Die therapeutische Landschaft zur Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie (CML) hat sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt. Nachdem 2006 die ersten Therapieempfehlungen von einem Expertenteam des Europäischen Leukämie-Netzes (ELN) veröffentlicht wurden, gab es 2009 und 2013 weitere Update s[1,2]. An diesen Empfehlungen orientierten sich Hämatologen bei der Behandlung ihrer Patienten. Die Fortschritte bei der Behandlung der CML, insbesondere in Bezug auf Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI), erfordern eine regelmäßige Aktualisierung der Konzepte und des Managements. Anfang 2020 wurde nun eine erneute Anpassung dieser Behandlungsempfehlungen in dem renommierten wissenschaftlichen Journal „Leukemia“ mit freiem Zugang für alle Interessierten veröffentlicht ([3], siehe auch komplette Übersetzung der ELN-Therapieempfehlungen auf Leukämie-Online).
CML hat sich dank hochwirksamer Medikamente von einer in früheren Jahren immer tödlich verlaufenden zu einer chronischen Erkrankung entwickelt. Weil heute verschiedene TKI verfügbar sind, haben sich die Behandlungskonzepte weiterentwickelt und so können nach einer CML Diagnose individuelle Therapieziele definiert und die Therapie individuell angepasst werden. Dabei spielen beispielsweise Alter, Begleiterkrankungen, Kinderwunsch und in zunehmendem Maß die Lebensqualität eine wichtige Rolle. Dementsprechend wurde ein neuer Risikoscore eingeführt und die Meilensteine des Therapieansprechens wurden strenger definiert. Mit welchem TKI die CML Therapie begonnen wird, sollte sich an diesen Kriterien orientieren.
Während in den Empfehlungen von 2013 vor allem die Daten verschiedener Studien ausgewertet und auf dieser Grundlage Therapieempfehlungen erarbeitet wurden, gehen die Autoren 2020 in der neuen Version in eine detailliertere Diskussion der Therapiemöglichkeiten auf der Grundlage neuer Erkenntnisse und persönlicher Erfahrungen der Mitglieder des Panels. Unser Mitglied Conny hat hier die Veränderungen der ELN-Therapieempfehlungen von 2013 auf 2020 gegenübergestellt.
Eine medizinische Rehabilitation ist, auch für CML-Patienten, ein wichtiger Baustein auf dem Weg eines nahezu normalen Lebens. Nicht selten werden die Patienten/innen von Fatigue (Müdigkeit, Erschöpfung) geplagt, welche die Leistungsfähigkeit stark einschränkt. Typische Merkmale sind, meistens durch die Therapie ausgelöst, eine anhaltende Abgeschlagenheit, Schwäche und schnelle Ermüdung, etc. Um aus diesem „Tief“ heraus zu finden, ist eine medizinische stationäre Rehabilitationsmaßnahme in vielen Fällen sehr hilfreich und sinnvoll. Erster Ansprechpartner ist immer der behandelnde Arzt. Hierfür gibt es im Moment drei verschiedene CML-spezifische Angebote in Bad Kissingen, Bad Berka und Bad Oexen.
Eine Reha bietet sowohl physiologische, als auch psychologische Therapien in Form von medizinischen Heilverfahren (dienen der Gesunderhaltung oder Genesung) nach einer Erkrankung an, oder Anschlussheilbehandlungen nach einem Krankenhausaufenthalt. Die Patienten/innen werden für den Beruf und Alltag fit gemacht. Das Ziel der Maßnahmen ist, Gesundheit, Arbeitskraft und das soziale Leben der Betroffenen soweit wie möglich wieder herzustellen. Die Eigenaktivität eines jeden soll helfen, das Leben möglichst frei gestalten zu können, trotz Erkrankung. Die Erfahrung mit Rehabilitation bei CML wurde von Teilnehmern und auch den beteiligten Ärzten als sehr positiv bewertet.
Wenn ein Klinikaufenthalt erforderlich ist, sucht der Sozialversicherungsträger für den Patienten eine passende, dem Krankheitsbild entsprechende Klinik aus. Jedoch hat jeder Patient/in auch das Recht, gemäß §8 des Sozialgesetzbuches IX, eigene Wünsche zu äußern und eine Klinik selbst auszuwählen.
