von jan » 18.02.2011, 12:51
Hallo zusammen
sicherlich ist es nicht von der Hand zu weisen, dass bei der Entwicklung von Therapien klare kommerzielle Interessen von verschiedenen Parteien im Spiel sind. Dies ist auch gewollt, denn ohne die Aussicht auf Profit würde der größte Teil der Medikamentenforschung heute nicht passieren. Ohne kommerzielles Interesse gäbe es kein Imatinib, kein Interferon, kein Rituximab, usw, und ohne funktionierenden Wettbewerb und "Hunger auf ein großes Stück des existierenden Kuchens" auch kein Dasatinib.
Es ist ist leider nicht denkbar, dass der Steuerzahler sämtliche (in verschiedenen Unternehmen massiv parallelisierte) Forschung aus eigener Tasche finanziert. Wer sich mal näher damit beschäftigen möchte, kann ja mal den Forschungsetat der 10 größten globalen Pharma- und Biotechunternehmen summieren und dann die gesammelten Gesundheitsforschungsfördermittel (für Grundlagen- und Anwendungsforschung) der 10 größten Industriestaaten gegenrechnen. Mancher wird über die Diskrepanz überrascht sein. Höhere staatliche Forschungsausgaben zu fordern ist sicherlich legitim, muss aber auch nennen, welche andere Tasche diese dann bezahlt.
Abgesehen davon ist es nicht "die Industrie" oder "der Staat", die "die Therapie" entwickelt oder auch nicht, sondern die Entwicklung von Krebsmedikamenten ist hochkomplex und stark verwoben zwischen konkurrierenden Unternehmen, Akademischen Institutionen, durch Stiftungen betriebene Forschungseinrichtungen, der Politik und den Kassen/Steuerzahlern. Es ist zu zu vereinfacht, wenn man die Betrachtung auf einen Spieler oder einen Teilprozess der Entwicklung einzelner Medikamente reduziert. Keine neue Therapie, ob neue Produkte oder nur die Optimierung bestehender Therapien, setzt sich in der Praxis durch, ohne dass Unternehmen, Stiftungen und Institute in Grundlagenforschung, Tierversuche und viele viele Iterationen investiert haben, bevor führende Ärzte an hunderten von Universitätskliniken Studien mit hunderten bis tausenden Patienten durchgeführt haben, und ohne dass bis zur Zulassung hunderte von Millionen öffentlicher und privater Mittel geflossen sind. Es ist auch ein Mythos zu glauben, dass "der Staat" keine Interessen hätte bzw effizient und neutral im Sinne des Gemeinwohls forschen würde, so dass dasselbe Ergebnis, nur eben ohne Gewinnstreben, entstünde. Staatlich gelenkte Forschung verfolgt ebenfalls massive Interessen, und wie gemeinnützig und wohlwollend das passiert, wenn der Staat sich wirtschaftslenkend betätigt, und Lenkung und Kontrolle sich der politischen Willensbildung beugt, kann man bei den Landesbanken im Moment ganz gut beobachten.
Ich möchte aber nicht politisieren, und vor allem nicht über Gebühr vereinfachen.
Was ich Euch jedoch vermitteln möchte: Ich bin regelmäßig auf den großen Fachkongressen und folge den Präsentationen und Veröffentlichungen der führenden Forscher im Bereich der CML. Dazu folgende Erkenntnis: Es gibt verschiedenste Bestrebungen, eine Heilung der CML zu erreichen. Alleine auf ESH in Washington gab es Dutzende Präsentationen von Grundlagenforschern und Klinikern aus aller Welt, die auf verschiedenen Wegen an der Attacke auf die übrigen Stammzellen arbeiten. Auch hier ist das dominierende Element die Konkurrenz - um die beste Forschungsarbeit, die renommierteste Publikation, die Aussicht auf mehr Forschungsmittel und Personal, auf Partnerschaften mit der Industrie in der Weiterentwicklung - was auch immer. Manche der Forschung ist rein akademisch (staatlich finanziert), manche kommerziell getrieben, und beides in Konkurrenz führt vielleicht dazu, einen funktionierenden Weg zu finden. Sicher ist es so, dass wenn ein Unternehmen eine Möglichkeit sähe, ein Medikament zu entwickeln, das CML dauerhaft heilt, würde es dies mit größter kommerzieller Freude auf den Markt bringen, denn der fünfte nicht-heilende Tyrosinkinasehemmer verkauft sich nur schwierig, der heilende aber wäre ein Kracher, der den CML-Markt neu aufrollen könnte - und für den ein angesichts der "Opportunitätskosten" von Imatinib-Dauertherapie sicher auch ein attraktiver Preis verlangt werden könnte.
Was ich aber sagen möchte: Es gibt sehr umfangreiche Aktivitäten, die Heilung von CML mit Medikamenten zu erreichen. Auch die "Großen", die heute die drei zugelassenen CML-TKIs auf dem Markt haben, arbeiten daran, gerade vielleicht auch weil sie wissen, dass andere dies ebenfalls tun -- und sie sich am Ende lieber selbst kannibalisieren, statt dass es ein anderer tut. Es ist zu simpel zu glauben, es gäbe eine unheilige Allianz aller Pharmaunternehmen, einzelne Erkrankungen zu monopolisieren und dauerhaft unter chronischer Kontrolle zu halten. Dazu ist die Konkurrenz zwischen den forschenden Unternehmen und mit den Generikaherstellern zu intensiv. Es gibt immer hungrige Aussenseiter und zu leere "Pharma-Pipelines", die gefüllt werden müssen.
