von unknown » 15.06.2003, 15:23
Hallo Lisa!
Mein Vater hatte auch AML. Diagnostiziert wurde sie am 22.8.02. Man sagte uns, die Heilungschancen lägen bei 60-70%. Daran haben wir uns geklammert, haben gehofft, dass er es schaffen wird.
Der erste Chemozyklus war überstanden, die Leukos gefallen. Nur das hohe Fieber und der fürchterliche (und AML-typische) Nachtschweiß blieb. Nach zwei Tagen erfuhren wir, dass die Chemo nicht angeschlagen hat, die Leukos wieder in die Höhe schießen. Dass diese Chemo nicht anschlägt passiert ganz selten. Naja, sofort wurde mit einer Hochdosistherapie begonnen. Die Chancen waren nun natürlich geringer, aber solange noch Chancen da waren, haben wir uns alle daran geklammert und nicht aufgegeben.
Auf diese Hochdosistherapie reagierte mein Vater allerdings allergisch. Wieder sagte man uns, dass das so gut wie nie vorkäme. Die Ärzte hätten in ihrer ganzen Laufbahn noch nie solche Reaktionen auf diese Chemo gesehen: Sein Körper reagierte toxisch und er wäre beinahe verstorben. Die Ärzte mussten ihn in einkünstliches Koma versetzen und an die Beatmungsmaschine anschließen. Drei Wochen Intensivstationen. Dreimal wurden wir zu den Ärzten gerufen, die uns mitteilten, dass er die nächste Nacht nicht überleben wird. Und trotzdem: ich habe immer daran geglaubt, dass er es schaffen wird, dass er nochmal aufwacht und NICHT stirbt. Ich war so felsenfest davon überzeugt, dass ich meine Mama und meine Schwester auch beruhigen konnte. Ich hatte das Gefühl, ich könne meinem Papa Kraft geben, indem ICH ihn nicht aufgebe, fest an ihn denke und an ihn glaube.
Nach zwei Wochen wurde er aus dem Koma geholt und wachte nach einer Woche auf. Er war inzwischen total abgemagert, wurde ja nur noch mit Glukose ernährt. Den Tag als wir in sein Zimmer kamen und er uns sah werde ich nie vergessen... Das war sooooo schön! Vor allem, weil es am Abend vorher wieder hieß, sein Leber wäre so geschädigt, sie würde wahrscheinlich versagen.
Von da an ging es aufwärts. Es war unglaublich schwer, er war so kraftlos und verzweifelt, weil er nicht mehr laufen, sitzen oder alleine Essen konnte. Seine Muskeln waren so erschlafft, dass er alles neu trainieren musste. Aber die Leukämie war erstmal zurückgedrängt. Sogar aus dem Knochenmark!
Er ging auf Reha, kam nach Hause (wie schön das war nach über 2 Monaten!!) und er war glücklich. Das war im Dezember 2002.
Im Januar ging es ihm dann plötzlich wieder schlechter. Wir alle merkten es, aber keiner wollte es so richtig wahrhaben...
Der Rückfall kam und jetzt wussten wir: Es gibt keine Heilung. Die Ärzte können nur noch versuchen, die Leukämie unter Kontrolle zu halten.
Zu Hause bekam er einen weiteren Chemozyklus in Tablettenform. Doch nach zwei Wochen war die Leukämie wieder da. Noch ein Versuch. Wieder in Tablettenform in einer anderen Dosierung. Der Rückfall kam diesmal nach wenigen Tagen.
