von jan » 15.07.2010, 09:54
Hallo zusammen,
um den aufwallenden Emotionen etwas die Energie zu nehmen, und ich mit meinen Kommentaren vielleicht auch etwas Schuld daran bin, möchte ich doch einen kurzen Kommentar dazu geben:
Claudi hat natürlich völlig recht, dass jeder selbst die Entscheidung haben sollte und muss, ob er an einer Studie teilnimmt. Die Teilnahme hängt von vielen Faktoren ab - Stadium der Krankheit, Verfügbarkeit und Erfolgsaussicht der zugelassenen Alternativen, Phase der Studie (frühe Phase: viel Unbekanntes, späte Phase: wenig Unbekanntes), psychologische Faktoren (wie gehe ich mit Unsicherheit um, wieviel Risiko bin ich bereit für wieviel Chance einzugehen) und so weiter. Und: es ist völlig legitim, egoistisch zu entscheiden, da es das eigene Leben und Überleben betrifft - es ist zwar wünschenswert und wichtig, mit einer Studienteilnahme etwas für andere Patienten zu tun, aber letztendlich ist verständlich, wenn der Patient sein eigenes Schicksal priorisiert.
Die Einflussfaktoren sind von Patient zu Patient unterschiedlich und können nicht generalisiert werden. Vor allem sollte man immer vorsichtig sein, vom eigenen Fall auf andere zu schließen. Ich selbst war 2001 in einer völlig anderen Situation: Keines der aktuell erhältlichen Medikamente war ohne Studie zu bekommen, die eigentlich verfügbaren Alternativen (Interferon-Hochdosis-Monotherapie oder Stammzelltransplantation) waren gefährlich. Auch wenn ich selbst sehr daran interessiert war, mit meiner Studienteilnahme auch anderen zu helfen, war es damals doch primär eine persönlich getriebene Entscheidung mit ganz, ganz vielen Unbekannten. Ich selbst kann mit Unsicherheit gut umgehen, aber das ist auch nicht bei jedem so.
Mir ist wichtig - und darum gibt es Leukämie-Online - dass Patienten alle möglichen Optionen kennen und das für und wider in einer informierten Entscheidung mit ihrem Arzt gemeinsam abwägen können. Da im ärztlichen Alltag meist zu wenig Zeit für eine ausführliche Beratung bleibt - oder wie in diesem Diskussionsverlauf in einem Betrag ersichtlich auch manchmal sehr vereinfachend beraten wird, um eine Entscheidung auf dem geringsten Widerstandsweg herbeizuführen - bemühen wir uns alle hier, die Hintergründe zu liefern, zu informieren, das Für und Wider darzustellen, alle Seiten zu betrachten.
Nicht hilfreich ist dabei, mit allgemeingültigen Aussagen generelle Ängste zu schüren, denn was in fortgeschrittener Erkrankung richtig ist, mag in früher Phase falsch sein; was bei einem ansonsten kräftigen Patienten richtig ist, kann bei einem zusätzlich herzkranken Patienten Probleme bereiten. Nicht hilfreich ist aber auch, Entscheidungsdruck aufzubauen und ein schlechtes Gewissen zu erzeugen, wenn man sich gegen eine Studie entscheidet. Es ist eine freie Entscheidung.
Allgemeingültig ist: Alle drei zugelassenen Therapien sind bei CML hochwirksam, haben relativ geringe Risiken (im Vergleich zu einer schlecht behandelten CML), werden seit Jahren ohne große Überraschungen eingesetzt. In einer Studie wird garantiert, dass die Überwachung und Labordiagnostik in engmaschigster Form nach aktuellsten Methoden durchgeführt wird. Ob dies auch außerhalb einer Studie passiert, hängt stark vom behandelnden Arzt bzw. der Praxis bzw. dem verwendeten Labor ab.
Ihr wisst, ich selbst bin ein Befürworter von Studien, WENN ich darin mögliche Vorteile für den Einzelnen sehe und die Risiken als geringer betrachte - auch natürlich mit dem Hintergrund, dass daraus Erkenntnisgewinn entsteht, der uns am Ende allen nützt. Es ist immer eine schwierige Abwägung im Einzelfall, denn jeder Patient ist anders, und medizinischen Rat im Einzelfall dürfen wir hier sowieso nicht geben.
Wenn ich dies vorschlagen darf, würde ich darum bitten: Lasst uns nicht gegenseitig kritisieren, sondern versuchen, anderen das Für und Wider zu erklären. Lasst uns versuchen, das Zerrbild vom "Versuchskaninchen" durch etwas zu ersetzen, das erklärt, wozu Studien dienen, wo der Unterschied zwischen Studien liegt, wo die Pros und Contras liegen. Wir sind weder Kaninchen noch liefern wir Material - wir sind gut informierte Patienten oder sollten dies sein, wenn wir entscheiden wollen und/oder medizinischen Fortschritt wollen.
