von jan » 19.08.2011, 22:50
Nelly_CML hat geschrieben:
Aber abgesehen davon bedrückt es mich persönlich sehr, dass meine Glivec-Therapie solch enorme Kosten verursacht. Ich habe mal hochgerechnet, dass ich meine Krankenkasse mehr als 1 Million Euro kosten werde, wenn ich noch länger als 20 Jahre lebe (vorausgesetzt ich muss so lange Glivec o.ä. einnehmen).
Über Preisgestaltung, Anreizsysteme in der Medizin und der Medikamentenforschung, Kostenadäquanz und "sozialkassenverträgliches Sterben", Nutzenbewertung und "Bang for bucks" kann man kontrovers und bitter streiten, ohne zu einer einfachen Lösung zu kommen.
Ich persönlich bin als Patient recht froh, dass die Systeme insofern zu funktionieren scheinen, dass selbst für eine seltene Erkrankung wie CML neue Therapien entwickelt werden und diese nicht nur im Labor entdeckt, sondern auch nach umfangreichen Studien am Ende als zugelassenes Produkt auf den Markt kommen. Sonst wäre ich selbst vermutlich seit ca. 2003 tot. Ob die Entwicklung der Therapien trotzdem zur Marktreife erfolgt wäre, wenn nur ein geringer oder kein Profitanreiz für die entwickelnden Unternehmen oder Kliniken bestanden hätte - darüber kann man natürlich kräftig philosophieren.
Im Zusammenhang mit Imatinib möchte ich aber erwähnen, dass das Imatinib-Patent spätestens im Jahr 2016 ausläuft. Man kann damit rechnen, dass es Imatinib ab dem Jahr auch in Europa zu einem Teil des aktuellen Preises als Generikum geben wird. Die "Hochrechnung" und die Annahme nicht endender Gewinnwellen mit einzelnen Medikamenten ist aufgrund des begrenzten Patentschutzes nicht zielführend, und nur wenige Krebsmedikamente funktionieren kaufmännisch tatsächlich so gut wie Imatinib. Ob ab 2016 gesellschaftlich gewünscht wird, dass Patienten dann das generische "billige" Imatinib und nicht die "teuren" Zweitgenerationsmedikamente als Erst- oder Zweitlinie bekommen, wird eine interessante Diskussion, auf die wir uns als Patienten einstellen müssen. Richtig ist, dass langfristig die Kosten für CML runter müssen, weil dank der Medikamente die Zahl der CML-Überlebenden immer weiter steigt. Dies muss meiner Ansicht nach aber mit einer innovativen Therapie passieren, die am Ende die CML heilt. Die wird aber nur entwickelt und auf den Markt gebracht, wenn damit Geld verdient werden kann - ob man das nun gut oder schlecht findet.
Ich selbst lasse mir als Patienten kein schlechtes Gewissen einreden, wenn ich gut therapiert werde, und überlasse die Preisverhandlungen den Kostenträgern. Zusätzlich ärgere mich über die Verschwendung, die durch schlechte CML-Therapie entsteht, z.B. mit subtherapeutischen Unterdosierungen, Einsatz von veralteten Medikamenten, schlechtem Therapiemanagement, unsinnigen Therapiewechseln -- wodurch Resistenzen, Dosiserhöhungen, teurere Medikamente, Transplantationen, zusätzliche Diagnostik usw. entstehen. Therapiekosten sind ja nicht nur die Kosten der Pille, auf die die Medien Therapieinnovationen gerne reduzieren, sondern Gesamtkosten inkl Diagnostik, Medikation, und nachfolgender Intervention und Eskalation, wenn's schiefgeht.
Der an diesem Montag erschienene SPIEGEL bietet ja nochmal eine weitere Spitze der gar so einfachen Aussagen - Titelblatt "Überdosis Medizin", gleiche befragte Experten, keine Meinung von Patientenvertretern. Unser Leserbrief wurde dagegen natürlich nicht gedruckt - hätte ja dem gewünschten Effekt widersprochen.
