CML kontrollieren mit IFN?

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jan
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Beitrag von jan » 02.12.2008, 20:43

Hallo Thomas,

es gibt zu wenig Erfahrung bisher, die Empfehlungen für eine Dosis zulassen. Man weiss, dass Interferon auch gering dosiert die entsprechenden Immuneffekte gegen die CML auslöst, da man diese aktivierten Zellen in bestimmten Konstellationen mit Labortests nachweisen kann. Der Rest sind wohl Einzelfallerfahrungen im Rahmen der Dosierungen, die Du sie nennst. Insgesamt hängt die Interferon-Dosis und -Frequenz aber auch davon ab, wie der Patient darauf reagiert und sie verträgt.

Interferon wirkt sich nach allem was man bisher weiss nicht negativ auf Imatinib aus, wenn man davon absieht, dass man bei dem Einsatz beider gleichzeitig die Leber- und Blutwerte im Auge behalten muss, damit diese nicht zu weit aus dem Rahmen geraten.

Umgekehrt wurde übrigens beobachtet, dass Imatinib den CML-Immuneffekt von Interferon schwächen kann, d.h. Interferon wirkt schwächer, solange gleichzeitig die Hemmung durch Imatinib vorhanden ist. Ob daraus aber wirklich ein klinischer Einfluss entsteht, weiss man nicht.

Generell hat man beobachtet, dass sie beide sich wirkungsseitig ergänzen (synergistisch sind), als Kombitherapie verträglich sind - den Wirksamkeitsvergleich wird die CML-Studie IV bringen.

Viele Grüße
Jan


scratch
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Beitrag von scratch » 02.12.2008, 20:39

Sers,

also ich spritz mir 1 Mio Einheiten 3x pro Woche...zusammen mit Glivec 400mg ist das bei mir die Obergrenze, die ich auf Dauer vertragen habe. Bei mehr als 1 Mio Einheiten sanken meine Thrombozyten zu weit nach unten.

Wenn sich die beiden nicht vertragen würden, dann hätte man das meines Erachtens in der Zwischenzeit schon festgestellt. Dafür laufen die Studien wohl schon zu lange, als dass man eine Beeinträchtigung noch nicht erkannt hätte.
Interessant hierzu wären da die Studienergebnisse, ob man da Unterschiede festmachen kann.

Gruß,
scratch
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thwinter12
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Beitrag von thwinter12 » 02.12.2008, 19:47

Noch zusätzlich eine vielleicht etwas dumme Frage von mir: Ist irgendwie bekannt, ob bei der Kombination der beiden Medikamente, ev. das IFN sich negativ auf die Wirkung von Glivec auswirken könnte, oder ist das so gut wie ausgeschlossen?

thwinter12
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Beitrag von thwinter12 » 02.12.2008, 16:54

Hallo Jan + Hallo allen,

mich würde interessieren, welche Dosen für IFN bzw. Peg-IFN als empfohlen/angemessen gelten!? D.h. mit welcher Dosis sollte begonnen werden (noch mit Glivec) und welche Menge sollte dann in der Erhaltungstherapie genommen werden (ohne Glivec)!?

In den verschiedenen Nachrichten/Diskussionen schwankt das immer so zwischen:

-) Peg-IFN: 135g - 180g 1-2x alle 7-14 Tage
-) IFN: 1,5 - 3 Mio. Einheiten 2-5x jede Woche

Danke Dir/Euch!

Servas,
Thomas
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Heinz
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Beitrag von Heinz » 21.11.2008, 15:58

Hallo,
klar halte ich Euch auf dem Laufenden.

