von jan » 21.05.2005, 02:08
Liebe Forumsteilnehmer,
kaum gehe ich mal in den Urlaub, läuft hier eine recht angespannte Diskussion (Naturstoffe, Bach-Blüten)... Daher nun kurz von unterwegs ein Versuch, die Dinge wieder etwas in eine ruhigere Bahnen zu lenken:
Wir alle haben mit unserer Leukämie-Diagnose persönlich zu kämpfen. Insbesondere die Wahl der Therapierichtung ist immer eine sehr schwierige, denn niemand kann vorhersehen, wie eine Therapie im Einzelfall anschlagen wird. Leider werden viele Betroffene in dieser kritischen Situation mit ihren Sorgen, Bedürfnissen und Ängsten alleine gelassen, und schon allein deshalb prüft man als Patient auch alle Optionen, oft auch Alternativen zur Schulmedizin. Mir ging es damals selbst nicht anders, wobei ich von einem im anthroposophischen Bereich sehr renommierten Arzt bezüglich Misteltherapie bei Leukämie schnell eine klare Absage erhielt und das Thema für mich verwarf.
Foren im Internet verleiten natürlich dazu, sich auch von anderen Betroffenen eine Bestätigung einzuholen, dass man wohl die richtige Therapiewahl getroffen hat, obwohl dies aufgrund der individuellen Konstitution jedes Einzelnen - und vor allem ohne Details und langjährige medizinische Efahrung - in einem Forum natürlich kaum möglich ist.
In dieser Phase reagiert man natürlich umso dünnhäutiger, wenn offene Kritik am "eigenen Strohhalm" erfolgt. Ein Internet-Forum - noch dazu, wenn es anonyme Beiträge erlaubt - führt dabei oft zu recht heftigen Aussagen, die man einem anderen Krebskranken vermutlich nie von Angesicht zu Angesicht sagen würde. Vor einem Beitrag sollte man sich daher immer überlegen, ob man das Geschriebene auch am "runden Tisch" sagen würde und ob dies evtl. verletzend für den/die Gegenüber sein könnte. Vor jedem Computer sitzt ein Mensch, und in dieser Situation ist er meist noch empfindlicher und verunsicherter.
Daher: Bitte prüft Eure Beiträge immer darauf, ob Ihr sie dem Adressaten so auch mündlich mitteilen würdet. (Wie schon öfter möchte ich der Vollständigkeit halber darauf hinweisen, dass dieses Forum bewußt anonyme Beiträge zuläßt - aber wir müssen uns vorbehalten, anonyme Beiträge mit verletzenden, agressiven oder werblichen Inhalten ungefragt zu löschen)
Inhaltlich möchte ich zum Thema "Alternativmedizin" nur noch folgende Dinge anmerken, auch wenn dies teilweise schon gesagt wurde:
Leukämie ist eine hochagressive Krankheit, die unbehandelt mit hoher Wahrscheinlichkeit in Wochen (akute L.) bis Monaten (chronische L.) zum Tod führen würde. Man muss sie sehr ernst nehmen, auch wenn man sich in frühen Phasen subjektiv gut fühlt. Noch vor 15 Jahren glich die Leukämie-Diagnose einem Todesurteil binnen einiger Monate. Der medizinische Fortschritt - mit Transplantation, Chemotherapie und gezielten molekularen Therapien - konnte die Sterblichkeit massiv reduzieren, wenn auch leider noch nicht völlig beseitigen, und für einen Großteil der Patienten eine langfristig gute Lebensqualität ermöglichen. Für die existierenden schulmedizinischen Medikamente wurde die Wirksamkeit in klinischen Vergleichsstudien mit zehntausenden von Patienten nachgewiesen, und neue, noch wirkungsvollere Medikamente sind momentan in klinischer Erprobung für alle Leukämiearten.
