Die CML und ihre Behandlungskosten oder \"Wer soll das (noch

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Pötzsch
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Beitrag von Pötzsch » 27.04.2008, 19:05

Hallo!
Auch ich finde das Geldproblem sehr schwierig...
Mein Mann steht vor der Transplantation, uns wurden die Kosten von ca. 120.000Euro genannt (allein die Fremdspendersuche ca. 3000Euro).
Ich war mal ein halbes Jahr in Ostafrika, hab dort gejobbt. Oh Mann - man könnte dort wirklich unzählig viele Leben mit dieser Summe retten. Der Altersdurchschnitt in Äthiopien zum Beispiel ist 17. Ein großer Prozentsatz der Kinder stirbt dort unter 5 Jahren.
Unsere abgefahrene Weltordnung bestimmt nun, dass mit einer großen Summe versucht wird, das Leben meines Mannes zu retten, während mit der gleichen Summe sehr viele Kinderleben in Afrika gerettet weden könnten (durch einfache Impfungen z.B.). Unsere Tochter ist eins und ich weiß als Mutter, was es bedeutet, ein Kind zu haben oder es zu verlieren. Solche Überlegungen machen große Bauchschmerzen. Ganz sachlich betrachtet, folgt aus unserer Weltordnung, dass das Leben eines Menschen in den Wohlstandsländern offenbar einfach viel mehr zählt, viel mehr dafür investiert wird.
Aus meiner Zeit in Afrika weiß ich, dass ein Leukämiekranker dort einfach immer schwächer werden und eben irgendwann sterben würde. Die Menschen wüssten nicht mal woran, und sie würden es als gottgegeben hinnehmen. Mit 30 wäre mein Mann nicht mal besonders jung im dortigen Verhältnis.

Solche Überlegungen sind für mich sehr schwierig. Aber an solchen Überlegungen bin ich schon mal halb verzweifelt, nämlich als ich - nach einem halben Jahr in afrikanischer ländlicher Region - nach Deutschland zurückkehrte und die Supermarktregale über mir hereinbrachen.
Hab mich dann noch für Afrika engagiert und z.B. durch einen Vortrag 500Euro Spendengelder gesammelt, worauf ich wahnsinnig stolz war. - Nun benötigen wir für unsere DKMS-Typisierungsaktion, bei der sich 665 Leute haben typisieren lassen (was jeweils 50Euro kostet) 33000 Euro Spendengelder - auch wieder ganz schön abgefahren, oder?!
Was soll ich sagen??? Unsere Welt ist nicht gerecht.
Als ich zurückkam, war mir auch ganz stark bewusst, in welch tollem Sozialstaat (mit den guten Krankenversicherungen) wir leben. Es hat mich echt angekotzt, wenn manche Leute über Deutschland gemotzt haben, hier ist doch trotzdem im Großen und Ganzen alles bestens geregelt.
So, auch ich hoffe, wie Thwinter, niemanden zu nahe getreten zu sein.
Das sind eben meine individuellen - und vielleicht auch extremen - Erfahrungen in meinem Leben in Zusammenhang gebracht.
Lernen musste ich jedenfalls eins: Ich allein kann die Weltordnung nicht ändern.
Ebenso kann ich an der Krankheit meines Mannes nichts ändern... Deshalb versuche ich es nach der afrikanischen Mentalität: als gegeben annehmen (- auch die Kostenfrage).
[addsig]

thwinter12
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Beitrag von thwinter12 » 27.04.2008, 17:07

Hallo Bobl + Jan,

danke für einen emotionalen und einen gut recherchierten (:-) Beitrag.


(1) Beim Suchen auf der Homepage <!-- BBCode auto-link start --><a href="/https://www.docmorris.de" target="_blank">https://www.docmorris.de</a><!-- BBCode auto-link end --> ist mir aufgefallen, dass z.B. bei Glivec bereits 5 (!) Hersteller angegeben werden. Wir darf man das verstehen? Grundsätzlich gibt es da ja nur Novartis. Werden hier z.B. nur Tochterfirmen in gewissen EU-Ländern genannt, oder was hat es damit auf sich? Ist Glivec auch Glivec – egal von welchem Hersteller genommen?

