von jan » 22.11.2011, 11:04
Hallo zusammen,
wie jedes Mal nimmt die Debatte um Komplementär- und Alternativmedizin einen angeregten Verlauf. In der Hoffnung, die Diskussion nicht noch weiter anzuheizen, möchte ich mich nach einiger Beobachtungszeit nun doch zu Wort melden.
Es ist begrüßenswert, wenn sich die Teilnehmer hier mit ihren Erfahrungen zur Komplementärmedizin öffnen, und es wäre falsch, diese als Illusion oder als Einbildung abzutun. Ich finde es wichtig und richtig, dass Ihr Euch hierzu austauscht und Eure Erfahrungen mitteilt.
Dass es jedoch nicht zu einem "Feuerwerk von begeisterten Vorschlägen über Erfolge" kommt, liegt vielleicht daran, dass es sehr schwer ist, zu sagen, was ein "Erfolg" bei diesen Methoden eigentlich ist. Die Komplementärmedizin führt zu einem verbesserten Wohlbefinden, zum Placebo-Effekt, evtl sogar zu darüber hinaus gehenden biologischen Effekten. Sind aber "sich besser fühlen", oder ein paar enthusiastische Einzelfallberichte, genug, um andere dazu zu überzeugen, es ebenfalls zu tun und dafür Geld auszugeben, Zeit zu investieren?
Ich denke, es ist angemessen zu sagen, dass wenn es gute Evidenz für die Wirksamkeit oder Sicherheit einer jeden Gesundheitsintervention, ob komplementär oder schulmedizinisch, gibt, dann sollte die Therapie bekannt werden, empfohlen werden und vom Gesundheitssystem berücksichtigt werden. Für psychoonkologische Interventionen gibt es diese Nachweise, für Akupunktur in manchen Fällen, für Sport und Bewegung ganz klar. Dabei sind jedoch zwei Dinge unbedingt zu beachten: Eine angemessen hohe Stichprobe, die statistische Signifikanz der Untersuchung, und eine Vergleichsgruppe mit gleichen Ausgangsbedingungen. Ansonsten besteht die Gefahr, Ursache und Wirkung zu verwechseln, von einer kleinen Gruppe auf eine große Grundgesamtheit zu schließen, oder kleine Unterschiede zu überschätzen.
In der evidenzbasierten Medizin ist dies das tägliche Brot: den Zufall bei den Erkenntnissen weitgehend auszuschließen. So gibt es bei jeder klinischen Studie, auch bei Krebsmedikamenten, die nicht funktionieren, einzelne Patienten, deren Tumor nicht wächst - obwohl dann statistisch bei einigen tausend kein Vorteil zur Vergleichstherapie nachgewiesen wird. Mangels solcher Studien wird aber in der Komplementärmedizin dann oft die Lupe auf die Fälle gelegt, in der es zum Wunder kam. Oder anders - gerade bei komplementärmedizinischen Studien werden oft keine strikten Kriterien angelegt und Vergleichsgruppen mit gleichen Voraussetzungen geprüft, was zur Folge hat, dass man Ursache und Wirkung verwechselt. Kann es z.B. sein, dass die Patienten, die ein bestimmtes Vitaminprogramm wählen, sich sowieso bewußter und gesünder ernähren als der Durchschnitt, und daher nicht die Vitamine, sondern die gesündere Lebensweise den Vorteil bewirkt? Kann es sein, dass die, die sich für Yoga oder Bewegungstherapie entscheiden, sowieso schon bewegungsreicher leben und ein geringeres Durchschnittsgewicht als die Vergleichsgruppe haben? Kann es sein, dass der LDH auch ohne Komplementärmedizin gesunken wäre, weil generell einige Dinge in der Lebensweise oder dem Sportverhalten verändert wurde?
