Bericht vom virtuellen Jahrestreffen der Deutschen CML-Allianz mit CML-Studientreffen am 30. und 31. Oktober 2020

CML Allianz Logo RGBDie Organisatoren des Jahrestreffens der CML-Allianz wurden in diesem Jahr vor besondere Herausforderungen gestellt. Ursprünglich geplant für Ende März in Weimar musste die Veranstaltung wegen der Corona-Pandemie auf den Herbst verschoben werden. Lange hatte man gehofft, das Treffen als Präsenzveranstaltung durchführen zu können. Man musste sich jedoch der Situation beugen und wegen der noch immer bestehenden Infektionsgefahr das Konzept ändern. Es sollten weniger Teilnehmer vor Ort anwesend sein und die Beiträge für alle anderen per Livestream übertragen werden. Jedoch musste die Planung kurz vor dem Termin erneut angepasst werden.

Zum ersten Mal in der 6-jährigen Geschichte der Deutschen CML-Allianz fand das Treffen virtuell statt – eine Herausforderung an die Organisatoren, die sie hervorragend gemeistert haben. Hier der Bericht vom Jahrestreffen, geschrieben von Conny Borowczak.

Update der Behandlungsempfehlungen des ELN

Professor Andreas Hochhaus eröffnete die Veranstaltung mit einem Update der Behandlungsempfehlungen zur CML-Therapie, die 2020 vom Europäischen Leukämienetzwerk (ELN) aktualisiert und für jedermann frei zugänglich in der Fachzeitschrift Nature publiziert wurden. Eine Übersetzung des Artikels findet man auch auf Leukämie-Online.

Was sind die wesentlichen Anpassungen in der aktualisierten Empfehlung 2020? Die bei der Diagnose zu erfassenden Parameter wurden differenziert, für die Risikobewertung der Erkrankung wird nun der ELTS-Score empfohlen, bei der Wahl der Erstlinientherapie müssen bestehende Begleiterkrankungen und individuelle Therapieziele berücksichtigt werden. Ebenso wurden Voraussetzungen für einen Therapiestopp definiert und Empfehlungen für die Familienplanung aufgenommen.

AKTUELLE CML-STUDIEN

FAsciNation (CML XI)

In dieser Phase-II-Studie wird die Wirksamkeit von Asciminib in Kombination mit Imatinib, Nilotinib, und Dasatinib für das Erreichen der tiefen molekularen Remission (MR4) bei neu diagnostizierten CML-Patienten in chronischer Phase untersucht. Bisher konnten 26 von den für die Studie geplanten 120 Patienten in die Studie eingeschlossen werden. Welches Medikament in Kombination mit Asciminib gegeben wird, wird individuell unter Berücksichtigung eventuell bestehender Begleiterkrankungen entschieden. Es sei geplant, die Studie in einem zweiten Teil fortzuführen, konstatiert Prof. Ernst vom Universitätsklinikum Jena. Hierbei soll die Therapie nach einer weiteren Behandlungsphase in einen Therapiestopp führen.

TIGER (CML V)

Die Rekrutierung ist laut Prof. Hochhaus abgeschlossen, es wurden 717 Patienten in diese Erstlinienstudie eingeschlossen, die die Verbesserung der CML-Therapie in zwei Behandlungsgruppen untersucht: Eine Gruppe erhält Nilotinib, die andere Gruppe Nilotinib zusammen mit Interferon. In einer späteren Behandlungsphase wird das Interferon ohne Nilotinib weiterverwendet. Bei einer weiteren Verbesserung der molekularen Remission über mindestens 12 Monate wird die Therapie abgesetzt. In dieser Studie wurde als primärer Endpunkt die Zahl der Patienten bestimmt, die nach 18 Monaten Therapie ein molekulares Ansprechen (MMR) erreichen. Das finale Ergebnis zu diesem Zeitpunkt betrug 82 % für Nilotinib und 87 % für die Kombination von Nilotinib mit Interferon. Dieser Unterschied sei nicht signifikant. Im Gegensatz dazu zeige sich jedoch eine signifikant höhere Rate an MR4 im Kombinationsarm (49,0 % vs. 40 %) und MR4,5 (32 % vs. 23 %). Darüber hinaus erreichten die Patienten unter der Kombinationstherapie deutlich früher tiefe molekulare Remissionen: Die mediane Zeit bis zum Erreichen einer MR4 betrug unter Nilotinib 21 Monate gegenüber 12 Monaten unter der Kombination, die mediane Zeit bis zum Erreichen einer MR4,5 entsprechend 36 vs. 22 Monate. Bislang würden die Interimsdaten der TIGER-Studie darauf hindeuten, dass die Therapie mit Nilotinib in Kombination mit Interferon gegenüber der ebenfalls hochwirksamen Nilotinib-Monotherapie häufiger und früher zu tiefen Remissionen führt.

