von jan » 25.09.2009, 09:05
Hallo Lilly
nachdem mir der Fall Deiner Mutter keine Ruhe läßt, weil ich selber darüber nachdenke, wie ich mich in Deinem Fall verhalten würde, folgende Gedanken:
Auch wenn es aus medizinischer, rationaler und persönlicher Sicht nicht akzeptabel und begründbar erscheint, muss man die bewußte Entscheidung eines Patienten, auf eine wirksame Therapie zu verzichten, wohl oder übel tolerieren -- denn es ist jedermanns freier Wille, über sein eigenes Leben zu entscheiden und es ins Risiko zu bringen. Massiver Druck kann eventuell das Gegenteil dessen erreichen, was eigentlich gut wäre.
Wäre ich an Deiner Stelle, würde ich folgende Argumentationslinie fahren:
Es besteht hoffentlich mit Deiner Mutter uneingeschränkter Konsens, dass ein Absetzen der Medikation ohne Vorliegen einer nahezu vollständigen Remission der CML zu Rückfall, Progress und am Ende Tod führt. Weiterhin besteht hoffentlich Konsens, dass eine CML nur in der chronischen Phase der Erkrankung gut behandelbar ist.
Wenn man sich auf diesen Grundkonsens einigen kann, könnte man folgendes vereinbaren:
- Die CML kann nicht durch Blutbild alleine (Leukos, Thrombos, Leberwerte etc) beobachtet werden, da diese keinerlei Aussagekraft über das Stadium der CML hat. Eine sogenannte "PCR-Untersuchung" aus dem Venenblut muss daher regelmäßig gemacht werden, die sehr vereinfacht gesagt auf genetischer Ebene misst, welcher Anteil der Zellen das CML-Gen in sich tragen. Je höher dieser Wert, desto höher die Tumorlast - sinkt der Wert, wirkt die Therapie, steigt er, ist die CML aktiv und breitet sich aus.
- Eine gute molekulare Remission liegt vor, wenn weniger als 0,1% der untersuchten "Zellen" das CML-typische BCR-ABL-Gen enthalten. (auf medizinisch: das Verhältnis BCR-ABL zu ABL oder BCR-ABL zu G6PD ist kleiner 0,1%)
- Ein Absetzen ist überhaupt nur dann denkbar (wenn auch alle Experten davon außerhalb von Studien abraten), wenn eine gute molekulare Remission erreicht wurde. (Du hattest früher nicht geschrieben, ob Deine Mutter BCR-ABL/ABL unter 0.1% überhaupt bereits erreicht hatte). Nur dann besteht überhaupt die Chance, dass Deine Mutter zu dem Teil der Patienten gehören könnte, bei denen ein Absetzen zu keinem Rückfall führt.
- Ein Absetzen kann nur beibehalten werden, wenn nachfolgende PCRs zeigen, dass der PCR-Wert auf niedrigstem Niveau stabil bleibt. So kann man messen, ob der Tibetaner mit seinen "Methoden" die CML in Schach halten kann. Steigt der Wert, ist sein Vorgehen nachweislich unwirksam und die CML breitet sich weiter aus.
- Spätestens bei einem Anstieg der PCR von mindestens einer Zehnerpotenz (d.h. z.B. von 0.1% auf 1%, oder von 1% auf 10%) liegt nach allen Aussagen der Experten ein Rückfall vor und es besteht dringendster Handlungsbedarf, wenn man nicht in die Progression oder Blastenkrise geraten möchte.
Wie gesagt, ich halte das, was Deine Mutter tut, für höchstgefährlich, und sie sollte dringendst von einem Arzt, der auf CML spezialisiert ist, behandelt werden. Wenn sie das aber verweigert, könnt Ihr Euch vielleicht zumindest auf regelmäßige PCR-Untersuchungen und den Abbruch des "tibetanischen Heilversuchs" einigen, wenn bestimmte "rote Fahnen" winken.
Ein Hinweis: Dies alles ist keinesfalls als medizinischer Rat, sondern als Gedanken eines medizinischen Laien und CML-Patienten zu verstehen, wie er sich verhalten würde, wenn seine eigene Mutter betroffen wäre.