Viele Grüße
Jan
Hallo zusammen
sicherlich ist es nicht von der Hand zu weisen, dass bei der Entwicklung von Therapien klare kommerzielle Interessen von verschiedenen Parteien im Spiel sind. Dies ist auch gewollt, denn ohne die Aussicht auf Profit würde der größte Teil der Medikamentenforschung heute nicht passieren. Ohne kommerzielles Interesse gäbe es kein Imatinib, kein Interferon, kein Rituximab, usw, und ohne funktionierenden Wettbewerb und "Hunger auf ein großes Stück des existierenden Kuchens" auch kein Dasatinib.
Es ist ist leider nicht denkbar, dass der Steuerzahler sämtliche (in verschiedenen Unternehmen massiv parallelisierte) Forschung aus eigener Tasche finanziert. Wer sich mal näher damit beschäftigen möchte, kann ja mal den Forschungsetat der 10 größten globalen Pharma- und Biotechunternehmen summieren und dann die gesammelten Gesundheitsforschungsfördermittel (für Grundlagen- und Anwendungsforschung) der 10 größten Industriestaaten gegenrechnen. Mancher wird über die Diskrepanz überrascht sein. Höhere staatliche Forschungsausgaben zu fordern ist sicherlich legitim, muss aber auch nennen, welche andere Tasche diese dann bezahlt.
Abgesehen davon ist es nicht "die Industrie" oder "der Staat", die "die Therapie" entwickelt oder auch nicht, sondern die Entwicklung von Krebsmedikamenten ist hochkomplex und stark verwoben zwischen konkurrierenden Unternehmen, Akademischen Institutionen, durch Stiftungen betriebene Forschungseinrichtungen, der Politik und den Kassen/Steuerzahlern. Es ist zu zu vereinfacht, wenn man die Betrachtung auf einen Spieler oder einen Teilprozess der Entwicklung einzelner Medikamente reduziert. Keine neue Therapie, ob neue Produkte oder nur die Optimierung bestehender Therapien, setzt sich in der Praxis durch, ohne dass Unternehmen, Stiftungen und Institute in Grundlagenforschung, Tierversuche und viele viele Iterationen investiert haben, bevor führende Ärzte an hunderten von Universitätskliniken Studien mit hunderten bis tausenden Patienten durchgeführt haben, und ohne dass bis zur Zulassung hunderte von Millionen öffentlicher und privater Mittel geflossen sind. Es ist auch ein Mythos zu glauben, dass "der Staat" keine Interessen hätte bzw effizient und neutral im Sinne des Gemeinwohls forschen würde, so dass dasselbe Ergebnis, nur eben ohne Gewinnstreben, entstünde. Staatlich gelenkte Forschung verfolgt ebenfalls massive Interessen, und wie gemeinnützig und wohlwollend das passiert, wenn der Staat sich wirtschaftslenkend betätigt, und Lenkung und Kontrolle sich der politischen Willensbildung beugt, kann man bei den Landesbanken im Moment ganz gut beobachten.
Ich möchte aber nicht politisieren, und vor allem nicht über Gebühr vereinfachen.
Was ich Euch jedoch vermitteln möchte: Ich bin regelmäßig auf den großen Fachkongressen und folge den Präsentationen und Veröffentlichungen der führenden Forscher im Bereich der CML. Dazu folgende Erkenntnis: Es gibt verschiedenste Bestrebungen, eine Heilung der CML zu erreichen. Alleine auf ESH in Washington gab es Dutzende Präsentationen von Grundlagenforschern und Klinikern aus aller Welt, die auf verschiedenen Wegen an der Attacke auf die übrigen Stammzellen arbeiten. Auch hier ist das dominierende Element die Konkurrenz - um die beste Forschungsarbeit, die renommierteste Publikation, die Aussicht auf mehr Forschungsmittel und Personal, auf Partnerschaften mit der Industrie in der Weiterentwicklung - was auch immer. Manche der Forschung ist rein akademisch (staatlich finanziert), manche kommerziell getrieben, und beides in Konkurrenz führt vielleicht dazu, einen funktionierenden Weg zu finden. Sicher ist es so, dass wenn ein Unternehmen eine Möglichkeit sähe, ein Medikament zu entwickeln, das CML dauerhaft heilt, würde es dies mit größter kommerzieller Freude auf den Markt bringen, denn der fünfte nicht-heilende Tyrosinkinasehemmer verkauft sich nur schwierig, der heilende aber wäre ein Kracher, der den CML-Markt neu aufrollen könnte - und für den ein angesichts der "Opportunitätskosten" von Imatinib-Dauertherapie sicher auch ein attraktiver Preis verlangt werden könnte.
Was ich aber sagen möchte: Es gibt sehr umfangreiche Aktivitäten, die Heilung von CML mit Medikamenten zu erreichen. Auch die "Großen", die heute die drei zugelassenen CML-TKIs auf dem Markt haben, arbeiten daran, gerade vielleicht auch weil sie wissen, dass andere dies ebenfalls tun -- und sie sich am Ende lieber selbst kannibalisieren, statt dass es ein anderer tut. Es ist zu simpel zu glauben, es gäbe eine unheilige Allianz aller Pharmaunternehmen, einzelne Erkrankungen zu monopolisieren und dauerhaft unter chronischer Kontrolle zu halten. Dazu ist die Konkurrenz zwischen den forschenden Unternehmen und mit den Generikaherstellern zu intensiv. Es gibt immer hungrige Aussenseiter und zu leere "Pharma-Pipelines", die gefüllt werden müssen.
Viele Grüße
Jan