Ob die Gabe von Interferon langfristig mehr Patienten die Chance eröffnet, eine therapiefreie Remission zu erreichen und diese auch aufrechtzuerhalten, soll die finale Auswertung der Studie 2021 zeigen.

DasaHIT (CML X)

In dieser Phase-III-Studie wird untersucht, ob die Therapie mit Dasatinib an nur fünf Tagen in der Woche mit einer Wochenendpause gegenüber der herkömmlichen täglichen Einnahme bei gleicher Wirksamkeit besser verträglich ist. Bis Mitte September 2020 konnten 256 Patienten in die Studie eingeschlossen werden. Die Rekrutierung soll bis zum Jahresende abgeschlossen sein. Dafür sollten bestenfalls noch 42, mindestens jedoch 10 Patienten rekrutiert werden. Die am Jahrestreffen der CML-Allianz teilnehmenden Ärzte wurden gebeten, geeignete Patienten auf die Möglichkeit der Teilnahme an dieser Studie anzusprechen. Für diese Studie liegen noch keine Zwischenergebnisse vor.

 

THERAPIEOPTIMIERUNGSSTUDIEN

BODO (CML VII)

Die Phase-II-Studie untersucht die Verträglichkeit und Wirksamkeit von Bosutinib bei Patienten mit CML in der chronischen Phase, die Imatinib, Nilotinib oder Dasatinib in der Erstlinientherapie entweder nicht vertragen oder nicht darauf angesprochen haben. Zu Beginn erhalten die Patienten eine niedrigere Dosis Bosutinib, die anschließend langsam gesteigert wird. Die Rekrutierung wurde im 4. Quartal 2019 beendet. Es wurden 57 Patienten in die Studie eingeschlossen, das Rekrutierungsziel wurde nicht erreicht. Das bedeutet, dass die Studie bezüglich des Erreichens des primären Endpunktes nicht statistisch aussagekräftig ausgewertet werden kann. Jedoch soll es Subanalysen geben.

PONS

Dies ist eine Phase-II-Studie zur Beurteilung der Wirksamkeit und Sicherheit von Ponatinib bei CML-Patienten in der chronischen Phase, die auf eine Erstlinientherapie mit einem anderen Tyrosinkinasehemmern (TKI) nicht ansprechen oder eine Unverträglichkeit dagegen entwickelt haben. In dieser Studie wird Ponatinib in einer reduzierten Dosis von 30 mg gegeben. Eine Verringerung der Dosis auf 15 mg ist möglich. Die Studie wird in mehreren Zentren in Deutschland durchgeführt und es konnten bisher 50 Patienten eingeschlossen werden.

 

THERAPIEFREIE REMISSION

NAUT (CML XIII)

CLMAllianz_NautIn diese Studie werden CML-Patienten eingeschlossen, die nach einem ersten oder zweiten erfolglosen Absetzversuch eine beliebige TKI-Therapie für mindestens ein Jahr erhalten haben. In der Behandlungsphase der Studie erhalten die Patienten Nilotinib (600 mg/Tag) für mindestens 2 Jahre. Nach diesem Zeitpunkt und bei Erfüllung der Kriterien (MR4 seit mindestens 12 Monaten und MR4,5 in den letzten 6 Monaten) wird die TKI-Therapie abgesetzt. Danach folgt eine therapiefreie Phase von 3 Jahren, in der die Stabilität der molekularen Remission fortlaufend kontrolliert und im Falle eines Verlusts der MMR die Therapie wieder aufgenommen wird.

