Beitrag
von frisco » 29.04.2016, 07:26
Hallo !
Seit 2 Jahren bin ich hier stiller Beobachter.
Dieses Forum war für mich sehr, sehr hilfreich und ich bedanke mich ganz herzlich bei allen für ihre wertvollen Beiträge, die mir dabei geholfen haben, mit meinem Onkologen zusammen auf Augenhöhe und ohne Angst zu planen.
Heute kann ich mit meinem Bericht ein bisschen was zurückgeben. Ich bin 57 Jahre alt.
2013 : Diagnose CLL mit 17 000 Leukos und leichten Schwellungen am Hals, fit, watch&wait
2014 : 30 000 Leukos, sportlich fit, w&w
2015 : Juni - jetzt TP53 Mutation, 110 000 Leukos, Lymphos 95%, überall starke Lymphschwellungen
2015 : November – 170 000 Leukos, mein Onkologe/Hämatologe drängt zur Therapie
Ich fühlte mich immer noch relativ fit, Hb war immer bei 13, Thrombos bei 190 000.
Meine Milz 18 cm, Hühnerei große Knoten unter den Achselhöhlen, 12cm Lymphpakete im Bauchraum. Mein Onkologe war besorgt, dass diese Pakete auf Blutgefäße drücken und evtl. eine Thrombose auslösen könnten. Außerdem meinte er : Es ist gut frühzeitig mit der Therapie anzufangen, denn je fitter ich bin, um so besser komme ich mit evtl. Nebenwirkungen zurecht. Die Tumormasse in Lymphen und Milz lag im Kilogramm-Bereich , die bei einer Therapie alle über Blut und Nieren abgebaut werden müssen.
Bei TP53 (Hochrisiko) ist Ibrutinib und Idelalisib als Erstlinientherapie für mich zugelassen.
Ich habe mich für Ibrutinib entschieden, weil ich hierüber viel mehr Erfahrungsberichte im Forum und im Internet gefunden habe.
Mein Onkologe hatte bisher keine Erfahrung mit den neuen Kinasehemmern, freute sich aber, dass ich bisher so viele Informationen gesammelt hatte. Eine Monotherapie mit Ibrutinib war ihm zu unsicher, daher erst Bendamustin zur Vorbehandlung und Entlastung, damit hat man ja nun seit 50 Jahren Erfahrung.
Diese Kombination wird auch von der Uni-Köln favorisiert für Patienten mit großer Tumormasse.
Bei der Therapie mit Ibrutinib erwartet man anfänglich einen starken Anstieg der Leukos im Blut durch das sehr effektive Ausleiten der CLL-Zellen aus den Lymphen.
Bendamustin (Chemo)
Beginn Anfang Dezember 2015. Vorgesehen waren 2 Zyklen, jeweils 2 Tage mit 4 Wochen Pause dazwischen.
1 Zyklus Bendamustin brachte zwar die Leukos im Blut von 170 000 auf 70 000 runter, dafür schwollen aber die Lymphknoten noch weiter sehr stark an. Sonst gab es keine Nebenwirkungen.
Ende Dezember Hb 13, Thrombos 150 000, Lymphos 90%. Die vielen Schwellungen am Hals und in der Leiste bereiteten jetzt Schmerzen.
Auf einen zweiten Zyklus hab ich dann verzichtet und wir haben gleich mit Ibrutinib weitergemacht.
Ibrutinib
Beginn 1.1.2016. Ich startete in der ersten Woche mit 2 Kapseln (280 mg), um das erste Blutbild nach einer Woche abzuwarten. Das ist das wirklich Wundervolle an Ibrutinib, dass man sehr flexibel ist mit der Dosierung (natürlich in Absprache mit dem Onkologen).
Am 4. Tag spürte ich schon deutlich die Abschwellung der ersten Knoten am Hals. Die Knoten, die als letzte angeschwollen waren, verschwanden als erste.
Von Anfang an keine Nebenwirkungen. Jeden Tag eine Allopurinol (300mg) morgens zur Reduzierung der Harnsäure , zusätzlich nehme ich noch (eigenmächtig) abends Basica Vital - ein hochwertiges, mineralisches Entsäuerungsmittel. Dadurch hatte ich zu keiner Zeit Gelenkschmerzen oder Krämpfe.
Ich nehme ansonsten keine weiteren Medikamente.
Der Verlauf
Nach einer Woche Ibrutinib
Leukos von 70 000 auf 95 000 gestiegen, Lymphos 94 %, Thrombos 150 000, Hb 13,5
Einige Knoten am Hals, die als letzte angeschwollen waren, sind komplett verschwunden.
Ab jetzt nehme ich 3 Kapseln (420 mg), weil alles ziemlich gut verläuft.
Nach 2 Wochen
Leukos 110 000, Lymphos 95 %, Thrombos 170 000, Hb 13
Alle Lymphknoten am Hals, unter den Achseln und in der Leiste, die ich sehen oder tasten kann, sind mindestens um die Hälfte geschrumpft. Bisher keinerlei Nebenwirkungen.
Nach 3 Wochen
Leukos 125 000, Lymphos 96 %, Thrombos 150 000, Hb 13,3
Ultraschall beim Onkologen :
Milz von 18cm auf 14cm, Lymphpakete im Bauchraum von 12cm auf 9cm geschrumpft
Nach 5 Wochen
Leukos 140 000, Lymphos 97 %, Thrombos 150 000, Hb 13,7
Ich habe weiterhin keinerlei Nebenwirkungen.