Die Dosis in einer Ampulle ist 18 Mio Einheiten und die verbrauche ich in 2 Wochen. D.h. 3 x 3 Mio per Woche.
Ob das jetzt viel ist, wird sich noch herausstellen. Mitte Dezember muss ich 3 Ampullen Blut zur Zwischenkontrolle nach Mannheim senden.
Aufgefallen ist mir jetzt, dass ich etwas abgenommen habe. Anscheinend habe ich Wasser verloren.
Danke für Eure guten Wünsche.
Liebe Grüße Heinz


jan
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Beitrag von jan » 21.11.2008, 00:14

Hallo Heinz,

Glückwunsch zu dieser Entscheidung. Würde mich freuen, wenn Du uns auf dem Laufenden hältst, wie es läuft. Wie Du vielleicht aus einigen meiner früheren Beiträge weißt, bin ich einer dieser "zwei Dutzend" (genauer: 25) deutschen Patienten, die anfangs Glivec+Pegasys erhielten (vermutlich in der gleichen Studie wie Du) und dann irgendwann nur noch mit IFN weitergemacht haben. Ich habe Glivec im April 2006 abgesetzt und bin seitdem nur noch auf niedrigdosiertem Pegasys. Meine PCR ist weiterhin sehr gut, seit Jahren nahe an der technischen Messgrenze - mal drunter, mal drüber.

3x3 Millionen Einheiten pro Woche kommt mir aber recht kräftig dosiert vor...

Alles Gute Deiner Leber und ihrem Besitzer :-)

Liebe Grüße
Jan

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Andrej
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Beitrag von Andrej » 20.11.2008, 21:18

Hallo Heinz,

dann halte uns doch bitte auf dem Laufenden wie es für Dich läuft mit IFN! Wie ich schon mehrfach sagte: so sehr man sich über Glivec freuen muss, finde ich die Perspektive, dass man evtl. irgendwann ohne es klarkommt, doch sehr verlockend!!

Viele Grüße und alles Gute!
Andrej
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Heinz
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Beitrag von Heinz » 20.11.2008, 19:49

Hallo,
da meine CML-Werte weiterhin sehr niedrig sind, so bei 0,00...%, habe ich jetzt auch auf Interferon umstellen dürfen.
Seit Nov 2001 bin ich in Behandlung, mit zuletzt Glivec 400 mg (ursprünglich in Kombination Glivec 300 mg + Peg-Interferon). Wegen Problemen mit den Leberwerten musste ich damals Interferon absetzen.

D.h. es gibt jetzt seit 2 Wochen mindestens 2 Dutzend +1 Patient mit nur Interferon als Medikation in Deutschland.
Genauer mit je 3 Mio Einheiten Roferon 3 x die Woche mit einem Pen in den Bauchspeck.

Ich hoffe, meine Leber packt es diesmal. Sonst müsste ich leider ein Bierchen oder auch 1 Fläschchen Wein weniger trinken <IMG SRC="modules/phpBB_14/images/smiles/icon_razz.gif"> .

Meine Nebenwirkungen sind nicht besonders auffällig. Morgens bin ich halt immer im A...
Ansonsten ist es gut zu wissen, dass ich jetzt Glivec in Reserve habe.

Liebe Grüße
Heinz
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jan
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Beitrag von jan » 29.08.2007, 21:19