Wer für sich entscheidet, ohne ärztliche Rücksprache die schulmedizinische Therapie durch zusätzliche Wirkstoffe zu gefährden den schulmedizinischen Bereich entgegen ärztlichen Rat komplett zu verlassen, sollte sich darüber klar sein, dass es KEINE belastbaren Studiendaten für "alternative" Leukämietherapien gibt - und vermutlich nie geben wird, da die "alternativen" Pharmafirmen (es werden Millionenumsätze mit verschreibungsfreien Alternativprodukten gemacht) diese aus verschiedensten Gründen nicht durchführen (wollen) - und nur einen Bruchteil ihrer Umsätze in die klinische Forschung lenken.
Mündige Patienten, die sich mangels Daten auf ihre Hoffnung in die Theorie der Wirkweise dieser alternativen Präparate berufen und ihr persönliches Schicksal darauf setzen, sollten daher öffentlich gegenüber eben diesen "Alternativ"-Pharmafirmen FÜR die Durchführung wissenschaftlich haltbarer, randomisierter Leukämie-Studien eintreten. Nur dann könnten solche Präparate, soweit sie sich dann als wirkungsvoll erweisen, wirklich jemals ernst genommen - und Vermutung und Hoffnung durch Fakten ersetzt - werden. Dies wäre hilfreicher, als Mund-zu-Mund-Werbung zu betreiben oder andere Leukämie-Patienten mit Erfahrungen aus dem Bereich solider Tumore zu verunsichern. Da viele der Alternativ-Präparate gerade auf diesem Weg ("Pharma-Network-Marketing") über vorgebliche Patienten mit guten Erfahrungen via Internet-Foren beworben werden (vgl Laetrile, Zellular-Medizin, Papaya-Superkonzentrat etc), müssen wir leider gerade bei anonymen Beiträgen als Forums-Moderatoren recht vorsichtig sein.
Ich hoffe, der gereizten Stimmung damit etwas den Wind zu nehmen. Ich danke herzlichst für Eure Reflektion - bitte denkt immer dran, dass hinter jedem Pseudonym hier im Forum auch ein Mensch sitzt.
Herzliche Grüße
Jan
Leukämie-Online
Liebe Forumsteilnehmer,
kaum gehe ich mal in den Urlaub, läuft hier eine recht angespannte Diskussion (Naturstoffe, Bach-Blüten)... Daher nun kurz von unterwegs ein Versuch, die Dinge wieder etwas in eine ruhigere Bahnen zu lenken:
Wir alle haben mit unserer Leukämie-Diagnose persönlich zu kämpfen. Insbesondere die Wahl der Therapierichtung ist immer eine sehr schwierige, denn niemand kann vorhersehen, wie eine Therapie im Einzelfall anschlagen wird. Leider werden viele Betroffene in dieser kritischen Situation mit ihren Sorgen, Bedürfnissen und Ängsten alleine gelassen, und schon allein deshalb prüft man als Patient auch alle Optionen, oft auch Alternativen zur Schulmedizin. Mir ging es damals selbst nicht anders, wobei ich von einem im anthroposophischen Bereich sehr renommierten Arzt bezüglich Misteltherapie bei Leukämie schnell eine klare Absage erhielt und das Thema für mich verwarf.
Foren im Internet verleiten natürlich dazu, sich auch von anderen Betroffenen eine Bestätigung einzuholen, dass man wohl die richtige Therapiewahl getroffen hat, obwohl dies aufgrund der individuellen Konstitution jedes Einzelnen - und vor allem ohne Details und langjährige medizinische Efahrung - in einem Forum natürlich kaum möglich ist.
In dieser Phase reagiert man natürlich umso dünnhäutiger, wenn offene Kritik am "eigenen Strohhalm" erfolgt. Ein Internet-Forum - noch dazu, wenn es anonyme Beiträge erlaubt - führt dabei oft zu recht heftigen Aussagen, die man einem anderen Krebskranken vermutlich nie von Angesicht zu Angesicht sagen würde. Vor einem Beitrag sollte man sich daher immer überlegen, ob man das Geschriebene auch am "runden Tisch" sagen würde und ob dies evtl. verletzend für den/die Gegenüber sein könnte. Vor jedem Computer sitzt ein Mensch, und in dieser Situation ist er meist noch empfindlicher und verunsicherter.