Nach 7 Wochen
Leukos 160 000, Lymphos 97 %, Thrombos 170 000, Hb 13,3
Ultraschall : Milz immer noch bei 14 cm, Die Lymphpakete im Bauchraum lösen sich auf, die einzelnen Lymphknoten sind wieder deutlich voneinander zu unterscheiden.
Meine Harnsäure im Blutbild war bisher immer bei 5,3 und damit voll im grünen Bereich, daher reduziere ich jetzt nach fast 3 Monaten Allopurinol in Absprache mit dem Arzt auf 100 mg (eine Drittel Tablette).
Nach 9 Wochen
Leukos 170 000, Lymphos 97 %, Thrombos 150 000, Hb 13,3
Nach 11 Wochen
Leukos 175 000, Lymphos 96 %, Thrombos 180 000, Hb 13,5, Harnsäure konstant bei 5,9
Damit ist das Maximum der Leukos im Blut erreicht. Yes !!!! Ab jetzt ist Licht am Horizont !
Nach 13 Wochen
Leukos 150 000, Lymphos 96 %, Thrombos 150 000, Hb 13,5
Weiterhin keine Nebenwirkungen.
Nach 15 Wochen
Leukos 145 000, Lymphos 96 %, Thrombos 150 000, Hb 13,7
Nach 17 Wochen
Leukos 130 000, Lymphos 95 %, Thrombos 150 000, Hb 13,2
Am Hals, unter den Achseln und in der Leiste sind kaum noch Schwellungen spürbar.
Nach 2 ½ Monaten Anstieg geht die Leukozytenzahl seit 6 Wochen langsam, aber kontinuierlich weiter runter.
Ich gehe jetzt weiter alle 2 Wochen zur Blutabnahme und dann in ein paar Wochen zum Ultraschall von Milz und Bauchraum.
Fazit nach 4 Monaten Ibrutinib
Alles Klasse ! Es hätte bisher besser nicht laufen können.
Die gesamte Therapie ohne Nebenwirkungen !
Ich bin sehr, sehr dankbar dafür, denn noch vor zwei Jahren wären meine Therapiemöglichkeiten nicht so rosig gewesen !
Es war gut für mich, auf den 2. Zyklus Bendamustin zu verzichten und gleich mit Ibrutinib weiterzumachen. Dieses Medikament wirkte bei mir sanft aber stetig. Der wochenlange Anstieg der Leukos bei der Behandlung zeigte mir wieviel Tumormasse ich im Körper hatte. Da ich immer relativ fit war, konnte ich während der Therapie jeden Tag leichten Sport machen, wie Schwimmen, Fahrradfahren oder Wandern. Das bringt Sauerstoff in den Körper und regt den Kreislauf an. Dazu gesundes Essen und Trinken und jeden Tag einen Moment der Ruhe und Meditation zum Stressabbau.
Und jetzt ?
Jetzt nehme ich Ibrutinib erst mal weiter bis meine Blutwerte im grünen Bereich sind. Das wird wohl noch 2 bis 3 Monate dauern. Dieses Medikament kostet ca. 7000,- Euro im Monat, was die Krankenkasse zwar voll bezahlt, aber es ist für mich schon ein komisches Gefühl von so einem teuren Medikament für den Rest meines Lebens abhängig zu sein. Ich bin auf jeden Fall froh, dass noch ein paar Alternativen auf den Markt kommen werden wie Acalabrutinib oder Venetoclax, so dass KMT für mich im Moment kein Thema ist, falls ich Ibrutinib irgendwann mal nicht mehr vertrage.
Für Idelalisib wurden ja Warnungen vor Infektionsrisiken ausgesprochen.
Ich glaube, dass jemand mit relativ starkem Immunsystem erst mal eine ganze Zeit sehr gut mit diesen neuen Kinasehemmern auskommen kann. Ich bin zwar mit TP53 in der Hochrisikogruppe, aber glücklicherweise funktionieren meine Abwehrkräfte noch sehr gut. Ich hatte jahrelang keine starke Erkältung oder Infektion mehr, und mit einem kleinen Lippenherpes wird mein Körper innerhalb weniger Tage alleine fertig. Ich benötige glücklicherweise nie Antibiotikum !
Für mich war Ibrutinib bisher ein Segen, für den ich sehr dankbar bin ! Nach einem langen Weg über Ärzte, Heilpraktiker bis hin zu Heilern habe ich so viel über mich und die Zusammenhänge in meinem Körper gelernt. Heute fühle ich mich bei meinem Onkologen sehr gut aufgehoben, auch wenn ich mich in seinem Wartezimmer neben all den sichtlich schweren Fällen immer noch wie ein Fremdkörper fühle.
Es wird zwar noch eine Weile dauern bis ich wieder ein normales Blutbild habe, aber ich setze den Bericht bis hierhin jetzt schon mal ins Forum, weil ich glaube, dass Erfahrungsberichte mit den neuen Medikamenten für Viele hier sehr hilfreich sind.
Ich halte euch weiter auf dem Laufenden.
Viele liebe Grüße,
frisco