Studie: Blutstammzellen schneller und schonender gewinnen

Blutstammzellen für eine Knochenmarktransplantation können in 12 Minuten statt in durchschnittlich 27 Minuten aus dem Beckenknochen entnommen werden: Dr. Dr. Heinrich Lannert und seine Kollegen von der Abteilung für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie am Universitätsklinikum Heidelberg berichten in der Online-Ausgabe von "Bone Marrow Transplantation" über eine Studie, in der sie den Einsatz einer optimierten Punktionsnadel getestet haben.

Die effektive Nadel besitzt zusätzlich fünf Löcher an der Seite, durch die mehr Knochenmark abgesaugt wird. Die raschere Entnahme hat mehrere Vorteile: Schwerkranke Patienten erhalten ein hochwertiges Transplantat, bei dem das Abstoßungsrisiko reduziert ist. Dem Knochenmarkspender bleibt wegen des schonenderen Eingriffs der stationäre Aufenthalt erspart; davon hat die Klinik einen ökonomischen Vorteil.

In Europa werden jährlich ca. 10.000 Stammzellspenden transplantiert. Rund 2.500 werden durch eine Entnahme von Knochenmark aus dem Knochen gewonnen; der Rest stammt aus dem Blut des Spenders, dessen Knochenmark mit Hilfe von Medikamenten zur vermehrten Bildung von Stammzellen angeregt worden ist. Bei der Entnahme von Knochenmark wird eine Hohlnadel in den Beckenknochen des Spenders eingeführt und etwa ein Liter Knochenmarkblut abgesaugt. Die Prozedur dauert etwa eine Stunde und wird in Vollnarkose vorgenommen. Angesichts des Risikos von Komplikationen und Narkosezwischenfällen, wenn auch vergleichsweise gering, ist eine Verkürzung des Eingriffs auf ein Minimum von großer Bedeutung.

Die Heidelberger Spezialisten Dr. Dr. Heinrich Lannert, Dr. Thomas Able und ihre Kollegen haben in ihrer Vergleichsstudie mit 49 Knochenmarkspendern die Entnahmezeit um mehr als die Hälfte reduziert. Während in der Vergleichsgruppe die Gewinnung von einem Liter der Blutstammzellen durch eine gängige Hohlnadel mit nur einer Öffnung in der Spitze über 27 Minuten dauerte, erhielten die Ärzte die gleiche Menge in lediglich 12 Minuten, wenn sie die optimierte Punktionsnadel verwendeten. Pro Minute ließen sich fast 82 Milliliter Zellen gewinnen, dagegen lag die Menge bei der Hohlnadel mit einem Loch nur bei knapp 40 Milliliter.

Die Qualität der Zellen war bei beiden Verfahren vergleichbar; bei der neuen Methode waren sogar weniger Lymphozyten nachweisbar. Dies hat Vorteile: Je höher die Zahl dieser Blutzellen ist, desto eher ist mit einer Abstoßungsreaktion beim Patienten zu rechnen.

"Mit dieser Studie haben wir einen neuen Standard gesetzt", erklärt Dr. Dr. Lannert. Dauerhafte Nebenwirkungen nach der Knochenmarkentnahme waren nicht erkennbar; die Spender hatten zudem keine Schmerzen. Künftig könne ein Spender also morgens um 7.30 Uhr in die Klinik kommen und nachmittags um 15.30 Uhr wieder nach Hause gehen. 81 Prozent der Knochenmarkspender, die mit der optimierten Nadel punktiert wurden, konnten die Klinik am selben Tag wieder verlassen im Vergleich zu 44 Prozent der herkömmlich punktierten Spender. Das neue Verfahren soll bald routinemäßig ambulant am Heidelberger Klinikum eingesetzt werden.

Für viele Leukämiepatienten bleibt nach fehlgeschlagener Chemo- oder Strahlentherapie nur die Hoffnung auf das lebensrettende Stammzelltransplantat eines verwandten oder fremden Spenders (allogene Transplantation). Lange Zeit war es Standard, Blutstammzellen aus dem Knochenmark zu gewinnen. Diese Praxis erhielt Konkurrenz, als es möglich wurde, die wertvollen Blutstammzellen mit Hilfe von Medikamenten im Blut anzureichern und durch Blutwäsche, die sogenannte Leukapherese, zu sammeln. Bei etwa einem Viertel der allogenen Blutstammzelltransplantationen wird das Transplantat aus dem Beckenkamm gewonnen, weil es die zugrundeliegende Blutkrankheit erfordert - die Knochenmarkspende wird deshalb auch weiterhin ihren Stellenwert behalten.

Publikation:


"Optimizing BM harvesting from normal adult donors."
Lannert H, Able T, Becker S, Sommer M, Braun M, Stadtherr P, Ho AD;
Bone Marrow Transplantation, 2008 Jul 14. 

Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg, JOURNAL ONKOLOGIE 2000 - 2008 vom 25.07.2008