von Nebelzauberer » 27.03.2020, 11:58
Hallo Delpina,
im Prinzip hat Thomas das Wesentliche schon ganz gut gesagt.
Zur Risikogruppe:
Offiziell gelten laut Robert-Koch-Institut alle Patienten mit Krebs, also auch solche mit CLL, als Risikopatienten. Hier steht dazu Genaueres:
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/N ... uppen.html. In den USA werden insbesondere CLL-Patienten von den dortigen Spezialisten generell als besonders gefährdet eingestuft und sie sollten sich weitgehend isolieren. Studien gibt es aufgrund mangelnder Datenbasis speziell zur CLL nicht. Allerdings dürfte die Spannbreite da riesig groß sein, da insbesondere ältere Patienten sowieso schon einmal zur Hauptrisikogruppe gehören und das Durchschnittsalter einer CLL-Erkrankung bei run 71 Jahren liegt. Also gilt generell: Ja, aufgrund der Immunschwäche, die jeder CLL-Patient, egal in welchem Stadium, mehr oder weniger ausgeprägt hat, gilt man schon unabhängig vom Alter als Risikopatient mit höherer Gefahr für schwere Verläufe bis hin zum Tod.
Individuell kann dies - wie ja schon Thomas geschrieben hat - auch anders aussehen. Grundsätzlich sieht es wohl so aus (zumindest laut den Podcasts von Prof. Drosten):
1. Phase: Das Virus tritt über den Rachenraum in den Körper ein und vermehrt sich dort fleißig. Das spezifische Immunsystem kennt das Virus nicht, da es gänzlich neu ist, d. h. des reagiert zuerst nur wenig darauf. zunächst kommt es also auf das unspezifische, angeborene Immunsystem an. Erst später - wenn das Virus im Körper "entschlüsselt" wurde, folgt eine spezifische Antwort mit Immunglobulinen G. Wie gut beides noch funktioniert, ist von CLL-Patient zu CLL-Patient völlig unterschiedlich. Wenn man Glück hat, sind angeborenes und erworbenes/spezifisches Immunsystem noch so gut, dass das Virus jetzt besiegt wird und es nicht zu Phase 2 kommt.
2. Phase (diese betrifft nur die schweren Verläufe, also ca. 20 % aller Infizierten und mit höherer Wahrscheinlichkeit ältere und Patienten mit Vorerkrankungen, also auch CLL): Das Virus wandert in die Lunge, weil das angeborene/unspezifische Immunsystem nicht mit dem Virus fertiggeworden ist und/oder das erworbene/spezifische Immunsystem nicht ausreichend/schnell genug reagieren konnte. Es entwickelt sich eine atypische Pneunomie. Bei einem Teil der Patienten überreagiert das Immunsystem nun und greift die eigenen Zellen an, um die Entzündung durch die Viren möglichst rasch zu beseitigen. Das kann wohl so auch bei Patienten ohne Vorerkrankungen passieren. Ich fürchte aber, das dürfte auch bei einigen CLL-Patienten so laufen, da es dort ja auch Autoimmunreaktionen gibt. Bei einem anderen Teil der Patienten kommt es vor, dass das Immunsystem zu schwach reagiert und sich das Virus ungehindert verbreiten kann. Außerdem besteht auch die Gefahr einer Superinfektion, d. h. dass noch eine bakterielle Infektion zusätzlich ergibt. Daher sollte man sich als Risikopatient gegen Pneumokokken impfen lassen. Mit Glück schafft es der Körper aber zumindest jetzt, eine angemessene Immunantwort zu liefern.
Aber aus Blutwerten genaue Vorhersagen zu treffen über den Verlauf dürfte kaum möglich sein. Hier geht es nur um Wahrscheinlichkeiten. Und die ist eben für einen schweren Verlauf bei der CLL wahrscheinlicher aufgrund der Annahme einer generellen Immunschwäche.
Zu mir selbst:
Ich passe mit jetzt 43 Jahren nicht so ganz ins typische CLL-Schema. Seit 7 Jahren lebe ich eigentlich ganz gut mit meiner Krankheit, die Blutwerte verschlechtern sich nur extrem langsam. Erkältet bin ich nicht besonders oft, obwohl ich als Lehrer und mit Familie schon viel Kontakt mit Kindern und Jugendlichen habe. Allerdings sind die reinen Blutwerte in Bezug auf die Immunglobuline schon so, dass ich gemäß Blutbild eine leichte Immunschwäche habe. Augenblicklich fühle ich mich physisch gut, psychisch macht mir der Virus aber zu schaffen. Es geht da wohl vor allem um Kontrolle. CLL empfand ich damals als totalen Kontrollverlust. Ich konnte nichts dagegen tun und mich auf "Wait an watch" einlassen. Mit der Zeit trat Gewöhnung ein und jetzt lebe ich damit und eben auch mit einem Risiko, dass es schlimmer werden könnte. Nun verspüre ich wieder diesen Kontrollverlust und bin noch dazu auch noch auf die Rücksicht anderer angewiesen. Momentan klappt die Isolation dank Schulschließungen halbwegs ordentlich, Home-Office sei Dank. Allerdings kann und will ich mich nicht von meinen Kindern und meiner Frau für vielleicht mehrere Monate komplett isolieren. Hinzu kommt, dass ja evtl. nach Ostern die Schulen wieder öffnen - da klappt dann Isolation überhaupt nicht mehr.
