei der Umwelteinflüsse (Giftstoffe, Strahlung) eine kleine Anzahl Stammzellen in einer Art mutieren lassen, die das Immunsystem dann aus unbekannten Gründen nicht beseitigt. Es entsteht daraus eine Leukämie. Da diese jedoch nicht Teil der Zeugungszellen sind, also kein "Leukämie-Gen" ab Geburt vorliegt, geht man nicht davon aus, dass sich die Leukämie genetisch von den Eltern zum Kind überträgt.
Dies ist bei manchen anderen "genetisch bedingten" Krebserkrankungen anders - so gibt es bestimmte vererbbare Veranlagungen, die die Entstehung z.B. von Brust-, Hoden- oder Eierstockkrebs begünstigen. Bei Leukämien weiss man heute jedoch nicht von ähnlichen Mechanismen.
Bei #2 beobachtet man schon Häufigkeiten in manchen Familien (genetische Vorveranlagung, die die Krebsentstehung begünstigen bzw. den üblichen Selbstschutz vor mutierten Zellen aushebeln). Sehr bekannt ist "Li Fraumeni", bei dem eine bestimmte genetische, vererbbare Mutation dazu führt, dass Träger dieses Gens mit höchster Wahrscheinlichkeit an Krebs erkranken, weil die Reparaturmechanismen nicht funktioniert. Ich arbeitete in der Vergangenheit beispielsweise mit einem Patientenvertreter mit "Li Fraumeni" zusammen, selbst Krebspatient, der von seinen 6 Geschwistern bereits 3 an Krebs verloren hat. Es gibt sicherlich noch andere Gene, die diese Mechanismen beeinflussen. Zusätzlich zählen zu Punkt #2 natürlich auch regional begrenzte Umweltfaktoren - wenn z.B. eine ganze Familie in einem Haus mit schwerem Schimmelpilzbefall wohnt, ständigem Passivrauch ausgesetzt ist, oder in den 70ern toxische Stoffe im Familienwohnsitz angewendet wurden - all dies kann auch zu einer familiären Häufung von Krebserkrankungen führen. Da zwischen Einfluss (Mutation) und Ergebnis (Krankheit) oft viele Jahre oder Jahrzehnte liegen können, ist die Ursache oft nicht mehr zu finden.
Viele Menschen haben jedoch unnötigerweise Angst vor einem erhöhen Krebsrisiko, wenn eine Tumorerkrankung in der Familie auftritt - denn sie überschätzen die Anzahl der Krebsformen, die vererbt werden. Leukämien sind extrem selten, was gegen eine Vererbung spricht - auch wenn es natürlich auch rein zufällig sein kann, dass zwei Leukämiefälle in einer Familie (aus den unter #2 genannten Gründen, oder purem Zufall) gibt. Ich bin bei dem Thema sehr vorsichtig -- denn es ist niemandem geholfen, wenn z.B. Kinder von Krebspatienten in höherer Angst vor einer Vererbung eben, es aber speziell für diese Krebserkrankungen keine Vorsorge- und Screeningmöglichkeiten gibt. Nur die wenigsten Krebserkrankungen sind "screen-bar".
Eine kontroverse, aber doch ungelöste Diskussion - hier einige widersprüchliche Artikel dazu:
http://www.leukaemie-online.de/index.ph ... :forschung
http://www.leukaemie-online.de/index.ph ... tid=37:cll
http://www.leukaemie-online.de/index.ph ... :forschung
Viele Grüße
Jan
Hallo zusammen
das Thema "ist eine Leukämie erblich" muss man in zwei unterschiedliche Aspekte aufteilen:
1. Ist [i]Leukämie [/i]erblich von einem erkrankten Elternteil auf die Kinder
2. Ist [i]Krebs [/i] erblich bzw gibt es eine Häufung von Krebserkrankungen in Familien
Diese Fragen, die augenscheinlich ähnlich zu sein scheinen, haben unterschiedliche Antworten.
