Leukämie-Online-Treffen am Welt-CML-Tag 2018: Neues zur CML aus Sicht der Kliniker, Apotheker und Selbsthilfe – und viel Austausch!

Photo 23.09.18 12 55 48

Am 22.-23. September 2018 fand in Düsseldorf das jährliche Treffen von Leukämie-Online anlässlich des Welt-CML-Tags (22.9.) statt. Rund um den Welt-CML-Tag führen CML-Patientenorganisationen in allen Teilen der Welt Veranstaltungen und Initiativen durch, um Patienten und Angehörige, die von Chronischer Myeloischer Leukämie betroffen sind, zu unterstützen. Die rund 130 Patienten und Angehörige aus Deutschland, Österreich und der Schweiz erwartete in Düsseldorf nicht nur ein informatives Programm mit Vorträgen von den CML-Experten Prof. Andreas Burchert (Marburg), Prof Martin Müller (Mannheim) und dem onkologischen Apotheker Dr. Michael Scheller (Krefeld), sondern auch viel Zeit für den persönlichen Erfahrungsaustausch. Jan Geißler, Vorsitzender von LeukaNET, berichtete zusätzlich über die Aktivitäten von Leukaemie-Online.de und von dem internationalen Netzwerk von CML-Patientenorganisationen CMLadvocates.net.

Therapieziele, Diagnostik und CML-Verlaufskontrolle

Martin MüllerProf Martin Müller vom Institut für Hämatologie und Onkologie, Mannheim, berichtete über die Grundlagen der CML-Diagnostik, Therapieziele und Leitlinien. Neben der Erklärung der PCR-Diagnostik für die Verlaufskontrolle sowie der Bedeutung von IS-Standardisierung zur besseren Vergleichbarkeit von Laborergebnissen erläuterte er die Therapieziele der CML, z.B. der prognostischen Relevanz einer Erreichung des 10% BCR-ABL-Schwellwerts nach 3 Monaten sowie der Geschwindigkeit der Reduktion der Tumorlast zu Beginn der Therapie. Er hob das in den CML-Therapieleitlinien definierte Erreichen der Therapiemeilensteine nach 3, 6 und 12 Monaten hervor. Auch die erforderliche Häufigkeit von PCR-Untersuchungen im Verlauf sowie bei einem Therapiestopp, wann eine zusätzliche Mutationsanalyse Sinn machen kann, und die Bedeutung der Therapietreue wurden angesprochen. 2018 09 23 18 26 33 PowerPoint Slide Show MUELLER Diagnostik 1.1.pptxDie Teilnehmer des Treffens beteiligten sich sehr rege mit Fragen z.B. einer angemessenen Zeit bis zum Erhalt von PCR-Testergebnissen, welche Informationen auf einem „guten“ Laborbericht enthalten sein sollten, z.B. die Ergebnisse nach IS-Standardisierung, die Empfindlichkeit des Tests, Anzahl der Kontrollgen-Kopien, eine Interpretation der Ergebnisse zur Feststellung der Remissionstiefe, und das im Test verwendete Kontrollgen. Auch die Anforderungen an die PCR-Diagnostik im Falle eines Absetzens der Therapie in tiefer molekularer Remission wurde intensiv diskutiert.

Aktueller Stand der CML-Therapie und Ausblick auf die Forschung

Prof. Andreas Burchert von der Universitätsklinik Marburg ging sehr intensiv auf den heutigen Stand der CML-Therapie, die aktuellen Anstrengungen zur Erforschung einer möglichen Heilung von CML durch Auslöschung der verbleibenden CML-Stammzellen, den Umgang mit Nebenwirkungen der fünf CML-Medikamente und aktuelle Studien mit Interferon, Asciminib (ABL001) und Therapiestopp ein. Ein intensiver Diskussionspunkt war die Wahl der Erstlinienmedikamente und die Therapiewahl im Falle von Resistenz und Unverträglichkeit, basierend auf den Charakteristika der CML und der Existenz von Begleiterkrankungen. Photo 23.09.18 09 13 44Die Haupt-Therapieziele im Jahr 2018 sind weiterhin das Sichern des Überlebens und die Vermeidung des Risikos einer Progression der Erkrankung, aber auch die Sicherung der Lebensqualität, geringe Akutnebenwirkungen, geringe Langzeittoxizität sowie eine Chance des Erreichens einer therapiefreien Remission.

