von unknown » 27.07.2004, 02:26
Hallo -
also Anja, so allgemein kann man es nicht sagen. Meine Reaktion war eine VÖLLIG andere, ich habe selbstverständlich mit den Leuten darüber gesprochen, war auch nicht sonderlich schockiert als der Arzt mir in aller Breite und Verästelungen die Diagnose und deren Konsequenzen darlegte, sondern redete mit ihm eine Stunde über alle Details bis hinab zur Sozialversicherung, ging dann nach Hause und durchforschte das Internet nach medizinischen Informationen - und fand nach all dem den sich daraus ergebenden Ausnahmezustand in einer unglaublichen Weise beruhigend. Seitdem kann ich diese Welt mit all ihrem Irrsinn noch weniger ernst nehmen als vorher.
Mit Arbeitskollegen oder Chef würde ich freilich noch heute nicht darüber reden - weil in unserer de facto intoleranten Leistungsgesellschaft derartige Krankheiten normalerweise das Ende jeglicher Karriere bedeuten.
Der entscheidende Punkt ist freilich: Ob man sich rechtzeitig, d.h. eingentlich so früh wie möglich im Leben, mit dem Tod auseinandergesetzt hat! Mit seiner Rolle im Leben und seinem zentralen Platz, den er daher in jeglicher Lebensplanung erhalten sollte. Mich hatte diese Frage damals schon Jahrzehnte umgetrieben, und so empfand ich dann eher eine große Ruhe und irritierte die Leute, daß ich trotz meines Zustandes so fröhlich war, ganz im Gegensatz zu Ärzten, Verwandten und Freunden.
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Genau DAS, die Auseinandersetzung mit Tod, Krankheit, Endlichkeit, scheint Dein Freund noch nie gesucht zu haben, so daß ihm jetzt eine Welt zusammenbricht, eine heute sehr verbreitete Scheinwelt halt. An einem Bettnachbarn habe ich damals dasselbe beobachten können - der war von der Diagnose als solcher mehr am Boden zerstört als von der Krankheit selbst.
Im Prinzip muß er, muß jeder, da nun auch selbst durch. Du solltest Dich nur bereit halten, wenn Du merkst, daß er darüber sprechen möchte oder sonst Hilfe sucht. Und wichtig ist, falls er nicht selber die richtige Richtung nimmt, ihm klarzumachen, daß Leukämie nicht das Weltende bedeutet - also ihn erstens ermuntern, sich möglichst optimistisch auf eine Therapie bei einem Spezialisten einzulassen, zweitens darüber hinaus auch allgemein gemeinsam etwas unternehmen etc. Das erfordert allerdings viel situationsgebundenes Fingerspitzengefühl. Auf jeden Fall solltest Du jede 'Trauersituation' vermeiden, d.h. auch, den Jungen nicht irgendwie verängstigen nach dem Motto "sei schön brav zu Papa, dem geht es jetzt sehr schlecht ...", so daß er dann vielleicht nur noch scheu und mit großen Augen Papa anglotzt und alles sich weiter hochschaukelt ... Wenn Dein Freund philosophisch oder religiös interessiert ist, kann man ihn natürlich auch unaufdringlich auf einschlägige Lektüre hinweisen (Platon, stoische Philosophen, Franz von Assisi, Kierkegaard, Camus, altchinesische Lyrik ...) ...
Viel Glück!
Pascal.
Hallo -
also Anja, so allgemein kann man es nicht sagen. Meine Reaktion war eine VÖLLIG andere, ich habe selbstverständlich mit den Leuten darüber gesprochen, war auch nicht sonderlich schockiert als der Arzt mir in aller Breite und Verästelungen die Diagnose und deren Konsequenzen darlegte, sondern redete mit ihm eine Stunde über alle Details bis hinab zur Sozialversicherung, ging dann nach Hause und durchforschte das Internet nach medizinischen Informationen - und fand nach all dem den sich daraus ergebenden Ausnahmezustand in einer unglaublichen Weise beruhigend. Seitdem kann ich diese Welt mit all ihrem Irrsinn noch weniger ernst nehmen als vorher.
Mit Arbeitskollegen oder Chef würde ich freilich noch heute nicht darüber reden - weil in unserer de facto intoleranten Leistungsgesellschaft derartige Krankheiten normalerweise das Ende jeglicher Karriere bedeuten.
Der entscheidende Punkt ist freilich: Ob man sich rechtzeitig, d.h. eingentlich so früh wie möglich im Leben, mit dem Tod auseinandergesetzt hat! Mit seiner Rolle im Leben und seinem zentralen Platz, den er daher in jeglicher Lebensplanung erhalten sollte. Mich hatte diese Frage damals schon Jahrzehnte umgetrieben, und so empfand ich dann eher eine große Ruhe und irritierte die Leute, daß ich trotz meines Zustandes so fröhlich war, ganz im Gegensatz zu Ärzten, Verwandten und Freunden.
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Genau DAS, die Auseinandersetzung mit Tod, Krankheit, Endlichkeit, scheint Dein Freund noch nie gesucht zu haben, so daß ihm jetzt eine Welt zusammenbricht, eine heute sehr verbreitete Scheinwelt halt. An einem Bettnachbarn habe ich damals dasselbe beobachten können - der war von der Diagnose als solcher mehr am Boden zerstört als von der Krankheit selbst.
Im Prinzip muß er, muß jeder, da nun auch selbst durch. Du solltest Dich nur bereit halten, wenn Du merkst, daß er darüber sprechen möchte oder sonst Hilfe sucht. Und wichtig ist, falls er nicht selber die richtige Richtung nimmt, ihm klarzumachen, daß Leukämie nicht das Weltende bedeutet - also ihn erstens ermuntern, sich möglichst optimistisch auf eine Therapie bei einem Spezialisten einzulassen, zweitens darüber hinaus auch allgemein gemeinsam etwas unternehmen etc. Das erfordert allerdings viel situationsgebundenes Fingerspitzengefühl. Auf jeden Fall solltest Du jede 'Trauersituation' vermeiden, d.h. auch, den Jungen nicht irgendwie verängstigen nach dem Motto "sei schön brav zu Papa, dem geht es jetzt sehr schlecht ...", so daß er dann vielleicht nur noch scheu und mit großen Augen Papa anglotzt und alles sich weiter hochschaukelt ... Wenn Dein Freund philosophisch oder religiös interessiert ist, kann man ihn natürlich auch unaufdringlich auf einschlägige Lektüre hinweisen (Platon, stoische Philosophen, Franz von Assisi, Kierkegaard, Camus, altchinesische Lyrik ...) ...
Viel Glück!
Pascal.