Daher: Bitte prüft Eure Beiträge immer darauf, ob Ihr sie dem Adressaten so auch mündlich mitteilen würdet. (Wie schon öfter möchte ich der Vollständigkeit halber darauf hinweisen, dass dieses Forum bewußt anonyme Beiträge zuläßt - aber wir müssen uns vorbehalten, anonyme Beiträge mit verletzenden, agressiven oder werblichen Inhalten ungefragt zu löschen)
Inhaltlich möchte ich zum Thema "Alternativmedizin" nur noch folgende Dinge anmerken, auch wenn dies teilweise schon gesagt wurde:
Leukämie ist eine hochagressive Krankheit, die unbehandelt mit hoher Wahrscheinlichkeit in Wochen (akute L.) bis Monaten (chronische L.) zum Tod führen würde. Man muss sie sehr ernst nehmen, auch wenn man sich in frühen Phasen subjektiv gut fühlt. Noch vor 15 Jahren glich die Leukämie-Diagnose einem Todesurteil binnen einiger Monate. Der medizinische Fortschritt - mit Transplantation, Chemotherapie und gezielten molekularen Therapien - konnte die Sterblichkeit massiv reduzieren, wenn auch leider noch nicht völlig beseitigen, und für einen Großteil der Patienten eine langfristig gute Lebensqualität ermöglichen. Für die existierenden schulmedizinischen Medikamente wurde die Wirksamkeit in klinischen Vergleichsstudien mit zehntausenden von Patienten nachgewiesen, und neue, noch wirkungsvollere Medikamente sind momentan in klinischer Erprobung für alle Leukämiearten.
Wer für sich entscheidet, ohne ärztliche Rücksprache die schulmedizinische Therapie durch zusätzliche Wirkstoffe zu gefährden den schulmedizinischen Bereich entgegen ärztlichen Rat komplett zu verlassen, sollte sich darüber klar sein, dass es KEINE belastbaren Studiendaten für "alternative" Leukämietherapien gibt - und vermutlich nie geben wird, da die "alternativen" Pharmafirmen (es werden Millionenumsätze mit verschreibungsfreien Alternativprodukten gemacht) diese aus verschiedensten Gründen nicht durchführen (wollen) - und nur einen Bruchteil ihrer Umsätze in die klinische Forschung lenken.
Mündige Patienten, die sich mangels Daten auf ihre Hoffnung in die Theorie der Wirkweise dieser alternativen Präparate berufen und ihr persönliches Schicksal darauf setzen, sollten daher öffentlich gegenüber eben diesen "Alternativ"-Pharmafirmen FÜR die Durchführung wissenschaftlich haltbarer, randomisierter Leukämie-Studien eintreten. Nur dann könnten solche Präparate, soweit sie sich dann als wirkungsvoll erweisen, wirklich jemals ernst genommen - und Vermutung und Hoffnung durch Fakten ersetzt - werden. Dies wäre hilfreicher, als Mund-zu-Mund-Werbung zu betreiben oder andere Leukämie-Patienten mit Erfahrungen aus dem Bereich solider Tumore zu verunsichern. Da viele der Alternativ-Präparate gerade auf diesem Weg ("Pharma-Network-Marketing") über vorgebliche Patienten mit guten Erfahrungen via Internet-Foren beworben werden (vgl Laetrile, Zellular-Medizin, Papaya-Superkonzentrat etc), müssen wir leider gerade bei anonymen Beiträgen als Forums-Moderatoren recht vorsichtig sein.
Ich hoffe, der gereizten Stimmung damit etwas den Wind zu nehmen. Ich danke herzlichst für Eure Reflektion - bitte denkt immer dran, dass hinter jedem Pseudonym hier im Forum auch ein Mensch sitzt.
Herzliche Grüße
Jan
Leukämie-Online