- Published on 28.07.2010, 15:57
- Von Jan Geissler
Houston, Texas, USA - Patienten mit
chronischer myeloischer Leukämie (CML), die auf eine Therapie mit dem Wirkstoff
Imatinib (Medikament
Glivec) nicht ausreichend ansprechen oder bei denen eine Verschlechterung der Krankheit auftritt, könnten wieder auf eine höhere Dosis des Wirkstoff
Imatinib ansprechen, so ein kürzlich vorgestellter Bericht aus den USA.
Etwa 60% der Patienten einer Untersuchung an M.D. Anderson Krebszentrum in Houston, Texas, bei denen mit der Standarddosis kein ausreichendes Ansprechen erzielt werden konnte oder bei denen sich die Ergebnisse verschlechterten, erzielten wieder ein Ansprechen nach Einnahme des Doppelten der Standarddosis von
Imatinib.
Obwohl man die Möglichkeit nicht ausschließen könne, dass das Ansprechen auch mit Fortsetzung der Standarddosis von
Imatinib aufgetreten wäre, hatten viele der Patienten, die auf die erhöhte Dosis ansprachen, ihr Ansprechen zuvor bereits verloren. Dies berichtet der Leiter der Untersuchung, Dr. Hagop M. Kantarjian, Leiter der Leukämieabteilung am M.D. Anderson.
Die Untersuchungsergebnisse, unterlegt mit anderen präklinischen und klinischen Erfahrungen, "ermutigen die Untersuchung hoher Dosen [von
Imatinib] als Ersttherapie bei Patienten mit frisch diagnostizierter CML oder CML in später
chronischer Phase", so Kantarjian.
Die Gründe für
Resistenz und Rückfall sind nicht völlig klar. Als Mechanismen werden
klonale Evolution, Punktmutationen und Überexpression oder
Amplifikation von Bcr/Abl vermutet.
Präklinische und klinische Studien zu
Imatinib legen eine Dosis-Antwort-Wirkung nahe, und es gebe auch bei
retrospektiver Beobachtung Hinweise, dass Patienten, die auf die Standardtagesdosis von 400mg nicht ausreichend reagierten, auf höhere
Imatinib-Dosen wieder ansprächen.
Die UntersuchungForscher am M.D. Anderson untersuchten hierzu 261 Patienten, die in zwei verschiedenen bereits laufenden Studien nach
Interferon-Versagen die Standard-
Imatinib-Dosis für die CML in
chronischer Phase erhalten hatten.
54 dieser Patienten erfüllten dabei eine der folgenden Kriterien, die Dr. Kantarjian als
Resistenz oder Rückfall definierte:
- nicht erreichtes komplettes hämatologisches Ansprechen (Normalisierung der peripheren Blutwerte und Verschwinden aller Zeichen und Symptome einer CML im Blut) nach 3 Monaten Therapie
- nicht erreichtes größeres zytogenetisches Ansprechen (mit weniger als 35% Philadelphia-positive Zellen) nach 12 Monaten Therapie
- hämatologischer Rückfall (definiert als Anstieg der Philadelphia-positiven Zellen um mindestens 30% bei zwei aufeinanderfolgenden Untersuchungen)
- zytogenetischer Rückfall (definiert als Anstieg der Philadelphia-positiven Zellen um mindestens 30% bei zwei aufeinanderfolgenden Untersuchungen)
Diese Patienten wurden dann mit höheren Dosen behandelt: 47 Patienten, die vormals 400mg erhalten hatten, erhielten zweimal täglich 400mg. Sieben Patienten, bei denen die initiale Dosis bereits auf auf 300mg täglich reduziert worden war, erhielten einmal täglich 600mg.
Die ErgebnisseInsgesamt erreichten in der Untersuchung 32 Patienten ein Wiederansprechen auf die gesteigerte Dosis.
