von jan » 24.02.2007, 15:43
Hallo Holger,
sicher ist es richtig, dass Langfristerwartungen bisher sehr spekulativ sind. Drei Beobachtungen sprechen aber dafür, dass man mit medikamentösen Therapien der CML wirklich alt werden könnte:
1. Die Progressionsraten unter Glivec steigen über die fünf Jahre, die man bisher beobachtet hat, bei Erstlinienpatienten nicht an, sondern fallen deutlich. Dies spricht dafür, dass über die Dauer der Therapie immer weniger Patienten ihr Ansprechen verlieren - oder anders ausgedrückt: die, die es erst in eine gute Remission und dann progressionsfrei ins Jahr drei geschafft haben, haben ein nur sehr geringes Risiko, dass sich daran noch was ändert. Bei anderen Therapien hat man ja gerade eine langsam ansteigende Progressions- und Resistenzkurve gesehen - glücklicherweise hier gerade nicht.
Hintergrund: Die Fünfjahres-Daten mit Glivec zeigen folgende Progressionsraten:
Jahr -- Alle Events -- Akz. Phase/Blastenkrise
1 -------- 3.4% -------- 1.5%
2 -------- 7.5% -------- 2.8%
3 -------- 4.8% -------- 1.6%
4 -------- 1.5% -------- 0.9%
5 -------- 0.9% -------- 0.6%
Insg. ------ 4% ----------- 2%
Dies kann man so lesen: von allen Patienten, die in chronischer Phase in Erstlinientherapie (d.h. erste Therapie, kein vorheriges Therapieversagen mit einem anderen Medikament) mit Imatinib behandelt wurden, trat im Mittel nach 5 Jahren bei 2% eine Progression in die akzelerierte Phase oder Blastenkrise auf, wobei das höchste Rückfallrisiko in Jahr 2 lag, danach das Risiko aber stark abfiel und in Jahr fünf im Rahmen anderer Lebensrisiken wie Tod durch Unfall lag. Die erste Spalte beinhaltet alle Rezidive, inkl. Verlust der zytogenetischen Remission in chronischer Phase, während die zweite Spalte nur das Auftreten von Akzeleration und Blastenkrise wiedergibt.
2. Die Studien mit Kombinationstherapien (Glivec mit Interferon, Glivec mit HHT, Glivec mit Vakzinen/CMLVAX, etc.) untersuchen momentan, ob es gelingt, das Risiko einer Resistenzbildung noch weiter zu drücken, indem eventuell resistent gewordene Zellen über ein anders oder weniger selektiv wirkendes, zweites Medikament von Anfang an erwischt werden. Erste Erkenntnisse sehen auch da sehr vielversprechend aus, so dass ich fest erwarte, dass in fünf Jahren die obige Tabelle bei Anwendung dieser Kombinationen nochmal deutlich geringere Werte / bessere Aussichten zeigen wird.
3. Nicht in den IRIS-Statistiken sind ja die neuen Inhibitoren wie Nilotinib/AMN107, Dasatinib/BMS-354825, INNO-406 oder SKI-606 eingerechnet. Wer also in chronischer Phase eine Glivec-Resistenz entwickelt, ist nicht verloren, sondern viele der Patienten erreichen mit diesen neuen Wirkstoffen wieder eine vollständige und dann dauerhafte Remission. Weitere vielversprechende Wirkstoffe sind in der Erprobung. Insofern rechne ich damit, dass auch denjenigen, denen eine Resistenz widerfährt, in Zukunft einige neue Therapien oder Kombinationen zur Verfügung stehen, die ihnen langfristig helfen.
Insofern - ich stimme Dir voll zu, dass wir Glivec weder als Bagatellmedikament ansehen sollten, noch die langfristigen Aussichten kennen. Nicht nur die Glivec-Fünfjahresdaten, sondern auch die Ergebnisse von anderen als der IRIS-Studie zeigen mir jedoch, dass man jede Prognose einer Lebenserwartung von wenigen Jahren in die notorische Skeptikerecke stellen könnte, denn es gibt weniger medizinische Evidenz für Pessimismus als für Optimismus.
Und ich stimme Dir auch in Deinem letzten Satz völlig zu: Dichte Therapiekontrolle ist wichtig. Dazu kommt, dass der behandelnde Arzt ein CML-Experte sein sollte, der alle obigen Optionen und Studien kennt und weiß, wann er was am besten anwendet und wie er im Falle von Schwierigkeiten rechtzeitig und mit den richtigen Mitteln interveniert. Das scheint die Aussicht auf ein Langzeitüberleben deutlich zu erhöhen.