Hallo Bobl,

ich weiss ehrlichgesagt nicht genau, wann die Ergebnisse der CML-Studie IV das erste Mal veröffentlicht werden. Vorabinformationen sind bei solchen Phase-IV-Studien relativ selten, um die Rekrutierung/Randomisierung nicht zu früh zu beeinflussen. Die Studie ist 2002 gestartet, und heute nehmen rund 1.000 Patienten teil. Vielleicht interessiert Dich folgender Auszug aus dem <!-- BBCode Start --><A HREF="http://www.ma.uni-heidelberg.de/inst/med3/prot0629.pdf" TARGET="_blank">Protokoll des CML-Studiengruppentreffens</A><!-- BBCode End --> vom 29.06.2007:
<!-- BBCode Quote Start --><TABLE BORDER=0 CELLPADDING=3 CELLSPACING=1 ALIGN=CENTER WIDTH=85%><TR><TD><font class="pn-sub">Zitat:</font><HR noshade height=1></TD></TR><TR><TD><FONT class="pn-sub"><BLOCKQUOTE>Bis zum 28.06.2007 wurden insgesamt 1025 Patienten aus 197 Zentren (121 Kliniken, 76 Praxen) rekrutiert. Die Verteilung der Patienten auf die offenen Studienarme ist wie folgt: "Imatinib/Interferon" n=274, "Imatinib 400mg" n=263, "Imatinib 800mg" n=199. Unter Anwendung des neuen CML-Scores ist die Risikoverteilung der Patienten wie folgt: 37 % Niedrig-Risiko, 51% intermediäres Risiko, 12% Hochrisiko. Innerhalb der mittlerweile geschlossenen Therapiearme "Imatinib nach Interferonversagen" und "Imatinib/AraC" werden zur Zeit 18% beziehungsweise 44% der Patienten mit der randomisierten Therapie behandelt. Die Hauptgründe für das Absetzen der Therapie waren im Interferonarm Unverträglichkeit der Therapie und Interferonversagen, im Imatinib/AraC-Arm Unverträglichkeit von AraC. In den aktiven Studienarmen Imatinib 400mg, Imatinib/Interferon und Imatinib 800mg erhalten zur Zeit 89%, 41% bzw. 91% die randomisierte Therapie. Bislang wurde bei 63 Patienten eine allogene Stammzelltransplantation durchgeführt. Von diesen waren 16 über 45 Jahre alt. Gründe für die allogene Transplantation waren niedriges Transplantationsrisiko (n=8), Hochrisikostatus (n=16), Imatinibversagen (n=36) und sonstige (n=3). </BLOCKQUOTE></FONT></TD></TR><TR><TD><HR noshade height=1></TD></TR></TABLE><!-- BBCode Quote End -->

Ich kann die Lektüre des Protokolls des Treffens generell empfehlen - mir war das Protokoll bis heute auch neu. So wurde z.B. auch über die früheren Studien berichtet, unter anderem auch über die Patienten, die in der Zeit vor Glivec mit Interferon behandelt wurden und wegen guter Ergebnisse dabei blieben:

<!-- BBCode Quote Start --><TABLE BORDER=0 CELLPADDING=3 CELLSPACING=1 ALIGN=CENTER WIDTH=85%><TR><TD><font class="pn-sub">Zitat:</font><HR noshade height=1></TD></TR><TR><TD><FONT class="pn-sub"><BLOCKQUOTE> Es wurde festgestellt, dass komplette zytogenetische und molekulare Remissionen unter IFN aufgetreten sind und dass bei einzelnen Patienten die Remission nach Absetzen von IFN anhaltend war. Für die weiteren Auswertungen soll untersucht werden, ob es Prädiktoren für ein Ansprechen auf IFN gibt.</BLOCKQUOTE></FONT></TD></TR><TR><TD><HR noshade height=1></TD></TR></TABLE><!-- BBCode Quote End -->

Außerdem wird im Protokoll über andere im Rahmen der in Mannheim koordinierten deutschen CML-Studiengruppe laufenden Studien mit Bosutinib (SKI-606), Lonafarnib, MK-0457 etc berichtet.

Außerdem gibt es einen Ausblick auf eine eventuell geplante CML-Studie V, die eine einjährige Erstlinientherapie mit Dasatinib, Nilotinib und Glivec vergleichen wird, gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit Dosiserhöhung (bei schlechtem Ansprechen) oder Interferon (bei dauerhaft guter molekularer Remission). Höchstinteressant, denn das testet ja genau das Konzept ("Erhaltung der molekularer Remission unter Therapie mit Imatinib vs. IFN"), über das wir hier zu diskutieren begonnen haben... Dazu Zitat: "Die Rationale für eine Erhaltungstherapie mit Interferon sei die Induktion einer Langzeit-Immunantwort und Remissionen auch nach Absetzen der Therapie.". Dr. Burchert trug wohl in einem separaten Vortrag zum Thema IFN vor: "Zusammengefasst konnte A. Burchert darstellen, dass IFN-alpha-induzierte Immunantworten auch unter Imatinibtherapie ausgelöst werden können."

