von jan » 12.01.2013, 16:09
Liebe Lilly,
herzlichen Dank, dass Du Deine sehr rührende Geschichte mit uns teilst. Ich kann gut nachvollziehen, wie schwer Dir diese Situation fällt. Als CML-Patient, für den 2001 die Aussicht auf Transplantation sehr real war (zu der es dann aber nicht kam), kann ich andererseits auch die "Schneckenhaus-Reaktion" deines Freundes gut nachvollziehen. Auch mir gingen damals ähnliche Zweifel durch den Kopf, ob ich denen, die mir wichtig sind, überhaupt in Zukunft noch zuzumuten bin. Ich hatte damals das Glück, von meiner damaligen Freundin und heutigen Frau sowie meiner Familie aufgefangen zu werden, denn ohne diese wäre es für mich kaum zu schaffen gewesen. Die Depressionen Deines Freundes rühren sicher auch daher, dass aus seiner Perspektive in seinem Leben so viel in Scherben liegt und es Dir, als einem der wenigen, die ihm wichtig sind, nicht zumuten will, mit ihm über den Scherbenhaufen laufen zu müssen. Hilfe bekommen wäre gut, Hilfe annehmen ist in der familiären Situation aber so schwierig.
Wie Du das mit ihm gemeinsam überwinden kannst und ihn in dieser Phase auf andere Gedanken bringen kannst, kann ich natürlich, der ich Euch beide nicht kenne, kaum beurteilen. Was ich jedoch halbwegs überblicken kann, ist die Transplantation einer CML in Blastenkrise mit passendem Spender. Ich möchte das ganze nicht beschönigen, und hoffe, dass Du dies nicht als unangemessen empfindest. Die Chance, eine Transplantation in Blastenkrise zu überleben, steht etwas fifty-fifty - also deutlich schlechter als bei Transplantation in früheren Entwicklungsstufen der CML, die die meisten Patienten überleben. Dies ist aber nur Statistik und gilt nicht für den Einzelfall, und auch wenn Dein Freund einige Risikofaktoren zu haben scheint, ist Statistik nur Statistik. Ich kenne Patienten, die heute trotz mieser Prognose noch Geburtstag feiern.
Was aber nach meiner Erfahrung gar nicht stimmt, ist, dass er aus der Transplantation mit hoher Wahrscheinlichkeit als Pflegefall hervorgeht. Im Gegenteil - auch wenn die erste Phase nach der Transplantationen sicherlich hart ist, weil das neue Immunsystem noch nicht stabil ist, die Immunfunktion noch eingeschränkt ist, und auch Immunreaktionen der Spenderzellen gegen die Zellen des Empfängers ("Spender-gegen-Wirt-Reaktion, GvHD) anfangs akute Probleme verursachen, sind doch gut zwei Drittel der Überlebenden langfristig wieder "normal". Ich kenne eine ganze Menge CML-Patienten, die nach überstandener Transplantation und des ersten steinigen Jahrs heute ein normales Leben führen, in Partnerschaft leben, arbeiten, Freude und Leid im Rahmen des Normalen erleben. Nur eine Minderheit der Patienten hat eine schwerwiegende chronische GvHD, die das Leben stark erschwert - es ist nicht ausgeschlossen, aber eben nicht die Regel.
Dein Freund, auch aufgrund der Depression und auch, weil er diese aus heutiger Sicht nahezu unüberwindbar scheinende Herausforderung vor sich sieht, überschätzt momentan vermutlich die Risiken und glaubt nicht an den guten Ausgang. Das ist durchaus nachvollziehbar, aber rational gesehen nicht richtig. Vielleicht findest Du ja einen Zugang zu ihm, ihm dabei beizustehen.
Ich wünsche Dir dabei viel Fingerspitzengefühl und viel Glück, und Deinem Freund natürlich besonders und von Herzen, dass der 7.2. in Zukunft als sein zweiter Geburtstag gefeiert werden kann - gemeinsam mit Dir.