All dies zu erreichen erfordert aber viel Kenntnis über die individuellen Prioritäten des Patienten, dessen Begleiterkrankungen, dem Risikoscore zum Zeitpunkt der Diagnose, und auch der Risiken einer mangelhaften Einnahme der Medikamente (Therapietreue). Die Verhinderung einer Progression in fortgeschrittene Phasen der Erkrankung ist dabei weiterhin das wichtigste Ziel für neu diagnostizierte CML-Patienten. Es wurde viel über die Voraussetzungen für das Erreichen einer therapiefreien Remisson nach Therapiestopp diskutiert, und anhand welcher Kriterien eine Therapiewahl im Falle eines fehlgeschlagenen Stoppversuchs erfolgen könne. Auf viel Interesse der Teilnehmer stießen die Erfahrungen mit Interferon in der TIGER-Studie sowie in aktuellen ENDURE-Stoppstudie, in der Peg-Interferon als zeitweilige Erhaltungstherapie zur Erhöhung eines Therapiestopp-Erfolgs untersucht wird - und die eine Möglichkeit für CML-Patienten in Deutschland darstellt, Zugang zu einer nur in Studien verfügbaren, gut verträglichen Variante des Peg-Interferons zu erhalten. Die Präsentation wurde durch einen Bericht von Prof. Burchert über die aktuellen Studien abgerundet, in denen mit BCL2-Hemmern wie Venetoclax oder Immuntherapien wie Ipilimumab, Nivolumab, Pembrolizumab und Atezolizumab versucht wird, die Restleukämie bzw. die durch die verfügbaren TKI-Hemmer nicht erreichbaren Rest-Stammzellen auszulöschen.

Wechselwirkungen mit CML-Medikamenten: Sicht des Apothekers

Dr. Michael Scheller, Apotheker im Helios Klinikum Krefeld, berichtete über die Mechanismen von Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arzneimitteln. Bei einer gleichzeitigen Einnahme von CML-Medikamenten können sich diese gegenseitig in ihren Wirkungen beeinflussen können. Dabei kann es sein, dass ein anderes Medikament die Bioverfügbarkeit eines CML-Tyrosinkinasehemmer erhöht, wodurch gleichzeitig auch das Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen ansteigen kann. Senkt ein anderes Arzneimittel die Bioverfügbarkeit des CML-Medikaments, dann können möglicherweise keine wirksamen Blutspiegel erreicht werden und die Krebstherapie in Gefahr geraten. Dies kann bei häufig eingenommenen Medikamenten wie Antibiotika, Pilzmitteln, Blutdruckmitteln, Magensäurehemmern, aber auch pflanzliche Arzneimittel wie wie Johanneskraut, Gingko, Ginseng oder Echinacea der Fall sein. Wechselwirkungen können aber auch durch Nahrungsmittel ausgelöst werden. Typische Beispiele hierfür sind Grapefruit, Sternfrucht, Pomelo, Klementinen oder Bitterorangen.2018 09 23 18 59 47 PowerPoint Slide Show SCHELLER Wechselwirkungen TKI.pptx

Wechselwirkungen können gegebenfalls auch nach einmaliger Einnahme tagelang fortbestehen (z.B. bei Magensäurehemmern oder bei Grapefruit, weil die am Medikamentenabbau beteiligten Enzyme erst langsam nachgebildet werden), wodurch auch die verteilte Einnahme über den Tag nicht bei der Vermeidung von Wechselwirkungen hilft. Es ist daher unbedingt erforderlich, dass alle Medikationen mit dem behandelnden Arzt und dem Apotheker besprochen werden, um mögliche Risiken für die Krebstherapie oder bzgl. überhöhter Nebenwirkungen zu vermeiden. Interessant waren auch Prof. Schellers Tipps bzgl der vereinfachten Einnahme oraler Arzneimittel – Tabletten mit der „Pop-Bottle-Technik“ (Tablette auf die Zunge, dann schwungvollen Schluck aus einer Wasserflasche und in einem Zug schlucken, ohne dass Luft in die Flasche gelangt), und Kapseln mit der „Vorwärts-Neige-Technik“ (Kapsel auf die Zunge legen, dann einen mittleren Schluck nehmen, nicht gleich runterschlucken und dann Wasser und Arznei schlucken, während der Kopf Richtung Brust bewegt wird). Mindestens 100ml Wasser und ausreichend große Schlucke (mind. 10ml) verringert die Gefahr von hängenbleibenden Tabletten bzw. Kapseln, die beim Auflösen im Mund- und Rachenraum unangenehm werden können.