Grüße
Jan
[addsig]
Hallo Lilly
nachdem mir der Fall Deiner Mutter keine Ruhe läßt, weil ich selber darüber nachdenke, wie ich mich in Deinem Fall verhalten würde, folgende Gedanken:
Auch wenn es aus medizinischer, rationaler und persönlicher Sicht nicht akzeptabel und begründbar erscheint, muss man die bewußte Entscheidung eines Patienten, auf eine wirksame Therapie zu verzichten, wohl oder übel tolerieren -- denn es ist jedermanns freier Wille, über sein eigenes Leben zu entscheiden und es ins Risiko zu bringen. Massiver Druck kann eventuell das Gegenteil dessen erreichen, was eigentlich gut wäre.
Wäre ich an Deiner Stelle, würde ich folgende Argumentationslinie fahren:
Es besteht hoffentlich mit Deiner Mutter uneingeschränkter Konsens, dass ein Absetzen der Medikation ohne Vorliegen einer nahezu vollständigen Remission der CML zu Rückfall, Progress und am Ende Tod führt. Weiterhin besteht hoffentlich Konsens, dass eine CML nur in der chronischen Phase der Erkrankung gut behandelbar ist.
Wenn man sich auf diesen Grundkonsens einigen kann, könnte man folgendes vereinbaren:
- Die CML kann nicht durch Blutbild alleine (Leukos, Thrombos, Leberwerte etc) beobachtet werden, da diese keinerlei Aussagekraft über das Stadium der CML hat. Eine sogenannte "PCR-Untersuchung" aus dem Venenblut muss daher regelmäßig gemacht werden, die sehr vereinfacht gesagt auf genetischer Ebene misst, welcher Anteil der Zellen das CML-Gen in sich tragen. Je höher dieser Wert, desto höher die Tumorlast - sinkt der Wert, wirkt die Therapie, steigt er, ist die CML aktiv und breitet sich aus.
- Eine gute molekulare Remission liegt vor, wenn weniger als 0,1% der untersuchten "Zellen" das CML-typische BCR-ABL-Gen enthalten. (auf medizinisch: das Verhältnis BCR-ABL zu ABL oder BCR-ABL zu G6PD ist kleiner 0,1%)
- Ein Absetzen ist überhaupt nur dann denkbar (wenn auch alle Experten davon außerhalb von Studien abraten), wenn eine gute molekulare Remission erreicht wurde. (Du hattest früher nicht geschrieben, ob Deine Mutter BCR-ABL/ABL unter 0.1% überhaupt bereits erreicht hatte). Nur dann besteht überhaupt die Chance, dass Deine Mutter zu dem Teil der Patienten gehören könnte, bei denen ein Absetzen zu keinem Rückfall führt.
- Ein Absetzen kann nur beibehalten werden, wenn nachfolgende PCRs zeigen, dass der PCR-Wert auf niedrigstem Niveau stabil bleibt. So kann man messen, ob der Tibetaner mit seinen "Methoden" die CML in Schach halten kann. Steigt der Wert, ist sein Vorgehen nachweislich unwirksam und die CML breitet sich weiter aus.
- Spätestens bei einem Anstieg der PCR von mindestens einer Zehnerpotenz (d.h. z.B. von 0.1% auf 1%, oder von 1% auf 10%) liegt nach allen Aussagen der Experten ein Rückfall vor und es besteht dringendster Handlungsbedarf, wenn man nicht in die Progression oder Blastenkrise geraten möchte.
Wie gesagt, ich halte das, was Deine Mutter tut, für höchstgefährlich, und sie sollte dringendst von einem Arzt, der auf CML spezialisiert ist, behandelt werden. Wenn sie das aber verweigert, könnt Ihr Euch vielleicht zumindest auf regelmäßige PCR-Untersuchungen und den Abbruch des "tibetanischen Heilversuchs" einigen, wenn bestimmte "rote Fahnen" winken.
Ein Hinweis: Dies alles ist keinesfalls als medizinischer Rat, sondern als Gedanken eines medizinischen Laien und CML-Patienten zu verstehen, wie er sich verhalten würde, wenn seine eigene Mutter betroffen wäre.
Grüße
Jan
[addsig]