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von jan » 06.08.2008, 23:39
Hallo Thomas,
bzgl Deiner Fragen 1) und 2) muss man zwischen pegyliertem Interferon-Alpha (Peg-IFN, Handelsname Pegasys = Wirkstoff PEG-IFN-alpha2a, Handelsname Pegintron = Wirkstoff PEG-IFN-alpha2b) und normalem Interferon-Alpha (Handelsname Roferon = Wirkstoff IFN-alpha2a) unterscheiden.
Alle Arten von Interferon-alpha werden subkutan (unter die Haut) gespritzt. Das für CML zugelassene, "normale" Interferon-alpha gibt es als Pen, so dass die Injektion ähnlich wie bei Diabetes sehr bequem vorgenommen werden kann. Pegasys und Pegintron sind für CML bisher nicht zugelassen (nur für Hepatitis) und sind meines Wissens nur in Form von Einwegspritzen verfügbar. Ich selbst habe die subkutane Injektion immer im "Bauchspeck" vorgenommen.
Zu 3) - leider sind die Vergleichsstudien bezüglich der Wirksamkeit von Peg-IFN und normalem IFN bei CML schon etwas betagt, da IFN-Hersteller Roche leider mit den Ergebnissen der IRIS-Studie sämtliche Ambitionen für IFN bei CML fallen ließ und man das Datensammeln für CML leider aufgegeben hat. Bei einer Phase-III-Studie vor dem Jahr 2003 wurden 344 neu diagnostizierte Patienten auf die beiden Therapiearme (Peg-IFN/Pegintron sowie IFN-alpha) verteilt. Wirksamkeit beider Arme waren vergleichbar (26% bei Peg-IFN, 23% bei IFN-alpha erreichten eine weitgehende zytogenetische Remission. Achtung: Prä-Glivec-Zeit bei neu diagnotizierten Patienten bei hoher Tumorlast - nicht vergleichbar mit der heutigen Diskussion des Einsatzes nach Glivec-induzierter Remission oder initial in Glivec-IFN-Kombination!). Nebenwirkungen beinhalteten bei 5 Mio (!) Einheiten IFN-alpha pro Tag: schwere Müdigkeit, Neurotoxizität, Leberfunktionsstörungen, Myelosuppression, Depressionen.
Es gab zusätzlich noch eine Studie, die 440 Patienten aufnehmen sollte, aber nach Publikation der Glivec-Daten in 2001 wurde die Studienaufnahme beim 144. Patienten gestoppt - bis zu dem Zeitpunkt hatte sich bereits eine bessere Verträglichkeit von PEG-IFN-alpha2a gegenüber normalem IFN-alpha gezeigt, aber zu brauchbaren Ergebnissen der Wirksamkeit kam man dann nicht mehr, da sich schon damals Glivec in ersten Studien um Längen wirksamer zeigte.
Peg-IFN hat gegenüber normalem IFN Vor- und Nachteile. Vorteile: Lebensqualität (1 Spritze alle 10 Tage statt Pen selbst an Wochenendreisen mitschleppen und Kühlschrank suchen), Berichte über geringere Nebenwirkungen durch weniger "Dosis-Spitzen", dauerhaftere Präsenz des Wirkstoffs im Serum. Nachteile: durch die längere Wirkung schwerer zu dosieren bzw. Absetzen/Runterdosieren bei Nebenwirkungen ist nur sehr zeitverzögert möglich; nicht zugelassen für CML (Kassenerstattung in Deutschland sehr fraglich), doppelt so teuer wie normales IFN, unkomfortablere Einwegspritzen.
Zu Frage 5): In Deutschland kann jeder behandelnde Arzt die Kombination anwenden, wenn er es medizinisch für gerechtfertigt hält, denn Glivec und (normales) IFN sind jeweils zugelassene Medikamente für die Behandlung der CML. Die Kasse kann sich gegen eine medizinische Begründung nicht sträuben. Zusätzlich kann die Begründung ja sein, dass historische Daten zeigen, dass die /wenigen) Patienten, die unter IFN-Monotherapie eine Vollremission erreichten, ihre Medikation ganz absetzen und die Remission langfristig beibehalten durften, während dies bei Glivec-Monotherapie nachweislich nicht funktioniert. Wenn sich dies in den aktuell laufenden Untersuchungen bestätigen sollte, dürfte auch die Krankenkasse von einer Glivec-IFN-Induktions- und nachfolgender IFN-Erhaltungstherapie gegenüber Jahrzehnten Glivec einen deutlichen Vorteil ziehen.
Zur Frage 4) gibt es keine vernünftigen Daten für unsere heute diskutierte Niedrigdosis-Erhaltungstherapie. Man hat unter langjähriger IFN-Therapie z.B. neben den oben genannten Nebenwirkungen auch Veränderungen der Zellstruktur im Knochenmark festgestellt. Aber das alles ist heute wertlos, da man weder Interferon-Monotherapie in so hoher Dosis dauerhaft gibt, noch man weiss, ob diese Veränderungen vielleicht durch die (nach heutiger Perspektive im Glivec-Vergleich) längerfristig suboptimal behandelte CML ausgelöst wurden.
Hoffe, das hilft etwas.
Viele Grüße
Jan