Es wird empfohlen, einen zweiten oder dritten Absetzversuch nur innerhalb einer klinischen Studie durchzuführen. Man habe jedoch den Eindruck, dass im Alltag oft außerhalb von Studien gestoppt wird. Dies sei bedauerlich, weil dadurch wichtige Erkenntnisse nicht erfasst würden, moniert Frau Prof. Saussele vom Universitätsklinikum Mannheim .

Bis Mai 2020 waren 63 Patienten in die Studie eingeschlossen, Rekrutierungsziel sind 160 in Deutschland, 200 europaweit.

PONTRACK (CML XII)

Patienten, die auch nach dreijähriger Behandlung mit einem TKI der 2. oder 3. Generation (Nilotinib, Dasatinib, Bosutinib) kein oder kein stabiles tiefes Ansprechen erzielen konnten, sollen durch die zweijährige Behandlung mit Ponatinib eine tiefe molekulare Remission und damit die Voraussetzungen für eine therapiefreie Remission (TFR) erreichen. Das Absetzen erfolgt außerhalb der Studie als Post-Follow-up. Die Dosierung von Ponatinib wird entsprechend der erreichten molekularen Remissionstiefe adaptiert (Startdosis: 30 mg, 15–45 mg zulässig).

Die Rekrutierung startete im Dezember 2019. Ziel ist der Einschluss von 60 Patienten in zwei Jahren.

ENDURE (CML IX)

Die ENDURE-Studie ist eine von der Deutschen Krebshilfe gesponserte Phase-II-Studie, in der untersucht wird, ob eine vorübergehende Therapie mit dem Immunstimulator Ropeginterferon das Immunsystem gegen Leukämiezellen aktivieren kann, sodass bei einem Therapiestopp weniger Rückfälle auftreten. Da es sich um eine kontrollierte Vergleichsstudie handelt, gibt es zwei Patientengruppen. Wer in welche Gruppe kommt, wird durch einen Zufallsgenerator bestimmt. In der Behandlungsgruppe A wird Ropeginterferon im ersten Monat nach Studienbeginn zusammen mit dem TKI und danach allein für maximal weitere 14 Monate gegeben. Ropeginterferon sei sehr gut verträglich, gibt Studienleiter Prof. Dr. Andreas Burchert an. Die Patienten spritzen es sich alle 14 Tage unter die Haut. Patienten in der Gruppe B setzen ihren TKI nach einem Monat ersatzlos ab.

Um genügend Patienten in die Studie einschließen zu können, wurde eine länderübergreifende Kooperation gestartet. Im Juli 2020 wurde der erste französische Patient rekrutiert. So erhofft man sich, das Rekrutierungsziel von 215 Patienten zu erreichen (178 Patienten wurden bis Ende September 2020 aufgenommen).

DASTOP-2

Diese Studie wurde von der nordischen Studiengruppe initiiert und untersucht wie die NAUT-Studie die therapiefreie Remission nach einem zweiten Stoppversuch. Die Rekrutierungsphase muss verlängert werden, damit genügend Patienten eingeschlossen werden können. Bisher wurden 134 Patienten rekrutiert, davon 9 in Deutschland.

In der Diskussion wurde herausgestellt, dass CML unter der Therapie mit TKIs nur für eine sehr geringe Zahl von Patienten heilbar ist. Immuntherapien scheinen eine wirksame Möglichkeit für eine anhaltende therapiefreie Remission zu sein, jedoch würden hierfür noch Beweise fehlen. Mit der Auswertung der Studien wie TIGER und ENDURE erhoffe man sich, diese Beweise zu erbringen, so die Teilnehmenden der Diskussionsrunde, Prof. Saussele, Prof. Burchert und Prof. Kiani. Ein weiteres umfänglich diskutiertes Thema war das Absetzsyndrom, das viele Patienten stark in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt. Schmerzmedikamente und in schweren Fällen eine Stoßtherapie mit Kortikoiden sowie manuelle Therapien bei Schmerzen an Sehnenansätzen könnten die Beschwerden in den meisten Fällen lindern. Die Wirksamkeit von JAK2-Inhibitoren, die bei der Behandlung von akuten Rheumaschüben angewandt werden, müsse untersucht werden. Die Erfahrung zeige, dass sich die Beschwerden innerhalb eines Jahres bessern. Unklar sei, ob das Absetzsyndrom nach einem zweiten Therapiestopp ausgeprägter ist. Es könne sich hierbei um subjektives Empfinden handeln. Ein TFR-Register zur Erfassung dieser Daten wurde angeregt.