Weiters möchte ich folgende Preise gemäß Doc Morris ergänzen:

1 Packung Sprycel/Dasatinib 70 mg (60 Stk) -> ca. EUR 5.100,-
1 Packung Tasigna/Nilotinib 200mg (4 x 28 Stk.) -> ca. EUR 5.100,-


(2) Um auf den Beitrag von Ira zurückzukommen: Unter Glivec-Therapie ist man meist voll arbeitsfähig! Wenn ich mir das (sorry – leider!) wieder in absoluten Zahlen bei meinem Gehaltszettel ansehe, fällt mein Beitrag zu den Medikamentenkosten langfristig relativ gering aus – Welche Aspekte habe ich in diesem Zusammenhang nicht bedacht?


(3) Medikament vs. SZT: Wenn ich die entstehenden Kosten einer SZT aus den vergangenen Beiträgen zusammenfasse (EUR 90.000,- bis (großzügig aufgerundet) EUR 300.000,-) und nur die Kostenkomponente betrachte (Bitte steinigt mich jetzt nicht!) dann… Lassen wir das Thema!


(4) Aus den bis dato eingelangten Beiträgen sticht für mich eine Gruppe besonders hervor: „Ich habe jahrzehntelang in die Krankenkasse eingezahlt (werde auch weiterhin einzahlen!) und habe jetzt Anspruch auf meine Krankenkassenleistung.“ Bin vollkommen Eurer Meinung – ein Lob auf dieses System auch bei all seinen Fehlern und Kritikpunkten, ABER eine solche Leistung ist sicher nicht selbstverständlich:
Jan, wie ging das mit dieser bulgarischen Patientin aus. Konnte Ihr geholfen werden? Hat sie die Kosten aufgebraucht? Ich hoffe schon, alles andere wäre eine menschliche Tragödie. Ist es OK für Dich mehr über sie zu schreiben bzw. auch andere Geschichten die Du kennst? Ich glaube, dass solche "Einzelschicksale" sicher/leider eine Bereicherung dieser Thematik wären.


Abschließend: Ich denke, dass „unsere“ Krebshemmer auch in Relation zu den Millionen (oder sicher Milliarden) verschriebenen Medikamenten gegen Diabetes- oder Hypertonie gesetzt werden müssen. Die Kostenbelastung der Allgemeinheit bei solchen Erkrankungen ist enorm höher und gerade/unter anderem solche Verschreibungen sind es, die die Krankenkassen „konkursreif“ prügeln und ein Riesenloch in die Budgets reißen. Auch wenn sich z.B. die Preise für Betablocker im Bereich von ein paar Euro bewegen. Die Masse macht’s aus! Gerade bei solchen „Volkskrankheiten“ wäre Prävention sehr wichtig. Aber das sollte nicht Thema dieser Diskussion werden, denn in Sachen CML gibt es leider (noch!?) keine präventiven Möglichkeiten...

Servas,
Thomas

unknown

Beitrag von unknown » 27.04.2008, 14:14

Hallo,
schlechtes Gewissen wegen der Kosten? Garantiert nicht! Ich bin ein Beitragszahler wie jeder andere und nehme meinen Teil aus der Solidargemeinschaft, so wie ich mit meinem Teil andere finanziere und das nicht infrage stelle. Die CML habe ich unverschuldet!

Unsere Beiträge zur Krankenversicherung setzen sich aus Leistungen am Patienten und einem bürokratischen Teil zusammen. Ihr dürft raten, welches der größere Teil ist. Solange für überbordene Verwaltung bezahlt wird, Prachtbauten hingesetzt werden, hunderte von Krankenkassen ohne wirklichen Wettbewerb Milliarden versenken, habe ich nicht mal einen Anflug von Skepsis, wenn ich meinen Lebenretter "konsumiere".

