von Homar » 07.01.2025, 15:25
Liebe Philadelphia
Ich bin CML-Mitpatient, Erstdiagnose 2016, mit Erfahrung mit den TKI Dasatinib, Nilonitib und Asciminib.
Vorweg möchte ich dich vor allem ermutigen, den Weg zu aufgeklärten Patientin weiterzugehen, auch wenn es dir deine Ärzte nicht einfach machen. Viele in diesem Forum sind inzwischen ausgezeichnet informiert und können sich deshalb auf Augenhöhe mit den Ärzten austauschen. Da und dort gibt es auch die Situation, dass sich die Ärzte bei Ihren Patienten über die neuesten Forschungsergebnisse erkundigen. Dies in erster Linie, weil in den hier zu findenden LO-Seminaren und bei den jährlichen Treffen sehr breit und aktuell informiert wird (von Prof. Hochhaus, Uniklinik Jena und vielen anderen). Link zu den Webinaren, siehe hier:
https://www.leukaemie-online.de/cml-onlineseminare
Welche Qualität man in der ambulanten Betreuung kriegt, kann sehr unterschiedlich sein. Dies ist kein Plädoyer, sich über ärztliche Empfehlungen hinweg zu setzen. So wie ich Prof. Hochhaus verstanden habe, schätzen es Experten aber, wenn sie gut aufgeklärte Patientinnen und Patienten als Gegenüber haben.
Zu deinen konkreten Fragen aus meiner Laiensicht (Mitposter oder Admins mögen korrigieren, wenn sie etwas anders sehen).
BCR::ABL1 nach IS: IS bedeutet "Internationaler Standard". Jedes Messgerät an den verschiedenen Standorten muss geeicht werden, damit die Resultate vergleichbar werden (z.B. wenn man das Labor wechselt, etc.). Dieses Resultat ist also bereits auf Grund der Paramater deines Labors auf internationale Vergleichbarkeit umgerechnet. Somit ist das jetzt und in Zukunft dein wichtigstes Resultat (z.B. bei der Frage, ob du dereinst, bei sehr gutem Ansprechen eine "Therapiefreie Remission" anstreben kannst, also ein Versuch, die Medikamente abzusetzen). Dein Resultat von 23% ist vermutlich der Anfangswert? So wie ich das verstanden habe, ist diese Zahl nicht sooo auschlaggebend bei der Einschätzung des Schweregrades zum Zeitpunkt der Diagnose. Dafür wird glaube ich eher ein Risiko-Score verwendet, zum Beispiel: ELTS (wo Alter, Milzgrösse, Blasten, etc.) zur Berechnung verwendet werden. Das Risiko-Score ist dann tief, mittel oder hoch. Vor der TKI-Zeit hätte das wohl etwas über deine Überlebens-Chancen ausgesagt. Heutzutage kann man sehr gut auch mit einem hohen Risiko-Score eine normale Lebenserwartung haben. Allenfalls sinkt die Chance ein bisschen, dass man in therapiefreie Remission kommt, aber auch das ist nicht chancenlos. Als aufgeklärter Patient würde mich also das Risiko-Score interessieren, im Wissen, dass ein hohes Score kein Drama für mich bedeuten würde. Aber vielleicht würde Prof. Hochhaus bei einem ELTS-Highscore vorsichtshalber lieber 7x100mg Dasatinib wöchentlich geben und nicht 5x100mg (vielleicht haben das deine Ärzte auch so überlegt und du hast kein ELTS-Highscore, das wäre z.B. eine Frage, die du mal stellen könntest).
In der Regel sinkt der BCR::ABL-Wert nach IS mit der beginnenden TKI relativ schnell. Nach 3 Monaten steht der erste und wichtige Meilenstein an, der wiedergibt, wie gut man auf die Medikamente anspricht. Da würde ich schon erwarten, dass dich die Ärzte über die Resultate und deren Bedeutung aufklären. Wenn du nach 3 Monaten einen Wert unter 10% hast, dann hast du ein optimales Ansprechen. Wenn nicht, gilt es zu überlegen, ob Dasatinib weiterhin dein Medikament bleiben soll oder nicht. Weitere Meilensteine folgen dann mit 6, 12 und 18 Monaten.
Quotient BCR::ABL1/GUS: Dieser Wert ist weniger wichtig als der obere. Kurz erklärt wird dabei BCR::ABL (also das veränderte Philadelphia-Chromosom, dein Nickname

mit einem Referenzgen in Verhältnis gesetzt. Je nach Labor ist das GUS oder ABL (ABL ist das nicht krankhaft veränderte Gen, was GUS ist weiss ich nicht, das scheint sich aber auch dafür zu eignen, die krankhaft veränderten Sequenzen mit einer gesunden "Grösse" zu vergleichen, also den Fortschritt des Ansprechens zu dokumentieren). BCR::ABL zu GUS ist also nur ein Hilfswert, der dann wegen den internationalen Eichungen noch in den obigen, relevanten Wert nach IS umgerechnet werden muss.
