Philadelphia-positiven Zellen gelten als die Ursache der CML. Doch für die
Blastenkrise im Endstadium der CML sind nach einer im US-amerikanischen New England Journal of Medicine (NEJM) veröffentlichten Studie andere Zellen verantwortlich: Ausgereifte
Granulozyten/Makrophagen erwerben
stammzellenähnliche Eigenschaften. Dies könnte Mechanismen der Resistenzentwicklung gegen
Imatinib (
Glivec) in fortgeschrittenen Phasen der Krankheit erklären, aber auch neue Ansatzpunkte für eine
kurative CML-Therapie aufzeigen.
Das
Philadelphia-Chromosom ist das zentrale Kennzeichen der CML. Es entsteht durch den gegenseitigen Austausch von Abschnitten der
Chromosomen 22 und 9. Dadurch wird das Fusions-
Gen "
Bcr-Abl" gebildet, zusammengesetzt aus dem "Motor" ABL-Kinase und dem "Wachstumsfaktor" BCR. Das Ergebnis ist ein unkontrolliertes Zellwachstum.
Imatinib blockiert die ABL-Kinase und stellt dadurch den Normalzustand wieder her, eine eigentlich nahezu ideale Therapie der CML.
Zunächst sah es danach aus, als ob der Wirkstoff
Imatinib (im Handel als
Glivec erhältlich) die CML heilen könnte. Unter der Behandlung normalisiert sich, vor allem in der
chronischen Phase der Erkrankung, nicht nur das
Blutbild. Auch die Philadelphia-positiven
Stammzellen verschwinden fast vollständig aus dem
Knochenmark. Die Therapie glänzt durch häufige und anhaltende zytogenetische Remissionen, doch vor allem in fortgeschrittenen Stadien der Krankheit kommt es zu Rückfällen. Insbesondere in der
Blastenkrise, dem Endstadium der Erkrankung, ist das Medikament meistens erfolglos.
Die mögliche Ursache hierfür haben Catriona Jamieson von der Stanford-Universität und Kollegen herausgefunden. Sie entdeckten unter den
Stammzellen, die in der
Blastenkrise auftreten, solche, die ausdifferenzierten Blutzellen sehr stark ähneln. Und tatsächlich: Die genaue Analyse belegte, dass es sich um unmittelbare Vorläuferzellen der
Granulozyten und Makrophagen aus dem peripheren Blut handelt. Diese Zellen gehören normalerweise nicht zu den
Stammzellen. Doch in der
Blastenkrise der CML verändern sie ihre Natur. Sie enthalten jetzt in großer Menge ein Eiweiß namens Beta-Catenin in ihrem Zellkern. Beta-Catenin ist normalerweise ein Bestandteil von embryonalen Zellen, in denen es die Zellteilung antreibt. In der
Blastenkrise sorgt Beta-Catenin dafür, dass die Vorläuferzellen der
Granulozyten und Makrophagen unabhängig von
BCR-ABL und damit vom
Glivec-Target einen dauerhaften Nachschub an
Blasten produzieren.
Bisher war man davon ausgegangen, dass die CML-typischen, krankhaften
Stammzellen von normalen
Stammzellen abstammen, wie jenen, die im
Knochenmark rote Blutkörperchen und Immunzellen produzieren. Die nun vorliegende Studie im NEJM belegt jedoch, dass die kanzerösen Zellen entstehen, indem eine normale, erwachsene Zelle mutiert und die stammzellentypische Fähigkeit zur Selbsterneuerung erlangt.
In der Studie wurden nun diese Vorläuferzellen erstmals für die CML beschrieben. Zusätzlich wurde erstmals identifiziert, welche Zelltypen kanzerös werden, d.h. sich von einer normalen Zelle in eine Krebsvorläuferzelle verwandeln. Das Team um Catriona Jamieson von der Stanford University School of Medicine unterteilte die kanzerösen Zellen in Untergruppen, die alle über ein charakteristisches Muster von
Proteinen an ihrer Oberfläche verfügten, und verglich diese mit Zellen von gesunden Menschen. Anschließend wurde jede dieser kanzerösen Populationen auf einer eigenen Laborschale platziert, um zu ermitteln, welche davon sich erneuern konnten. Es zeigte sich, dass nur eine Zellgruppe über die Fähigkeit verfügte, sich permanent zu teilen, um neue
Stammzellen zu bilden, oder zu Blutzellen heranzureifen. Gleichzeitig schloss man daraus, dass Therapien wie
Imatinib, die speziell auf
BCR-ABL abzielen, leukämische Vorläuferzellen bekämpfen, nicht aber selbsterhaltende, philadelphia-positive
Stammzellen.