Jetzt konnte nur noch versucht werden, sein Leben zu verlängern. Er bekam wieder Chemotabletten, die er nun in einer Art Dauertherapie täglich einnehmen sollte. Die Tabletten wirkten. Die Leukos konnten in schach gehalten werden. Doch nun kamen immer häufiger Entzündungen, Infekte, Fieber,.... Es ging ihm nur selten gut. Immer schwächer geworden lag er den ganzen Tag nur auf dem Sofa. Aber trotzdem: Wir haben jeden Augenblick mit ihm genossen. Täglich und rund um die Uhr waren wir abwechselnd bei ihm. Haben gekuschelt, erzählt und die Zeit genossen. Wir alle wussten, dass wir uns langsam verabschieden mussten. Trotzdem haben wir die Hoffnung nie aufgegeben, dass er noch Monate oder vielleicht 1 Jahr leben wird. Zweimal die Woche fuhren wir in die Klinik, wo er Bluttransfusionen bekam, die ihn 1-2 Tage aufpeppelten. Und immer wieder haben wir versucht ihm Kraft zu geben, ihn unsere Verzweiflung nicht spüren lassen, ihm immer wieder gesagt, dass er schon sooo viel überstanden hat, dass er das jetzt auch noch schaffen wird. Und das hat ihm Kraft gegeben weiterzukämpfen....
Den Kampf verloren hat er am 9.6.03. Er ist friedlich eingeschlafen und wurde damit erlöst.
Es ist erst ein paar Tage her. Ich kann alles noch nicht richtig begreifen, denke, dass alles nur ein böser Traum ist. Mache mir Sorgen um meine Mutter, die jetzt alleine bleibt....
Trotzdem tröstet mich der Gedanke, dass er zu 90% der Zeit nur gelitten hat. Schmerzen, Infekte, Fieber,.. Immer wieder etwas Neues kam hinzu. Ihm, der so aktiv, fleißig, voll Lebensfreude war, hat es unheimlich weh getan, nichts tun zu können. Nur liegen und zusehen, wie wir versuchen Haus und Garten in Schuss zu halten.
Was ich aber mit meiner "Geschichte" sagen will:
Man darf nie nie nie die Hoffnung verlieren. Auch wenn alles noch so aussichtlos erscheint.
Man sollte nur seinem eigenen Gefühl und nicht dem der Ärzte trauen. Die Ärzte bereiten einen auf das Schlimmste vor, was passieren könnte. Definitv wissen sie es aber nicht, da jeder Mensch verschieden ist und anders reagiert.
Man muss auch an Wunder glauben und sich daran festahlen um sich selbst, aber vor allem dem Papa, Kraft zu geben.
Man muss versuchen, stark zu bleiben, dem Papa Mut machen, ihm immer wieder vor Augen führen, dass es sich lohnt zu kämpfen, dass er gebraucht wird.
Man sollte versuchen, nicht vor ihm zu weinen. Er macht sich dann nur Sorgen um die Angehörigen. Und der Betroffene hat genug Sorgen mit seiner Krankheit.
Man muss jeden Augenblick zusammen genießen, sich viel viel Zeit nehmen (ich habe jeden Nachmittag mit meinem Papa verbracht). Die gemeinsame Zeit wird in so einer Situation sooo intensiv gelebt, dass man lange davon zehren kann.
Man sollte dem Papa sagen, was man ihm schon immer sagen wollte. Ihm zeigen, wie sehr man ihn liebt.
usw.
Ich schreibe viel zu viel. Aber da ich alles erst gerade durchlebt und erlebt habe, tut es auch gut zu wissen, dass man nicht alleine mit solch einer Ungerechtigkeit des Schicksals konfrontiert wurde.
Uns hat auch gut getan, mit verschiedenen Kliniken und Professoren Kontakt aufzunehmen. Wir wollten nichts unversucht lassen, um uns hinterher keine Vorwürfe zu machen. Sogar so einen komischen Gemüsesaft "musste" mein Papa trinken, weil es hieß, der könnte helfen.
Naja, nur nicht aufgeben. Wie gesagt: Die Ärzte sagen immer nur das Schlimmste, was passieren könnte. Es gibt immer wieder Patienten, die sie überraschen.
Jeder hat noch Chancen, solange er sich selbst nicht aufgibt und von der Familie nicht aufgegeben wird....!
Alles alles Gute und vor allem undenlich viel Kraft!