Um solche Effekte auszuschließen, gibt es randomisierte Studien, in der nicht der Patient, sondern der Würfel wählt, wer welche Therapie macht, so dass zwei homogene Ausgangsgruppen bestehen, die unterschiedlich therapiert werden, und bei denen nach einiger Zeit gemessen wird, ob die Gruppen sich stastistisch aussagekräftig unterschiedlich entwickelt haben. Die meisten Verfechter von Komplementärmedizin sind leider nicht willens (und/oder bekommen kein Geld der "Komplementärmedizin-Industrie", obwohl es da wäre), solche Studien nach evidenzbasierten Methoden durchzuführen. Sehr wortreich wird verklärt, warum ein solcher Nachweis bei dieser heilsbringenden Methode gar nicht möglich oder bezahlbar sei.
Daher gehen die "Erfolge" der Komplementärmedizin meines Erachtens leider sehr oft in den Bereich des Glaubens und Hoffens, angetrieben durch beeindruckende aber unübertragbare Einzelfallberichte, die verstrickt sind mit der individuellen Historie. Ich denke, es spricht vieles dafür, Dinge tun tun, die einem offensichtlich gut tun. Dazu gehören viele der Methoden, die hier bereits angesprochen wurden, um wem sie helfen, der sollte sie anwenden. Davon dann aber Heilsversprechen in Bezug auf Krebs abzuleiten, erfordert unbedingt medizinische Evidenz und eine Abkehr vom reinen Hoffen und Glauben.
Daher zum Schluss noch mein Beitrag zum "Feuerwerk der Vorschläge" - es gibt kaum etwas präventiveres gegen Krebs, Herkzerkrankungen und Stoffwechselprobleme als Sport. Das wurde in Studien nachgewiesen, ist wissenschaftlich evident, und die Mechanismen sind klar und erklärt. Vermutlich hilft dies mehr als alle anderen komplementären Heilmethoden zusammen, erfordert aber mehr Anstrengung und Konsequenz als Pillen, Kräuter oder eine wöchentliche Sitzung in Methode X, Y oder Z.
Herzliche Grüße
Jan
Hallo zusammen,
wie jedes Mal nimmt die Debatte um Komplementär- und Alternativmedizin einen angeregten Verlauf. In der Hoffnung, die Diskussion nicht noch weiter anzuheizen, möchte ich mich nach einiger Beobachtungszeit nun doch zu Wort melden.
Es ist begrüßenswert, wenn sich die Teilnehmer hier mit ihren Erfahrungen zur Komplementärmedizin öffnen, und es wäre falsch, diese als Illusion oder als Einbildung abzutun. Ich finde es wichtig und richtig, dass Ihr Euch hierzu austauscht und Eure Erfahrungen mitteilt.
Dass es jedoch nicht zu einem "Feuerwerk von begeisterten Vorschlägen über Erfolge" kommt, liegt vielleicht daran, dass es sehr schwer ist, zu sagen, was ein "Erfolg" bei diesen Methoden eigentlich ist. Die Komplementärmedizin führt zu einem verbesserten Wohlbefinden, zum Placebo-Effekt, evtl sogar zu darüber hinaus gehenden biologischen Effekten. Sind aber "sich besser fühlen", oder ein paar enthusiastische Einzelfallberichte, genug, um andere dazu zu überzeugen, es ebenfalls zu tun und dafür Geld auszugeben, Zeit zu investieren?
Ich denke, es ist angemessen zu sagen, dass wenn es gute Evidenz für die Wirksamkeit oder Sicherheit einer jeden Gesundheitsintervention, ob komplementär oder schulmedizinisch, gibt, dann sollte die Therapie bekannt werden, empfohlen werden und vom Gesundheitssystem berücksichtigt werden. Für psychoonkologische Interventionen gibt es diese Nachweise, für Akupunktur in manchen Fällen, für Sport und Bewegung ganz klar. Dabei sind jedoch zwei Dinge unbedingt zu beachten: Eine angemessen hohe Stichprobe, die statistische Signifikanz der Untersuchung, und eine Vergleichsgruppe mit gleichen Ausgangsbedingungen. Ansonsten besteht die Gefahr, Ursache und Wirkung zu verwechseln, von einer kleinen Gruppe auf eine große Grundgesamtheit zu schließen, oder kleine Unterschiede zu überschätzen.