Gruß Bobl

jan
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Beitrag von jan » 27.04.2008, 13:57

Hallo zusammen,

nur noch als Ergänzung - ganz so simpel ist das mit den GOÄ-Werten nicht, da ja ggf mehrere Kostenziffern für eine Untersuchung anfallen und da ganz ordentliche Summen zusammenkommen. z.T. werden mehrere Chromosomenanalysen in einem mal gemacht (mehrfach 113,66), dazu die Befundberichte (18 EUR pro gemachter Untersuchung), für ein großes Blutbild samt Leberwerte kommen auch schnell mal 70-80 EUR zusammen, und meine letzte PCR hat knapp 400 EUR gekostet (sechs verschiedene GOÄ-Ziffern von Probenaufbereitung über PCR bis zum Bericht). Eine Mutationsanalyse kosten m.W. ein Vielfaches davon.

Gemessen an den Medikamentenkosten ist es natürlich trotzdem geringer, aber ich schätze, die Kosten für CML-Diagnostik sich auch pro Patient auf mehrere tausend Euro pro Jahr summieren.

Viele Grüße
Jan


jan
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Beitrag von jan » 27.04.2008, 12:56

Hallo Thomas,

das ist in der Tat ein sehr komplexes Gebiet. Das Bepreisen von Medikamenten ist eines der schwierigsten Themen in der Gesundheitsbranche, da sie letztendlich bedeutet, sehr rational über Marktpotentiale, Maximale Kosten und Qualität eines Lebensjahres ("QALY"), Entwicklungskosten, Forschungsanreize und Budgetbeschränkungen, Politik und Ethik zu sprechen. Wenn es um Leben und Tod geht, sind solche rationalen Diskussionen sehr, sehr schwierig.

Die Kosten für Glivec, Tasigna, Sprycel und Interferon kann man in Internet-Apotheken wie z.B. DocMorris nachschlagen. Es gibt zwar Preisunterschiede zwischen den EU-Ländern, die mit lokalen Preisfindungsregeln, Verhandlungen und Regulierungen zusammenhängen, aber grundsätzlich gibt es ungefähren Aufschluß, wieviel Euro jede Tablette oder Spritze etwa kostet. Die Preise für Glivec wurden hier ja schon erwähnt, für Interferon habe ich neulich monatlich €710 (Pegasys/PegIFN) vs. €480 EUR (Roferon) ausgerechnet. Natürlich alles abhängig von der Dosis.

Entwicklungskosten pro zugelassenem Medikament sind ungefähr 800 Millionen EUR. Wenn man dies nun in Perspektive zu den rund 3 Milliarden EUR setzt, die Novartis im Moment pro Jahr mit Glivec umsetzt, mag der Preis sehr hoch erscheinen. Dazu muss man aber auch verstehen, dass der Preis zum Zeitpunkt der Zulassung (2001) zwischen Novartis und den Kostenträgern vereinbart wurde. Damals konnte niemand ahnen, dass das Medikament dauerhaft gut funktioniert und die Rückfälle sehr selten sind. Wären damalige Annahmen wahr geworden, wäre die durchschnittliche Therapiedauer - wie bei Interferon - bei ein paar Jahren gewesen - schlicht und einfach, weil die Patienten versterben oder eine andere Medikation brauchen. Novartis hat ja damals nur mit sehr viel Überredung von klinischer Seite das Medikament überhaupt zur Marktreife gebracht, weil man damals annahm, das würde sich bei einer seltenen Erkrankung wie CML nie rechnen. Das kann man nun glauben oder nicht, aber es ist Leuten wie Dr. Brian Druker an der OHSU zu verdanken, dass Glivec überhaupt zur Zulassung kam. Er hat Mitte der 90er die Glivec-Entwicklung und die ersten Studien getrieben. Und ob sich Sprycel oder Nilotinib jemals rechnen werden, steht noch in den Sternen - denn zum Glück sind die Resistenzraten zu gering.