LG
Doris
Hallo Lisa!
Mein Vater hatte auch AML. Diagnostiziert wurde sie am 22.8.02. Man sagte uns, die Heilungschancen lägen bei 60-70%. Daran haben wir uns geklammert, haben gehofft, dass er es schaffen wird.
Der erste Chemozyklus war überstanden, die Leukos gefallen. Nur das hohe Fieber und der fürchterliche (und AML-typische) Nachtschweiß blieb. Nach zwei Tagen erfuhren wir, dass die Chemo nicht angeschlagen hat, die Leukos wieder in die Höhe schießen. Dass diese Chemo nicht anschlägt passiert ganz selten. Naja, sofort wurde mit einer Hochdosistherapie begonnen. Die Chancen waren nun natürlich geringer, aber solange noch Chancen da waren, haben wir uns alle daran geklammert und nicht aufgegeben.
Auf diese Hochdosistherapie reagierte mein Vater allerdings allergisch. Wieder sagte man uns, dass das so gut wie nie vorkäme. Die Ärzte hätten in ihrer ganzen Laufbahn noch nie solche Reaktionen auf diese Chemo gesehen: Sein Körper reagierte toxisch und er wäre beinahe verstorben. Die Ärzte mussten ihn in einkünstliches Koma versetzen und an die Beatmungsmaschine anschließen. Drei Wochen Intensivstationen. Dreimal wurden wir zu den Ärzten gerufen, die uns mitteilten, dass er die nächste Nacht nicht überleben wird. Und trotzdem: ich habe immer daran geglaubt, dass er es schaffen wird, dass er nochmal aufwacht und NICHT stirbt. Ich war so felsenfest davon überzeugt, dass ich meine Mama und meine Schwester auch beruhigen konnte. Ich hatte das Gefühl, ich könne meinem Papa Kraft geben, indem ICH ihn nicht aufgebe, fest an ihn denke und an ihn glaube.
Nach zwei Wochen wurde er aus dem Koma geholt und wachte nach einer Woche auf. Er war inzwischen total abgemagert, wurde ja nur noch mit Glukose ernährt. Den Tag als wir in sein Zimmer kamen und er uns sah werde ich nie vergessen... Das war sooooo schön! Vor allem, weil es am Abend vorher wieder hieß, sein Leber wäre so geschädigt, sie würde wahrscheinlich versagen.
Von da an ging es aufwärts. Es war unglaublich schwer, er war so kraftlos und verzweifelt, weil er nicht mehr laufen, sitzen oder alleine Essen konnte. Seine Muskeln waren so erschlafft, dass er alles neu trainieren musste. Aber die Leukämie war erstmal zurückgedrängt. Sogar aus dem Knochenmark!
Er ging auf Reha, kam nach Hause (wie schön das war nach über 2 Monaten!!) und er war glücklich. Das war im Dezember 2002.
Im Januar ging es ihm dann plötzlich wieder schlechter. Wir alle merkten es, aber keiner wollte es so richtig wahrhaben...
Der Rückfall kam und jetzt wussten wir: Es gibt keine Heilung. Die Ärzte können nur noch versuchen, die Leukämie unter Kontrolle zu halten.
Zu Hause bekam er einen weiteren Chemozyklus in Tablettenform. Doch nach zwei Wochen war die Leukämie wieder da. Noch ein Versuch. Wieder in Tablettenform in einer anderen Dosierung. Der Rückfall kam diesmal nach wenigen Tagen.