Zwanzig Patienten wurden wegen hämatologischer
Resistenz oder Rückfall (Kriterien 1 und 3) behandelt. 9 dieser Patienten erreichten ein vollständiges hämatologisches Ansprechen, und 4 erreichten ein teilweises Ansprechen. Einer dieser Patienten hatte eine zytogenetische Teilantwort, definiert als Reduktion des Philadelphia-
Chromosoms (Ph) von 100% auf 10%, und einer hatte ein geringfügiges Ansprechen, definiert als eine Ph-Reduktion von 100% auf 50%.
34 Patienten wurden wegen zytogenetischer
Resistenz oder Rückfall behandelt (Kriterien 2 und 4). Sechs erreichten ein vollständiges Ansprechen; sieben Patienten eine Teilantwort; und sechs Patienten, ein geringfügiges Ansprechen.
Dosisreduktionen von 800mg auf 600mg oder 400mg waren insgesamt bei 22 Patienten wegen schwerer
Toxizität erforderlich. Nebenwirkungen beinhalteten schwere
Panzytopenie bei 13 Patienten und andere
Toxizitäten (Ermüdung, Magen-Darm-Beschwerden, Hauthautausschlag, Knochenschmerzen, Ödeme und Benommenheit) bei neun Patienten.
Nach einer mittleren Beobachtungszeit von über acht Monaten mussten 15 der 54 Patienten die
Imatinib-Therapie wegen fortgesetzter Unwirksamkeit oder Fortschritt der CML in die
akzelerierte Phase oder
Blastenkrise beenden. Ein Patient starb plötzlich und unerwartet.
Fazit und AusblickImatinib-
Resistenzen könnten nach Dr. Kantarjian eventuell durch mehrere hypothetische Ansätze überwunden werden, z.B. die Erhöhung der
Imatinib-Dosis, das Hemmen von anderen Signalwegen von
Bcr-Abl (z. B. Farnesyl-Transferase-Hemmer/FTI), Kombinationen von
Imatinib mit anderen etablierten Wirkstoffen (
Interferon-Alpha, Cytarabine), investigative Therapien (Homoharringtonine/HHT, Decitabine), oder Therapien, die spezifische Mechanismen der
Resistenz umgehen (z.B. Multidrug Resistance [MDR] Blocker).
Die gegenwärtige Analyse zeige jedenfalls, dass höhere Dosen von
Imatinib eine hämatologische Antwort wieder herbeiführen oder das zytogenetischen Ansprechen bei einigen Patienten verbessern können, bei denen das hämatologische oder zytogenetische Ansprechen auf die Standarddosis nicht ausreichend war. Dies sollte nach Ansicht von Dr. Kantarjian in zukünftigen Studien weiter untersucht werden.
Quellen:
Philadelphia-Chromosom
Charakteristisches Merkmal der chronisch myeloischen Leukämie. Die Chromosomenmutation entsteht durch Transfer des Hauptteils des langen Arms von Chromosom 9 nach Chromosom 22 (= Translokation).
Klonale Evolution
Anhäufung von DNA- (Chromosomen-) veränderungen, die zum Fortschreiten der Krankheit (Krankheitsprogression) führt
Klinische Studie
Wissenschaftliche Forschungsarbeit zur Behandlung von Krankheiten beim Menschen nach strengen medizinischen und ethischen Regeln
hämatologisch
das Blut bzw. die Blutbildung betreffend
Dosisreduktion
Verringerung der Dosis des Medikaments
Amplifikation
Herstellung vieler DNA-Kopien von einer Original-DNA- oder RNA-Zielsequenz.
Nebenwirkung
Unerwünschte Begleiteffekte einer Therapie, besonders bei Chemotherapien begrenzen Nebenwirkungen die maximal verträgliche Dosis.
Panzytopenie
Verminderung der Erythro-, Granulo- u. Thrombozyten im strömenden Blut,entweder infolge verminderter Produktion in den blutbildenden Organen (Panmyelophthise, Panmyelopathie) oder erhöhten Zelluntergangs (toxisch-allergischer Effekt) oder Verlagerung in den marginalen Pool (Hypersplenismus, Wiseman-Doan-Syndrom).