Heute diskutieren CML-Ärzte wie z.B. Dr Moshe Talpaz öffentlich darüber, dass im Jahr 2030 voraussichtlich etwa 250.000 CML-Patienten in den USA leben. Eine lebenslange Glivec-Dauertherapie für diese Gruppe wäre nicht zu bezahlen, daher würde die Forschung massiv an Therapien zur Heilung arbeiten - der ökonomische und wissenschaftliche Anreiz ist extrem.

Bin jetzt etwas vom Thema Preise abgekommen. Zurück zu Deinen Fragen - ich habe bzgl CML-Transplantation von Kosten von ca. 90.000 EUR z.B. am Hammersmith Hospital oder der Uniklinik Dresden gehört, weil wir uns für eine bulgarische Patientin erkundigt haben, die diese aus eigener Tasche zahlen müßte, weil das bulgarische Gesundheitssystem maximal 5.000 EUR übernimmt. Man muss aber ganz vorsichtig sein, das eine (z.B. Glivec) mit dem anderen (z.B. SZT) zu vergleichen - mit der "Kosteneffizienz" beschäftigen sich ganze Institute wie NICE oder iQWiG mit Heerscharen von Ökonomen und Gesundheitsexperten. Wer Lust hat, kann sich ja mal mit Kuriositäten wie <!-- BBCode Start --><A HREF="http://de.wikipedia.org/wiki/QALY" TARGET="_blank">Qualitätskorrigiertes Lebensjahr / Quality Adjusted Life Year</A><!-- BBCode End --> auseinandersetzen - ich versuche es immer wieder, aber mir fehlt die Lust...

Fakt ist für mich: Eine solidarische Gesundheitsversicherung besteht darin, dass Viele einzahlen und denen Wenigen geholfen wird, die ernsthaft krank werden. Wir hier hatten das Pech, unverschuldet Krebs zu bekommen, und benötigen diese Hilfe vom Staat. Es gibt Medikamente, die uns nachweislich vor dem sicheren Tod nach 2 Jahren bewahren, und die Europäische Zulassungsbehörde EMEA sowie die deutschen/österreichischen Gesundheitsträger haben aufgrund von medizinischen und ökonomischen Fakten entschieden, das Medikament für CML zuzulassen und zu erstatten. Danach ist es ALLEINE Sache des Arzts, für den Patienten aus den zugelassenen Therapien die erfolgsversprechendste auszuwählen. Keine Kasse kann verlangen, aufgrund von Kostenunterschieden den Patienten therapeutischer schlechter zu stellen. Das ist Gesetz. Streit gibt es nur beim Einsatz außerhalb der Indikation ("off-label"), aber einmal zugelassen und erstattungsfähig, immer zugelassen und erstattungsfähig.

In Westeuropa leben wir diesbezüglich sehr gut - in Polen beispielsweise erhalten manche CML-Patienten das Medikament nur gegen Bestechung. In Bulgarien bekommen von 150 Patienten nur etwa 30 das Medikament. In Lettland bekommen 10 von etwa 150 Patienten Glivec. Die anderen... ich kenne Geschichten von Patienten, die erst ihre Familie finanziell ruinieren, um zu überleben, und dann, wenn das Geld aus ist, versterben. Auf internationaler Ebene versuchen wir, dagegen als "vereinigte CML-Gruppen" Druck zu machen. Gelingt manchmal, aber noch zu selten.

