von jan » 07.04.2007, 08:57
Hallo Olaf,
Es ist natürlich unser gutes Recht, die beste Diagnostik zu fordern, und wo dies sinnvoll ist, sollten wir dies auch tun. Gleichzeitig müssen wir aber auch Verantwortung gegenüber dem Gesundheitssystem zeigen und diesem nicht Kosten für Maßnahmen aufbürden, die keinen Vorteil bringen. Im Falle des Forderns eines generellen Mutationsscreenings wäre dies meines Erachtens der Fall, da die Mutationsanalyse nur mit sehr aufwändigen und langwierigen Verfahren durchzuführen ist und in Deutschland maximal ein halbes Dutzend Labore existieren, die das überhaupt können. Wer beim Leukämie-Online-Treffen war, hat im MLL ja live gesehen, wie aufwändig die Methode ist.
Selbst wenn wir davon absehen, welche knappen Resourcen das bindet, die dann für die wirklich lebenskritischen Fälle vielleicht nicht zur Verfügung stehen, muss man die Kostenseite sehen. Da bei etwa 99% der CML-PCRs keine Mutation nachweisbar wäre (jeder Patient alle 3-6 Monate PCR, nur wenige Patienten mit Resistenz/Mutationen, Mindestpopulation mutierter Zellen zur Nachweisbarkeit erforderlich), hieße das bei angenommenen Kostens von 300-500 EUR, dass ein positives und 99 negative Mutationsscreenings Gesamtkosten von 30.000-50.000 EUR erzeugt hätten.
Und wenn wir auch davon absehen, zweifle ich daran, dass ein solches Screening Vorteile bringen würde, denn wir wissen nicht, ob eine durch Screening etwas früher erkannte Mutation eine bessere Therapie ermöglichen würde, die nicht auch bei Mutationstest nach 1-Log-Anstieg der normalen PCR noch gut behandelbar wäre. Demnach ist es eine gewagte These, dass die Intervention erst bei "offensichtlichem Versagen von Glivec" einen medizinischen Nachteil birgt. Die Gefahr ist meines Erachtens weniger die fehlende Verfügbarkeit oder der zu späte Einsatz von geeigneter Diagnostik, als die Ärzte, die davon überhaupt nichts wissen und lieber an resistenten Patienten ohne Rücksprache mit Experten rumlaborieren.
Ich denke, hier gehen einige Dinge etwas durcheinander, und wir sollten vorsichtig damit sein, es besser wissen zu wollen als die CML-Spezialisten. Dafür fehlen uns als Laien die medizinischen Grundlagen in Medizin, Genetik und Biologie - und eben der individuelle Gesamtkontext.
Im Übrigen noch zur Behandlung von Mutationen. Wie Du sicher gelesen hast, gibt es drei verschiedene Resistenzarten wie Überexpression, Amplifikation und Punktmutation. Einige Resistenzen - auch manche Mutationen - sind sehr gut mit einer Dosiserhöhung überwindbar, weil die Bindungsfähigkeit von Imatinib bei manchen nur leicht herabgesetzt ist. Angesichts dessen, dass mit Glivec 6 Jahre Erfahrung mit sehr wenigen "Überraschungen" existieren, während Dasatinib und Nilotinib noch relativ junge Medikamente sind, und dass es auch Mutationen gibt, gegen die Dasatinib und Nilotinib, nicht aber Glivec unwirksam sind, kann man das ganze nicht Schwarz/Weiss auf "Resistenz = neuer TKI" reduzieren, sondern das alles ist auch bei CML-Spezialisten eine individuelle Abwägung je nach Erkrankungsstadium des Patienten, Verlauf bisheriger Untersuchungen, Einschätzung möglicher Resistengründe, individuelle Erfolgsaussichten verschiedener Therapieoptionen, etc. Medizin ist eine sehr komplexe Wissenschaft.
Dieter hat zum Thema FISH bereits sehr verständlich geschrieben (Danke, wirklich super erklärt, muss ich übernehmen!), aber nur soviel: Wie Dieter geschrieben hat, weist FISH Chromosomenanomalien nach, indem z.B. die "gesund" eigentlich getrennt liegenden verschiedenfarbigen Sonden für BCR und ABL bei BCR-ABL eben in räumlicher Nähe liegen. Dies bedeutet, ich teste mit FISH die Hypothese "BCR-ABL - ja oder nein?" , und nur diese. Mutationen sind aber als genetische Veränderung der BCR-ABL-Domäne eine völlig andere Geschichte, bei der FISH-Diagnostik nichts aussagt.
Wie gesagt, hier geht einiges durcheinander - zusätzliche Chromosomenaberrationen und Genmutationen in der BCR-ABL-Domäne sind völlig unterschiedliche Paar Schuhe.