Blastenkrise
Die dritte Phase der Entwicklung von CML; sie entsteht nach der chronischen und akzelerierten Phase. Ihr Merkmal ist das Vorkommen einer zunehmenden Anzahl von unreifen Blutkörperchen („Blasten") im Blut oder Knochenmark.
retrospektiv
Studie aus der Hauptgruppe der Beobachtungsstudien und der dortigen Untergruppe der Längsschnittstudien. Hier wird eine Studie dann als retrospektiv bezeichnet, wenn die Datenerhebung schon vor Beginn der Studie stattgefunden hat.
Toxizität
Giftwirkung einer Substanz, zum Beispiel einer Chemotherapie. Diese führen zu unerwünschten Nebenwirkungen.
Interferon
Im Zusammenhang mit Leukämien üblicherweise Interferon-Alpha gemeint. Interferon (von engl. to interfere eingreifen, sich einmischen) ist ein Protein, das eine immunstimulierende und Tumorzellen angreifende Wirkung entfaltet. Es wird als körpereigenes Gewebshormon gebildet, v.a. von Leukozyten, Monozyten und Fibroblasten, kann aber auch als Medikament in körperunüblich hohen Dosen gegen Leukämien eingesetzt werden.
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Zytopenie
Zellzahlverminderung im Blut. Je nach dem, welcher Zelltyp verringert ist, spricht man auch von z.B. Leuko-, Granulo-, Lympho-, Mono-, Erythro- oder Thrombozytopenie.
Mutation
Veränderung der Abfolge von Bausteinen im Erbgut (DNS). Mutationen können zu Änderung oder Verlust der Funktion von Genen führen und damit das Verhalten von Zellen beeinflussen (lat. mutatio Veränderung, Wechsel)
Imatinib
Imatinib, Handelsname Glivec/Gleevec, Laborname STI-571, ein BCR-ABL-Tyrosinkinasehemmer der ersten Generation. Zugelassen seit Jahr 2002 für die Behandlung der CML und Ph-positiven ALL.
Blasten
Unreife Zellen, z. B. Blutzellvorläufer im Blut oder Knochenmark
Symptom
Krankheitszeichen (griechisch Zufall, Begebenheit, Begleiterscheinung)
BCR-ABL
BCR-ABL ist ein Fusionsgen auf Chromosom 22. Das Chromosom mit diesem Gen wird als Philadelphia-Chromosom bezeichnet. Es kommt bei fast 95 Prozent der Patienten mit CML (Chronisch Myeloischer Leukämie) vor. Das Gen ABLim Fusionsgen enthält den Bauplan für ein Enzym, eine Tyrosinkinase. Dieses Enzym ist wesentlich an der Übertragung von Signalen beteiligt, die für die Regulation des Zellwachstums und der Zelldifferenzierung erforderlich sind. Durch die Fusion der beiden Gene wird das Tyrosinkinase-Gen aktiviert. Die Folge: Zellen mit diesem Gen vermehren sich unkontrolliert. Das molekulare Ereignis wird als Hauptursache für die Entstehung der CML angesehen.
Ödeme
Wassersucht, Ansammlung von Wasser und zugehörigen Salzen im Gewebe.
Glivec
Imatinib wird unter dem Handelsnahmen Glivec (Hersteller Novartis) vertrieben.
Klon
Meist Zellklon gemeint. Gruppe von genetisch identischen Zellen, die alle durch Teilung aus einer einzigen Mutterzelle hervorgegangen sind und identische Merkmale haben
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.
RNA
Die Ribonukleinsäure (RNA) ist der kleine Bruder der DNA . Sie ist ein einzelsträngiges kettenförmiges Molekül, das aus DNA umgeschriebene Erbinformation eines einzigen Genes enthält, und im Plasma der Zellen in das Genprodukt (= Eiweißmolekül, Protein) umgeschrieben wird (Biosynthese).