Ein paar Einschätzungen:
- Da du mit Dasatinib keine unerwünschten Nebenwirkungen hast, scheint das eine gute Wahl gewesen zu sein. Asciminib steht in der ersten Linie im Moment noch nicht zur Verfügung, ausser in Studien. Da hätte man dich allenfalls nach der Teilnahme an einer Studie fragen können.
- Die Frage der Familienplanung müsste man glaube ich schon besprechen. Falls das ein Thema sein sollte, müsstest du vermutlich in eine tiefe molekulare Remission kommen, dafür braucht es wohl noch etwas Zeit, bei gutem Ansprechen aufs Medikament kann das je nachdem aber doch ziemlich schnell gehen. Immerhin hast du mit Dasatinib einen potenten 2.Generationen-TKI. Eine Spezialistin zur Frage CML und Schwangerschaft ist z.B. Frau Prof. Saussele in Mannheim:
https://www.umm.de/iii-medizinische-kli ... -saussele/
- In deiner Situation würde ich mit meinen Ärzten schon wohl fühlen wollen. Wenn sie dich zu wenig ernst nehmen und/oder deine Fragen nicht beantworten wollen/können, wäre evt. ein Wechsel zu erwägen. Da ich aus der Schweiz stamme, kenne ich dein geographisches Einzugsgebiet nicht so gut. Aber es gibt sicher Leute im Forum, die dir Tipps geben können zu Alternativen.
- Aus meiner Sicht wäre z.B. auch zu diskutieren, warum es eine zweite KMP braucht. Die erste zum Zeitpunkt der Diagnose ist sicher unumgänglich, aber für die zweite würde ich schon wissen wollen, was deren Zweck ist.
- Als letztes noch der Hinweis zu unserer "lokalen" LO-Gruppe Süd-Süd-West. Wir treffen uns ca. 2x jährlich an unterschiedlichen Orten, wir haben auch Mitglieder aus deinem Einzugsgebiet. Wenn du interessiert bist, schaust du dir am besten die Posts von Jutta an (sie hat eben unser Treffen in Freiburg vom 12.4.25 im Forum angekündigt).
LG und weiterhin alles Gute
Markus
Liebe Philadelphia
Ich bin CML-Mitpatient, Erstdiagnose 2016, mit Erfahrung mit den TKI Dasatinib, Nilonitib und Asciminib.
Vorweg möchte ich dich vor allem ermutigen, den Weg zu aufgeklärten Patientin weiterzugehen, auch wenn es dir deine Ärzte nicht einfach machen. Viele in diesem Forum sind inzwischen ausgezeichnet informiert und können sich deshalb auf Augenhöhe mit den Ärzten austauschen. Da und dort gibt es auch die Situation, dass sich die Ärzte bei Ihren Patienten über die neuesten Forschungsergebnisse erkundigen. Dies in erster Linie, weil in den hier zu findenden LO-Seminaren und bei den jährlichen Treffen sehr breit und aktuell informiert wird (von Prof. Hochhaus, Uniklinik Jena und vielen anderen). Link zu den Webinaren, siehe hier: https://www.leukaemie-online.de/cml-onlineseminare
Welche Qualität man in der ambulanten Betreuung kriegt, kann sehr unterschiedlich sein. Dies ist kein Plädoyer, sich über ärztliche Empfehlungen hinweg zu setzen. So wie ich Prof. Hochhaus verstanden habe, schätzen es Experten aber, wenn sie gut aufgeklärte Patientinnen und Patienten als Gegenüber haben.
Zu deinen konkreten Fragen aus meiner Laiensicht (Mitposter oder Admins mögen korrigieren, wenn sie etwas anders sehen).