Insgesamt viele gute Nachrichten - und die grundsätzliche Nachricht, dass das Thema IFN-Erhaltungstherapie nach gutem molekularen Ansprechen auf Glivec in den letzten 12 Monaten deutlich auf die Agenda gerückt ist.

Viele Grüße
Jan


unknown

Beitrag von unknown » 29.08.2007, 09:30

Hallo Jan,
wann ist denn mit Ergebnissen aus der CML-Studie IV zu rechnen? Gibt es vielleicht schon Vorabinformationen welcher Therapiearm sich als der beste erweisen könnte?

möchte Bobl wissen

Andrej
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Beitrag von Andrej » 29.08.2007, 00:37

Hallo Jan,

nochmals danke!
Natürlich bin ich sehr gespannt auf die Ergebnisse der CML-Studie IV. Und vielleicht gibt es ja auch schon bei der ASH-Tagung dieses Jahr wieder einige neue Infos.
Zum Glück kann man die ganze Entwicklung ja einigermaßen entspannt abwarten, wenn man sich in guter Remission befindet!!

Viele Grüße
Andrej
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jan
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Beitrag von jan » 29.08.2007, 00:06

Hallo Andrej

danke für Deine guten Wünsche... Vielleicht noch eine Ergänzung, die vielleicht auch als Mosaiksteinchen helfen wird: Die in Deutschland mit vielen hundert Patienten laufende CML-Studie IV vergleicht ja seit längerer Zeit schon die Therapiearme Glivec-400mg vs Glivec-800mg vs. Glivec+IFN. Auch diese wird in einiger Zeit Ergebnisse bringen, die zeigen werden, ob die Kombinationstherapie gegenüber der Monotherapie Vorteile bringt. Wir werden sehen.

Viele Grüße, Daumen rundherum gedrückt,
Jan
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Andrej
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Beitrag von Andrej » 29.08.2007, 00:00

Hallo Jan,

vielen Dank für Deine ausführliche Antwort!
Die Risiken, von denen Du sprichst und die man gegeneinander abwägen muss, sind mir natürlich klar und ich kann auch klar sagen, dass bei uns auch nach knapp 1,5 Jahren der Schock noch so tief sitzt, dass es für uns im Augenblick im Grunde nicht in Frage kommt, das Risiko für meine Frau zu erhöhen, nur um noch ein Kind bekommen zu können. Wie Du richtig sagst, muss das natürlich jeder für sich abwägen, aber wir stehen auf dem Standpunkt, dass wir heilfroh sein können, so gut davon gekommen zu sein. Wir wollen das Glück nicht überstrapazieren, selbst wenn das Risiko, Glivec für einen bestimmten Zeitraum abzusetzen, möglicherweise gering wäre.
Es ist mir auch klar, dass die Wahrscheinlichkeit von Langzeitnebenwirkungen gering ist und es ist ohnehin keine Frage, dass man als CML-Patient (oder Angehöriger) heilfroh sein muss, dass bei der Einnahme dieses Medikaments das Risiko Gesundheitsschäden zu erleiden so gering ist, dass man es überhaupt mit dem Risiko beim Ski fahren, Auto fahren o.ä. vergleichen kann.
Da ich aber auch weiß, dass an zahlreichen Stellen geforscht wird, interessiere ich mich aber dennoch dafür, ob es irgendwann eine Hoffnung auf ein Leben ohne Glivec geben wird (wie gesagt: ohne "undankbar" gegenüber Glivec wirken zu wollen) und da könnte ja der Ansatz mit IFN oder den Vakzinierungstherapien irgendwann erfolgreich sein.
Ich drücke jedenfalls Dir ganz fest die Daumen, dass es dauerhaft mit IFN funktioniert. Wir werden damit sicher noch eine ganze Weile warten und werden uns erst einmal noch eine Weile darüber freuen, dass es Glivec gibt!!