Ras
Ras ist ein G-Protein, das nach Aktivierung durch Wachstumsfaktoren mit Tyrosinaseaktivität GTP bindet und damit die Signaltransduktionskaskade weiterleitet.
CHR
Komplette hämatologische Remission (complete haematologic response).
Arm
= Behandlungsgruppe. Eine klinische Studie ist einarmig, wenn es nur eine Behandlungsgruppe und keine Kontrollgruppe gibt. In den meisten Studien gibt es zwei oder mehr Arme.
Klonale Evolution
Anhäufung von DNA- (Chromosomen-) veränderungen, die zum Fortschreiten der Krankheit (Krankheitsprogression) führt
Chronische Phase
Die früheste Phase in der Entwicklung von CML
Chronische Phase
Die früheste Phase in der Entwicklung von CML
retrospektiv
Studie aus der Hauptgruppe der Beobachtungsstudien und der dortigen Untergruppe der Längsschnittstudien. Hier wird eine Studie dann als retrospektiv bezeichnet, wenn die Datenerhebung schon vor Beginn der Studie stattgefunden hat.
retrospektiv
Studie aus der Hauptgruppe der Beobachtungsstudien und der dortigen Untergruppe der Längsschnittstudien. Hier wird eine Studie dann als retrospektiv bezeichnet, wenn die Datenerhebung schon vor Beginn der Studie stattgefunden hat.
Chromosomen
Träger des Erbguts im Zellkern. Sie enthalten die riesigen Kettenmoleküle der DNA kompakt verdrillt und gefaltet als Aggregate mit speziellen Proteinen. Die Chromosomen dienen unter anderem bei der Zellteilung der gleichen Verteilung des Erbguts auf die Tochterzellen. Die normalen menschlichen Körperzellen haben 46 Chromosomen. Bei Krebszellen kann die Zahl und/oder Struktur der Chromosomen verändert sein.
Chromosomen
Träger des Erbguts im Zellkern. Sie enthalten die riesigen Kettenmoleküle der DNA kompakt verdrillt und gefaltet als Aggregate mit speziellen Proteinen. Die Chromosomen dienen unter anderem bei der Zellteilung der gleichen Verteilung des Erbguts auf die Tochterzellen. Die normalen menschlichen Körperzellen haben 46 Chromosomen. Bei Krebszellen kann die Zahl und/oder Struktur der Chromosomen verändert sein.
exprimieren
Als Genexpression bezeichnet man die Bildung eines von einem Gen kodierten Genprodukts, vor allem von Proteinen oder RNA-Molekülen. Das zugehörige Verb lautet exprimieren.
Toxizität
Giftwirkung einer Substanz, zum Beispiel einer Chemotherapie. Diese führen zu unerwünschten Nebenwirkungen.
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
chronisch
langanhaltend, sich langsam entwickelnd
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
myeloisch
das Knochenmark betreffend. Im engeren Sinne die Bildung von bestimmten weißen Blutzellen, den Granulozyten, im Knochenmark betreffend
Resistenz
Unempfindlichkeit gegenüber einer Behandlung, z.B. von Krebszellen gegen eine Therapie
Mutation
Veränderung der Abfolge von Bausteinen im Erbgut (DNS). Mutationen können zu Änderung oder Verlust der Funktion von Genen führen und damit das Verhalten von Zellen beeinflussen (lat. mutatio Veränderung, Wechsel)
Symptom
Krankheitszeichen (griechisch Zufall, Begebenheit, Begleiterscheinung)
Ödeme
Wassersucht, Ansammlung von Wasser und zugehörigen Salzen im Gewebe.
Gen
Informationseinheit des Erbgutes, enthält meist den Bauplan für ein Protein. Die Gene liegen im Zellkern in Form von DNS vor.