CML-Experten stellen sich in verschiedenen Studien die Frage, ob die heute für die Behandlung nach
Imatinib-
Resistenz oder -Unverträglichkeit zugelassenen CML-Medikamente bei einem Einsatz als Ersttherapie langfristig höhere oder bessere
Ansprechraten erzeugen könnten, oder ob lediglich die Nebenwirkungen oder Kosten höher sind. Um die Wirksamkeit und die Sicherheit von
Nilotinib 400 mg zweimal täglich bei nicht behandelten CML Patienten in früher
chronischer Phase zu untersuchen, führt die GIMEMA-CML-Arbeitsgruppe eine multizentrische
Phase II Studie (ClinicalTrials.gov NCT00481052) durch. Zwischen Juni 2007 und Februar 2008 hatten sich 73 Patienten für eine Teilnahme an der Studie angemeldet, erste Ergebnisse wurden auf der Krebskonferenz ASCO im Juni 2009 vorgestellt.
Alle 73 Patienten wurden zum Berichtszeitpunkt mindestens 3 Monate, 48 von 73 (66 %) mindestens 6-monate behandelt. Ansprechen bei 3 und 6 Monaten: Komplettes hämatologisches Ansprechen erreichten 100 % bzw. 98 %, komplettes zytogenetisches Ansprechen 78 % bzw. 96 %. Ein weitgehendes molekulares Ansprechen (
MMR) wurde von 3 % der Patienten nach 1 Monat Behandlung erzielt, doch dieser Anteil stieg nach 2 Monaten auf 22 %, nach 3 Monaten auf 59 % und nach 6 Monaten auf 74 % an. Ein Patient durchlief nach 6 Monaten eine
akzelerierte Blastenphase mit der
T315I Mutation.
Die mittlere tägliche Durchschnittsdosis lag nahe an der beabsichtigten Dosis, nämlich 789 mg (zwischen 261 - 800); 34/73 Patienten (47 %) unterbrachen die Verabreichung von
Nilotinib mindestens einmal, wobei die durchschnittliche Unterbrechung bei 15 Tagen (zwischen 2 - 98) lag. Bei 52 Patienten (71 %) betrug die
Nilotinib-Dosis bei ihrer letzten Kontrolle 400 mg zweimal täglich, 400 mg täglich bei 20 Patienten (27 %) und 200 mg täglich bei 1 Patient (1 %).
Nebenwirkungen (
Grad 3/4) konnte man mittels geeigneter Dosisanpassungen in den Griff bekommen: hämatologische
Toxizität wurde bislang bei 4 Patienten (5 %) verzeichnet; die häufigsten biochemischen Laboranomalien (
Grad 3) waren Anstieg des Gesamtbilirubins (15 %), Erhöhung der GOT/GPT-Werte (11 %) und Anstieg der Lipasewerte (4 %). Lediglich 1 Vorfall des Anstiegs der Lipasewerte
Grad 4 wurde verzeichnet.
Interessant ist, dass, wenn die 48 Fälle mit mindestens 6 Monaten Nachsorgezeit betrachtet werden, das Auftreten irgendwelcher nicht hämatologischer Nebenwirkungen des 2. und 3. Grades von 50 % bzw. 8 % (in den ersten 3 Monaten) auf 23 % bzw. 6 % (im zweiten Trimester) sank. Bei 16 Patienten (22 %) wurden vorübergehende und klinisch nicht relevante EKG-Anomalien verzeichnet; 2 weitere Patienten (3 %) zeigten eine vorübergehende und ereignislose Verlängerung der QTc-Zeit (zwischen 450 und 499 msec).
Schlussfolgerungen: Bei ECP Ph-positiven CML Patienten erfolgt sowohl das zytogenetische als auch das molekulare Ansprechen auf
Nilotinib wesentlich schneller als das Ansprechen auf
Imatinib.
Kommentar Jan: Ob sich aus dem schnelleren Ansprechen aber tatsächlich langfristig ein Therapievorteil ergibt, muss der längerfristige Studienverlauf zeigen.Quelle: ASCO-Abstract 7074: Molecular responses with
nilotinib 800 mg daily as first-line treatment of chronic myeloid leukemia in chronic phase: Results of a
phase II trial of the GIMEMA CML WP. G. Martinelli, F. Castagnetti, A. Poerio, M. Breccia, F. Palandri, G. Alimena, F. Pane, G. Saglio, M. Baccarani, G. Rosti
Weiterführende Informationen
hämatologisch
das Blut bzw. die Blutbildung betreffend
Ansprechrate
Prozentualer Anteil der Patienten, bei denen die Erkrankung sich durch eine bestimmte Behandlung zurückbildet
Nebenwirkung
Unerwünschte Begleiteffekte einer Therapie, besonders bei Chemotherapien begrenzen Nebenwirkungen die maximal verträgliche Dosis.