In der evidenzbasierten Medizin ist dies das tägliche Brot: den Zufall bei den Erkenntnissen weitgehend auszuschließen. So gibt es bei jeder klinischen Studie, auch bei Krebsmedikamenten, die nicht funktionieren, einzelne Patienten, deren Tumor nicht wächst - obwohl dann statistisch bei einigen tausend kein Vorteil zur Vergleichstherapie nachgewiesen wird. Mangels solcher Studien wird aber in der Komplementärmedizin dann oft die Lupe auf die Fälle gelegt, in der es zum Wunder kam. Oder anders - gerade bei komplementärmedizinischen Studien werden oft keine strikten Kriterien angelegt und Vergleichsgruppen mit gleichen Voraussetzungen geprüft, was zur Folge hat, dass man Ursache und Wirkung verwechselt. Kann es z.B. sein, dass die Patienten, die ein bestimmtes Vitaminprogramm wählen, sich sowieso bewußter und gesünder ernähren als der Durchschnitt, und daher nicht die Vitamine, sondern die gesündere Lebensweise den Vorteil bewirkt? Kann es sein, dass die, die sich für Yoga oder Bewegungstherapie entscheiden, sowieso schon bewegungsreicher leben und ein geringeres Durchschnittsgewicht als die Vergleichsgruppe haben? Kann es sein, dass der LDH auch ohne Komplementärmedizin gesunken wäre, weil generell einige Dinge in der Lebensweise oder dem Sportverhalten verändert wurde?
Um solche Effekte auszuschließen, gibt es randomisierte Studien, in der nicht der Patient, sondern der Würfel wählt, wer welche Therapie macht, so dass zwei homogene Ausgangsgruppen bestehen, die unterschiedlich therapiert werden, und bei denen nach einiger Zeit gemessen wird, ob die Gruppen sich stastistisch aussagekräftig unterschiedlich entwickelt haben. Die meisten Verfechter von Komplementärmedizin sind leider nicht willens (und/oder bekommen kein Geld der "Komplementärmedizin-Industrie", obwohl es da wäre), solche Studien nach evidenzbasierten Methoden durchzuführen. Sehr wortreich wird verklärt, warum ein solcher Nachweis bei dieser heilsbringenden Methode gar nicht möglich oder bezahlbar sei.
Daher gehen die "Erfolge" der Komplementärmedizin meines Erachtens leider sehr oft in den Bereich des Glaubens und Hoffens, angetrieben durch beeindruckende aber unübertragbare Einzelfallberichte, die verstrickt sind mit der individuellen Historie. Ich denke, es spricht vieles dafür, Dinge tun tun, die einem offensichtlich gut tun. Dazu gehören viele der Methoden, die hier bereits angesprochen wurden, um wem sie helfen, der sollte sie anwenden. Davon dann aber Heilsversprechen in Bezug auf Krebs abzuleiten, erfordert unbedingt medizinische Evidenz und eine Abkehr vom reinen Hoffen und Glauben.
Daher zum Schluss noch mein Beitrag zum "Feuerwerk der Vorschläge" - es gibt kaum etwas präventiveres gegen Krebs, Herkzerkrankungen und Stoffwechselprobleme als Sport. Das wurde in Studien nachgewiesen, ist wissenschaftlich evident, und die Mechanismen sind klar und erklärt. Vermutlich hilft dies mehr als alle anderen komplementären Heilmethoden zusammen, erfordert aber mehr Anstrengung und Konsequenz als Pillen, Kräuter oder eine wöchentliche Sitzung in Methode X, Y oder Z.
Herzliche Grüße
Jan