Stammzelltransplantation: Neue Erkenntnisse über Warnsignale zur GvHD

Freiburger Wissenschaftler haben einen neuen Mechanismus entschlüsselt, der bei der Abstoßungsreaktion nach einer Stammzelltransplantation eine bedeutende Rolle zu spielen scheint. Die Erkenntnisse könnten in Zukunft Leukämiepatienten helfen, berichtet die Forschergruppe im Fachjournal "Nature Medicine" vom 21. November 2010. Bei Patienten mit Graft-versus-Host-Reaktion wird ATP außerhalb der Körperzellen freigesetzt, das normalerweise in hoher Konzentration nur innerhalb der Zellen vorkommt. Dies sei ein früher Warnhinweis für eine GvHD.

Nach der Transplantation von Stammzellen aus dem Knochenmark eines Spenders können weiße Blutkörperchen entstehen, die das Gewebe und die Organe des Empfängers als fremd erkennen - und angreifen. Das Transplantat wendet sich gegen den Wirt (Graft-versus-Host-Reaktion, GvHD). "Diese Reaktion tritt besonders häufig nach Transplantationen fremder Knochenmarkstammzellen auf", erklärt Dr. Robert Zeiser aus der Abteilung Innere Medizin am Universitätsklinikum Freiburg. "Die Zellen des Spenders bekämpfen insbesondere Haut-, Leber- und Darmgewebe und schädigen das Gewebe schwer." Weil die GvHD bei Knochenmarktransplantationen ein beträchtliches Gesundheitsrisiko birgt, schränkt sie bislang deren breitere Anwendung ein.

 

Das könnte sich vielleicht ändern, denn Forscher klärten einige grundlegende Mechanismen der GvHD auf und erforschten, wie sich die Entstehung verhindern lässt: Bei Patienten mit GvHD wird ein spezielles Molekül außerhalb der Körperzellen freigesetzt, das normalerweise in dieser Konzentration nur innerhalb der Zellen vorkommt: Adenosintriphosphat (ATP). "Wenn ATP, das eigentlich die Körperzellen mit Energie versorgt, in den Zellzwischenräumen in der Bauchhöhle nachgewiesen werden kann, ist das ein Warnhinweis für eine GvHD", sagt Zeiser. ATP fungiere also als "Gefahrensignal".

"Wenn wir die GvHD in den Griff bekommen, wird die Prognose von Patientinnen und Patienten mit Leukämie deutlich besser", sagt Zeiser. Denn bisher wurde die Abstoßungsreaktion mit Immunsuppressiva behandelt, also mit Medikamenten, die das Immunsystem unterdrücken: "Dadurch steigt das Risiko, dass die Leukämie erneut aufflammt", so Zeiser, "außerdem sind die Patientinnen und Patienten anfälliger für Infektionen."

Bei Mäusen zeigte sich, dass die medikamentöse Behandlung, die sich gegen das ATP richtet, das Überleben signifikant verbesserte. Auch der Krankheitsschweregrad in Darm und Leber war deutlich verringert. Die neuen Erkenntnisse seien nicht nur für Leukämiekranke wichtig, sondern möglicherweise auch für die gesamte Transplantationsmedizin: "Durch die pharmakologische Unterbrechung von Warnsignalen wie ATP können unkontrollierte Reaktionen des Immunsystems möglicherweise besser behandelt werden. Das trifft auf die GvHD zu, möglicherweise aber auch auf Transplantatabstoßung oder Sepsis".

Quelle: netdoktor.de vom 2.12.2010