Insofern geht es uns hier sehr gut. Und wenn es nach meiner persönlichen Meinung geht: Wenn ich an die Widerstände zum Thema Praxisgebühr denke, an Einschränkungen der Kostenübernahme von Erkältungsmitteln, Akupunktur, Taxifahrten zum Arzt oder Sparmaßnahmen bei der Kur - im Einzelfall mag das bedauerlich sein, aber der Fokus vom Gesundheitssystem muss darauf liegen, in einer alternden Gesellschaft Überleben zu sichern, nicht das Wohlergehen, und Krebs (im Allgemeinen) ist eines der Hauptursachen von Tod und Leiden in Europa. Auch an den Kosten für neue Krebsmedikamente muss man drehen, und die politische Diskussion wird zu Recht (durch "Wirtschaftlichkeitsinstitute" wie IQWiG, die die Axt an die Erstattung neuer Therapien legen) immer lauter.

Als einzelner Patient würde ich mir da aber keine Gedanken machen - das hilft nichts. Für uns müssen wir das Beste fordern, solange wir vernünftig und gut begründet vorgehen. Bei einer SZT versterben zwischen 10% und 40% der CML-Patienten im ersten Jahr - welcher Arzt oder Krankenkassenmanager wird einem mit soliden Daten begründet die CML-Therapie mit den Medikamenten verweigern können? Würde ein Politiker das fordern, würde das die Medien sicher sehr interessieren.

Ich hoffe, ich stoße jetzt nicht eine emotionale Debatte an - ich wollte nur klar machen, das ist ein sehr komplexes Gebiet, für das es keine einfachen Antworten gibt.

Viele Grüße
Jan


thwinter12
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Beitrag von thwinter12 » 27.04.2008, 00:26

Hallo Pascal + Ira + Marc,

leider ist es in Österreich derzeit so, dass Meldungen über „konkursreife“ Krankenkassen und Einsparungen bei Medikamentenkosten durch den Äther geistern. Das verunsichert natürlich etwas, wobei aber auch klar ist, dass vieles (unnötigerweise) hochgepuscht wird und man sich als CML-Patient um seine Therapie sicherlich keine Sorgen machen muss.

Ich habe auch einiges zu diesem Thema bereits mit meinen Ärzten besprochen und ihnen unter anderem meine Erlebnisse bei der Krankenkasse geschildert. Zunächst waren sie alle perplex, wie mir die Chefärztin der Krankenkasse solche Fragen stellen konnte (damit sind die Fragen aus meinem 1. Posting gemeint!). Weiters wollte ich mit ihnen folgendes abklären:

-) Sind die Kosten meines Medikamentenverbrauchs für die Zukunft gesichert?
-) Kann mich die Krankenkasse zu einer Transplantation „zwingen“ (da ja bekannt ist, dass einer meiner Brüder passen würde)?
(Vielleicht kommen manchen von Euch diese Fragen etwas komisch vor, aber mich haben sie zum damaligen Zeitpunkt schwer beschäftigt!)

Es kamen da überraschenderweise die unterschiedlichsten Antworten. Ein Arzt sagte: solange mir das Medikament verschrieben würde, gäbe es keine Bedenken, dass die Krankenkasse es zahlt. Es sei nur wichtig, was die behandelnden Ärzte vorschreiben. Auch in punkto Transplantation. Also kein Zwang möglich! Eine Anderer sagte mir wiederum, dass die Zukunft offen sei und wir im Moment froh sein könnten, dass alles so anstandslos gezahlt wird.

Anstandslos? Wohl nicht, was mir ein weiteres Erlebnis zeigte: Vor ca. 3 Wochen musste meine Glivec-Dosis um 200mg/tgl. gesteigert werden. Ein erstes Rezept für Glivec 100mg (Inhalt: 180 Stk.) wurde ausgestellt. Der Arzt verschrieb mir zwei Packungen - doch eine wurde von der Krankenkasse abgelehnt, mit der Begründung, dass ich sowieso mit einem Packungsinhalt drei Monate auskäme. Irgendwie für mich auch verständlich, aber wieso schreibt mir mein Arzt dann zwei Packungen für sechs Monate vor!? Provozieren da nicht die Ärzte auch etwas die Krankenkasse?

