Hallo Maxy,
auch wenn du im falschen Unterforum gepostest hast und der Thread vermutlich bald verlagert wird, wollte ich dir jetzt gleich antworten. Ich stand vor derselben Entscheidung wie du. Einen finalen Rat kann ich dir nicht geben, aber vielleicht ein paar Denkanstöße aus meiner Sicht.
Ich habe die CLL nun seit 2 Jahren. Meine Blutwerte sind alle stabil und normal bis auf den Ausreißer bei den Leukozyten. So steht da bei mir immer irgendetwas zwischen 15.000 und 18.000, bedingt durch etwa 10.000 bis 12.000 Lymphozyten, die zum Teil ein zu langes, nicht ganz so sinnvolles Leben führen. Bei mir wurde der IGHV mit mutiert wie auch FISH mit normalem Karyotyp getestet. Darüber hast du bei dir noch gar nichts geschrieben. Für die Studie ist das aber wichtig, weil davon mitunter abhängt, in welchen Arm du kommst.
Zusätzlich zu IGHV und FISH testen die dort noch auf Hepatitis, HIV usw. sowie Serum-Thyridinkinase und Beta-2-Mikroglobulin. Aus den ganzen Ergebnissen wird dann eine Risikoeinschätzung abgegeben. Niedrigrisiko ist man nur, wenn man maximal 2 statistisch negative Faktoren hat. Alles darüber ist mittleres Risiko oder Hochrisiko. Da es meines Wissens etwa 20 Faktoren sind, die getestet werden, ist diese Gruppe erstaunlich breit.
Im Niedrigrisiko-Arm bleibst du nur im "Wait und Watch", deine Daten aber als Vergleichsgruppe helfen. In allen anderen Fällen steht deine Chance 50-50, ob du das Placebo oder Ibrutinib bekommst. Letzteres wird in der Regel gut vertragen, es gibt aber wie immer Ausnahmen und Fälle, wo nach einigen Jahren Resistenzen auftreten. Die Nebenwirkungsliste ist erst einmal beängstigend, man muss aber bedenken, dass die Hersteller zum einen wirklich alles auflisten, was auch nur im Ansatz möglicherweise mit dem Medikament zusammenhängt. Zum anderen waren die bisherigen "Tester" massiv vorbehandelte CLL-Patienten.
Zurück zu mir: Ich habe 3 Risikofaktoren: 1. Mann, 2. Serum-Thyridinkinase über 2,0 Grenzwert (und zwar um 0,1) und dasselbe bei 3. Beta-2-Mikroglobulin. MIch wäre damit in den Behandlungsarm gefallen. Sowohl die Studienleitung, als auch mein Onkologe rieten mir davon ab, weil ich laut Testkriterien so knapp mittleres Risiko geworden bin, dass das Risiko den Nutzen deutlich übersteigt. Da ich sowieso nur mitgemacht hätte, wenn ich im Niedrigrisikoarm gelandet wäre, was das dann für mich klar.
Darauf war meine Frage, was denn die Risiken neben den Nebenwirkungen seien. Dazu wurde mir folgendes gesagt: Zunächst einmal nimmt man ein Medikament, das sich noch in der Erprobungsphase befindet und dessen tatsächlicher dauerhafter Nutzen damit noch nicht abschätzbar ist. Man sollte bedenken, dass es auch CLL-Patienten gebe, die sehr lange ohne jede Einschränkung leben würden. Hier wäre eine Medikation fehl am Platz. Sollte sich erweisen, dass Ibrutinib ein wirksames Mittel ist, könne man es ja immer noch für sich selbst auzsprobieren. Wenn der Langzeitnutzen entfällt und es nur für einige Jahre die Beschwerden lindert, könnte man sich zudem einer Therapieoption berauben. Man weiß von Resistenzen bei betsimmten Patienten, die nach längerer Einnahmezeit eintreten würden. Heilend ist Ibrutinib sicher nicht, sondern führt "nur" dazu, dass die Krankheit möglicherweise unter Kontrolle gebracht werden kann. Das heißt, man nimmt das Medikament prinzipiell lebenslang. Die Langzeitwirkung und die Langzeitfolgen sind aber noch gänzlich unbekannt. Außerdem hast du auch keine Garantie auf das möglicherweise positiv anschlagende Ibrutinib. Ich als Nebenwirkungs-Angsthase würde mich damit selbst ganz verrückt machen, ohne überhaupt zu wissen, dass ich das Medikament wirklich bekomme.
Wie du siehst, bin ich bin nur mittelrächtig altruistisch veranlagt und achte ein wenig mehr auf mein eigenes Wohl. Natürlich hilft man mit der Teilnahme an einer Studie immer anderen Patienten, die möglicherweise auf Ibrutinib angewiesen sein könnten und für die es eine große Hoffnung sein könnte.
Mein Fazit: Sofern man nicht unter Beschwerden leidet, welche die Lebensqualität beeinträchtigen, und sofern keine Faktoren vorliegen, die für einen schnellen Progress sprechen, dann würde ich es nicht nehmen. Der Nutzen ist einfach im Vergleich zu den Risiken zu gering. Ich würde dir raten, deine bisherigen Testergebnisse mit deinem Onkologen oder der Studienschwester (sofern es da bei dir eine gibt) durchzugehen und diese mit Köln Kontakt aufnehmen zu lassen. Dann sollen die dir eine grobe Einschätzung abgeben, in welchem Arm du vermutlich landen würdest. Ob du dann langfristig mitmachst, kannst du dann immer noch entscheiden. Ohne diese Risikoabschätzung würde ich erst einmal wie bisher warten.
Laufende Gesundheitschecks alle 3 Monate oder jedes halbe Jahr bekommst du auch beim Onkologen. So besonders sind die insgesamt auch nicht (großes Blutbild, Ultraschall). Zusätzliche Tests, ob die genetischen Werte konstant bleiben, braucht man nicht zwingend. Mich würden die eher ganz kirre machen. Die kompetenten Fachärzte sind nur bei Komplikationen wichtig und die hattest du bislang ja nicht bzw. bekommst sie vielleicht erst mit dem Medikament.
Du müsstest dich bis über 2020 hinaus jeden Tag damit auseinandersetzen. Das Tablettennehmen wird aber sicher bald zur Gewohnheit. Am Anfang denkt man ja auch jeden Tag an die CLL und vergisst das dann immer mehr, wenn man das Glück hat, nicht zu den Patienten zu gehören, bei denen die CLL recht schnell verläuft. Dann wird die Tablette eben nach einigen monaten zur Gewohnheit wie das Pinkeln in der Früh nach dem Aufstehen

Verzeih mir den Vergleich.
Ich hoffe, dir helfen die paar Worte, etwas abzuwägen.
Nebelzauberer