Wer an einer speziellen CML-Reha teilnehmen möchte, kann zwischen der „Klinik am Kurpark“ in Bad Kissingen, der „Adelsberg Klinik“ in Bad Berka, oder der Klinik Bad Oexen wählen. Die jeweiligen Flyer und Termine sind auf den Homepages der Kliniken zu finden.
Expertenmeinung: Behandlung der chronischen-myeloischen Leukämie nach Resistenzen gegenüber Tyrosinkinasehemmern der zweiten Generation
Autoren: Andreas Hochhaus, Massimo Breccia, Giuseppe Saglio, Valentín García-Gutiérrez, Delphine Réa, Jeroen Janssen, Jane Apperley. Quelle: https://doi.org/10.1038/s41375-020-0842-9
Zusammenfassung
Unabhängig von der Linie der Therapie sind die Ziele der Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie (CML) in chronischer Phase: Vermeidung einer Progression in die akzelerierte Phase oder eine CML-Blastenkrise, sodass die Patienten eine der Normalbevölkerung vergleichbare Lebenserwartung erreichen; Vermeidung von Nebenwirkungen; und Wiederherstellung und Erhaltung der Lebensqualität. Der für die Erreichung dieser Ziele wichtigste Prognose-Faktor ist das Ansprechen auf die Behandlung mit Tyrosinkinasehemmern (TKI) zu bestimmten wesentlichen Meilensteinen. Für Patienten, bei denen ein TKI versagt, ist ein Therapiewechsel zwingend erforderlich, um das Risiko einer Progression oder Todesfolge zu begrenzen. Es gibt derzeit keine präzise Leitlinie für Patienten, bei denen ein TKI der zweiten Generation versagt, und es herrscht ein Mangel an Daten, um klinische Entscheidungen für solche Fälle anzuleiten. Deshalb gibt es einen ungedeckten Bedarf praktischer und umsetzbarer Empfehlungen zur Behandlung von Patienten, bei denen ein TKI der zweiten Generation versagt.
Auch, wenn der Begriff „Versagen“ Patienten mit Versagen wegen Resistenz oder Unverträglichkeit umfasst, liegt der Schwerpunkt dieses Papiers auf dem Versagen der TKI der zweiten Generation wegen Resistenzen. Patienten, bei denen ein erster TKI der zweiten Generation versagt, benötigen eine potentere Therapie. Bei diesen Patienten ist die wichtigste Frage nach der Angemessenheit einer frühen allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation oder eines weiteren TKI. Die Auswahl der nächsten Therapielinie nach Versagen eines TKI der zweiten Generation sollte individualisiert sein und muss sich auf patientenspezifische Faktoren stützen, einschliesslich Zytogenetik, Mutationsprofil, Begleiterkrankungen, Alter, Geschichte der Nebenwirkungen bei der vorausgehenden Behandlung mit TKI und des Risikoprofils für Nebenwirkungen der einzelnen TKI. Diese Expertise steht nicht im Konflikt mit den existierenden Therapieempfehlungen, sondern stellt stattdessen eine Evolution früherer Auffassungen, basierend auf neuen Daten, Erkenntnissen und klinischer Erfahrungen, dar. Wir überprüfen die Behandlungsoptionen für Patienten, die gegenüber einer Behandlung mit einem TKI der zweiten Generation resistent sind und stellen unsere klinischen Meinungen und Anleitungen zu Schlüsselfragen für die Entscheidung über die Therapie dar.
Es folgt die inoffzielle Übersetzung des Artikels. Übersetzung von NL, ohne Gewähr.
Das CLL Advocates Network, das internationale Netzwerk von CLL-Patientenorganisationen, zu dessen Gründungsmitgliedern Leukämie-Online und die Schweizer "Stiftung Leukämiepatientenvertreter" zählen, beobachtet die Situation rund um COVID-19 und die spezifischen Rahmenbedingungen für CLL-Patienten sehr intensiv. Viele öffentlich verfügbare Informationen über den Coronavirus und die COVID-19-Erkrankung gehen nicht auf die spezifischen Fragestellungen in Bezug auf CLL ein. Am 10. April hat das CLL Advocates Network eine ausführliche Erklärung in 13 Sprachen veröffentlicht, in der die momentan verfügbare Informationen zusammengefasst sind, u.a. auch die entsprechende Position der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO). Zusammenfassend scheinen sich Experten über das erhöhte Risiko eines schwerwiegenden COVID19-Verlaufs bei Patienten mit folgenden Charakteristika einig zu sein:
Weiterhin wird ein sehr hohes Risiko für einen schwerwiegenden oder tödlichen Verlauf bei Patienten mit Immunsuppression angenommen. CLL-Patienten - ob in Behandlung oder nicht, jung oder alt - sind meist immunsuprimiert, und Therapien können zusätzlich zur Schwächung des Immunsystems beitragen. Daher wird bei CLL-Patienten von einem höheren Risiko der COVID-19-Infektion und einem schwereren Verlauf als der Durchschnittsbevölkerung ausgegangen.
