- Published on 28.07.2010, 15:41
- Von Jan Geissler
Im New England Journal of Medicine berichtet eine italienische Forschergruppe um Dr. Dino Veneri den Fallbericht einer 70jährigen Frau mit einem langjährig bestehenden Typ-2-Diabetes, bei welcher es im Rahmen der Therapie einer CML mit
Imatinib zu einer kompletten Rückbildung des bereits insulinpflichtigen Diabetes kam.
Nachdem eine zu starke Vermehrung der Leukozyten (
Leukozytose) und unreife,
myeloische Zellen im peripheren
Blutbild festgestellt wurden und in weiterer Folge im März 2004 eine CML diagnostiziert wurde, erfolgte die Einleitung der Therapie mit 400mg
Imatinib/Tag; 2 Monate später konnte eine hämatologische
Remission dokumentiert werden und zusätzlich war ein deutlicher Rückgang der Blutzuckerspiegel zu verzeichnen, so dass die Insulintherapie sukzessive reduziert und schließlich im Juni 2004 abgesetzt werden musste.
Ein durchgeführter Glucose-Toleranztest zeigte keine gestörte Glukosetoleranz mehr, so dass die Diagnose des Typ 2 Diabetes nicht mehr aufrechterhalten werden konnte. Seit einem Jahr ist die Patientin gewichtsstabil und zeigt einen unveränderten Glukosestoffwechsel.
Der Wirkstoff
Imatinib-Mesylat (Handelsname
Glivec) ist ein potenter Hemmer der
BCR-ABL-
Tyrosinkinase, welche bei CML vorliegt. Es ist zu vermuten, dass auch zusätzliche Phosphorylierungsprozesse gehemmt werden, die eine gestörte Insulinabsonderung bewirken, und dadurch eine mögliche Erklärung für den Rückgang des Diabetes darstellen könnte.
Zusätzlich weiss man, dass einige genetische Zellveränderungen (Aberrationen) mit oxidativem Stress und Entzündungen in Verbindung stehen und eine Therapie mit
Imatinib diese Mechanismen durch die Wirkung auf den Transkriptionsfaktor NF-kB und andere Transkriptionsfaktoren beeinflussen kann. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass
Imatinib nicht nur Zellwachstum und Zellvermehrung beeinflusst, sondern auch wichtige Funktionen der Glukose-Selbstregulation (Glukosehomöostase) aufrechterhält.
Dieser sehr interessante Fallbericht zeigt die potentielle
kurative Therapieoption des Diabetes mellitus mit antineoplastischen Medikamenten auf, welche unbedingt durch Studien weiter belegt werden sollte.
Quellen:
hämatologisch
das Blut bzw. die Blutbildung betreffend
Tyrosinkinase
Enzym, das das Wachstum von Leukämiezellen anregt und therapeutisch durch Tyrosinkinase-Hemmer (Tyrosinkinase-Inhibitoren) gehemmt werden kann.
Leukozytose
Zu starke Vermehrung der weißen Blutkörperchen (Leukozyten)
Aberration
Anomalie bzw. Veränderung
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Regression
Rückentwicklung, Rückgang
Transkript
Mit Hilfe der PCR lassen sich kleinste Mengen an Erbinformationen in kurzer Zeit stark vervielfältigen, so dass auch das BCR-ABL-Gen so oft kopiert wird, bis es in ausreichender Menge vorliegt, dass es eindeutig nach- gewiesen werden kann. Diese BCR-ABL-Kopien nennt man Transkripte.
Remission
Vorübergehende oder dauerhafte Rückbildung von Krankheitszeichen. Bei Krebs: Partielle Remission = teilweises Verschwinden oder Verkleinerung von Krebszellen, komplette Remission = keine Krebszellen nachweisbar
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
Blutbild
Untersuchung der Zusammensetzung der Blutzellen nach Art und Anzahl, besonders genau im Differentialblutbild
Imatinib
Imatinib, Handelsname Glivec/Gleevec, Laborname STI-571, ein BCR-ABL-Tyrosinkinasehemmer der ersten Generation. Zugelassen seit Jahr 2002 für die Behandlung der CML und Ph-positiven ALL.
kurativ
heilend, auf Heilung ausgerichtet, Gegensatz zu palliativ
BCR-ABL
BCR-ABL ist ein Fusionsgen auf Chromosom 22. Das Chromosom mit diesem Gen wird als Philadelphia-Chromosom bezeichnet. Es kommt bei fast 95 Prozent der Patienten mit CML (Chronisch Myeloischer Leukämie) vor. Das Gen ABLim Fusionsgen enthält den Bauplan für ein Enzym, eine Tyrosinkinase. Dieses Enzym ist wesentlich an der Übertragung von Signalen beteiligt, die für die Regulation des Zellwachstums und der Zelldifferenzierung erforderlich sind. Durch die Fusion der beiden Gene wird das Tyrosinkinase-Gen aktiviert. Die Folge: Zellen mit diesem Gen vermehren sich unkontrolliert. Das molekulare Ereignis wird als Hauptursache für die Entstehung der CML angesehen.
Glivec
Imatinib wird unter dem Handelsnahmen Glivec (Hersteller Novartis) vertrieben.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
RNA
Die Ribonukleinsäure (RNA) ist der kleine Bruder der DNA . Sie ist ein einzelsträngiges kettenförmiges Molekül, das aus DNA umgeschriebene Erbinformation eines einzigen Genes enthält, und im Plasma der Zellen in das Genprodukt (= Eiweißmolekül, Protein) umgeschrieben wird (Biosynthese).
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
kurativ
heilend, auf Heilung ausgerichtet, Gegensatz zu palliativ
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.