Nochmals vielen Dank und viele Grüße
Andrej
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jan
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Beitrag von jan » 28.08.2007, 23:32

Hallo Andrej,

dies ist eine komplexe Frage, die mangels Daten ebensowenig einfach zu beantworten ist - und daher auch von CML-Spezialisten nur schwer "objektiv" einzuschätzen ist. Man wird sicherlich hierzu sehr widersprüchliche Aussagen erhalten, und alle lassen sich durch den Mangel korrekter Daten und das Vorhandensein früherer guter der schlechter Erfahrungen mit Interferon belegen oder widerlegen.

Grundsätzlich folgendes in meiner laienhaften Interpretation - und sorry, das wird jetzt lang:

Es gab zu Zeiten, in denen Interferon bei Fehlen eines Stammzellspenders die einzig realistische Medikation bei CML war, einen Anteil Patienten, bei denen Interferon zu einer guten Remission führte. Erstaunlicherweise blieb diese bei einigen auch langfristig stabil, wenn man das Medikament nach einiger Zeit absetzte. Der Grund war wohl, dass man bei Interferon-Alpha beobachtete (und nachweisen konnte), dass Interferon eine spezifische Immunantwort von auf CML-Zellen "trainierten" T-Zellen auslöste, die auch nach Absetzen des Medikaments dauerhaft erhalten blieb. Allerdings erreichten nur etwa ein Siebtel aller CML-Patienten mit Interferon als Erstlinien/Monotherapie überhaupt eine gute Remission - es war meist alleine nicht kräftig genug, überhaupt einer voll entwickelten CML Herr zu werden. Dementsprechend war der Teil der Patienten, die dann überhaupt den Versuch starten konnten, ohne IFN auszukommen, gering.

Der Gedanke einiger CML-Spezialisten mit der guten Erfahrung mit Glivec ist nun, die Kombination von Glivec und niedrig dosiertem Interferon insofern zu nutzen, mit Glivec schnellstmöglich eine molekulare Remission herbeizuführen, um dann mit der durch IFN ausgelösten Immunantwort die Resterkrankung dauerhaft unter Kontrolle zu halten. Manche Spezialisten vertreten dabei die Meinung, dass dieses "IFN-induzierte Immuntraining" nur unter hoher Tumorlast zu erzeugen ist, und raten daher von Therapiebeginn an (d.h. wenn noch viele CML-Zellen vorhanden sind, gegen die die T-Zellen aktiviert werden können) zur Kombination. Andere glauben, dass diese Reaktion auch bei wenigen vorhandenen CML-Zellen zu erreichen ist. Manche sagen, IFN hätte zu viele Nebenwirkungen und raten aus früheren Erfahrungen aus Monotherapiezeiten davon ab. Soviel zur Theorie - was die Realität ist, weiss heute noch niemand.

In Deutschland gibt es meines Wissens momentan rund zwei Dutzend Patienten, die in molekularer Remission Glivec abgesetzt und nur mit Interferon weitergemacht haben. Soweit ich mich an mündliche Berichte richtig erinnere, war es bei 6 dieser Patienten noch zu früh für eine Aussage. Bei 4 sind die PCR-Werte wieder angestiegen, aber mit Wiederaufnahme von Glivec war die Remission wieder da. Die restlichen 15 Patienten sind wohl unter Interferon schon über viele Monate stabil. Wie Du richtig anmerkst, bin ich einer von den 15, habe im September 2001 mit Glivec+IFN in Kombination begonnen, über Jahre eine dauerhafte molekulare Remission (allerdings immer BCR-ABL nachweisbar) gehalten, Glivec im April 2006 abgesetzt und nur mit IFN weitergemacht, und seitdem eine dauerhaft sehr niedrige PCR gehabt, die letzten zwei PCRs von April und Juli sogar komplett negativ. Insofern ist meine subjektive Erfahrung sehr gut - was aber statistisch natürlich nichts bedeutet.