Die Forschungsergebnisse könnten bedeuten, dass Beta-Catenin ein neuer Ansatzpunkt für eine Therapie der CML ist, wenn es dabei gelingen würde, die eigentliche Quelle der Krebsentstehung, d.h. die bisher als "schlafend" (quiescent) bezeichneten philadelphia-positiven
Stammzellen, gezielt auszuschalten. Wie die Forscher berichten, wird Beta-Catenin von einem anderen Protein namens "Wnt" angetrieben. "Wnt" sei normalerweise nur in Zellen aktiv, die sich dauerhaft teilen, also embryonalen Zellen oder
Stammzellen, heißt es in der Pressemitteilung des Instituts. Auch "Wnt" biete sich deshalb als Ansatzpunkt für eine neue Therapie an.
Die Ergebnisse zeigen, dass längst nicht alle Rätsel der Entstehung der CML gelöst sind. Unklar bleibt letztlich auch, was die Vermehrung der
Granulozyten/Makrophagen-Vorläuferzellen auslöst. Ständige Fortschritte in der CML-Forschung geben jedoch berechtigte Hoffnung auf noch wirksamere medikamentöse Therapien.
Quellen:
Weiterführende Links:Abstract der Studie im NEJM (englisch)
Pressemitteilung der Stanford Universität (englisch)
Philadelphia-Chromosom
Charakteristisches Merkmal der chronisch myeloischen Leukämie. Die Chromosomenmutation entsteht durch Transfer des Hauptteils des langen Arms von Chromosom 9 nach Chromosom 22 (= Translokation).
Granulozyten
Klasse von weißen Blutzellen (Leukozyten), die im Knochenmark heranreifen und dann überall im Körper Fremdkörper, Bakterien, Pilze oder abgestorbene Zellen aufnehmen und die Krankheitskeime durch eigene Giftstoffe abtöten.
Blastenkrise
Die dritte Phase der Entwicklung von CML; sie entsteht nach der chronischen und akzelerierten Phase. Ihr Merkmal ist das Vorkommen einer zunehmenden Anzahl von unreifen Blutkörperchen („Blasten") im Blut oder Knochenmark.
Stammzellen
Stammzellen sind Blutvorläuferzellen, aus denen sich verschiedene Arten von Zelltypen wie die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und weißen (Leukozythen) Blutzellen sowie Blutplättchen (Thrombozyten) und einige andere Zellen entstehen. Die Stammzellen befinden sich im Knochenmark und teilweise auch im Blut. Es gibt eine Anzahl von verschiedenen Entwicklungsstadien der Stammzellen (z.B. embryonale Stammzellen, aus denen sich der ganze Organismus entwickelt) oder Entwicklungsstadien aus denen nur noch bestimmte Zellarten entstehen können, z.B. Blutstammzellen, aus denen sich alle Blutkörperchen bilden.
Knochenmark
Das Innere der großen Knochen - vor allem des Hüftknochens und des Oberschenkels. Dort werden die Blut- und Immunzellen gebildet. Das Knochenmark bildet sich ständig neu.
Chromosomen
Träger des Erbguts im Zellkern. Sie enthalten die riesigen Kettenmoleküle der DNA kompakt verdrillt und gefaltet als Aggregate mit speziellen Proteinen. Die Chromosomen dienen unter anderem bei der Zellteilung der gleichen Verteilung des Erbguts auf die Tochterzellen. Die normalen menschlichen Körperzellen haben 46 Chromosomen. Bei Krebszellen kann die Zahl und/oder Struktur der Chromosomen verändert sein.