Toxizität
Giftwirkung einer Substanz, zum Beispiel einer Chemotherapie. Diese führen zu unerwünschten Nebenwirkungen.
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Nilotinib
Nilotinib, Handelsname Tasigna, Laborname AMN107, hemmt u.a. die BCR-ABL-Tyrosinkinase. Zugelassen in der EU seit 2007 für die Behandlung der CML und Ph+ALL.
Mutation
Veränderung der Abfolge von Bausteinen im Erbgut (DNS). Mutationen können zu Änderung oder Verlust der Funktion von Genen führen und damit das Verhalten von Zellen beeinflussen (lat. mutatio Veränderung, Wechsel)
Phase II
Hat das Medikament die Prüfung in Phase I bestanden, wird es bei einer kleinen Patientengruppe bezüglich der Wirksamkeit untersucht. Ziele der Studie können dabei beinhalten: Sinkt die Restleukämie? Bei welchem Prozentsatz der Testpersonen sinkt die Resterkrankung ab? Wird das Fortschreiten der Krankheit verzögert? Üblicherweise beteiligen sich einige hundert Menschen an einer solchen Studie, um möglichst genaue Zahlen zu erhalten. Um zu klären, ob es sich bei der Wirkung um zufällige Effekte oder um tatsächliche Medikamentenwirkungen handelt, werden die Teilnehmenden in eine Untersuchungsgruppe und eine Kontrollgruppe eingeteilt.
Imatinib
Imatinib, Handelsname Glivec/Gleevec, Laborname STI-571, ein BCR-ABL-Tyrosinkinasehemmer der ersten Generation. Zugelassen seit Jahr 2002 für die Behandlung der CML und Ph-positiven ALL.
Blasten
Unreife Zellen, z. B. Blutzellvorläufer im Blut oder Knochenmark
Phase I
Die klinische Erprobung eines Medikaments erfolgt in der Regel in drei Phasen, um Menschen vor noch unbekannten gefährlichen und unerwünschten Nebenwirkungen zu schützen und um die finanziellen Mittel möglichst effizient einzusetzen. In einer Phase-I-Studie wird ein Medikament von wenigen Testpersonen eingenommen. Dabei wird untersucht, ob das Medikament gut verträglich ist, welche Nebenwirkungen auftreten und welche Dosierungsart optimal ist. Diese Studien werden ohne Kontrollgruppe durchgeführt.
Grad 3
starke Nebenwirkung, Unterbrechung der Therapie oftmals notwendig
Grad 4
Sehr starke Nebenwirkung, stationäre Krankenhausbehandlung oftmals erforderlich
Lipase
Eine Lipase ist ein Enzym, das Fett in deren Bestandteile zerlegt.
T315I
Die T315I-Mutation ist eine Punktmutation, bei der an Position 944 des ABL-Gens Cytosin gegen Thymin ersetzt wird. Dadurch wird im kodierten Protein die Aminosäure Threonin gegen Isoleucin ausgetauscht.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
ASH
Amerikanische Gesellschaft für Hämatologie (engl. American Society of Hematology). Oftmals wird ASH als Synonym für den jedes Jahr im Dezember stattfindenden Jahreskongress der Gesellschaft verwendet.
CHR
Komplette hämatologische Remission (complete haematologic response).
MMR
Gutes molekulares Ansprechen, bei der die BCR-ABL-Transkripte weniger als 0,1% (nach Internationaler Skala IS) der insgesamt untersuchten Gentranskripte ausmachen
MR
Molekulares Ansprechen (= molecular response (engl.). Es wird ausgedrückt durch die Anzahl der CML-spezifischen Gene im Blut
Chronische Phase
Die früheste Phase in der Entwicklung von CML
Chronische Phase
Die früheste Phase in der Entwicklung von CML
Ansprechrate
Prozentualer Anteil der Patienten, bei denen die Erkrankung sich durch eine bestimmte Behandlung zurückbildet
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
Terms & Conditions
Abonnieren
Report
My comments