Herzliche Grüße
Jan
Hallo Holger,
sicher ist es richtig, dass Langfristerwartungen bisher sehr spekulativ sind. Drei Beobachtungen sprechen aber dafür, dass man mit medikamentösen Therapien der CML wirklich alt werden könnte:
1. Die Progressionsraten unter Glivec steigen über die fünf Jahre, die man bisher beobachtet hat, bei Erstlinienpatienten nicht an, sondern fallen deutlich. Dies spricht dafür, dass über die Dauer der Therapie immer weniger Patienten ihr Ansprechen verlieren - oder anders ausgedrückt: die, die es erst in eine gute Remission und dann progressionsfrei ins Jahr drei geschafft haben, haben ein nur sehr geringes Risiko, dass sich daran noch was ändert. Bei anderen Therapien hat man ja gerade eine langsam ansteigende Progressions- und Resistenzkurve gesehen - glücklicherweise hier gerade nicht.
Hintergrund: Die Fünfjahres-Daten mit Glivec zeigen folgende Progressionsraten:
Jahr -- Alle Events -- Akz. Phase/Blastenkrise
1 -------- 3.4% -------- 1.5%
2 -------- 7.5% -------- 2.8%
3 -------- 4.8% -------- 1.6%
4 -------- 1.5% -------- 0.9%
5 -------- 0.9% -------- 0.6%
Insg. ------ 4% ----------- 2%
Dies kann man so lesen: von allen Patienten, die in chronischer Phase in Erstlinientherapie (d.h. erste Therapie, kein vorheriges Therapieversagen mit einem anderen Medikament) mit Imatinib behandelt wurden, trat im Mittel nach 5 Jahren bei 2% eine Progression in die akzelerierte Phase oder Blastenkrise auf, wobei das höchste Rückfallrisiko in Jahr 2 lag, danach das Risiko aber stark abfiel und in Jahr fünf im Rahmen anderer Lebensrisiken wie Tod durch Unfall lag. Die erste Spalte beinhaltet alle Rezidive, inkl. Verlust der zytogenetischen Remission in chronischer Phase, während die zweite Spalte nur das Auftreten von Akzeleration und Blastenkrise wiedergibt.
2. Die Studien mit Kombinationstherapien (Glivec mit Interferon, Glivec mit HHT, Glivec mit Vakzinen/CMLVAX, etc.) untersuchen momentan, ob es gelingt, das Risiko einer Resistenzbildung noch weiter zu drücken, indem eventuell resistent gewordene Zellen über ein anders oder weniger selektiv wirkendes, zweites Medikament von Anfang an erwischt werden. Erste Erkenntnisse sehen auch da sehr vielversprechend aus, so dass ich fest erwarte, dass in fünf Jahren die obige Tabelle bei Anwendung dieser Kombinationen nochmal deutlich geringere Werte / bessere Aussichten zeigen wird.
3. Nicht in den IRIS-Statistiken sind ja die neuen Inhibitoren wie Nilotinib/AMN107, Dasatinib/BMS-354825, INNO-406 oder SKI-606 eingerechnet. Wer also in chronischer Phase eine Glivec-Resistenz entwickelt, ist nicht verloren, sondern viele der Patienten erreichen mit diesen neuen Wirkstoffen wieder eine vollständige und dann dauerhafte Remission. Weitere vielversprechende Wirkstoffe sind in der Erprobung. Insofern rechne ich damit, dass auch denjenigen, denen eine Resistenz widerfährt, in Zukunft einige neue Therapien oder Kombinationen zur Verfügung stehen, die ihnen langfristig helfen.
Insofern - ich stimme Dir voll zu, dass wir Glivec weder als Bagatellmedikament ansehen sollten, noch die langfristigen Aussichten kennen. Nicht nur die Glivec-Fünfjahresdaten, sondern auch die Ergebnisse von anderen als der IRIS-Studie zeigen mir jedoch, dass man jede Prognose einer Lebenserwartung von wenigen Jahren in die notorische Skeptikerecke stellen könnte, denn es gibt weniger medizinische Evidenz für Pessimismus als für Optimismus.
Und ich stimme Dir auch in Deinem letzten Satz völlig zu: Dichte Therapiekontrolle ist wichtig. Dazu kommt, dass der behandelnde Arzt ein CML-Experte sein sollte, der alle obigen Optionen und Studien kennt und weiß, wann er was am besten anwendet und wie er im Falle von Schwierigkeiten rechtzeitig und mit den richtigen Mitteln interveniert. Das scheint die Aussicht auf ein Langzeitüberleben deutlich zu erhöhen.
Herzliche Grüße
Jan