Vieles von dem, was Du sagst, kann ich gut nachvollziehen. Natürlich macht man sich Gedanken, ob Langfristnebenwirkungen von Glivec auftreten werden - wobei ich dies nicht glaube, denn wenn etwas schwerwiegenderes "im Busch" wäre, hätte man dies in den ersten fünf Jahren schon ansatzweise gemerkt. Das Gegenteil ist im Moment der Fall - die Nebenwirkungsraten sinken noch weiter über die Zeit, es gibt keine Auffälligkeiten in Richtung Zweitkrebs-Erkrankungen, und alle bisherigen Erfahrungen deuten darauf hin, dass wir keine schweren Überraschungen erleben werden. Und was man in den ersten zwei, drei Jahren an Nebenwirkungen nicht hatte, scheint dann auch eher nicht mehr "nachzukommen". Ob es gesund ist, über Jahrzehnte Tyrosinkinase-Inhibitoren zu futtern? Mit Sicherheit nicht ideal, aber ohne sie würde ich das nächste Jahrzehnt mit Sicherheit nicht erleben, und mit den Alternativen vermutlich auch nicht. Vermutlich ist auch die Gefahr, Auto oder Ski zu fahren und dabei Gesundheitsschäden zu erleiden, heute deutlich höher.

Eher macht man sich Gedanken über Resistenzen, die durch eine simple Mutation entstehen und die bei Glivec aufgrund der Spezifität doch kräftige Auswirkungen haben - hier hilft aber eine Kombination oder nacheinandergeschaltete Therapiestufen mit Glivec, Nilotinib, Dasatinib, SKI606, MK0457 die die mutanten Zellen beseitigen und dadurch vielleicht sogar dazu führen, dass Glivec später wieder funktioniert. Oder eben von Anfang an durch eine Kombination von Glivec mit etwas anderem (wie IFN), die dazu führt, dass die mutierte Zelle gleich nach der Entstehung in die zweite dicke Bärenfalle tritt, wenn sie die erste geschickt umwandert hat.

Vakzine - ist vielleicht irgendwann eine Option. Bisher gibt es nur wenig stichhaltige Nachweise, dass die Vakzinierungen bei CML (wie CMLVAX100/500) wirklich funktionieren, obwohl sie schon bei Krebs generell seit einem Jahrzehnt als großer Hoffnungsträger gehandelt werden. Im speziellen Zusammenhang mit CML frage ich mich, warum man auf ein unbekanntes Vakzin setzen sollte, wenn man von der Immunantwort von IFN weiss und diese auch nachweisen kann - es kann eigentlich nur die Hoffnung auf Vermeidung von eventuellen IFN-Nebenwirkungen sein, Vakzine in Vollremission zu testen. Und IFN zurückhaltend und "mit Gefühl" dosiert hat meist nur geringe Nebenwirkungen - unvergleichbar zur früheren hochdosierten Monotherapie.

Glivec absetzen -- das Absetzen der Medikation ist natürlich ein Wunsch, eigentlich getrieben durch den Gedanken, die CML dann los zu sein. Glivec ersatzlos zu streichen ist aber nachweislich fehlgeschlagen. Unser aktueller "Glivec-Absetzversuch mit IFN-Weiterführung" ist ein Versuch, der funktionieren kann, aber nicht muss. Für eine medizinische Bewertung ist es noch deutlich zu früh, auch wenn erste Erfahrungen gut sind. Man kann es daher vielleicht eher aus psychologischer Richtung bewerten: Glivec weiterzunehmen ist die "sichere Option", mit Fünfjahresdaten belegt, ohne Beleg für ernsthafte Sorgen über Langfristnebenwirkungen, mit höchster Wahrscheinlichkeit, dass die einmal erreichte Remission auch dauerhaft ist - aber auch mit Aussicht auf lebenslange Pille. Glivec abzusetzen und mit IFN weiterzumachen ist ein hoffnungsvoller Versuch, der natürlich bedeutet, von PCR zu PCR zu warten und dabei auf Stabilität zu hoffen. Wenn es funktioniert, kann ich Glivec vielleicht irgendwann wirklich absetzen, und andere, die von den Ergebnissen profitieren, dann auch. Wenn nicht, muss ich eben wieder mit Glivec starten. Diese Unsicherheit bleibt über Jahre. Was für den Einzelnen gut, ist für den anderen vielleicht nicht akzeptabel.