Zur Erklärung des CLL Advocates Network: auf Deutsch, Englisch, Italienisch, Kroatisch und weiteren Sprachen.
Zum Onkopedia-Artikel der DGHO: Coronavirus-Infektion (COVID-19) bei Patienten mit Blut- und Krebserkrankungen, mit Kapitel 6.2.13 spezifisch zur CLL
Vier Tage lang – vom 19. bis 22. Februar 2020 – präsentierten beim Deutschen Krebskongress Vertreter aus Wissenschaft, Ärzteschaft, Patientenvertretung, Gesundheitswesen, Politik und Verwaltung, Studierende und Pflegekräfte in 382 Sitzungen die neuesten Erkenntnisse in der Krebsmedizin. In 1.339 Vorträgen diskutierten 1.180 Referenten und Vorsitzende über die besten Methoden der Prävention, über Früherkennung, Diagnostik und Therapie von Krebs – und welche Voraussetzungen Politik und Gesellschaft schaffen müssen, um Krebserkrankungen besser beherrschen zu können. Mehr als 11.000 Teilnehmer kamen kurz vor Ausbruch der Coronapandemie nach Berlin.
Prof. Andreas Hochhaus vom Universitätsklinikum Jena fungierte dieses Jahr als Kongresspräsident und war damit beauftragt, die Schwerpunkte des Kongresses zu definieren und das wissenschaftliche Programm in Kooperation mit allen Beteiligten zu gestalten. Er setzte sich sehr dafür ein, dass Patienten ins wissenschaftliche Programm eingebunden waren. Auch die die Nationale Dekade gegen Krebs war sehr präsent, die Momentum in der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen - mit Patientenpartizipation auf gleicher Augenhöhe - in der Krebsforschung erzeugt, fördert und fordert.
Aus ausführlicher Bericht über den politischen und wissenschaftlichen Teil des Krebskongresses ist z.B. im Bericht des Ärzteblatts Thüringen verfügbar.
Die Eröffnung des Kongresses durch Prof. Andreas Hochhaus und Gesundheitsminister Jens Spahn war beeindruckend. Spahn schlug eine Brücke zwischen der gesellschaftlichen Herausforderung durch Krebserkrankungen, dem Gesundheitssystem in Deutschland, der Bedeutung der EU-Ebene in Bezug auf EU-weiter Krebsforschung im Wettbewerb mit anderen Weltregionen, der Erforderlichkeit von beschleunigtem Lernen und Innovation in der Krebsbekämpfung, und der rational doch sehr seltsamen Situation, dass die Deutschen amerikanischen Konzernen wie Facebook, Apple und Google wie selbstverständlich persönlichste Daten anvertrauen, während die Verwendung von medizinischen Daten in Forschung und Versorgung unter staatlich streng regulierten Bedingungen massive Gegenwehr durch Institutionen und Verbände erfährt.
Zusätzlich hielt unser LeukaNET-Vorstand Jan Geissler verschiedene Fachvorträge im diesjährigen DKK-Programm. Im Symposium zur Nationalen Dekade brachte er die Sicht auf Beiträge der Patienten und ihrer Vertreter in der Nationalen Dekade gegen Krebs ein. Ein Vortrag über „Patientenkompetenz und Internet - geht das zusammen?“ (Fazit: natürlich! Essentiell für uns!) wurde intensiv mit dem Publikum diskutiert. In seinem Vortrag zum "Training der jungen Selbsthilfe" wurde intensiv über die oftmals nicht im Fokus stehenden Bedürfnisse junger Krebspatienten gesprochen, und ein Vortrag über die Patientenbeteiligung an Design und Durchführung klinischer Studien stellte die kompetente Mitwirkung von Patientenvertretern in der Forschung dar. Alle Vorträge - auch die vieler anderer Patientenvertreter im gesamten DKK-Programm - sind nach kostenloser Registrierung bei "DKK on Demand" als Webstream öffentlich abrufbar.