Viele Grüße
Jan
[quote="Nelly_CML"]
Aber abgesehen davon bedrückt es mich persönlich sehr, dass meine Glivec-Therapie solch enorme Kosten verursacht. Ich habe mal hochgerechnet, dass ich meine Krankenkasse mehr als 1 Million Euro kosten werde, wenn ich noch länger als 20 Jahre lebe (vorausgesetzt ich muss so lange Glivec o.ä. einnehmen).
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Über Preisgestaltung, Anreizsysteme in der Medizin und der Medikamentenforschung, Kostenadäquanz und "sozialkassenverträgliches Sterben", Nutzenbewertung und "Bang for bucks" kann man kontrovers und bitter streiten, ohne zu einer einfachen Lösung zu kommen.
Ich persönlich bin als Patient recht froh, dass die Systeme insofern zu funktionieren scheinen, dass selbst für eine seltene Erkrankung wie CML neue Therapien entwickelt werden und diese nicht nur im Labor entdeckt, sondern auch nach umfangreichen Studien am Ende als zugelassenes Produkt auf den Markt kommen. Sonst wäre ich selbst vermutlich seit ca. 2003 tot. Ob die Entwicklung der Therapien trotzdem zur Marktreife erfolgt wäre, wenn nur ein geringer oder kein Profitanreiz für die entwickelnden Unternehmen oder Kliniken bestanden hätte - darüber kann man natürlich kräftig philosophieren.
Im Zusammenhang mit Imatinib möchte ich aber erwähnen, dass das Imatinib-Patent spätestens im Jahr 2016 ausläuft. Man kann damit rechnen, dass es Imatinib ab dem Jahr auch in Europa zu einem Teil des aktuellen Preises als Generikum geben wird. Die "Hochrechnung" und die Annahme nicht endender Gewinnwellen mit einzelnen Medikamenten ist aufgrund des begrenzten Patentschutzes nicht zielführend, und nur wenige Krebsmedikamente funktionieren kaufmännisch tatsächlich so gut wie Imatinib. Ob ab 2016 gesellschaftlich gewünscht wird, dass Patienten dann das generische "billige" Imatinib und nicht die "teuren" Zweitgenerationsmedikamente als Erst- oder Zweitlinie bekommen, wird eine interessante Diskussion, auf die wir uns als Patienten einstellen müssen. Richtig ist, dass langfristig die Kosten für CML runter müssen, weil dank der Medikamente die Zahl der CML-Überlebenden immer weiter steigt. Dies muss meiner Ansicht nach aber mit einer innovativen Therapie passieren, die am Ende die CML heilt. Die wird aber nur entwickelt und auf den Markt gebracht, wenn damit Geld verdient werden kann - ob man das nun gut oder schlecht findet.
Ich selbst lasse mir als Patienten kein schlechtes Gewissen einreden, wenn ich gut therapiert werde, und überlasse die Preisverhandlungen den Kostenträgern. Zusätzlich ärgere mich über die Verschwendung, die durch schlechte CML-Therapie entsteht, z.B. mit subtherapeutischen Unterdosierungen, Einsatz von veralteten Medikamenten, schlechtem Therapiemanagement, unsinnigen Therapiewechseln -- wodurch Resistenzen, Dosiserhöhungen, teurere Medikamente, Transplantationen, zusätzliche Diagnostik usw. entstehen. Therapiekosten sind ja nicht nur die Kosten der Pille, auf die die Medien Therapieinnovationen gerne reduzieren, sondern Gesamtkosten inkl Diagnostik, Medikation, und nachfolgender Intervention und Eskalation, wenn's schiefgeht.
Der an diesem Montag erschienene SPIEGEL bietet ja nochmal eine weitere Spitze der gar so einfachen Aussagen - Titelblatt "Überdosis Medizin", gleiche befragte Experten, keine Meinung von Patientenvertretern. Unser Leserbrief wurde dagegen natürlich nicht gedruckt - hätte ja dem gewünschten Effekt widersprochen.
Viele Grüße
Jan