Herzliche Grüße
Jan
Hallo zusammen,
um den aufwallenden Emotionen etwas die Energie zu nehmen, und ich mit meinen Kommentaren vielleicht auch etwas Schuld daran bin, möchte ich doch einen kurzen Kommentar dazu geben:
Claudi hat natürlich völlig recht, dass jeder selbst die Entscheidung haben sollte und muss, ob er an einer Studie teilnimmt. Die Teilnahme hängt von vielen Faktoren ab - Stadium der Krankheit, Verfügbarkeit und Erfolgsaussicht der zugelassenen Alternativen, Phase der Studie (frühe Phase: viel Unbekanntes, späte Phase: wenig Unbekanntes), psychologische Faktoren (wie gehe ich mit Unsicherheit um, wieviel Risiko bin ich bereit für wieviel Chance einzugehen) und so weiter. Und: es ist völlig legitim, egoistisch zu entscheiden, da es das eigene Leben und Überleben betrifft - es ist zwar wünschenswert und wichtig, mit einer Studienteilnahme etwas für andere Patienten zu tun, aber letztendlich ist verständlich, wenn der Patient sein eigenes Schicksal priorisiert.
Die Einflussfaktoren sind von Patient zu Patient unterschiedlich und können nicht generalisiert werden. Vor allem sollte man immer vorsichtig sein, vom eigenen Fall auf andere zu schließen. Ich selbst war 2001 in einer völlig anderen Situation: Keines der aktuell erhältlichen Medikamente war ohne Studie zu bekommen, die eigentlich verfügbaren Alternativen (Interferon-Hochdosis-Monotherapie oder Stammzelltransplantation) waren gefährlich. Auch wenn ich selbst sehr daran interessiert war, mit meiner Studienteilnahme auch anderen zu helfen, war es damals doch primär eine persönlich getriebene Entscheidung mit ganz, ganz vielen Unbekannten. Ich selbst kann mit Unsicherheit gut umgehen, aber das ist auch nicht bei jedem so.
Mir ist wichtig - und darum gibt es Leukämie-Online - dass Patienten alle möglichen Optionen kennen und das für und wider in einer informierten Entscheidung mit ihrem Arzt gemeinsam abwägen können. Da im ärztlichen Alltag meist zu wenig Zeit für eine ausführliche Beratung bleibt - oder wie in diesem Diskussionsverlauf in einem Betrag ersichtlich auch manchmal sehr vereinfachend beraten wird, um eine Entscheidung auf dem geringsten Widerstandsweg herbeizuführen - bemühen wir uns alle hier, die Hintergründe zu liefern, zu informieren, das Für und Wider darzustellen, alle Seiten zu betrachten.
Nicht hilfreich ist dabei, mit allgemeingültigen Aussagen generelle Ängste zu schüren, denn was in fortgeschrittener Erkrankung richtig ist, mag in früher Phase falsch sein; was bei einem ansonsten kräftigen Patienten richtig ist, kann bei einem zusätzlich herzkranken Patienten Probleme bereiten. Nicht hilfreich ist aber auch, Entscheidungsdruck aufzubauen und ein schlechtes Gewissen zu erzeugen, wenn man sich gegen eine Studie entscheidet. Es ist eine freie Entscheidung.
Allgemeingültig ist: Alle drei zugelassenen Therapien sind bei CML hochwirksam, haben relativ geringe Risiken (im Vergleich zu einer schlecht behandelten CML), werden seit Jahren ohne große Überraschungen eingesetzt. In einer Studie wird garantiert, dass die Überwachung und Labordiagnostik in engmaschigster Form nach aktuellsten Methoden durchgeführt wird. Ob dies auch außerhalb einer Studie passiert, hängt stark vom behandelnden Arzt bzw. der Praxis bzw. dem verwendeten Labor ab.
Ihr wisst, ich selbst bin ein Befürworter von Studien, WENN ich darin mögliche Vorteile für den Einzelnen sehe und die Risiken als geringer betrachte - auch natürlich mit dem Hintergrund, dass daraus Erkenntnisgewinn entsteht, der uns am Ende allen nützt. Es ist immer eine schwierige Abwägung im Einzelfall, denn jeder Patient ist anders, und medizinischen Rat im Einzelfall dürfen wir hier sowieso nicht geben.
Wenn ich dies vorschlagen darf, würde ich darum bitten: Lasst uns nicht gegenseitig kritisieren, sondern versuchen, anderen das Für und Wider zu erklären. Lasst uns versuchen, das Zerrbild vom "Versuchskaninchen" durch etwas zu ersetzen, das erklärt, wozu Studien dienen, wo der Unterschied zwischen Studien liegt, wo die Pros und Contras liegen. Wir sind weder Kaninchen noch liefern wir Material - wir sind gut informierte Patienten oder sollten dies sein, wenn wir entscheiden wollen und/oder medizinischen Fortschritt wollen.
Herzliche Grüße
Jan