Liebe Grüße
Jan
Liebe Lilly,
herzlichen Dank, dass Du Deine sehr rührende Geschichte mit uns teilst. Ich kann gut nachvollziehen, wie schwer Dir diese Situation fällt. Als CML-Patient, für den 2001 die Aussicht auf Transplantation sehr real war (zu der es dann aber nicht kam), kann ich andererseits auch die "Schneckenhaus-Reaktion" deines Freundes gut nachvollziehen. Auch mir gingen damals ähnliche Zweifel durch den Kopf, ob ich denen, die mir wichtig sind, überhaupt in Zukunft noch zuzumuten bin. Ich hatte damals das Glück, von meiner damaligen Freundin und heutigen Frau sowie meiner Familie aufgefangen zu werden, denn ohne diese wäre es für mich kaum zu schaffen gewesen. Die Depressionen Deines Freundes rühren sicher auch daher, dass aus seiner Perspektive in seinem Leben so viel in Scherben liegt und es Dir, als einem der wenigen, die ihm wichtig sind, nicht zumuten will, mit ihm über den Scherbenhaufen laufen zu müssen. Hilfe bekommen wäre gut, Hilfe annehmen ist in der familiären Situation aber so schwierig.
Wie Du das mit ihm gemeinsam überwinden kannst und ihn in dieser Phase auf andere Gedanken bringen kannst, kann ich natürlich, der ich Euch beide nicht kenne, kaum beurteilen. Was ich jedoch halbwegs überblicken kann, ist die Transplantation einer CML in Blastenkrise mit passendem Spender. Ich möchte das ganze nicht beschönigen, und hoffe, dass Du dies nicht als unangemessen empfindest. Die Chance, eine Transplantation in Blastenkrise zu überleben, steht etwas fifty-fifty - also deutlich schlechter als bei Transplantation in früheren Entwicklungsstufen der CML, die die meisten Patienten überleben. Dies ist aber nur Statistik und gilt nicht für den Einzelfall, und auch wenn Dein Freund einige Risikofaktoren zu haben scheint, ist Statistik nur Statistik. Ich kenne Patienten, die heute trotz mieser Prognose noch Geburtstag feiern.
Was aber nach meiner Erfahrung gar nicht stimmt, ist, dass er aus der Transplantation mit hoher Wahrscheinlichkeit als Pflegefall hervorgeht. Im Gegenteil - auch wenn die erste Phase nach der Transplantationen sicherlich hart ist, weil das neue Immunsystem noch nicht stabil ist, die Immunfunktion noch eingeschränkt ist, und auch Immunreaktionen der Spenderzellen gegen die Zellen des Empfängers ("Spender-gegen-Wirt-Reaktion, GvHD) anfangs akute Probleme verursachen, sind doch gut zwei Drittel der Überlebenden langfristig wieder "normal". Ich kenne eine ganze Menge CML-Patienten, die nach überstandener Transplantation und des ersten steinigen Jahrs heute ein normales Leben führen, in Partnerschaft leben, arbeiten, Freude und Leid im Rahmen des Normalen erleben. Nur eine Minderheit der Patienten hat eine schwerwiegende chronische GvHD, die das Leben stark erschwert - es ist nicht ausgeschlossen, aber eben nicht die Regel.
Dein Freund, auch aufgrund der Depression und auch, weil er diese aus heutiger Sicht nahezu unüberwindbar scheinende Herausforderung vor sich sieht, überschätzt momentan vermutlich die Risiken und glaubt nicht an den guten Ausgang. Das ist durchaus nachvollziehbar, aber rational gesehen nicht richtig. Vielleicht findest Du ja einen Zugang zu ihm, ihm dabei beizustehen.
Ich wünsche Dir dabei viel Fingerspitzengefühl und viel Glück, und Deinem Freund natürlich besonders und von Herzen, dass der 7.2. in Zukunft als sein zweiter Geburtstag gefeiert werden kann - gemeinsam mit Dir.
Liebe Grüße
Jan