Bei #1 geht man nach heutigen Erkenntnissen davon aus, dass diese verneint werden muss. Man geht bei Leukämien von einer "erworbenen" Erkrankung aus, bei der Umwelteinflüsse (Giftstoffe, Strahlung) eine kleine Anzahl Stammzellen in einer Art mutieren lassen, die das Immunsystem dann aus unbekannten Gründen nicht beseitigt. Es entsteht daraus eine Leukämie. Da diese jedoch nicht Teil der Zeugungszellen sind, also kein "Leukämie-Gen" ab Geburt vorliegt, geht man nicht davon aus, dass sich die Leukämie genetisch von den Eltern zum Kind überträgt.
Dies ist bei manchen anderen "genetisch bedingten" Krebserkrankungen anders - so gibt es bestimmte vererbbare Veranlagungen, die die Entstehung z.B. von Brust-, Hoden- oder Eierstockkrebs begünstigen. Bei Leukämien weiss man heute jedoch nicht von ähnlichen Mechanismen.
Bei #2 beobachtet man schon Häufigkeiten in manchen Familien (genetische Vorveranlagung, die die Krebsentstehung begünstigen bzw. den üblichen Selbstschutz vor mutierten Zellen aushebeln). Sehr bekannt ist "Li Fraumeni", bei dem eine bestimmte genetische, vererbbare Mutation dazu führt, dass Träger dieses Gens mit höchster Wahrscheinlichkeit an Krebs erkranken, weil die Reparaturmechanismen nicht funktioniert. Ich arbeitete in der Vergangenheit beispielsweise mit einem Patientenvertreter mit "Li Fraumeni" zusammen, selbst Krebspatient, der von seinen 6 Geschwistern bereits 3 an Krebs verloren hat. Es gibt sicherlich noch andere Gene, die diese Mechanismen beeinflussen. Zusätzlich zählen zu Punkt #2 natürlich auch regional begrenzte Umweltfaktoren - wenn z.B. eine ganze Familie in einem Haus mit schwerem Schimmelpilzbefall wohnt, ständigem Passivrauch ausgesetzt ist, oder in den 70ern toxische Stoffe im Familienwohnsitz angewendet wurden - all dies kann auch zu einer familiären Häufung von Krebserkrankungen führen. Da zwischen Einfluss (Mutation) und Ergebnis (Krankheit) oft viele Jahre oder Jahrzehnte liegen können, ist die Ursache oft nicht mehr zu finden.
Viele Menschen haben jedoch unnötigerweise Angst vor einem erhöhen Krebsrisiko, wenn eine Tumorerkrankung in der Familie auftritt - denn sie überschätzen die Anzahl der Krebsformen, die vererbt werden. Leukämien sind extrem selten, was gegen eine Vererbung spricht - auch wenn es natürlich auch rein zufällig sein kann, dass zwei Leukämiefälle in einer Familie (aus den unter #2 genannten Gründen, oder purem Zufall) gibt. Ich bin bei dem Thema sehr vorsichtig -- denn es ist niemandem geholfen, wenn z.B. Kinder von Krebspatienten in höherer Angst vor einer Vererbung eben, es aber speziell für diese Krebserkrankungen keine Vorsorge- und Screeningmöglichkeiten gibt. Nur die wenigsten Krebserkrankungen sind "screen-bar".
Eine kontroverse, aber doch ungelöste Diskussion - hier einige widersprüchliche Artikel dazu:
http://www.leukaemie-online.de/index.php?option=com_content&view=article&id=478:krebsrisiko-zu-viel-angst-vor-familiaerer-belastung&catid=41:forschung
http://www.leukaemie-online.de/index.php?option=com_content&view=article&id=109:leukaemie-gen-entdeckt-das-zur-entstehung-von-cll-fuehren-kann&catid=37:cll
http://www.leukaemie-online.de/index.php?option=com_content&view=article&id=526:erkrankungsrisiko-fuer-angehoerige-von-leukaemiepatienten-hoeher-als-bisher-bekannt&catid=41:forschung
Viele Grüße
Jan