Ergänzend an alle Leser gerichtet möchte ich aber noch auf andere Fragen/Anregungen aus meinem 1. Posting hinweisen und hoffe das diese Diskussion nicht „Schlagseite“ bekommt. Die Verpflichtung der Krankenkasse für ihre Versicherten eine entsprechende Leistung (für die einen mehr, für die anderen weniger) zu erbringen, zweifelt hier niemand an, aber das ganze Kostenthema ist sicher komplexer und hat eine weiträumigere Betrachtungsweise nötig.

Servas,
Thomas

Marc
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Beitrag von Marc » 26.04.2008, 19:55

Hallo,

ich sehe es wie folgt:

Schon weit vor der Diagnose und noch immer regelmäßig in die Krankenversicherung eingezahlt, und der Zweck einer solchen Versicherung ist schließlich die Übernahme der Kosten im Versicherungsfall.


Gruss

Marc
[addsig]

ira
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Beitrag von ira » 26.04.2008, 12:26

Hallo zusammen!
Einen Aspekt habt ihr aber noch nicht bedacht!So teuer Glivec auch ist,das ist ne Therapie,während der man meist voll einsatzfähig ist.Das heißt,man ist nicht krank geschrieben und kann so weiter arbeiten wie zuvor.Sehr gut für die Wirtschaft.Und Transplantationen-wie lange ist man in der Reha?(das kostet übrigens ja auch noch einiges)Und unter Umständen bleibt man danach immer etwas schwächer und kann nicht mehr volle Leistungen bringen.Ich finde,man muss das auch in diesem Kontext sehen und darf nicht einfach über absolute Kosten reden!
Schönes Wochenende allen!
Gruß Ira

thwinter12
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Beitrag von thwinter12 » 26.04.2008, 09:51

Hallo Pascal,

danke für Deine Infos. Damit ist gezeigt, dass die laufenden Kontrollkosten sicherlich einen geringen Anteil an den gesamten Behandlungskosten einnehmen.

Servas,
Thomas

unknown

Beitrag von unknown » 26.04.2008, 00:19

Transplantation nach meiner Erinnerung um die 200 000 Teuros, Standardfall. Sonst Kosten nach oben offen - oder die, die jeder von uns einmal den Angehörigen bereiten wird ...

90 x 400 mg Glivec 9666,67 Teuros. Die Österreicher sollten also offenbar besser im Ausland einkaufen ...

Die restlichen (deutschen) Preise handlich hier:http://www.e-bis.de/goae/defaultFrame.htm :
Untersuchung Ganzkörperstatus 15,15
Erörterung Krebserkrankung 17,49
Arztbrief 7,58
Nieren- und Leberwerte, je Wert 4,08
elektron. Differentialblutbild 1,17
mikroskop. Blutbild 10,50
Punktion 11,66
Chromosomenanalyse 113,66
PCR 29,14 (mindestens da sind mir freilich massiv höhere Kosten in Erinnerung).
Jeweils der billigste Satz, bei Privatpatienten multipliziert.
Fazit: Der dickste Batzen scheint nicht beim Arzt und Labor zu landen.

In Polen gab es wohl bis vor einiger Zeit Glivec nur unter 50 Jahren ...

Mir sind die Kosten nicht egal, aber wo vom Patienten nichts zu ändern ist, ist nichts zu ändern. Umbringen tue ich mich für die Gesellschaft freilich nicht.
Der Druck der Kassen sorgt schon dafür, daß eher zu wenig als zu viel gemacht wird.
Bleibt dem Patienten lediglich, am größten Posten mitzuwirken, d.h. insbesondere darauf zu achten, daß die verschriebenen Packungsgrößen dem echten Bedarf möglichst nahekommen (so bei Nebenwirkungstherapie) und auch ansonsten möglichst keine Medikamente durch Nicht-Einnahme oder schlechte Vorratshaltung vergammeln, verloren werden etc.