LG und bleib gesund
Nebelzauberer
Hallo Delpina,
im Prinzip hat Thomas das Wesentliche schon ganz gut gesagt.
[b]Zur Risikogruppe:[/b]
Offiziell gelten laut Robert-Koch-Institut alle Patienten mit Krebs, also auch solche mit CLL, als Risikopatienten. Hier steht dazu Genaueres: [url]https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogruppen.html[/url]. In den USA werden insbesondere CLL-Patienten von den dortigen Spezialisten generell als besonders gefährdet eingestuft und sie sollten sich weitgehend isolieren. Studien gibt es aufgrund mangelnder Datenbasis speziell zur CLL nicht. Allerdings dürfte die Spannbreite da riesig groß sein, da insbesondere ältere Patienten sowieso schon einmal zur Hauptrisikogruppe gehören und das Durchschnittsalter einer CLL-Erkrankung bei run 71 Jahren liegt. Also gilt generell: Ja, aufgrund der Immunschwäche, die jeder CLL-Patient, egal in welchem Stadium, mehr oder weniger ausgeprägt hat, gilt man schon unabhängig vom Alter als Risikopatient mit höherer Gefahr für schwere Verläufe bis hin zum Tod.
Individuell kann dies - wie ja schon Thomas geschrieben hat - auch anders aussehen. Grundsätzlich sieht es wohl so aus (zumindest laut den Podcasts von Prof. Drosten):
1. Phase: Das Virus tritt über den Rachenraum in den Körper ein und vermehrt sich dort fleißig. Das spezifische Immunsystem kennt das Virus nicht, da es gänzlich neu ist, d. h. des reagiert zuerst nur wenig darauf. zunächst kommt es also auf das unspezifische, angeborene Immunsystem an. Erst später - wenn das Virus im Körper "entschlüsselt" wurde, folgt eine spezifische Antwort mit Immunglobulinen G. Wie gut beides noch funktioniert, ist von CLL-Patient zu CLL-Patient völlig unterschiedlich. Wenn man Glück hat, sind angeborenes und erworbenes/spezifisches Immunsystem noch so gut, dass das Virus jetzt besiegt wird und es nicht zu Phase 2 kommt.
2. Phase (diese betrifft nur die schweren Verläufe, also ca. 20 % aller Infizierten und mit höherer Wahrscheinlichkeit ältere und Patienten mit Vorerkrankungen, also auch CLL): Das Virus wandert in die Lunge, weil das angeborene/unspezifische Immunsystem nicht mit dem Virus fertiggeworden ist und/oder das erworbene/spezifische Immunsystem nicht ausreichend/schnell genug reagieren konnte. Es entwickelt sich eine atypische Pneunomie. Bei einem Teil der Patienten überreagiert das Immunsystem nun und greift die eigenen Zellen an, um die Entzündung durch die Viren möglichst rasch zu beseitigen. Das kann wohl so auch bei Patienten ohne Vorerkrankungen passieren. Ich fürchte aber, das dürfte auch bei einigen CLL-Patienten so laufen, da es dort ja auch Autoimmunreaktionen gibt. Bei einem anderen Teil der Patienten kommt es vor, dass das Immunsystem zu schwach reagiert und sich das Virus ungehindert verbreiten kann. Außerdem besteht auch die Gefahr einer Superinfektion, d. h. dass noch eine bakterielle Infektion zusätzlich ergibt. Daher sollte man sich als Risikopatient gegen Pneumokokken impfen lassen. Mit Glück schafft es der Körper aber zumindest jetzt, eine angemessene Immunantwort zu liefern.
Aber aus Blutwerten genaue Vorhersagen zu treffen über den Verlauf dürfte kaum möglich sein. Hier geht es nur um Wahrscheinlichkeiten. Und die ist eben für einen schweren Verlauf bei der CLL wahrscheinlicher aufgrund der Annahme einer generellen Immunschwäche.
[b]Zu mir selbst:[/b]
Ich passe mit jetzt 43 Jahren nicht so ganz ins typische CLL-Schema. Seit 7 Jahren lebe ich eigentlich ganz gut mit meiner Krankheit, die Blutwerte verschlechtern sich nur extrem langsam. Erkältet bin ich nicht besonders oft, obwohl ich als Lehrer und mit Familie schon viel Kontakt mit Kindern und Jugendlichen habe. Allerdings sind die reinen Blutwerte in Bezug auf die Immunglobuline schon so, dass ich gemäß Blutbild eine leichte Immunschwäche habe. Augenblicklich fühle ich mich physisch gut, psychisch macht mir der Virus aber zu schaffen. Es geht da wohl vor allem um Kontrolle. CLL empfand ich damals als totalen Kontrollverlust. Ich konnte nichts dagegen tun und mich auf "Wait an watch" einlassen. Mit der Zeit trat Gewöhnung ein und jetzt lebe ich damit und eben auch mit einem Risiko, dass es schlimmer werden könnte. Nun verspüre ich wieder diesen Kontrollverlust und bin noch dazu auch noch auf die Rücksicht anderer angewiesen. Momentan klappt die Isolation dank Schulschließungen halbwegs ordentlich, Home-Office sei Dank. Allerdings kann und will ich mich nicht von meinen Kindern und meiner Frau für vielleicht mehrere Monate komplett isolieren. Hinzu kommt, dass ja evtl. nach Ostern die Schulen wieder öffnen - da klappt dann Isolation überhaupt nicht mehr.
LG und bleib gesund
Nebelzauberer