Hallo Tonibuff,
keine einfache Frage... Aus Sicht eines Patienten kann ich die Denkweise Deines Freundes zumindest insofern nachvollziehen, dass man sich als Krebspatient doch nach der Diagnose, die das gesamte Leben, die Lebensplanung in Frage stellt und einem die Zukunftshoffnung nimmt, solche Gedanken macht. Man denkt gerade in einer Partnerschaft schon darüber nach, ob man mit dem vor sich stehenden Hürden und Schwierigkeiten wirklich anderen "zuzumuten ist", die aus eigener Perspektive ein vermeintlich viel längeres Leben vor sich haben. Zumindest ich habe mir in der wirklich schlimmen Phase nach meiner Diagnose diese Frage manchmal auch gestellt.
Diese Gedanken sind aber, im Nachhinein und mit bei mir mittlerweile langem Abstand zur Diagnose gesehen, irrational, zerstörerisch und depressiv. Und sie sind bei Leukämien auch nicht begründet, denn bei vielen Leukämien ist nach/während einer erfolgreichen Therapie ein langes Leben möglich, oftmals auch mit guter Lebensqualität. Und wer gibt einem die Garantie, nicht morgen auf der Straße überfahren zu werden?
Manche Gesunde rennen die ersten 40 Jahre ihres Lebens einem Mythos in der Arbeit oder dem Privatleben nach (nach dem Motto: "Da muß ich jetzt eben durch, auch wenn es keinen Spaß macht - danach kann ich es mir dann schön machen"), bis ein Herzinfarkt oder Unfall ein eigentlich nie gelebtes Leben zerstört. Andererseits habe ich viele Krebspatienten kennengelernt, die zwar unter die Last ihrer Krankheit oder Therapie tragen mußten, andererseits aber unglaublich positiv mit der Lebenszeit umgingen, die sie hatten. Viele von denen leben heute seit vielen Jahren "wie normal" und haben in den Jahren vermutlich intensiver und dankbarer gelebt als manch anderer.
Ob Dir das nun in Bezug auf Deinen Freund hilft... weiß nicht. Vielleicht will er Dich nicht belasten, vielleicht gibt es auch andere Gründe für seinen Freiheitsdrang. Etwas zu denken gibt mir aber die Aussage Deines Freundes, er habe noch ca. 4 Jahre. Dies ist für Leukämien eigentlich eine eher ungewöhnliche Aussage. Man müßte wissen, welche Leukämie er hat und welche Therapie er bekam (<!-- BBCode Start --><A HREF="
http://www.leukaemie-online.de/modules. ... d=2&menu=7" TARGET="_blank">siehe hier</A><!-- BBCode End -->). Akute Leukämien sind normalerweise kurzfristig sehr aggressiv und müssen hart behandelt werden -- dann wäre Dein Freund aber im Krankenhaus oder würde Chemotherapie bekommen - das würdest Du wissen. Besiegt man die akute Leukämie, bleiben oft chronische Nebenwirkungen der Vortherapie, aber leukämieseitig beginnt eine Wartephase -- aber hier gibt es eigentlich keine "noch X Jahre" Aussage, sondern eben Warten und Hoffen auf die fehlende Rückkehr. Bei den chronischen Leukämien gibt es z.B. die CML, die hoffentlich mit täglichen Pillen ins hohe Alter unter Kontrolle gehalten werden kann -- auch hier keine "noch X Jahre" Aussage. Bei der CLL gibt es entweder eine "Abwarten ohne Therapie"-Phase, oder eine aktuelle Handlungsnot mit einer Therapie, die aber oft nebenwirkungsreich ist und die Du mitbekommen würdest. Auch hier ist eine "noch X Jahre" Aussage eher ungewöhnlich.
Daher würde ich Dir empfehlen -- frag Deinen Freund mal, welche Leukämie er hat, und wie sie bisher therapiert wurde. Geh der Sache etwas auf den Grund, und lasse Dich nicht abschütteln. Leider gibt es auch immer wieder Fälle, dass Leute eine Leukämie aus verschiedensten Gründen behaupten, sie aber nicht haben -- man sieht die Erkrankung ja nicht direkt. Ich habe auch schon von HIV-Erkrankungen gehört, bei denen die Patienten Leukämie behaupteten, weil ein Krebs gesellschaftlich besser akzeptiert ist. Ich spekuliere nur ganz wild ins Blaue, weil wir uns nicht kennen - aber auch das könnte ein Grund für die körperliche Distanz sein.
Daher würde ich da mal nachhaken. Lass uns wissen, was Du rausfindest, wenn Du möchtest.
Grüße
Jan
[addsig]