BCR::ABL1 nach IS: IS bedeutet "Internationaler Standard". Jedes Messgerät an den verschiedenen Standorten muss geeicht werden, damit die Resultate vergleichbar werden (z.B. wenn man das Labor wechselt, etc.). Dieses Resultat ist also bereits auf Grund der Paramater deines Labors auf internationale Vergleichbarkeit umgerechnet. Somit ist das jetzt und in Zukunft dein wichtigstes Resultat (z.B. bei der Frage, ob du dereinst, bei sehr gutem Ansprechen eine "Therapiefreie Remission" anstreben kannst, also ein Versuch, die Medikamente abzusetzen). Dein Resultat von 23% ist vermutlich der Anfangswert? So wie ich das verstanden habe, ist diese Zahl nicht sooo auschlaggebend bei der Einschätzung des Schweregrades zum Zeitpunkt der Diagnose. Dafür wird glaube ich eher ein Risiko-Score verwendet, zum Beispiel: ELTS (wo Alter, Milzgrösse, Blasten, etc.) zur Berechnung verwendet werden. Das Risiko-Score ist dann tief, mittel oder hoch. Vor der TKI-Zeit hätte das wohl etwas über deine Überlebens-Chancen ausgesagt. Heutzutage kann man sehr gut auch mit einem hohen Risiko-Score eine normale Lebenserwartung haben. Allenfalls sinkt die Chance ein bisschen, dass man in therapiefreie Remission kommt, aber auch das ist nicht chancenlos. Als aufgeklärter Patient würde mich also das Risiko-Score interessieren, im Wissen, dass ein hohes Score kein Drama für mich bedeuten würde. Aber vielleicht würde Prof. Hochhaus bei einem ELTS-Highscore vorsichtshalber lieber 7x100mg Dasatinib wöchentlich geben und nicht 5x100mg (vielleicht haben das deine Ärzte auch so überlegt und du hast kein ELTS-Highscore, das wäre z.B. eine Frage, die du mal stellen könntest).
In der Regel sinkt der BCR::ABL-Wert nach IS mit der beginnenden TKI relativ schnell. Nach 3 Monaten steht der erste und wichtige Meilenstein an, der wiedergibt, wie gut man auf die Medikamente anspricht. Da würde ich schon erwarten, dass dich die Ärzte über die Resultate und deren Bedeutung aufklären. Wenn du nach 3 Monaten einen Wert unter 10% hast, dann hast du ein optimales Ansprechen. Wenn nicht, gilt es zu überlegen, ob Dasatinib weiterhin dein Medikament bleiben soll oder nicht. Weitere Meilensteine folgen dann mit 6, 12 und 18 Monaten.
Quotient BCR::ABL1/GUS: Dieser Wert ist weniger wichtig als der obere. Kurz erklärt wird dabei BCR::ABL (also das veränderte Philadelphia-Chromosom, dein Nickname ;) mit einem Referenzgen in Verhältnis gesetzt. Je nach Labor ist das GUS oder ABL (ABL ist das nicht krankhaft veränderte Gen, was GUS ist weiss ich nicht, das scheint sich aber auch dafür zu eignen, die krankhaft veränderten Sequenzen mit einer gesunden "Grösse" zu vergleichen, also den Fortschritt des Ansprechens zu dokumentieren). BCR::ABL zu GUS ist also nur ein Hilfswert, der dann wegen den internationalen Eichungen noch in den obigen, relevanten Wert nach IS umgerechnet werden muss.
Ein paar Einschätzungen:
- Da du mit Dasatinib keine unerwünschten Nebenwirkungen hast, scheint das eine gute Wahl gewesen zu sein. Asciminib steht in der ersten Linie im Moment noch nicht zur Verfügung, ausser in Studien. Da hätte man dich allenfalls nach der Teilnahme an einer Studie fragen können.
- Die Frage der Familienplanung müsste man glaube ich schon besprechen. Falls das ein Thema sein sollte, müsstest du vermutlich in eine tiefe molekulare Remission kommen, dafür braucht es wohl noch etwas Zeit, bei gutem Ansprechen aufs Medikament kann das je nachdem aber doch ziemlich schnell gehen. Immerhin hast du mit Dasatinib einen potenten 2.Generationen-TKI. Eine Spezialistin zur Frage CML und Schwangerschaft ist z.B. Frau Prof. Saussele in Mannheim: https://www.umm.de/iii-medizinische-klinik/mitarbeiterinnen/wissenschaftliche-mitarbeiterinnen/pd-dr-med-susanne-saussele/
- In deiner Situation würde ich mit meinen Ärzten schon wohl fühlen wollen. Wenn sie dich zu wenig ernst nehmen und/oder deine Fragen nicht beantworten wollen/können, wäre evt. ein Wechsel zu erwägen. Da ich aus der Schweiz stamme, kenne ich dein geographisches Einzugsgebiet nicht so gut. Aber es gibt sicher Leute im Forum, die dir Tipps geben können zu Alternativen.
- Aus meiner Sicht wäre z.B. auch zu diskutieren, warum es eine zweite KMP braucht. Die erste zum Zeitpunkt der Diagnose ist sicher unumgänglich, aber für die zweite würde ich schon wissen wollen, was deren Zweck ist.
- Als letztes noch der Hinweis zu unserer "lokalen" LO-Gruppe Süd-Süd-West. Wir treffen uns ca. 2x jährlich an unterschiedlichen Orten, wir haben auch Mitglieder aus deinem Einzugsgebiet. Wenn du interessiert bist, schaust du dir am besten die Posts von Jutta an (sie hat eben unser Treffen in Freiburg vom 12.4.25 im Forum angekündigt).
LG und weiterhin alles Gute
Markus