 

REGISTERSTUDIEN

Registerstudien sind retrospektive Studien, die Daten zu Therapie und Diagnose aus dem Behandlungsalltag untersuchen.

CML VI

Weil nicht alle Patienten in Studien eingeschlossen werden können, soll mit Hilfe dieser Registerstudie ein umfassender Überblick über die an CML erkrankte Bevölkerung gewonnen werden. Ziel sei ein Informationsgewinn für die Erforschung und Behandlung der CML hinsichtlich epidemiologischer, wissenschaftlicher, klinischer und auch wirtschaftlicher Belange. Insgesamt umfasst das Register 534 Patienten; es werden keine neuen Patienten mehr eingeschlossen. Die Nachbeobachtung des letzten in die Studie eingeschlossenen Patienten erfolgt bis Ende 2021.

BLASTENKRISENREGISTER

Das Europäischen CML-Blastenkrisenregister soll zu einem besseren Verständnis der Biologie der CML-Blastenkrise führen, um prognostische Faktoren für diese Patienten identifizieren zu können. Aus den gewonnenen Daten sollen außerdem Therapieempfehlungen für Patienten in einer Blastenkrise entwickelt werden. Das Register rekrutiert bereits in elf Ländern, weitere Länder sollen eingeschlossen werden.

PONDEROSA

In dieser Beobachtungsstudie geht es darum, ein Real-Life-Bild der Ponatinib-Patienten in Deutschland zu erhalten. Dafür werden bei 100 Patienten die Dosis, die Dauer und die Nebenwirkungen unter der Therapie mit Ponatinib dokumentiert. Diese Parameter werden gezielt erfasst, um allen zukünftigen CML-Patienten eine optimale Therapie anbieten zu können.

CML-PAED

CML hat unter allen Leukämien bei Kindern unter 15 Jahren einen Anteil von 2 % und bei Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren von 9 %. Die jährliche Neuerkrankungsrate beträgt 1 bzw. 2,2 Fälle pro eine Million in diesen beiden Altersgruppen. Ein Großteil des Wissens wurde bisher aus der Erwachsenenmedizin übernommen, weil die Erkrankung in dieser Altersgruppe wesentlich häufiger sei, erklärt Prof. Andreas Metzler vom Universitätsklinikum Erlangen. Die Ergebnisse einer Vielzahl biologischer und genetischer Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass es Unterschiede zwischen der CML-Erkrankung im Kindesalter und bei erwachsenen Patienten in Bezug auf das Erscheinungsbild und dem Fortschreiten der Erkrankung gibt. Deswegen werden Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Kindern und Jugendlichen mit CML im CML-paed-Register erfasst und koordiniert. Mithilfe der erfassten Daten soll die CML-Therapie für Kinder und Jugendliche individualisiert und optimiert werden. Die Frage, ob Kinder die Therapie wie Erwachsene beenden können, sei bisher weitgehend ungeklärt. Beim diesjährigen Kongress der American Society of Hematology (ASH) sollen hierzu Daten vorgestellt werden.

 

CML-WORKSHOP – UPDATE ZU STUDIEN DER INDUSTRIE

ERSTLINIENSTUDIEN

ENESTnd

ENESTnd ist eine offene Phase-III-Studie, in die 846 Patienten mit neu diagnostizierter CML in chronischer Phase eingeschlossen und zu gleichen Teilen in drei Arme randomisiert wurden: Nilotinib 400 mg oder 300 mg je zweimal täglich oder Imatinib 400 mg einmal täglich (bis zu 800 mg/Tag möglich). Prof. Andreas Hochhaus stellte die finalen Daten der 10-jährigen Nachbeobachtung vor:

  • Nilotinib zeigte eine bessere Langzeitwirksamkeit nach 5 und 10 Jahren Therapie als Imatinib; es wurden höhere DMR-Raten (Deep Molecular Remission) beobachtet.
  • In den Nilotinib-Armen wurden im Vergleich zum Imatinib-Arm ein geringeres Fortschreiten der Erkrankung in eine akzelerierte Phase oder Blastenkrise und CML-bedingte Todesfälle beobachtet.
  • Nach 10 Jahren gibt es keinen Unterschied im Gesamtüberleben bei der Therapie mit Nilotinib oder Imatinib.
  • Das Sicherheitsprofil von Nilotinib entspricht nach mehr als 5 Jahren Therapie dem der ersten 5 Jahre:
    • kardiovaskuläre Risikofaktoren und eine bereits bestehende Herzerkrankung müssen bei Therapiebeginn berücksichtigt und im Therapieverlauf beobachtet und kontrolliert werden
  • Die Ergebnisse der abschließenden ENESTnd-Analyse sprechen weiterhin für den Einsatz von Nilotinib 300 mg zweimal täglich als Standardbehandlungsoption für Patienten mit neu diagnostizierter Ph+ CML in der chronischen Phase.

NiloDeepR

Es handelt sich um eine einarmige, multizentrische, offene Phase-IV-Studie zur Beurteilung des tiefen molekularen Ansprechens bei erwachsenen Patienten mit neu diagnostizierter Ph+ CML in chronischer Phase nach zwei Jahren Nilotinib-Behandlung mit 300 mg zweimal täglich. Die Rekrutierung für diese Studie ist seit 1 ½ Jahren abgeschlossen, es konnten 171 Patienten aufgenommen werden. Die finale Analyse dieser Studie wird im 4. Quartal 2021 erwartet.

NOFRETETE

In dieser prospektiven nicht-interventionellen Studie werden der Einfluss von Therapietreue, molekularem Monitoring, Lebensqualität und Risikofaktoren auf das tiefe molekulare Ansprechen im Praxisalltag für Patienten mit CML in chronischer Phase in der ersten und jeder nachfolgenden Therapielinie mit Nilotinib beobachtet. Die Rekrutierung für diese Studie wurde Ende Oktober 2020 abgeschlossen. In der zweiten Interimsanalyse zeigte sich, dass die Patienten in dieser Studie überwiegend in niedergelassenen Praxen und kommunalen Krankenhäusern betreut werden. Bei ca. 75 % der Patienten zeigen sich neben CML Begleiterkrankungen, was den Praxisalltag  laut Prof. Dengler gut widerspiegelt. Mehr als 56 % der Patienten erreichen nach 18 Monaten ein tiefes molekulares Ansprechen (DMR, MR4 oder besser). Bisher seien keine neuen Toxizitätsaspekte aufgefallen, schwere unerwünschte Ereignisse von besonderem Interesse seien selten. Die Beobachtungsphase der Studie endet im April 2023. Danach wird mit der Endauswertung begonnen.

BFORE

BFORE ist eine multinationale, randomisierte Studie, die bei Patienten mit neu diagnostizierter CML in chronischer Phase die Behandlung von Bosutinib mit Imatinib vergleicht. Nach 24 Monaten zeige sich für Bosutinib im Vergleich mit Imatinib eine höhere Rate MMRMR4 und MR4,5, was eine Therapie neu diagnostizierter CML-Patienten mit Bosutinib rechtfertige, beschreibt Prof. Brümmendorf, Klinikdirektor des Universitätsklinikums Aachen. Es hätten sich auch nach längerer Beobachtungszeit bei beiden TKIs keine neuen Bedenken bezüglich des Sicherheitsprofils gezeigt. Die Dosierung von Bosutinib und Imatinib zeige einen Einfluss auf das molekulare Ansprechen. Für Patienten mit einem hohen Risikoscore zeige sich ein Vorteil, wenn sie mit Bosutinib behandelt wurden. Diese Studie verwendet für die Bewertung der Lebensqualität ein sehr umfangreiches Protokoll. In der Auswertung zeige sich, dass die Tiefe des molekularen Ansprechens einen Einfluss auf die Lebensqualität habe:

  • emotionales Wohlbefinden steige mit der Tiefe des molekularen Ansprechens
  • auf soziales und körperliches Wohlbefinden habe die Tiefe des molekularen Ansprechens die geringste Auswirkung

DasPAQT

In diese Studie können Patienten mit neu diagnostizierter chronischer myeloischer Leukämie (CML) in der chronischen Phase und CML-Patienten in der chronischen Phase, die auf vorherige Therapien einschließlich Imatinib und Nilotinib nicht ansprechen oder diese nicht vertragen, aufgenommen werden. Patienten in jeder Therapielinie können teilnehmen. Dasatinib zeige ein hohes Ansprechen sowohl in der Erstlinientherapie als auch in höheren Therapielinien. Nach 24 Monaten Therapie haben 77 % der Patienten mindestens MMR erreicht. Es traten keine neuen Toxizitäten auf. Pleuraergüsse wurden  selten beobachtet: Bei 6,4% der Patienten lag der Schweregrad bei 1–2, bei 0,4 % bei Grad 3.

Die Teilnehmer der Diskussionsrunde zeigten sich beunruhigt über die kardiovaskulären Toxizitäten, die unter der Behandlung mit Nilotinib beobachtet werden. Besonders in der Langzeittherapie könnten diese schweren unerwünschten Nebenwirkungen ein hohes Risiko für den Patienten bedeuten, wenn bestimmte Risikofaktoren nicht berücksichtigt würden. Aus diesem Grund ist laut Prof. Tesch, Centrum für Hämatologie und Onkologie Bethanien, ein Therapiestopp dringend empfohlen, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Würden bei einem Patient Risikofaktoren für schweres Ereignis im Herz-Kreislaufsystem bestehen und sei eine tiefe molekulare Remission nach fünf Jahren Therapie mit Nilotinib nicht erreicht worden, würde der Wechsel auf einen anderen TKI angeraten. Ein strenges Risikomanagement sei von erforderlich.

 

THERAPIEOPTIMIERUNG

BYOND

Diese Phase-IV-Studie untersucht die Sicherheit und Wirksamkeit von Bosutinib bei Patienten mit Ph+ CML, die zuvor mit mindestens einem TKI behandelt wurden. Die meisten vorbehandelten Patienten zeigten nach einem Jahr Therapie mit Bosutinib eine zytogenetische Remission, auch ein tiefes molekulares Ansprechen (MR4, MR4,5) wurde beobachtet. Das Ansprechen wurde über alle Patientengruppen hinweg erreicht, unter anderem auch bei Patienten in der vierten Therapielinie, die gegen eine vorherige Therapie resistent waren. Die Abbruchrate der Therapie mit Bosutinib war relativ gering, obwohl ungefähr die Hälfte der Patienten eine Unverträglichkeit gegenüber allen früheren TKI-Therapien hatten. Der häufigste Grund für einen dauerhaften Behandlungsabbruch waren unerwünschte Nebenwirkungen.

OPTIC

Es handelt sich um eine randomisierte Phase-II-Studie, in der Wirksamkeit und Sicherheit von Ponatinib in drei verschiedenen Anfangsdosen (45 mg, 30 mg und 15 mg pro Tag) untersucht werden. In diese laufende Studie werden Patienten mit CML in der chronischen Phase eingeschlossen, die zuvor bereits mindestens zwei TKI erhalten haben und bei denen nach zwölf Monaten festgestellt wird, dass sie gegenüber ihrer laufenden Behandlung resistent waren. Mit einer medianen Beobachtungszeit von 21 Monaten zeigt die Interimsanalyse, dass das optimale Nutzen-Risiko-Profil für Ponatinib mit einer an das Ansprechen angepassten Dosisregulation erreicht wurde, wenn beginnend mit einer Dosis von 45 mg pro Tag nach Erreichen von BCR-ABL1 die Dosis auf 15 mg bei Erreichen von ≤ 1 % BCR-ABL1 reduziert wurde. Auch nach der Dosisreduktion auf 15 mg pro Tag blieben die Ansprechraten konstant. Die Endauswertung der Studie soll zu einem verfeinerten Verständnis des Nutzen-Risiko-Profils von Ponatinib in den drei verschiedenen Anfangsdosen führen.