Für Materialisten ist der Wert eines Menschen lächerlich (96% Wasser),
für Idealisten unbezahlbar.

Gottseidank müssen wir hierzulande uns Überlegungen wie diese noch nicht allzu nahe bringen, aus anderen Weltgegenden liest und hört man dazu genügend Schreckliches.

Pascal.









thwinter12
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Beitrag von thwinter12 » 25.04.2008, 22:13

Hallo an alle interessierten Leser,

vorab möchte ich mich jedoch bei denjenigen entschuldigen die dieses Thema ev. nicht angebracht bzw. pietätlos finden. Grundsätzlich bin ich auch der Ansicht, dass für die Rettung eines Menschenlebens keine Kosten und Mühen gescheut werden sollten. Nichtsdestotrotz wird die Darstellung der (für einen Normalverbraucher) extrem hohen Behandlungskosten auch zeigen, was z.B. für eine gute Sache unser Krankenkassensystem ist. Ohne dieses Kollektiv, ohne diesen Kostenträger könnte niemand von uns diese Beträge aufbringen und wir hätten dann wahrscheinlich nicht mehr lange zu leben! Außerdem denke ich, dass in jedem von uns doch eine gewisse Neugierde steckt die uns z.B. fragen lässt: Was kostet Glivec?

Das Thema dieses Threads spukt schon seit längerem in meinem Kopf herum. Eigentlich hat es bereits an dem Tag begonnen, als ich das Rezept für meine erste Packung Glivec in Händen hielt: Ich war Ende Jänner 2008 noch im Krankenhaus in Behandlung und musste mir die Zustimmung des Chefarztes der entsprechenden Krankenkasse besorgen. (Ich weiß nicht wie es in Deutschland ist (wahrscheinlich genauso), aber in Österreich muss ein so teures Medikament wie Glivec jedesmal nach Verschreibung durch den behandelnden Arzt von einem Krankenkassen-Chefarzt extra genehmigt werden - das heißt also einmal im Monat!) Im Vorfeld wurde mir bereits informativ erläutert um welche Medikamentenkosten es hier ging (mehr dazu siehe unten). Ich wartete nun also im Erdgeschoss des Krankenhauses auf die Einwilligung. Doch so einfach schien es nicht zu werden. Ich wurde zum Chefarzt gebeten und musste mir folgende Fragen anhören (man beachte: noch bekleidet mit dem Patientenkittel und erst vor wenigen Tagen die Diagnose CML erfahren):

-) Warum sei bei mir keine Transplantation möglich?
-) Ob es nicht jemanden passenden aus der Familie gäbe?

Was sollte ich mir da denken? Eigentlich hat der Kostenträger doch das „Recht“ solche Fragen zu stellen, oder? Aber ich war zu diesem Zeitpunkt (verständlicherweise) psychisch angeschlagen und dachte mir: Will die Krankenkasse das nicht zahlen? Ist für die eine Transplantation billiger? Vielleicht habe ich die Aussagen des Chefarztes auch falsch aufgefasst, aber mit den Gedanken vielleicht an ganzes (kurzes?) Leben lang an Leukämie erkrankt zu sein und den Zahlen meiner nun monatlich auflaufenden Medikamentenkosten im Hinterkopf, konnte ich seine Fragen doch nur anklagend verstehen!? Bin ich für die Krankenkasse nur ein Kostenfaktor der möglichst minimiert gehört? Zum Glück geht das mit dem Rezept nun jeden Monat einfacher: mein Hausarzt besorgt die Genehmigung von der Krankenkasse übers Internet – das klappt bis jetzt problemlos (und ich muss mir keine blöden Fragen mehr anhören!). Doch dieses Ereignis hat gereicht um mich für dieses Thema zu sensibilisieren.