Jetzt konnte nur noch versucht werden, sein Leben zu verlängern. Er bekam wieder Chemotabletten, die er nun in einer Art Dauertherapie täglich einnehmen sollte. Die Tabletten wirkten. Die Leukos konnten in schach gehalten werden. Doch nun kamen immer häufiger Entzündungen, Infekte, Fieber,.... Es ging ihm nur selten gut. Immer schwächer geworden lag er den ganzen Tag nur auf dem Sofa. Aber trotzdem: Wir haben jeden Augenblick mit ihm genossen. Täglich und rund um die Uhr waren wir abwechselnd bei ihm. Haben gekuschelt, erzählt und die Zeit genossen. Wir alle wussten, dass wir uns langsam verabschieden mussten. Trotzdem haben wir die Hoffnung nie aufgegeben, dass er noch Monate oder vielleicht 1 Jahr leben wird. Zweimal die Woche fuhren wir in die Klinik, wo er Bluttransfusionen bekam, die ihn 1-2 Tage aufpeppelten. Und immer wieder haben wir versucht ihm Kraft zu geben, ihn unsere Verzweiflung nicht spüren lassen, ihm immer wieder gesagt, dass er schon sooo viel überstanden hat, dass er das jetzt auch noch schaffen wird. Und das hat ihm Kraft gegeben weiterzukämpfen....
Den Kampf verloren hat er am 9.6.03. Er ist friedlich eingeschlafen und wurde damit erlöst.
Es ist erst ein paar Tage her. Ich kann alles noch nicht richtig begreifen, denke, dass alles nur ein böser Traum ist. Mache mir Sorgen um meine Mutter, die jetzt alleine bleibt....
Trotzdem tröstet mich der Gedanke, dass er zu 90% der Zeit nur gelitten hat. Schmerzen, Infekte, Fieber,.. Immer wieder etwas Neues kam hinzu. Ihm, der so aktiv, fleißig, voll Lebensfreude war, hat es unheimlich weh getan, nichts tun zu können. Nur liegen und zusehen, wie wir versuchen Haus und Garten in Schuss zu halten.
Was ich aber mit meiner "Geschichte" sagen will:
Man darf nie nie nie die Hoffnung verlieren. Auch wenn alles noch so aussichtlos erscheint.
Man sollte nur seinem eigenen Gefühl und nicht dem der Ärzte trauen. Die Ärzte bereiten einen auf das Schlimmste vor, was passieren könnte. Definitv wissen sie es aber nicht, da jeder Mensch verschieden ist und anders reagiert.
Man muss auch an Wunder glauben und sich daran festahlen um sich selbst, aber vor allem dem Papa, Kraft zu geben.
Man muss versuchen, stark zu bleiben, dem Papa Mut machen, ihm immer wieder vor Augen führen, dass es sich lohnt zu kämpfen, dass er gebraucht wird.
Man sollte versuchen, nicht vor ihm zu weinen. Er macht sich dann nur Sorgen um die Angehörigen. Und der Betroffene hat genug Sorgen mit seiner Krankheit.
Man muss jeden Augenblick zusammen genießen, sich viel viel Zeit nehmen (ich habe jeden Nachmittag mit meinem Papa verbracht). Die gemeinsame Zeit wird in so einer Situation sooo intensiv gelebt, dass man lange davon zehren kann.
Man sollte dem Papa sagen, was man ihm schon immer sagen wollte. Ihm zeigen, wie sehr man ihn liebt.
usw.
Ich schreibe viel zu viel. Aber da ich alles erst gerade durchlebt und erlebt habe, tut es auch gut zu wissen, dass man nicht alleine mit solch einer Ungerechtigkeit des Schicksals konfrontiert wurde.
Uns hat auch gut getan, mit verschiedenen Kliniken und Professoren Kontakt aufzunehmen. Wir wollten nichts unversucht lassen, um uns hinterher keine Vorwürfe zu machen. Sogar so einen komischen Gemüsesaft "musste" mein Papa trinken, weil es hieß, der könnte helfen.
Naja, nur nicht aufgeben. Wie gesagt: Die Ärzte sagen immer nur das Schlimmste, was passieren könnte. Es gibt immer wieder Patienten, die sie überraschen.
Jeder hat noch Chancen, solange er sich selbst nicht aufgibt und von der Familie nicht aufgegeben wird....!
Alles alles Gute und vor allem undenlich viel Kraft!
LG
Doris