Bericht von Leukaemie-Online.de / LeukaNET

Jan Geißler berichtete über die Aktivitäten von Leukämie-Online. Er verwies auf das reichhaltige Informationsangebot für CML-Patienten, z.B. den CML-Infobereich, die CML-Studiendatenbank samt Infotext „Was sind klinische Studien?“, das CML-Generika-Webinar, die CML-Leitlinien, die Berichte von der amerikanischen Hämatologenkonferenz ASH sowie das CML-Buch „Manchmal ein Kunststück“. Außerdem berichtete er über die deutschsprachige EUPATI-Plattform, die laienverständliche Informationen über den Arzneimittelentwicklungsprozess sowie ein umfangreiches Lexikon enthält. In der Zusammenarbeit mit der Deutschen CML-Allianz wurden die Beiträge von Leukämie-Online-Mitgliedern durch Vorträge auf den Jahrestreffen der deutschen CML-Studiengruppe zur Patientenperspektive zu Informationsbedürfnissen, Therapiestopp, Diagnostik, CML-Generika, CML bei Kindern und jungen Erwachsenen hevorgehoben. Auf internationaler Ebene engagiert sich LeukaNET, der Verein von Leukaemie-Online.de, durch das von LeukaNET mitgegründete CML Advocates Network, einem Netzwerk von mittlerweile 119 CML-Patientenorganisationen in 89 Ländern. Dies beinhaltet die Mitwirkung in Gremien der Fachgesellschaften, der Europäischen Kommission und der „Europäischen Referenznetze“. Besonders betont wurde die umfangreiche eigene Forschungsarbeit des CML Advocates Network im Bereich der Therapietreue und des CML-Therapiestopps (TFR), in der Deutschland zu den aktivsten Teilnehmern gehörte. Zuletzt rief Jan Geißler noch die Bedeutung von Spenden für den Verein in Erinnerung, da nur mit entsprechenden finanziellen Mitteln Initiativen und Veranstaltungen wirkungsvoll durchgeführt werden können.

Photo 23.09.18 11 25 48Insgesamt war das Leukämie-Online-Treffen – wie in den Vorjahren – eine sehr gute Gelegenheit, sich intensiv über die Therapie und Verlaufskontrolle der CML sowie Erforschung zukünftiger Therapien zu informieren. Frühstück, Kaffeepausen, Mittag- und Abendessen wurden zum intensiven Austausch genutzt. Die Teilnehmer im Raum hatten zusammengerechnet rund 420 Jahre Eigenerfahrung mit CML – der „Dienstälteste“ mit bereits 25 Jahren CML, einige waren bereits beim fast allen früheren Leukämie-Online-Treffen der letzten 13 Jahre dabei, und manche erhielten die Diagnose erst vor wenigen Wochen. Daher war der Austausch zwischen „alten Bekannten“ und „Neulingen“ wie immer sehr wertvoll. Es wurde schon ein Ruf nach dem nächsten Treffen laut – der nächste Welt-CML-Tag ist Sonntag, der 22.9.2019 – sicherheitshalber also dieses Wochenende schonmal im Kalender reservieren!

Weitere Links:

 


Das diesjährige Leukämie-Online-Treffen wurde finanziert durch Privatspenden, sowie durch die Unternehmen Novartis, Pfizer, Bristol-Myers Squibb und Incyte. Keiner der Sponsoren hatte irgendeinen Einfluss auf Gestaltung des Programms, der Referentenwahl oder der Präsentationen. Wir danken allen Unterstützern, ohne die diese Veranstaltung nicht möglich gewesen wäre, oder die Kosten für die einzelnen Teilnehmer deutlich höher gewesen wären. Bitte spenden Sie LeukaNET e.V. zur Unterstützung der wichtigen Arbeit des Vereins!