Knochenmarktransplantierte profitieren von einer Bewegungstherapie

Nach einer Krebsdiagnose stellen viele Patienten Sport und Bewegung ein. Dies hat vor allem während eines wochenlangen Klinikaufenthalts unabsehbare Folgen für Körper und Seele. Erstmals zeigt eine an der Deutschen Sporthochschule in Köln durchgeführte Studie, dass auch Krebspatienten nach einer Knochenmarktransplantation von einer Bewegungstherapie profitieren. 

"So Marcus, Blutdruckmanschette anlegen, ja 130 zu 70 und Puls von 65, dann versuchen wir heute mal 20 Minuten bei 75 Watt und los geht's… - Und Marcus, alles in Ordnung? - Alles ok- nicht schwindlig, Übelkeit? - Nein- Sehr gut, …"

Marcus Hirschauers Diagnose lautete: akute lymphatische Leukämie. Schon im Krankenhaus begann Dr. Freerk Baumann mit ihm und anderen Patienten ein moderates Training. Neu war der Beginn bereits während Chemotherapie, Bestrahlung und der Blut bildenden Stammzelltransplantation. Die Patienten müssen währenddessen mehrere Wochen isoliert leben, um sich vor lebensbedrohlichen Keimen zu schützen.

Durch das Training verkürzte sich bei vielen die Aufenthaltszeit im Krankenhaus und die Abwehrkräfte wurden mobilisiert.

"Das war für uns eine Überraschung, dass wir zeigen konnten, dass doch in einer solchen Phase auch der Isolation es doch möglich ist, auch da schon aktiv zu sein und diese Vorstellung, die gab's früher nicht. Die Ruhigstellung stand im Vordergrund. Und jetzt denk ich, haben wir schwarz auf weiß den Beweis gebracht, dass es doch geht. Dass ich trainieren kann, dass ich dadurch mein Immunsystem stärke und auch da nicht ausgeliefert bin und aktiv mitwirken kann", so Professor Klaus Schüle vom Institut für Rehabilitation und Behindertensport der Deutschen Sporthochschule Köln. Hier wurde die Studie durchgeführt, die erstmals die Auswirkungen von Bewegungstherapie bei und nach Knochenmark- und Stammzelltransplantation zeigen sollte. Studienleiter war Dr. Freerk Baumann:

Die 64 Patienten hatten unterschiedliche Diagnosen, die eine Knochenmarktransplantation indizierten, sprich die Knochenmarktransplantation die letzte Heilungsmethode war. Das waren vor allem akute Leukämien, chronische Leukämien, das war der Non-Hodgkin und Morbus Hodgkin, Lymphdrüsenkrebs und das waren noch andere seltenere hämatologische, sprich Blut bildende und lymphatische Erkrankungen. die 64 Patienten wurden per Zufallsprinzip in eine Kontroll- und eine Trainingsgruppe aufgeteilt. Die Patienten in der Trainingsgruppe wurden dann mit einem speziellen Trainingsprogramm trainiert, während die Kontrollgruppe täglich Krankengymnastik erhielt.

Knapp 4.000 Patienten unterziehen sich in Deutschland jedes Jahr dieser Behandlung, die mit beträchtlichen Nebenwirkungen verbunden ist. Die Patienten dürfen mehrere Wochen lang ihr Zimmer nicht verlassen und leiden daher unter anderem an den typischen Folgen eines Bewegungsmangels: die Muskeln schwinden, die Sehnen verkürzen sich und sogar die Atmung wird beeinträchtigt. 

Dr. Baumann: "Ein großer Komplikationsfaktor ist auch die Lungenentzündung bei Patienten in der Isolation. Dadurch, dass die Patienten kein eigenes starkes Immunsystem haben, viel im Bett liegen, wird die Lunge nicht richtig belüftet. Und wir schaffen es durch das Ausdauertraining eine gute Belüftung der Lungen hervorzurufen, sodass wir feststellen konnten, dass die Patienten auch in der Trainingsgruppe weniger an Lungenentzündungen litten als die in der Kontrollgruppe."

Weitere Folgen der Behandlung sind in vielen Fällen Übelkeit und Erbrechen, sowie Schlaf- und Appetitlosigkeit. Etwa 70 Prozent der Patienten leiden unter dem Fatigue-Syndrom mit Müdigkeit und Erschöpfung. Auch da ist regelmäßige Bewegung hilfreich.

Die Bewegungstherapie verbessert nicht nur die körperliche Fitness der Krebspatienten, sie kann auch helfen, wenn die Lebensqualität gemindert ist. Und das ist in vielen Fällen bereits nach der Krebsdiagnose der Fall. Sie führt bei vielen Menschen - das haben Studien ergeben - häufig zu Depressionen, Ängstlichkeit, einer veränderten Körperwahrnehmung und einer verminderten Selbstachtung. Bei der Stabilisierung der Patienten - schon während der Behandlung - kann Bewegung eine wichtige Rolle spielen, so Prof. Schüle:

"Zusammengefasst bei den positiven Wirkungen: ich kann die Lebensqualität verbessern. Die Lebensqualität hat physische Elemente, Herz-Kreislauf-System anregen, Immunsystem fördern, Widerstandskräfte stärken. Die psychosozialen Auswirkungen: ich kann mein Selbstwertgefühl steigern, ich bekomme mehr Sicherheit, ich kann selber an meiner Erkrankung was machen."

Ausdauer und Kraft verbessern und vor allem eins: selbst aktiv werden bei der Genesung, stolz darauf sein, etwas geschafft zu haben. Marcus Hirschauer hat das geholfen:

"Mal Ablenkung, nicht nur an die Situation denken, wie krank ich eigentlich bin und noch die körperliche Fitness hat mir geholfen, dass ich die Krankheit bis heute relativ gut überstanden habe." 

Quelle: dradio.de vom 02.05.2006