Viele Grüße
Jan
Hallo Olaf,
Es ist natürlich unser gutes Recht, die beste Diagnostik zu fordern, und wo dies sinnvoll ist, sollten wir dies auch tun. Gleichzeitig müssen wir aber auch Verantwortung gegenüber dem Gesundheitssystem zeigen und diesem nicht Kosten für Maßnahmen aufbürden, die keinen Vorteil bringen. Im Falle des Forderns eines generellen Mutationsscreenings wäre dies meines Erachtens der Fall, da die Mutationsanalyse nur mit sehr aufwändigen und langwierigen Verfahren durchzuführen ist und in Deutschland maximal ein halbes Dutzend Labore existieren, die das überhaupt können. Wer beim Leukämie-Online-Treffen war, hat im MLL ja live gesehen, wie aufwändig die Methode ist.
Selbst wenn wir davon absehen, welche knappen Resourcen das bindet, die dann für die wirklich lebenskritischen Fälle vielleicht nicht zur Verfügung stehen, muss man die Kostenseite sehen. Da bei etwa 99% der CML-PCRs keine Mutation nachweisbar wäre (jeder Patient alle 3-6 Monate PCR, nur wenige Patienten mit Resistenz/Mutationen, Mindestpopulation mutierter Zellen zur Nachweisbarkeit erforderlich), hieße das bei angenommenen Kostens von 300-500 EUR, dass ein positives und 99 negative Mutationsscreenings Gesamtkosten von 30.000-50.000 EUR erzeugt hätten.
Und wenn wir auch davon absehen, zweifle ich daran, dass ein solches Screening Vorteile bringen würde, denn wir wissen nicht, ob eine durch Screening etwas früher erkannte Mutation eine bessere Therapie ermöglichen würde, die nicht auch bei Mutationstest nach 1-Log-Anstieg der normalen PCR noch gut behandelbar wäre. Demnach ist es eine gewagte These, dass die Intervention erst bei "offensichtlichem Versagen von Glivec" einen medizinischen Nachteil birgt. Die Gefahr ist meines Erachtens weniger die fehlende Verfügbarkeit oder der zu späte Einsatz von geeigneter Diagnostik, als die Ärzte, die davon überhaupt nichts wissen und lieber an resistenten Patienten ohne Rücksprache mit Experten rumlaborieren.
Ich denke, hier gehen einige Dinge etwas durcheinander, und wir sollten vorsichtig damit sein, es besser wissen zu wollen als die CML-Spezialisten. Dafür fehlen uns als Laien die medizinischen Grundlagen in Medizin, Genetik und Biologie - und eben der individuelle Gesamtkontext.
Im Übrigen noch zur Behandlung von Mutationen. Wie Du sicher gelesen hast, gibt es drei verschiedene Resistenzarten wie Überexpression, Amplifikation und Punktmutation. Einige Resistenzen - auch manche Mutationen - sind sehr gut mit einer Dosiserhöhung überwindbar, weil die Bindungsfähigkeit von Imatinib bei manchen nur leicht herabgesetzt ist. Angesichts dessen, dass mit Glivec 6 Jahre Erfahrung mit sehr wenigen "Überraschungen" existieren, während Dasatinib und Nilotinib noch relativ junge Medikamente sind, und dass es auch Mutationen gibt, gegen die Dasatinib und Nilotinib, nicht aber Glivec unwirksam sind, kann man das ganze nicht Schwarz/Weiss auf "Resistenz = neuer TKI" reduzieren, sondern das alles ist auch bei CML-Spezialisten eine individuelle Abwägung je nach Erkrankungsstadium des Patienten, Verlauf bisheriger Untersuchungen, Einschätzung möglicher Resistengründe, individuelle Erfolgsaussichten verschiedener Therapieoptionen, etc. Medizin ist eine sehr komplexe Wissenschaft.
Dieter hat zum Thema FISH bereits sehr verständlich geschrieben (Danke, wirklich super erklärt, muss ich übernehmen!), aber nur soviel: Wie Dieter geschrieben hat, weist FISH Chromosomenanomalien nach, indem z.B. die "gesund" eigentlich getrennt liegenden verschiedenfarbigen Sonden für BCR und ABL bei BCR-ABL eben in räumlicher Nähe liegen. Dies bedeutet, ich teste mit FISH die Hypothese "BCR-ABL - ja oder nein?" , und nur diese. Mutationen sind aber als genetische Veränderung der BCR-ABL-Domäne eine völlig andere Geschichte, bei der FISH-Diagnostik nichts aussagt.
Wie gesagt, hier geht einiges durcheinander - zusätzliche Chromosomenaberrationen und Genmutationen in der BCR-ABL-Domäne sind völlig unterschiedliche Paar Schuhe.
Viele Grüße
Jan