"Fingerabdruck"-Verfahren identifiziert neuartige Targets für Glivec

Ein in der Fachzeitschrift "Nature Biotechnology" erschienener Artikel erklärt, wie Wissenschaftler des Unternehmens Cellzome mithilfe eines neuen Verfahrens den molekularen Wirkmechanismus von Glivec (Imatinib), Sprycel (Dasatinib) sowie SKI-606, eines derzeit in klinischen Tests befindlichen Wirkstoffs, bestimmen konnten. Das Team entdeckte neuartige Targets für alle drei Wirkstoffe, u.a. zwei neue Targets für Glivec.

Der Artikel trägt den Titel "Quantitative chemical proteomics reveals mechanisms of action of clinical ABL kinase inhibitors" (Wirkmechanismus klinischer ABL-Kinaseinhibitoren durch quantitative chemische Proteomik aufgedeckt). Kinobeads, das Verfahren von Cellzome, misst die quantitative Wechselwirkung von Verbindungen bzw. Wirkstoffen mit Kinasen in der Zelle und im Gewebe. Kinobeads kennzeichnet Verbindungen aufgrund ihrer Wechselwirkung mit natürlichen Kinasen und entsprechenden Target-Proteinen praktisch wie mit einem "Fingerabdruck". Die sich daraus ergebenden Informationen zeigen nicht nur die Art der Wechselwirkung einer Verbindung auf und geben Hinweise auf Krankheiten, gegen die sie eingesetzt werden könnte, sondern deuten auch auf potenzielle Nebenwirkungen hin. 

Gerard Drewes, Vizepräsident Target Discovery und Hauptverfasser der Veröffentlichung, sagte: "Dank des Kinobeads-Verfahrens sind wir in der Lage, vollständig zu verstehen, wie Kinase-Wirkstoffe auf molekularer Ebene am Wirkort in der Zelle und im Gewebe funktionieren. Wir können nicht nur die direkte Wechselwirkung des Wirkstoffs mit seinen angestammten Targets vermessen, sondern auch, wie dies die Signalweg-Ereignisse in der Zelle beeinflusst." 

Bei den in der Studie entdeckten neuen Targets von Glivec handelt es sich um die Discoidin-Domain-Rezeptor Kinase1 (DDR1) und NQO2, eine Oxidoreduktase (kein Kinase-Target). Interessanterweise wurden diese Targets durch Glivec noch stärker gehemmt als BCR-ABL, das CML-Target, für den der Wirkstoff ursprünglich entwickelt wurde. DDR1 spielt bei den Fibrosen der Lunge, Leber und der Nieren eine Rolle, Krankheiten, gegen die es bisher kaum Medikamente gibt. 

Die DDR1-Inhibition durch Glivec lässt vermuten, dass Fibrose eine mögliche, neue Indikation ist. David Simmons, Forschungschef von Cellzome, fügte hinzu: "Kinobeads eröffnet die Möglichkeit, die Wirkung eines Wirkstoffes direkt im Blut oder in Biopsieproben von Patienten zu messen und könnte daher künftig zu einem personen-spezifischen Ansatz in der Medizin beitragen." 

Kinasen sind als Enzyme deshalb so wichtig, weil sie für die Aktivierung bzw. Hemmung von Proteinen des Signalwegs der Zelle verantwortlich sind. Aufgrund ihrer Bedeutung werden ca. 30% der Ausgaben für Forschung und Entwicklung (ca. 20 Mrd. USD) gezielt für Kinasen eingesetzt, insbesondere in den Bereichen Onkologie, entzündlicher und Stoffwechselkrankheiten. 

Die ABL-Kinase zieht besonderes Interesse als Target für die Wirkstoffentwicklung auf sich, da Chromosomenanomalien zu einer dauerhaft aktiven Form des Enzyms führen können, die für die chronische myelogene Leukämia (CML) verantwortlich ist. Zu den Anwendungen des Kinobeads)-Verfahrens sagte Tim Edwards, CEO von Cellzome: "Dieses erstklassige Verfahren wird unsere eigenen Entwicklungs-Pipeline vorantreiben und es uns ermöglichen, eine neue Generation von auf Kinasen ausgerichteten Wirkstoffen für Patienten mit entzündlichen Erkrankungen zu identifizieren. Die detaillierten "Fingerabdrücke" von Kinasen, die wir erstellen, können auch für Pharmaunternehmen, die soviel wie möglich über die Wirkungsweise und das Sicherheitsprofil ihrer Arzneimittel wissen möchten, von großem Nutzen sein." 

Quelle: Pressemitteilung von Cellzome vom 27.08.2007