Remission
Vorübergehende oder dauerhafte Rückbildung von Krankheitszeichen. Bei Krebs: Partielle Remission = teilweises Verschwinden oder Verkleinerung von Krebszellen, komplette Remission = keine Krebszellen nachweisbar
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Proteine
Große Moleküle, die sich aus über 100 Amonosäuren bzw. Peptiden zusammensetzen
Blutbild
Untersuchung der Zusammensetzung der Blutzellen nach Art und Anzahl, besonders genau im Differentialblutbild
Imatinib
Imatinib, Handelsname Glivec/Gleevec, Laborname STI-571, ein BCR-ABL-Tyrosinkinasehemmer der ersten Generation. Zugelassen seit Jahr 2002 für die Behandlung der CML und Ph-positiven ALL.
kurativ
heilend, auf Heilung ausgerichtet, Gegensatz zu palliativ
Blasten
Unreife Zellen, z. B. Blutzellvorläufer im Blut oder Knochenmark
BCR-ABL
BCR-ABL ist ein Fusionsgen auf Chromosom 22. Das Chromosom mit diesem Gen wird als Philadelphia-Chromosom bezeichnet. Es kommt bei fast 95 Prozent der Patienten mit CML (Chronisch Myeloischer Leukämie) vor. Das Gen ABLim Fusionsgen enthält den Bauplan für ein Enzym, eine Tyrosinkinase. Dieses Enzym ist wesentlich an der Übertragung von Signalen beteiligt, die für die Regulation des Zellwachstums und der Zelldifferenzierung erforderlich sind. Durch die Fusion der beiden Gene wird das Tyrosinkinase-Gen aktiviert. Die Folge: Zellen mit diesem Gen vermehren sich unkontrolliert. Das molekulare Ereignis wird als Hauptursache für die Entstehung der CML angesehen.
Glivec
Imatinib wird unter dem Handelsnahmen Glivec (Hersteller Novartis) vertrieben.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
RNA
Die Ribonukleinsäure (RNA) ist der kleine Bruder der DNA . Sie ist ein einzelsträngiges kettenförmiges Molekül, das aus DNA umgeschriebene Erbinformation eines einzigen Genes enthält, und im Plasma der Zellen in das Genprodukt (= Eiweißmolekül, Protein) umgeschrieben wird (Biosynthese).
CHR
Komplette hämatologische Remission (complete haematologic response).
GUS
ß-Glucuronidase ist ein Enzym
ELN
Das Europäische Leukämie Netz ist eine von der EU finanzierte Organisation bestehend aus Medizinern, Wissenschaftlern und Patienten aus dem Leukämie-Bereich, das zum Ziel hat, die Behandlung von Leukämie-Erkrankungen zu verbessern, Wissen zu generieren und dieses Wissen in Europa zu verbreiten.
Chronische Phase
Die früheste Phase in der Entwicklung von CML
Stammzellen
Stammzellen sind Blutvorläuferzellen, aus denen sich verschiedene Arten von Zelltypen wie die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und weißen (Leukozythen) Blutzellen sowie Blutplättchen (Thrombozyten) und einige andere Zellen entstehen. Die Stammzellen befinden sich im Knochenmark und teilweise auch im Blut. Es gibt eine Anzahl von verschiedenen Entwicklungsstadien der Stammzellen (z.B. embryonale Stammzellen, aus denen sich der ganze Organismus entwickelt) oder Entwicklungsstadien aus denen nur noch bestimmte Zellarten entstehen können, z.B. Blutstammzellen, aus denen sich alle Blutkörperchen bilden.
Chromosomen
Träger des Erbguts im Zellkern. Sie enthalten die riesigen Kettenmoleküle der DNA kompakt verdrillt und gefaltet als Aggregate mit speziellen Proteinen. Die Chromosomen dienen unter anderem bei der Zellteilung der gleichen Verteilung des Erbguts auf die Tochterzellen. Die normalen menschlichen Körperzellen haben 46 Chromosomen. Bei Krebszellen kann die Zahl und/oder Struktur der Chromosomen verändert sein.
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Proteine
Große Moleküle, die sich aus über 100 Amonosäuren bzw. Peptiden zusammensetzen
Proteine
Große Moleküle, die sich aus über 100 Amonosäuren bzw. Peptiden zusammensetzen
kurativ
heilend, auf Heilung ausgerichtet, Gegensatz zu palliativ
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
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