Nachwuchs - ist natürlich ein weiterer Faktor, bei dem man Risiken abwägen muss, für die es keine klare Bewertung gibt: Bin ich bereit, für ungeborenen Nachwuchs ein Risiko für mein eigenes Leben einzugehen, das Hauptmedikament abzusetzen und evtl für ein Jahr nur mit IFN weiterzumachen - auch dann, wenn die Werte während der Schwangerschaft steigen? Für den einen ja, für den anderen nein - je nach dem, wie wichtig einem das eine oder das andere ist.

Wie gesagt, das ist alles nur eine subjektive Einschätzung, völlig gefärbt natürlich dadurch, dass ich sie aus meiner eigenen Perspektive, meiner persönlichen Therapiewahl, meiner Bereitschaft für den unsicheren Versuch, bewerte und für mich persönlich eine Entscheidung getroffen habe. Daher sehr mit Vorsicht zu genießen und keinesfalls allgemeingültig. Ihr merkt sicher, wie zurückhaltend ich hier im Forum zu diesem Thema war, weil simple Antworten leicht missverstanden werden könnten. Wie auch immer - es ist von zentraler Bedeutung, sich mit dem Arzt ganz einig zu sein, einen unsicheren Weg zu gehen. Der "sichere Weg" ist auf jeden Fall der aktuell empfohlene.

Viele Grüße
Jan

P.S: Neben den besagten durch Mannheim betreuten 25 Patienten gibt es zu dem Thema auch eine Studie in Israel, in der Patienten in Vollremission bei Glivec in Vollremission IFN hinzunehmen, dann Glivec absetzen, und wenn die Vollremission bleibt, auch irgendwann IFN absetzen. Für Ergebnisse ist es noch viel zu früh, aber man sieht, es wird an verschiedenen Stellen in der Richtung strukturiert geforscht. Auch das MD Anderson hat zu IFN bei CML erst im März 2007 publiziert. Wer behauptet, IFN wäre ein CML-Medikament von gestern, liegt jedenfalls nicht ganz richtig.

Andrej
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Beitrag von Andrej » 27.08.2007, 23:47

Hallo,

anlässlich des Artikels im Forum über Tumorstammzellen ist für mich mal wieder eine Frage brandaktuell geworden, die mir schon sehr lange im Kopf herumspukt. Es gibt ja meines Wissens verschiedene Untersuchungen, in denen geprüft wird, ob man nach Erreichen einer guten molekularen Remission Glivec absetzen und die CML durch IFN kontrollieren kann (ich meine gelesen zu haben, dass dies mit einigen Patienten weltweit probiert wird und Du, Jan, machst es ja auch). Meine Frage ist nun, ob man zu diesem Thema schon etwas Näheres sagen kann, also ob es tatsächlich auf diese Weise funktioniert. Meine Frau wurde im April 06 mit CML diagnostiziert und hatte nach 7 Monaten Glivec-Einnahme ein sehr gutes molekulares Ansprechen erreicht (bcr-abl/abl = 0,0026). Vor diesem Hintergrund frage ich mich, ob man die Hoffnung haben könnte auf diese Weise (oder durch eine der verschiedenen in der Erprobung befindlichen Vakzinierungsmethoden), irgendwann auf Glivec verzichten zu können.
Das Ganze soll nicht "undankbar" gegenüber Glivec klingen (diese Tabletten haben uns schließlich bislang alles gerettet!) und wir möchten auch bestimmt nicht das Glück herausfordern, aber es würde mich einfach interessieren (insbesondere, da uns das vielleicht die Möglichkeit gäbe, noch ein weiteres Kind zu bekommen aber auch, weil ich immer noch die Angst habe, dass irgendwann doch Langzeitnebenwirkungen unter Glivec auftreten könnten).

Auch wenn dies eigentlich ein Thema ist, das man mit seinem CML-Spezialisten besprechen sollte - vielleicht kann ja jemand von Euch etwas dazu sagen.

Viele Grüße
Andrej
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