Die Interimsanalyse habe auch gezeigt, dass bei einer bestehenden T315I-Mutation eine Ausgangsdosis von 15 mg Ponatinib pro Tag nicht ausreichend sei, legt Prof. Andreas Hochhaus vom Universitätsklinikum Jena dar.

Asciminib/ABL001

Hierbei handelt es sich um eine mehrarmige Dosisfindungsstudie mit ABL001-Monotherapie sowie in Kombination mit Nilotinib, Dasatinib oder Imatinib, um eine sichere und verträgliche Dosis bei Patienten mit CML und Ph+ ALL zu ermitteln, bei denen die Erkrankung wieder auftritt oder die eine Therapieresistenz oder Unverträglichkeit gegenüber TKIs aufweisen. Für diese Patienten kann ABL001 eine neuartige Behandlungsmöglichkeit darstellen. Im Rahmen dieser Dosisfindungsstudie wird die verabreichte ABL001-Dosis gesteigert.

ASCEMBL

Novartis habe mitgeteilt, so Prof. Andreas Hochhaus, dass Asciminib (ABL001) bei Patienten, die mit mindestens zwei TKIs vorbehandelt worden waren, nach 24 Wochen den primären Endpunkt mit einer signifikanten Überlegenheit in der tiefen molekularen Ansprechrate im Vergleich zu Bosutinib erreicht hat. Die Daten aus der ASCEMBL-Studie würden nun den Zulassungsbehörden mitgeteilt und man erhoffe sich die Zulassung des Medikaments in der Drittlinientherapie für Patienten ohne T315I-Mutation.

Prof. Andreas Hochhaus stellte weitere Konzepte vor, die die Wirksamkeit und Sicherheit von Asciminib untersuchen sollen. In der Diskussion wurde die niedriggradige Nebenwirkungsrate von Asciminib betont, jedoch sei die Beobachtungszeit im Therapieverlauf noch recht kurz. In-vitro-Daten würden eine Kombinationstherapie von Asciminib mit anderen TKIs suggerieren. Die Frage sei jedoch, wann im Therapieverlauf die Kombination der Medikamente sinnvoll sei. Die bereits erwähnte Studie FASCINATION solle sowohl die Effektivität als auch auftretende Nebenwirkungen untersuchen.

ABSETZSTUDIEN

ENESTfreedom /ENESTop/ENESTpath – Prädiktion der erfolgreichen TFR

Die Firma Novartis unterstützt im Rahmen ihres klinischen TFR-Studienprogramms verschiedene Studien, zu denen auch ENESTfreedom, ENESTop und ENESTpath gehören. In allen drei Studien zeigt sich, dass ca. 50 % der Patienten nach dem Stopp in einer stabilen therapiefreien Remission verbleiben.

DasFREE

In diese Studie wurden Patienten mit CML in chronischer Phase eingeschlossen, die seit mindestens zwei Jahren eine Erst- oder Zweitlinienbehandlung mit Dasatinib erhalten. Wenn die Voraussetzungen für einen Therapiestopp erfüllt waren, wurde Dasatinib abgesetzt. In der Auswertung nach 24 Monaten blieben 46 % aller Patienten ohne einen Rückfall. Betrachtet man die Patienten, die Dasatinib das Erstlinienmedikament bekommen haben, waren es 51 %. Musste nach einem Verlust der MMR die Therapie wieder begonnen werden, haben alle Patienten nach zwei bis drei Monaten wieder MMR und auch MR4,5 erreicht. 36 % der Patienten berichteten über Beschwerden nach dem Absetzen, 2 % hatten starke Beschwerden Grad 3 und 4. Diese bislang größte Studie zum Absetzen von Dasatinib unterstützt weiterhin die Durchführbarkeit von TFR bei Patienten mit CML in der chronischen Phase, die in erster und zweiter Therapielinie mit Dasatinib behandelt werden.

 

CML-ALLIANZ

Im letzten Block der Veranstaltung berichtete die Projektkoordinatorin Frau Melinda Kolb über die Aktivitäten der CML-Allianz 2020, die durch die allgemeine Situation in der COVID-19-Pandämie stark eingeschränkt waren. Viele bereits geplante regionale Veranstaltungen mussten abgesagt werden. Auch die Aktionen zum Welt-CML-Tag am 22.09. konnten nicht durchgeführt werden.