Aber nun endlich zu den Kostensätzen die mir (für Österreich) bekannt sind:

1 Packung Litalir -> ca. EUR 300,- (beginnen wir moderat)
1 Packung Glivec/Imatinib 400mg zu 30 Stk. -> EUR 4.000,20 (man beachte die 0,20 :-)
1 Packung Glivec/Imatinib 100mg zu 180 Stk. -> ca. EUR 5.900,- (wenn man nachrechnet also ein Preisvorteil gegenüber der 400mg – Packung von EUR 100,- :-)
1 Packung Sprycel/Dasatinib -> ca. EUR 7.500,- (leider weiß ich hier keine Packungsgröße)
1 HLA-Typisierung -> ca. EUR 1.500,-
(Als Quellen kann ich in allen Fällen meine behandelnden Ärzte bzw. direkt den Apotheker angeben.)

Somit würden für meine Person bei einem täglichen Verbrauch von dzt. 600mg Glivec ca. EUR 72.000,-(!) an jährlichen Medikamentenkosten anfallen. Weiters ließen 4 Familienmitglieder eine HLA-Typisierung durchführen: macht in Summe wieder EUR 6.000,-. Einem „kleinen“ Angestellten wie mir kommen diese Beträge natürlich extrem hoch vor, auch wenn sie sicherlich im Gesamtkontext betrachtet leichter vertretbar sind.

Die Kosten des Krankenhausaufenthaltes und der regelmäßigen Kontrollen mit Blutbild, PCR, Zytogenetik etc. weiß ich nicht. In Österreich erhält man aber einmal im Jahr Post von der Krankenkasse: eine Aufstellung aller Leistungen des letzten Jahres. Wie das wohl für dieses Jahr bei mir aussehen wird?

Abschließend noch einige Fragen die hoffentlich für zusätzlichen „Zündstoff“ bei dieser Diskussion sorgen werden:

-) Sind Euch weitere Medikamentenkosten bekannt, z.B. von Tasigna, Interferon etc.?
-) Gibt es Angaben wie hoch die Forschungs-/Entwicklungskosten für Glivec geschätzt werden?
-) Kennt jemand die Durchschnittskosten für eine SZT/KMT? Wenn überhaupt bestimmbar.
-) SZT/KMT vs. Medikament – Was kommt billiger?
-) Sind euch die Kosten egal? Hauptsache sie werden gezahlt.
-) Sind jemandem Fälle bekannt in denen die Krankenkasse die Zahlung von bestimmten Behandlungen/Medikamenten abgelehnt hat?

Folgende Absätze habe ich erst vor kurzem auf der Homepage einer Pharmafirma gelesen (Titel des Artikels: „Die neue Generation von Krebsmedikamenten“):
.
„Die neuen Medikamente haben jedoch ihren Preis: Aufgrund der hohen Forschungs- und Entwicklungskosten sind sie oft sehr teuer. Insbesondere in Ländern, in denen es keine obligatorische Krankenversicherung gibt, können nicht-versicherte Patienten sich eine solche Behandlung meist nicht mehr leisten. Gerade bei lebensbedrohlichen Krankheiten ist der rasche Zugang zu neuen Medikamenten aber wichtig. Verschiedene Pharmafirmen versuchen hier mit entsprechenden Programmen Abhilfe zu schaffen und geben die Medikamente verbilligt ab.

Trotzdem stellen manche Onkologen, Patientenorganisationen und Gesundheitsökonomen die Frage, ob die zusätzlichen Kosten für verschiedene neuartige Medikamente noch gerechtfertigt sind, vor allem wenn ein Präparat keine Heilung, sondern nur einen Aufschub bringt.“
.
Harte Worte! Was meint Ihr dazu?


Zum einen ist es sicherlich Neugierde an der Sache und zum anderen etwas Galgenhumor betreffend meiner Erkrankung, die mich dazu treiben dieses Thema aufzuwerfen. Ich hoffe, ich trete damit niemandem zu nahe und er/sie fühlt sich dadurch gekränkt… Auf Antworten bin ich trotzdem gespannt!

Servas,
Thomas
[addsig]

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