Aus aktuellem Anlass berichtete Prof. La Rosée über die Erfahrungen mit COVID-19 und CML. Inzwischen berichten verschiedene Länder über CML-Patienten, die sich mit dem Sars-CoV2-Virus infiziert haben, die jedoch sehr selten einen auffälligen oder schweren Krankheitsverlauf entwickelten. Die Berichte kamen aus WUHAN, Italien, den Niederlanden und der Türkei. Das Risiko eines CML-Patienten, an Covid-19 zu erkranken, scheint dem der Normalbevölkerung zu entsprechen. Eine Studie beobachtet sogar einen günstigen klinischen Verlauf. 

Bei der Erkrankung an Covid-19 wird ein SARS-CoV2-spezifisches Hyperinflammationssyndrom beobachtet, das mit verschiedenen Entzündungsreaktionen im Körper einhergeht. Davon sei eine Subgruppe von ca. 15–20 % der Patienten betroffen. Für das Covid-19-Hyperinflammationssyndrom konnte der CIS-Score als Diagnose-/Verlaufs-Score neu etabliert werden. Zur Behandlung des Hyperinflammationssyndroms wurde eine Studie mit dem JAK-Inhibitor Ruxolitinib, einem Krebsmedikament, initiiert. Die Studie RuxCoFlam nimmt Patienten auf.

Projekte der Patientenvertreter

photo 2020 11 15 16.47.33Der Bericht der Patientenvertreter über ihre Projekte rundete die Veranstaltung ab. Die bereits seit der Gründung der CML-Allianz aktiv eingebunden Patientenvertreter sind ein fester Bestandteil der Allianz. Ihre Arbeit wird von den Ärzten geschätzt und mit großem Interesse verfolgt, wie Prof. Hochhaus im Anschluss an die zwei Vorträge versicherte.

Jan Geissler, Gründer von Leukämie-Online und LeukaNET e.V., schilderte den Zuhörern vor den Bildschirmen die Perspektive der Patienten zur TFR, die sich aus einer globalen Umfrage ergibt, die das internationale Netzwerk des CML Advocates Networks 2018 in Zusammenarbeit mit Leukämie-Online und der CML-Allianz durchgeführt hat. Insgesamt wurden 1016 Fragebögen aus 67 Ländern ausgewertet, davon kamen 127 aus Deutschland. Die Umfrage war in 11 Sprachen verfügbar und die Ergebnisse wurden in diesem Jahr im Fachjournal Leukemia veröffentlicht. Die Fragen erstreckten sich über Gebiete wie Demographie, Vortherapien, Status der CML, Therapie- und Remissionsdauer, Gründe für das Absetzen, verfügbare Informationen zum Thema, Arzt-Patienten-Kommunikation, emotionale Komponenten, PCR-Verlaufskontrollen, Nebenwirkungen nach dem Absetzen und Arzneimittelwechsel nach dem TFR-Versagen.

Das zweite Projekt, das von Cornelia Borowczak vorgestellt wurde, ist ebenfalls in Zusammenarbeit von Leukämie-Online mit der CML-Allianz entstanden. Es handelt sich um eine Online-Seminarreihe für CML-Patienten und ihre Angehörigen, die in monatlichen Abständen aktuelle Themen rund um CML beleuchten soll. Unter dem Titel „Wissenshorizonte – aktuelle Perspektiven auf ein Leben mit CML“ startete die Seminarreihe anlässlich des Welt-CML-Tages am 22.9. mit dem Thema „CML-Leitlinien und Meilensteine der Therapie“ mit Prof. Andreas Hochhaus als Referent.

Weitere Themen waren und werden sein:

  • Therapiefreie Remission
  • CML in Zeiten von Corona
  • CML bei Kindern und Jugendlichen
  • CML-Diagnostik
  • Generika bei CML
  • CML & Familienplanung
  • Klinische Studien in der CML
  • Therapietreue

Die Termine werden auf den Internetseiten von Leukämie-Online und der CML-Allianz veröffentlicht. Alle Seminare sind auch später noch abrufbar.